IWB Nr. 23 vom Seite 1

Schritte

Nils Henrik Feddersen | Verantw. Redakteur | iwb-redaktion@nwb.de

Es ist [i]Versuchsballon und Sprungbrett reiner Zufall, dass zwei Beiträge dieser IWB in der Überschrift oder im Untertitel die normative Entwicklung mit „Schritten“ vergleichen. Während Seer auf dem deutschen Gesetzgeber einen „zaghaften Schritt zur kooperativen Außenprüfung“ durch die Experimentiernorm des Art. 97 § 38 EGAO konzediert, klingen Marburg/Ziegler auf noch fragend, ob der Kommissionsvorschlag für eine EU-Verrechnungspreisrichtlinie „ein Schritt zu einer Vereinheitlichung und mehr Rechtssicherheit“ sei. Am Ende ihrer Darstellung, die sich auf einige wesentliche Punkte des Vorschlags konzentriert, ist das Fazit der Autoren deutlich bejahend. Sie wünschen sich zwar noch mehr Änderungen, halten die rasche Umsetzung einer solchen Richtlinie aber für wünschenswert.

[i]Die Fähigkeit, das Wort „Nein“ auszusprechen, ist der erste Schritt zur FreiheitDie Risiken benennen die Autoren von Deloitte deutlich und sie verschweigen auch nicht grundsätzliche Kritik an diesem EU-Vorhaben. Dieses darf man in der Tat als „Sprungbrett“ für weitere Harmonisierungen verstehen. Es ist unabweisbar, dass die Komplexität des Regelwerks internationaler Besteuerung durch verbindliche Normierung auf höherer Ebene reduziert werden kann. Indes ist es keine Kleinigkeit, dass der EU die Gesetzgebungskompetenz für die direkten Steuern fehlt. Warum der EuGH in der Folge die Judikative im Bereich der Verrechnungspreise erhalten sollte, ist ebenfalls keine verfahrensrechtliche Petitesse. Hier geht es doch offenbar um die bewusste Überdehnung des verfassungsrechtlichen Rahmens (Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und Subsidiaritätsgrundsatz des Artikels 5 des Lissabon-Vertrags). Die Trippelschritte gehen stets auf Neue in Richtung einer Zentralisierung der Normsetzungskompetenz und blank gesagt, Zuständigkeits- und Machterweiterung der EU. Und vielleicht sind dies Schritte in die falsche Richtung. Das Recht der direkten Steuern und originäre fiskalische Einnahmen sind den Nationalstaaten zugeordnet. Da gilt kein zwei Schritte vor, einer zurück. Darum sollten sich Mitgliedstaaten finden, die „Nein“ zu diesem Vorschlag sagen. Wie heißt es? Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts.

[i]Auch eine Reise von 1.000 Meilen beginnt mit dem ersten SchrittZurück zur eingangs genannten nationalen Lösung im Art. 97 § 38 EGAO. Die Stellung im Normenkatalog ist eher versteckt, auch die Auslaufklausel und damit eine zunächst definitive Befristung der Vorschrift ist untypisch. Doch für eine „Erprobung alternativer Prüfungsmethoden“ ist das vielleicht kein schlechter Einstieg. Dass sich in der Außenprüfung international tätiger Unternehmen etwas tun muss, darüber besteht weitgehend Konsens. Wenn die Prüfungserleichterungen also zunächst in das finanzbehördliche Ermessen gestellt sind, muss dies kein Schaden sein. Die personelle Not ist universell und daher ist zu erwarten, dass hier nicht zu engherzig entschieden wird. Ein Schritt folgt hier dann dem anderen, hoffentlich.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe

Nils Henrik Feddersen

Fundstelle(n):
IWB 23 / 2023 Seite 1
UAAAJ-53903