NWB Nr. 48 vom Seite 3225

Für die Praxis gut handhabbar

Dr. Mirko Wolfgang Brill | Rechtsanwalt, Steuerberater | Partner der c•k•s•s Carlé • Korn • Stahl • Strahl Partnerschaft mbB Rechtsanwälte Steuerberater in Köln

Die BFH-Urteile zur umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge bei der ertragsteuerlichen Organschaft

[i]BFH, Urteile v. 11.7.2023 - I R 21/20, YAAAJ-53060; I R 36/20, IAAAJ-53061; I R 40/20, SAAAJ-53062; I R 45/20, CAAAJ-53063 Nachdem die umsatzsteuerliche Organschaft in der jüngeren Vergangenheit mehrmals im Fokus der Rechtsprechung stand, hat der BFH nun in vier am veröffentlichten Urteilen zur ertragsteuerlichen Organschaft die Frage geklärt, was für die finanzielle Eingliederung im Falle einer unterjährigen Verschmelzung des Organträgers gilt. Streitig war, ob es einer umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung der Verschmelzung auf den Beginn des Wirtschaftsjahres bedurfte oder ob die Anwendung der umwandlungssteuerrechtlichen Rechtsnachfolge ausreicht. Den Urteilen lagen annähernd gleiche Sachverhalte zugrunde: Eine Organgesellschaft ist finanziell in einen Organträger eingegliedert, der unterjährig auf einen anderen Organträger verschmolzen wird, wobei der steuerliche Übertragungsstichtag nach dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft liegt. Es stellt sich die Frage, ob die finanzielle Eingliederung in den übernehmenden Rechtsträger als dem neuen Organträger bereits von Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft erfüllt war, obwohl diese vor der Verschmelzung (noch) in den übertragenden Rechtsträger eingegliedert war. Die Finanzverwaltung verneinte dies. Demgegenüber bejahten bereits sämtliche Finanzgerichte die durchgehende Eingliederung unter Anwendung der sog. Fußstapfentheorie, nach welcher die übernehmende Gesellschaft (Organträger neu) umfassend in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft (Organträger alt) eintritt. Es müsse darüber hinaus eine umwandlungssteuerliche Rückbeziehung des umwandlungssteuerrechtlichen Übertragungsstichtags auf den Beginn des Wirtschaftsjahres gegeben sein, woran es in den Streitfällen fehlte. Der Umwandungsstichtag lag stets außerhalb des Rückbeziehungszeitraums. Der I. Senat bestätigt die Ansicht der Instanzgerichte, deren Grundlage er bereits mit seiner Rechtsprechung im Jahr 2010 gelegt hatte, in welcher er sich zu den Folgen umwandlungssteuerrechtlicher Vorgänge für die finanzielle Eingliederung äußerte. Die Fußstapfentheorie, d. h. das umfassende und vorbehaltlose Eintreten in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft gelte auch für diese. Das gelte selbst dann, wenn es an einer umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung des Übertragungsstichtags auf den Beginn des Wirtschaftsjahres fehle. Es reicht damit also aus, wenn ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft eine finanzielle Eingliederung zunächst zum übertragenden und anschließend zum übernehmenden Rechtsträger besteht. Das Verhältnis der umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolge zur umwandlungssteuerlichen Rückbeziehung sieht er als gleichberechtigt nebeneinander an; beide können, müssen aber nicht den gleichen Zeitraum betreffen. Auch sei es unbeachtlich, wenn der neue Organträger zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft rechtlich noch nicht existiert habe. Es komme auch nicht zu einer Verdoppelung des Zuordnungssubjekts Organträger. Der BFH bestätigt damit die weit überwiegende Auffassung im Schrifttum. Letztlich folgt aus der Rechtsprechung die (anwenderfreundliche) Weiterentwicklung des Zusammenspiels umwandlungssteuerlicher Normen mit den restriktiv auszulegenden Organschaftsnormen in einer für die Praxis „gut handhabbaren“ Art und Weise. Darüber hinaus enthalten die Urteile weitere, für die ertragsteuerliche Organschaft relevante (grundlegende) Feststellungen.

Mirko Wolfgang Brill

Fundstelle(n):
NWB 2023 Seite 3225
JAAAJ-53535