Der eine und der andere Gewinn
Liebe Leserinnen und Leser,
die Komplexität des Steuerrechts resultiert nicht zuletzt aus der Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe, die mehr oder weniger wertungsoffen sind und der Auslegung bedürfen. Markantes Beispiel ist der Gewinnbegriff in verschiedenen steuerrechtlichen Normen.
„Gewinn“ nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Das Ergebnis wird mittels komparativer Statik – der Gegenüberstellung der Reinvermögen zu zwei Zeitpunkten – unmittelbar ermittelt und kann auch zu einem Negativbetrag (Verlust) führen, was vom Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird.
Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg ist unter „Gewinn” i. S. von § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG der Steuerbilanzgewinn und nicht der steuerliche Gewinn i. S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu verstehen (Urteil v. - 10 K 1873/22 NWB QAAAJ-45129). Eine Korrektur um außerbilanzielle Posten wie nichtabziehbare Betriebsausgaben oder einkommensteuerfreie Einnahmen (z. B. Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 EStG) findet daher nicht statt.
Damit tritt das FG dem BMF in seinem Schreiben v. - IV C 6 - S 2139-b/21/10001 :001, BStBl 2022 I S. 945 NWB JAAAJ-15870, entgegen. Der Wortlaut des § 7g EStG deute auf eine Maßgeblichkeit des nicht fortgerechneten Ergebnisses hin. Außerdem wolle der Gesetzgeber offenbar zum Ausdruck bringen, dass neben einer bilanziellen Gewinngröße auch ein Bezug zum Ergebnis einer Einnahmenüberschussrechnung möglich ist (weiterführend Seifert, NWB 35/2023 S. 2406 NWB SAAAJ-46871; Riepolt, StuB 20/2023 S. 809 NWB JAAAJ-50006). Das Verfahren ist inzwischen beim BFH anhängig (Az. X R 14/23 NWB BAAAJ-46508).
Klärungsbedürftig sind darüber hinaus auch andere gesetzliche Anknüpfungen an den Gewinn – etwa bei der Zinsschranke (§ 4h Abs. 3 Satz 1 EStG) oder bei der Begünstigung nicht entnommener Gewinne (§ 34 Abs. 2 EStG). Ganz aktuell sind Fragen bei der Ermittlung des Mindeststeuer-Gewinns nach § 15 Abs. 1 MinStG.
Gleich in mehrfacher Hinsicht „gewinnbringend“ wird für Sie jedoch ohne Zweifel die Lektüre dieser Februarausgabe der NWB Steuer und Studium mit Anregungen zu Studium und Prüfungsvorbereitung sein.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!
Herzliche Grüße
Ihr
Franz Jürgen Marx
Fundstelle(n):
SteuerStud 2/2024 Seite 69
HAAAJ-53352