BVerwG Beschluss v. - 2 WDB 1/23

Zur Rechtmäßigkeit von Nebenentscheidungen nach § 126 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WDO

Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 7 SG, § 8 SG, § 10 Abs 1 SG, § 10 Abs 3 SG, § 10 Abs 6 SG, § 12 S 2 SG, § 17 Abs 1 SG, § 17 Abs 2 S 1 SG, § 17 Abs 2 S 3 SG, § 20 Abs 2 Nr 2 SG, § 55 Abs 5 SG, § 67 Abs 5 SG, § 31 WStrG, § 126 Abs 1 WDO 2002, § 126 Abs 2 S 1 WDO 2002, § 126 Abs 5 S 3 WDO 2002, § 309 Abs 2 StPO, § 185 StGB

Tatbestand

1Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Truppendienstgerichts, mit dem eine vorläufige Dienstenthebung, ein Uniformtrageverbot und die Einbehaltung von Dienstbezügen um 35 % aufgehoben wurden.

21. Der ... geborene, weder disziplinarisch noch strafrechtlich vorbelastete Soldat ist Hauptfeldwebel, dessen Dienstzeit als Soldat auf Zeit regulär am 31. März ... endet. Er bezieht gekürzte Dienstbezüge in Höhe von 1 925 € netto und ist Vater eines Anfang 2023 geborenen Sohnes. Seine Lebensgefährtin erhält Elterngeld von monatlich 895 € netto und Kindergeld von monatlich 250 €.

32. Im 2. und 3. Quartal 2020 war der Soldat als Ausbilder und Gruppenführer im ... Zug der ...kompanie ... eingesetzt.

43. Seine letzte planmäßige Beurteilung vom weist als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "6,2" ("die Leistungserwartungen wurden ständig übertroffen") aus. Der Soldat sei ein überzeugter und selbstbewusster ... Die Anforderungen erfülle er mit viel Leidenschaft und er komme immer zu guten Ergebnissen. Hin und wieder wolle er dabei zu viel. Beseelt von einer umfangreichen Kreativität, sei sein "Abholpunkt" manches Mal zu ambitioniert und dies verlange Anpassung an die Rahmenbedingungen. Seine Leidenschaft für die Fallschirmjägertruppe treibe ihn an und mache ihn zu einem robusten Kämpfer. Für ihn und seine Soldaten müsse er jedoch auch die Zeichen der Belastung wahrnehmen und dürfe nicht zu weit gehen. Auf handwerklicher Ebene versiert und fachlich solide müsse er auf der Führungsebene noch etwas nachlegen.

5In einer dienstlichen Erklärung des Kompaniechefs des ...zentrums ... vom heißt es, der Soldat sei seit April 2020 Ausbilder und Gruppenführer in der ...kompanie ... im 4. Zug. Seine Aufgabe sei es, die ...feldwebelanwärter auszubilden. Er verfüge über eine langjährige Erfahrung im Bereich der ...truppe und habe sich bereits im Einsatz bewährt. Das Leistungsbild des Soldaten bewege sich im Mittelfeld. Das Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten sei stets respektvoll und militärisch korrekt. Er verfüge über eine sehr gute Dienstauffassung und identifiziere sich mit seinem Beruf als Soldat, militärischer Führer und Ausbilder. Im täglichen Grundbetrieb eher zurückhaltend, lege er sein volles Engagement in die Ausbildung der Soldaten. Hierbei werde er zuweilen sehr emotional, was auf der einen Seite als Engagement zu werten sei, jedoch offensichtlich auch zu den behaupteten Dienstvergehen geführt habe. Aus Emotionalität habe der Soldat (anscheinend) jedes Maß und jede rationale Abwägung verloren, obwohl er über solide kognitive Fähigkeiten verfüge. Die an ihn gestellten Erwartungen als Ausbilder erfülle er meist zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Sollten sich die Vorwürfe gegen ihn bestätigen, sei der Disziplinarvorgesetzte davon überzeugt, dass sich der Soldat der Schwere seiner Verfehlungen seinerzeit nicht bewusst gewesen sei. Eine Wiederholung halte er für äußerst unwahrscheinlich. Eine gefestigte rechtsradikale oder gar rechtsextreme Gesinnung liege nach Einschätzung des Disziplinarvorgesetzten nicht vor. Zu keinem Zeitpunkt seien Gedanken dieser Art durch den Soldaten geäußert worden; im Übrigen sei dieser auch nie negativ in Erscheinung getreten.

64. Mit Verfügung vom wurde gegen den Soldaten wegen gegen § 7 Halbs. 1, § 8 Halbs. 2, § 10 Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 6 SG, § 12 Satz 2 Halbs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßender Verhaltensweisen das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet. Zugleich wurde er vorläufig des Dienstes enthoben, ihm verboten, Uniform zu tragen, und die Einbehaltung von 35 % seiner Dienstbezüge angeordnet (Nebenentscheidungen). Zugrunde lag dem eine Anfang 2021 eingegangene anonyme Mitteilung an die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags über Fehlverhalten auch des Soldaten. Sie führte zu zahlreichen Zeugenvernehmungen.

75. Mit Anschuldigungsschrift vom wurde der Soldat folgender Pflichtverletzungen angeschuldigt:

"1. Der Soldat äußerte mehrfach zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum April bis September 2020 an nicht mehr genau feststellbaren Orten innerhalb der Liegenschaft der ...-Kaserne, ... in ..., während der Ausbildung gemäß Anweisung zur Truppenausbildung 2 und 3, Dienstpostenausbildung ...feldwebel, in Anwesenheit mindestens eines weiteren Kameraden des ... Zuges,

a) namentlich des Zeugen Feldwebel A und des Zeugen Feldwebel B, gegenüber ihm unterstellten Kameraden 'Ihr Mülleimer!', 'Ihr Idioten!', 'Sind Sie zu dumm, um das zu verstehen oder wollen Sie es nicht verstehen?' und 'Made!', um seine Missachtung gegenüber den unterstellten Kameraden zum Ausdruck zu bringen, wobei 'Made' für 'Militärisch auszubildende Diensteinheit' stehen sollte, was jedoch nur vorgeschoben war, um die abfällige Äußerung unauffällig zu verpacken,

b) namentlich des Zeugen Feldwebel B, gegenüber ihm unterstellten Kameraden 'Sie sind scheiße und zu nichts zu gebrauchen!', 'Arschloch!' und 'Spasti', um seine Missachtung gegenüber den unterstellten Kameraden zum Ausdruck zu bringen,

c) namentlich des Zeugen Feldwebel C und des Zeugen Feldwebel D, gegenüber ihm unterstellten Kameraden 'Hurensohn!', um seine Missachtung gegenüber den unterstellten Kameraden zum Ausdruck zu bringen,

d) namentlich des Zeugen Feldwebel A, des Zeugen Feldwebel B, des Zeugen Feldwebel C und des Zeugen Feldwebel D, gegenüber ihm unterstellten Kameraden 'Da bekomme ich Hakenkreuze in den Augen!', obwohl er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er damit den Eindruck erweckte, er würde sich mit der völkerverachtenden Kampfesideologie des NS-Unrechtregimes in geistige Verbundenheit stellen,

e) namentlich des Zeugen Feldwebel A, des Zeugen Feldwebel B, des Zeugen Feldwebel C und des Zeugen Feldwebel D, gegenüber ihm unterstellten Kameraden "Ihr wollt Fallschirmjäger sein? Momentan seid ihr nichts! Als Fallschirmjäger wollen wir brandschatzen, jagen, morden und vergewaltigen!", um seine Missachtung gegenüber den unterstellten Kameraden zum Ausdruck zu bringen, wobei ihm bewusst war, dass er mit dieser Aussage die Truppengattung der Fallschirmjäger herabwürdigte, Kriegsverbrechen glorifizierte und diese Aussage derart eklatant gegen die Grundsätze der Inneren Führung verstieß,

f) namentlich des Zeugen Feldwebel A, des Zeugen Feldwebel D und des Zeugen Feldwebel E gegenüber ihm unterstellten Kameraden 'Da werd ich zum Hitler!', obwohl er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er damit den Eindruck erweckte, er würde sich mit der völkerverachtenden Kampfesideologie des NS-Unrechtregimes in geistige Verbundenheit stellen,

g) namentlich des Zeugen Feldwebel B gegenüber ihm unterstellten Kameraden 'Da dreht sich Hitler im Grabe um!', obwohl er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er damit den Eindruck erweckte, er würde sich mit der völkerverachtenden Kampfesideologie des NS-Unrechtregimes in geistige Verbundenheit stellen.

2. Der Soldat bildete zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten, jedenfalls aber im Zeitraum April 2020 bis September 2020 im Rahmen der Ausbildung im Orts- und Häuserkampf im sogenannten 'Dinohausen', im sogenannten 'Maze-House' und im Rahmen der Ausbildung 'Grabenkampf' im Grabensystem innerhalb der Liegenschaft der ...-Kaserne, ... in ..., während der Ausbildung gemäß Anweisung zur Truppenausbildung 2 und 3, Dienstpostenausbildung ...feldwebel, die ihm unterstellten Kameraden des ... Zuges der ...Kp ... entgegen der Regelung A2-222/0-0-4743 'Handgranaten und die Granatpistole 40 mm' dahingehend aus, dass diese sich opfern sollten, indem sie eine in ein Gebäude oder in das Grabensystem hineingeworfene Übungshandgranate entweder zurückwerfen oder - sofern das nicht möglich ist - sich auf diese drauflegen sollten, um den Trupp zu schützen, mit der Folge, dass sich im o.g. Zeitraum an einem nicht mehr genau feststellbaren Ort, jedenfalls im sogenannten 'Dinohausen' in o.g. Liegenschaft der ihm unterstellte Kamerad, der Zeuge Feldwebel A, am Daumen verletzte, als er sich aufgrund der regelwidrigen Ausbildungsmethode auf eine scharfe Übungshandgranate, die der gesondert Verfolgte Hauptfeldwebel F warf, schmiss, um diese festzuhalten und sich zu opfern, und diese sodann umsetzte, so dass er für mindestens zwei Tage krank auf Stube verbleiben musste.

3. Der Soldat warf zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum April bis September 2020 an nicht mehr genau feststellbaren Orten innerhalb der Liegenschaft der ...-Kaserne, ... in ..., jedoch mindestens einmal im sogenannten 'Maze-House' und im sogenannten 'Dinohausen' während der Ausbildung gemäß Anweisung zur Truppenausbildung 2 und 3, Dienstpostenausbildung ...feldwebel, entgegen der ihm bekannten Regelung Nummer 904 der Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4743 'Handgranaten und die Granatpistole 40 mm' mindestens eine scharfe Übungshandgranate als auch mindestens einmal den leeren Übungshandgranatenkörper gezielt auf seine unterstellten Kameraden, obwohl er wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass er die ihm unterstellten Kameraden einem erheblichen Verletzungsrisiko aussetzte."

86. Nachdem der Kommandeur des Ausbildungskommandos den Antrag des Soldaten auf Aufhebung der Nebenentscheidungen mit - dem Soldaten am zugestellten - Bescheid vom zurückgewiesen hatte, hat das Truppendienstgericht dem dagegen gestellten Antrag des Soldaten vom mit - ohne Rechtsbehelfsbelehrung versehenem - Beschluss vom stattgegeben. Über den Entscheidungstermin war ausschließlich der Verteidiger des Soldaten informiert worden. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hatte unter dem erklärt, die Ermittlungsakte "unverzüglich nebst Stellungnahme" an das Truppendienstgericht zu versenden.

9In der Beschlussbegründung heißt es im Wesentlichen, es könne dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für die Nebenentscheidungen gegeben seien, insbesondere die Prognose einer Dienstgradherabsetzung (bezüglich der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbots) bzw. der Höchstmaßnahme (bezüglich der Einbehaltung von Dienstbezügen) zutreffe; jedenfalls sei die Ermessensentscheidung unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Soldat nicht als gleich geeignete, ihn weniger belastende Maßnahme "ausbildungsfern" auf einen anderen Dienstposten, der keinen direkten Kontakt mit Untergebenen verlange, wegversetzt worden sei. Angesichts der "Typik" des vorgeworfenen Dienstvergehens, das von dem Ausbildungsbezug im Vorgesetzten-/Untergebenen-Verhältnis lebe und dessen Wiederholung in einer Stabseinkleidung undenkbar erscheine, sei es dem Dienstherrn auch wegen dessen Fürsorgepflicht zumutbar, den Soldaten in dieser Weise einzusetzen.

10Die Argumentation des Bundes, dass der Soldat als Vorgesetzter wegen seines Vorbildcharakters eine erhebliche Nachahmungsgefahr begründe, und bei einem Verzicht auf diese Maßnahmen die "Gefahr einer Legalisierung" des Verhaltens bestehe, greife zu kurz. Wenn mit dem ersten Punkt schon nicht auf die Frage eingegangen sei, ob dem nicht durch eine Wegversetzung habe entgegengewirkt werden können, frage sich beim zweiten Punkt - der "Legalisierungsgefahr" -, warum sie bestehen solle, wenn bereits durch die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gezeigt werde, dass der Vorwurf nicht ignoriert werde. Mit dem Argument der "Gefahr einer Legalisierung" werde der Ausnahmecharakter der Nebenentscheidungen ignoriert. Das Argument, Angehörige der Bundeswehr und Bürger hätten kein Verständnis dafür, wenn der Soldat weiterhin im Dienst verbleibe, habe kein rechtliches Gewicht. Die Entscheidung habe sich ausschließlich am Rechtsstaatsprinzip auszurichten und nicht nach dem "Empfinden des Volkes".

11Auch sei das Argument eines vermeintlich zerrütteten Verhältnisses, dem durch die Übertragung eines anderen Dienstpostens wegen der Schwere der Vorwürfe nicht gerecht werden könne, abzulehnen. Es komme ausschließlich darauf an, ob es bei der konkret vorgesehenen Weiterverwendung des Soldaten wahrscheinlich zu einer Störung des Dienstbetriebs oder der Disziplin komme. Dies setze eine Prognose voraus, die sich an der konkreten Art des Dienstvergehens und der Persönlichkeitsstruktur des Soldaten zu orientieren habe. Dem entspreche, dass sich die Unverhältnismäßigkeit aus konkreten Umständen des Einzelfalls ergeben müsse. Im vorliegenden Fall erscheine es kaum denkbar, dass sich die vorgeworfenen Handlungen in einem nicht ausbildungsgeprägten Umfeld wiederholten.

127. Mit ihrer am gegen den Beschluss erhobenen Beschwerde trägt die Wehrdisziplinaranwaltschaft im Wesentlichen vor, der Soldat sei hinreichend verdächtig, ihm zur Ausbildung Untergebene unwürdig behandelt und körperlich angegriffen zu haben, den Eindruck erweckt zu haben, sich nicht auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bewegen sowie gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen zu haben, indem er von Untergebenen verlangt habe, dass sie eine Übungshandgranate entweder zurückwerfen oder sich auf diese legen sollten.

13Die Einleitungsbehörde habe spätestens in ihrer Entscheidung vom umfangreich ausgeführt, weshalb sie den Einsatz des Soldaten auf einem anderen Dienstposten auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht für vertretbar erachte. Ein Soldat, der in stressbehafteten Momenten Untergebene beleidige, Sicherheitsbestimmungen missachte und den Eindruck erwecke, nicht verfassungstreu zu sein, sei auf keinem Dienstposten einsetzbar. Zudem bestehe die Gefahr, dass das Ansehen der Bundeswehr ernstlich beschädigt werde, wenn der Soldat weiterhin seinen Dienst ausübe. Allein die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens sei nicht ausreichend, um der Gefahr einer "Legalisierung" zu begegnen. Bei einer Wegversetzung entstehe auch der Eindruck, die Pflichtverletzungen würden als gering eingeschätzt.

14Im Übrigen habe die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Vorsitzenden der Truppendienstkammer unter dem mitgeteilt, dass eine Stellungnahme von ihr bislang (nur) deshalb nicht erfolgt sei, weil sich die Akten noch an anderer Stelle befänden, man könne jedoch in der Sache telefonieren. Unter dem habe dessen Geschäftsstelle mitgeteilt, dass der Vorsitzende in der 2. Oktoberwoche auf sie zukommen werde. Dies sei aber nicht geschehen; vielmehr sei es ohne Weiteres zum Erlass des Beschlusses gekommen.

158. Der Soldat tritt der Beschwerde entgegen. Der Beschluss sei rechtsfehlerfrei, insbesondere verfüge er über keine verfassungsfeindliche Gesinnung.

169. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Gründe

17Die nach § 114 WDO zulässige Beschwerde ist im Wesentlichen begründet.

181. Schwerwiegende Verfahrensfehler, die das Beschwerdegericht nicht beheben kann und die daher abweichend vom Grundsatz des - gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO anwendbaren - § 309 Abs. 2 StPO eine Zurückverweisung ausnahmsweise rechtfertigen ( - BGHSt 38, 312 Rn. 5 und vom - StB 9/12 - NStZ-RR 2013, 16), liegen nicht vor. Zwar hat das Truppendienstgericht zum einen über die Sache trotz Ankündigung der Wehrdisziplinaranwaltschaft, schriftsätzlich noch vortragen zu wollen, ohne deren vorherige Information über den Beratungstermin entschieden und ihr damit rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) versagt; zum anderen hat es entgegen § 113 Satz 1 WDO i. V. m. § 106 Abs. 1 WDO (Dau/Schütz, WDO, 8. Aufl. 2022, § 114 Rn. 1) keine Würdigung der Beweismittel - in Form zahlreicher Zeugenaussagen - vorgenommen. Diese Verfahrensmängel können jedoch im Beschwerdeverfahren geheilt werden und rechtfertigen eine ausnahmsweise Abweichung vom gesetzlichen Zurückverweisungsverbot nicht.

192. In der Sache hat die Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts, eine Überprüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der § 126 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 WDO erübrige sich bereits wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, keinen Bestand. Eine vorläufige Dienstenthebung, eine Bezügekürzung und ein Uniformtrageverbot sind nicht schon dann unverhältnismäßig, wenn eine Versetzung auf einen anderen Dienstposten möglich ist und dadurch eine Wiederholung des gleichen Dienstvergehens verhindert wird. Denn für die Verhältnismäßigkeit der vorläufigen Maßnahmen kommt es - wie § 126 Abs. 2 WDO zeigt - auf die Schwere des Dienstvergehens und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn in den Soldaten an. Sie kann daher nicht ohne eine vorläufige tatsächliche und rechtliche Würdigung des angeschuldigten Verhaltens beurteilt werden. Zum einen unter dem tatsächlichen Gesichtspunkt, ob und in welchem Umfang die Pflichtverletzungen dem Soldaten mit hoher Wahrscheinlichkeit nachzuweisen sein werden, und zum anderen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, welche Schwere die Pflichtverletzungen konkret aufweisen. Die Feststellung eines Dienstvergehens und dessen konkrete Schwere sind nicht nur für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Disziplinarmaßnahme von zentraler Bedeutung (vgl. 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 45 und Beschluss vom - 2 WDB 13.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 16 Rn. 26), sondern auch für die Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang vorläufige Maßnahmen nach § 126 WDO geeignet, erforderlich und insbesondere im engen Sinne angemessen sind. Denn die Schwere des Dienstvergehens bestimmt auch die Schwere der Auswirkungen auf das Ansehen der Bundeswehr. Sie ist ferner maßgeblich für die Prognose, ob eine empfindliche Störung oder erhebliche Gefährdung des Dienstbetriebs bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst zu erwarten steht ( 2 WDB 14.22 - juris Rn. 18). Die Schwere des Dienstvergehens bildet mithin einen bedeutsamen Bezugspunkt für die im Hinblick darauf angemessene Nebenentscheidung. Dies folgt bereits daraus, dass das Gesetz bei den einzelnen Nebenentscheidungen (Uniformtrageverbot und vorläufige Dienstenthebung nach § 126 Abs. 1 WDO, vgl. 2 WDB 6.05 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 27, Einbehaltung von Dienstbezügen nach § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO) an die jeweils zu erwartende Disziplinarmaßnahme anknüpft, welche sich wiederum (auch) aus der "Eigenart und Schwere des Dienstvergehens" (§ 38 Abs. 1 WDO) ableitet. Art und Intensität der Verfehlung bestimmen regelmäßig den Umfang der Beeinträchtigung von Achtung und Vertrauen und geben damit zugleich einen Hinweis für das "Wie" der disziplinaren Reaktion ( - juris Rn. 27).

203. Die mit Verfügung vom verhängten Nebenentscheidungen nach § 126 WDO sind im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bis auf den Umfang der Einbehaltung der Dienstbezüge ab Januar 2023 rechtmäßig.

21a) Die auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 126 Abs. 1 und 2 Satz 1 WDO beruhenden Nebenentscheidungen begegnen keinen formellen Bedenken. An der Rechtswirksamkeit der Einleitungsverfügung bestehen keine Zweifel. Auch sind die Nebenentscheidungen ausreichend begründet (zu den Heilungsmöglichkeiten: 2 WDB 13.22 - juris Rn. 20 ff.).

22b) Die Nebenentscheidungen sind auch im Wesentlichen materiell-rechtlich rechtmäßig. Das Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO ist durch eine nur summarisch mögliche Prüfung der aktuellen Sach- und Rechtslage charakterisiert ( 2 WDB 9.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 13 Rn. 11).

23Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Mit der vorläufigen Dienstenthebung kann gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 WDO das Verbot verbunden werden, Uniform zu tragen. Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO kann die Einleitungsbehörde gleichzeitig mit der vorläufigen Dienstenthebung oder später anordnen, dass dem Soldaten ein Teil, höchstens die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge einbehalten wird, wenn im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

24Aus § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO, wonach eine Einbehaltensanordnung nur bei einer voraussichtlich zu verhängenden Höchstmaßnahme ergehen darf, folgt im Umkehrschluss, dass für den Erlass von Nebenentscheidungen nach § 126 Abs. 1 WDO die Höchstmaßnahme nicht zwingend zu erwarten sein muss (vgl. 2 WDB 6.05 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 27). Gleichwohl bedürfen Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO eines besonderen rechtfertigenden Grundes, weil das Gesetz nicht stets bei der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens die in § 126 Abs. 1 WDO vorgesehenen Maßnahmen anordnet, sondern dafür eine behördliche Einzelfallprüfung vorsieht. Ein solcher kommt regelmäßig bereits dann in Betracht, wenn eine Dienstgradherabsetzung im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde ( 2 WDB 4.22 - juris Rn. 12 ff. m. w. N.).

25aa) Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse und unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel sowie von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 WDB 4.22 - juris Rn. 16 und vom - 2 WDB 13.22 - Rn. 28), besteht der hinreichend begründete Verdacht, dass sich der Soldat jedenfalls wie unter Ziffer 1 a bis f und 2 der Anschuldigungsschrift beschrieben verhalten hat.

26aaa) Nach den Aussagen der Zeugen D, A, C, G, E, B, H, I, J, K, L, M und N hat der Soldat während eines längeren Zeitraums nicht vereinzelt, sondern mehrfach geäußert, die ihm unterstellten Soldaten sollten bei kämpferischen Aktionen (brennende) Hakenkreuze in den Augen bekommen (der Feind müsse die Hakenkreuze in unseren Augen sehen, so der Zeuge K) und er werde - wenn das Geschehen nicht nach seinen Vorstellungen verlaufe - zum Hitler. Verbunden war damit mehrfach die Aussage, Fallschirmjäger sollten brandschatzen, jagen, morden und vergewaltigen. Bei objektiver Betrachtung findet damit ein brachiales, gegen das IV. Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges (Haager Landkriegsordnung - Art. 23 b; vgl. RGBl. 1910, 107) verstoßendes Kriegsverständnis Ausdruck, das zum Teil nationalsozialistisch angehaucht ist. Dies gilt insbesondere, wenn man noch die nicht angeschuldigte und vom Zeugen A bestätigte Aussage des Soldaten miteinbezieht "da werde ich zum Nazi", wodurch auch die Aussage des Zeugen B nachvollziehbar wird, der Soldat habe "rechte Sprüche" von sich gegeben.

27Soweit der Soldat dies in Abrede stellt, handelt es sich voraussichtlich um eine Schutzbehauptung, denn die gegenläufigen Aussagen der genannten Zeugen erscheinen nach Aktenlage glaubhaft. Belastungseifer ist bei ihnen nicht erkennbar, was schon daraus folgt, dass allenfalls einer von ihnen derjenige gewesen sein könnte, der durch seine (anonyme) Petition an die Wehrbeauftragte die Geschehnisse gemeldet hat. Alle (anderen) Zeugen haben das Verhalten des Soldaten nicht angezeigt und hatten mit diesem Abschnitt ihrer Ausbildung augenscheinlich abgeschlossen. Die Aussagen einiger Zeugen lassen zudem die Tendenz zu einer Relativierung des Fehlverhaltens des Soldaten im Sinne einer Abschwächung erkennen. Darüber hinaus sind sie auch teilweise differenziert. So hat insbesondere der Zeuge A ausgeführt, selbst nicht beleidigt worden zu sein und sich an den Soldaten zusätzlich belastende Umstände - wie das Treten an den Kopf eines anderen Soldaten - nicht erinnern zu können. Der Zeuge O hat zudem erklärt, es sei für ihn kein Problem gewesen, beleidigt worden zu sein, er habe damit keinen Stress gehabt, für ihn sei die Sache "vom Tisch". Die Ausbildung sei hart und manchmal übertrieben gewesen, ob sie auch menschenunwürdig gewesen sei, sei "Auslegungssache". Der Zeuge P hat differenzierend erklärt, bestimmte Redewendungen gehört, andere - wie brennende Hakenkreuze - nicht gehört zu haben.

28Die Aussagen des Soldaten suggerieren zwar eine Nähe zum Nationalsozialismus, rechtfertigen - jedenfalls gegenwärtig - jedoch nicht den Schluss, dass der vom Soldaten vermittelte Eindruck auch tatsächlich einer nationalsozialistischen Gesinnung entspringt. So hat der Zeuge B ausgesagt, der Soldat sei nach seiner Einschätzung nicht rechts, aber dumm und sich der Tragweite seiner Äußerungen nicht bewusst gewesen. Auch der Zeuge A hat ausgesagt, nach seiner Einschätzung sei der Soldat wegen seines verminderten IQ nicht in der Lage gewesen, die Tragweite seiner Äußerungen abzuschätzen. Der Zeuge I hat ebenfalls ausgesagt, er glaube nicht, dass der Soldat rechts sei, dies sei nur ein dummer Spruch gewesen, weil der Soldat nicht die "hellste Kerze auf der Torte" sei. Dem entspricht die Aussage des Zeugen M, er sei sich bei dem Soldaten wirklich nicht sicher, ob dieser sich klar darüber gewesen sei, was er eigentlich erzähle. Es wirke so, als habe er die Parolen von irgendwem übernommen und nie darüber nachgedacht, womit sie in Verbindung stehen könnten. Erkenntnisse der Nachrichtendienste, die für eine tatsächlich nationalsozialistische Gesinnung sprechen, liegen derzeit nicht vor. Auch die Aussagen des Disziplinarvorgesetzten sprechen gegen eine nationalsozialistische Gesinnung als Motiv und eher für eine unkontrollierte Übermotivation, die sich in unreflektierten und affektiven Äußerungen Bahn bricht.

29bbb) Überwiegendes spricht auch dafür, dass der Soldat die ihm zu Ausbildungszwecken unterstellten Soldaten durch Worte wie "Idioten", "Mülleimer", "Made", "Spasti", "Arschloch", "Wichser" und "Hurensohn" beleidigt hat. Er selbst hat zwar Beleidigungen wie etwa "Hurensohn" bestritten, es im Übrigen jedoch als normal bezeichnet, dass es im Eifer des Gefechts während des Gefechtsdienstes zu Beleidigungen - wie Mülleimer, Idiot - komme. Dies sei normal, aber nie ernst gemeint gewesen und die Ausbilder hätten sich dafür anschließend entschuldigt. Er verliere die Kontrolle einfach, wenn es in ihm arbeite. Wenn er sich aufgeregt habe, habe er die Lehrgangsteilnehmer erst einmal weggeschickt, damit er sich abregen könne und danach eine anständige Auswertung mit ihnen gemacht. Die von ihm damit selbst eingestandene Disziplinlosigkeit entspricht den Aussagen der Zeugen A, C, G und P, die zu weiteren Beleidigungen des Soldaten ausgesagt haben und an deren Glaubwürdigkeit aus den bereits dargelegten Gründen derzeit kein begründeter Zweifel besteht.

30ccc) Dasselbe gilt für den unter Anschuldigungspunkt 2 erhobenen Vorwurf, die ihm unterstellten Kameraden entgegen der Regelung A2-222/0-0-4743 dahingehend ausgebildet zu haben, dass diese eine in ein Gebäude hineingeworfene Übungshandgranate entweder zurückwerfen oder sich auf diese drauflegen sollten, wodurch es zur Daumenverletzung des Feldwebel A gekommen sei, weil dieser sich auf eine scharfe Übungshandgranate geschmissen habe. Dass es zu einer Verletzung des Feldwebels A kam, steht nach dessen Aussage sowie der Aussage etwa des Zeugen N fest und ist auch vom Soldaten nicht bestritten worden. Soweit er gesagt haben will, er selbst würde sich auf Handgranaten werfen, um seine Soldaten zu schützen, bestätigt dies in der Sache den Vorwurf, weil er als Vorbild damit ein regelwidriges Verhalten unterstützt hat. Zudem erscheinen auch hier die Aussagen der Zeugen glaubhaft. Danach ist den unterstellten Soldaten - ausweislich der Aussagen der Zeugen Q, E und I - vom Soldaten zwar nicht befohlen worden, sich solchermaßen zu verhalten; jedoch ist der Soldat bei entsprechendem, vorschriftswidrigem und nach den Aussagen der Zeugen Q, D, E, B, H, L, M und N üblichem ("automatischem", vgl. auch Zeuge J) Ausbildungsverhalten der auszubildenden Soldaten nicht eingeschritten. Inwieweit er ein solches Verhalten gar förmlich als "gangbare Alternative" (Zeuge B) aufgezeigt hat, kann nach alledem einstweilen dahingestellt bleiben.

31ddd) Soweit dem Soldaten unter Anschuldigungspunkt 3 vorgeworfen wird, während der Ausbildung entgegen der Nummer 904 der Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4743 mindestens eine scharfe Übungshandgranate und einen leeren Übungshandgranatenkörper gezielt auf seine unterstellten Kameraden geworfen zu haben, steht dieser Sachverhalt nicht mit vergleichbarer Sicherheit fest. Den Zeugenaussagen fehlt es insoweit an Eindeutigkeit und Stringenz wie beim Anschuldigungspunkt 2 der Fall. Der Zeuge B hat ausgesagt, er habe nicht gesehen, dass der Soldat Würfe auf die Soldaten getätigt habe; er habe nicht mitbekommen, dass andere Ausbilder als Hauptfeldwebel F Handgranaten geworfen hätten. Der Zeuge H hat erklärt, er habe zwar auf jeden Fall gesehen, dass der Hauptfeldwebel F eine scharfe Übungshandgranate geworfen habe; ob dies auch andere Ausbilder getan hätten, wisse er nicht mehr. Dem entsprechen die Aussagen der Zeugen N und O, welche ausgesagt haben, sie wüssten nicht, ob auch der Soldat Handgranaten absichtlich auf Soldaten geworfen habe.

32eee) Auf der Grundlage der Aussagen der Zeugen steht ferner fest, dass das Verhalten des Soldaten Bestandteil eines Umfeldes war, welches durch Beleidigungen, körperliche Übergriffe sowie systematische Einschüchterungen gekennzeichnet war (vgl. Aussagen G, N, D und M. Den auszubildenden Soldaten wurde auch durch Hauptfeldwebel F der Eindruck ihrer Wertlosigkeit vermittelt und Zweifel am Dienst in der Bundeswehr geschürt. So hat der Zeuge A ausgesagt, nichts gemeldet zu haben, weil sie gedacht hätten, dass sie das dann direkt zu spüren bekämen; der Zeuge D hat erklärt, eine förmliche Meldung hätte nach seiner Einschätzung "nur die Hölle für uns bedeutet". Der Zeuge C hat ausgesagt, es habe Angst vor den Folgen bestanden, die bei einer Meldung der Missstände zu erwarten gewesen wären. Der Zeuge O hat ausgesagt, er habe durch die Ausbildung erstmalig keine Lust mehr auf den Dienst in der Bundeswehr gehabt. Der erst im Oktober 2020 in den Zug eingetretene Zeuge R hat berichtet, auch wenn sich die Ausbilder zu diesem Zeitpunkt wohl schon anders verhalten hätten, hätte eine Kultur der Angst vor den Ausbildern bestanden. Der Zeuge K schließlich hat von der Befürchtung gesprochen, dass im Falle einer Meldung die Behandlung durch die Ausbilder noch schlechter werden könnte oder man von dem Lehrgang abgelöst würde. Wie dominant der Anteil des Soldaten an dieser Stimmung war, lässt sich aufgrund der schriftlichen Aussagen indes nicht abschließend beurteilen. Einerseits steht die Aussage im Raum, nicht der Soldat sei die treibende Kraft für diese Atmosphäre gewesen, dieser sei eher - so der Zeuge A - ein "Mitläufer" gewesen; andererseits findet sich - so beim Zeugen D - die Aussage, der Soldat sei "voll mit auf den Zug von Hauptfeldwebel F aufgesprungen".

33bb) Der Soldat hätte damit jedenfalls gegen §§ 7, 8, 10 Abs. 1, 3 und 6, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 1 und 2 Satz 1 SG in einer Weise verstoßen, die in der Gesamtheit der Verstöße eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis nahelegt; im Einzelnen:

34aaa) Mit den Äußerungen gemäß Anschuldigungspunkt 1 Buchstaben d, e und f hätte er vor allem gegen § 8 Alt. 2 SG verstoßen. Die unabhängig vom Dienstgrad nach § 8 SG bestehende politische Treuepflicht eines Soldaten verlangt von diesem die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen und zum anderen durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten (vgl. 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 42 m. w. N.).

35Die Verpflichtung zum Eintreten wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28). Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, aus Übermut, aus Provokationsabsicht oder aus anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten (vgl. 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 39 und vom - 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 44). Mit der politischen Treuepflicht ist demnach ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen (vgl. 2 WD 25.20 - Buchholz 449 § 8 SG Nr. 2 Rn. 29). Ein Verhalten, das den Eindruck einer hohen Identifikation mit dem Nationalsozialismus erweckt, stellt insbesondere das Erweisen des - unter den Bedingungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbaren - Hitlergrußes (vgl. 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 46 und vom - 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28 m. w. N.), die - unter den Bedingungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbare - Präsentation von Hakenkreuzen ( 2 WD 25.20 - Buchholz 449 § 8 SG Nr. 2 Rn. 25 m. w. N. und vom - 2 WD 1.22 - juris Rn. 19) oder die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust dar ( 2 WDB 13.22 - juris Rn. 33 f.). Ist das Verhalten eines Soldaten Ausdruck einer nationalsozialistischen Gesinnung, ist grundsätzlich die Höchstmaßnahme zu verhängen ( 2 WD 35.01 - Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 4 S. 24 f., vom - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 25 f., vom - 2 WD 17.19 - LS 1 und vom - 2 WD 25.20 - Buchholz 449 § 8 SG Nr. 2 Rn. 36; Beschlüsse vom - 2 WDB 6.02 - S. 16 und vom - 2 WDB 3.19 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 8 Rn. 23). Denn damit liegt sowohl eine Verletzung der Anerkennungspflicht aus § 8 Alt. 1 SG als auch der Eintretenspflicht aus § 8 Alt. 2 SG vor.

36Beruht die Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen, Grußformen oder Rituale nicht auf einer verfassungsfeindlichen Einstellung, muss eine mildere Maßnahmeart den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilden. Dies folgt aus dem auch für das Disziplinarrecht geltenden Schuldprinzip sowie aus dem Übermaßverbot ( - juris Rn. 25 m. w. N.). Allerdings gebieten Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit dem Nationalsozialismus vermitteln, die Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu machen. Zeigt ein Soldat hingegen niedrigschwelligere, bagatellisierende Verhaltensweisen von einigem Gewicht, bildet grundsätzlich ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (vgl. 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 LS 2 und Rn. 47).

37Nach Maßgabe dessen hat der Soldat durch seine Äußerungen zwar den Eindruck erweckt, nationalsozialistischem Gedankengut nahezustehen; nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand spricht indes Überwiegendes dagegen, dass er auch tatsächlich eine nationalsozialistische Gesinnung aufweist. Zwar haben seine Äußerungen - wie ebenfalls die Aussagen einiger Zeugen belegen - nicht den Eindruck einer hohen Identifikation erweckt, womit Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen damit ein Beförderungsverbot wäre; der Übergang zur Dienstgradherabsetzung als schwererer Maßnahmeart ist jedoch deshalb geboten, weil der Soldat die zahlreichen Äußerungen als Ausbilder und während der Ausbildung tätigte, wodurch sein Versagen als vorbildgebender Vorgesetzter nach § 10 Abs. 1 SG erschwerendes Gewicht erlangt.

38bbb) Die Maßnahmebemessung wird zusätzlich durch die innerhalb des Dienstes zahlreich, über einen längeren Zeitraum und gegen mehrere Kameraden ausgesprochenen Verbalinjurien bestimmt, mit denen der Soldat den Straftatbestand des § 185 StGB erfüllt und damit zugleich gegen § 7 SG verstoßen hat. Er verlangt vom Soldaten, die Rechtsordnung zu wahren und insbesondere die Strafgesetze zu beachten ( 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 59 Rn. 68 m. w. N. und vom - 2 WD 9.20 - BVerwGE 171, 280 Rn. 33 sowie Beschluss vom - 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 55).

39Als Folge der Nichtachtung der Würde und Ehre der dem Soldaten unterstellten Kameraden liegt zudem ein Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft nach § 12 Satz 2 SG vor ( 2 WD 23.20 - BVerwGE 173, 242 Rn. 28), wobei die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - wie der ausdrückliche Hinweis auf "Würde" und "Ehre" in § 12 Satz 2 SG verdeutlicht - nicht per se wesentlich geringer zu gewichten ist als die Verletzung materieller Güter ( 2 WD 23.20 - BVerwGE 173, 242 Rn. 28). Dabei ist es unerheblich, ob ein Soldat gegenüber dem Betroffenen die Absicht hatte, ihn durch sein Verhalten zu demütigen. Denn das Gebot, die Würde, die Ehre und die Rechte von Kameraden zu achten, ist nicht nur um des einzelnen Soldaten willen in das Soldatengesetz aufgenommen worden, sondern soll auch Handlungsweisen verhindern, die objektiv geeignet sind, den militärischen Zusammenhalt und das gegenseitige Vertrauen sowie die Bereitschaft zum gegenseitigen Einstehen zu gefährden. Dem entspricht, dass es für die Verletzung der Kameradschaftspflicht unerheblich ist, ob sich in ihrer Würde und Ehre missachtete Kameraden subjektiv beleidigt gefühlt oder ein solches Verhalten verziehen haben ( 2 WD 1.11 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 57 Rn. 59).

40Hinzu tritt voraussichtlich ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht eines Vorgesetzten nach § 10 Abs. 3 SG ( 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 50). Sie gehört zu den vornehmsten Pflichten eines Vorgesetzten gegenüber seinen Untergebenen, die das Gefühl haben müssen, dass sie von ihm nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet, sondern in ihrer Personenwürde geachtet und mit menschlicher Rücksichtnahme behandelt werden ( 2 WD 33.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 1 S. 2).

41Auch gegen die Mäßigungspflicht nach § 10 Abs. 6 SG hat der Soldat voraussichtlich verstoßen, weil seine affektgesteuerten und unverhältnismäßigen Äußerungen das Vertrauen in ihn als Vorgesetzten erschüttern ( 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 63).

42Einher geht damit ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG ( 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 51). Dass das Verhalten des Soldaten nicht nur geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen, sondern sie auch eingetreten ist, belegen die zahlreichen Aussagen der von den Beleidigungen betroffenen Soldaten, die dem Soldaten keinen Respekt mehr zollten und ihn zum Teil als ungeeignet ansahen.

43Da das Schwergewicht dieser zusätzlich festgestellten Pflichtverletzungen im Bereich der Kameradschafts- sowie der Fürsorgepflicht liegt und sich die Übergriffe - jedenfalls nach dem gegenwärtig Angeschuldigten - auf der verbalen Ebene bewegen, allerdings keine affektiven Entgleisungen, sondern Ausdruck eines "Ausbildungsmusters" waren, bildet Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen mindestens ein Beförderungsverbot.

44ccc) Ob die Kumulation schon dieser Pflichtverletzungen den Übergang zur Höchstmaßnahme gebietet, kann dahingestellt bleiben; dazu führt jedenfalls der voraussichtlich weitere Verstoß gegen § 7 SG, den der Soldat dadurch begangen hat, dass er das Ausbildungsverhalten der ihm unterstellten Kameraden (sich auf eine Übungshandgranate zu werfen) wenn auch nicht befohlen haben mag, so jedenfalls regelwidrig befördert und geduldet hat. Denn aus dem Gesamtkontext der (seinerzeit und ab dem gültigen) Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4743 ergibt sich, dass bei Übungen mit Handgranaten jegliche Gefährdung von Leib und Leben auszuschließen ist. Allein wegen dieses nachhaltigen Verstoßes wäre eine Dienstgradherabsetzung als Disziplinarmaßnahme zu verhängen, die auch bei einer entwürdigenden oder demütigenden Behandlung von Untergebenen regelmäßig geboten ist (vgl. 2 WD 38.01 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 51 S. 39).

45Zwar handelt es sich bei der - seinerzeit gültigen - Zentralrichtlinie A2-222/0-0-4743 um keinen Befehl, weil sie nicht vom Bundesverteidigungsminister oder dessen Vertreter unterzeichnet, sondern vom Amtschef des Heeresamtes gebilligt wurde, sodass auch kein Verstoß gegen § 19 Abs. 1 WStG in Betracht kommt (vgl. 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 59 Rn. 41 sowie Rn. 53 ff.); § 7 SG schließt jedoch die Verpflichtung ein, dienstliche Anweisungen auch dann zu befolgen, wenn ihnen kein Befehlscharakter nach § 11 SG i. V. m. § 2 Nr. 2 WStG zukommt ( 2 WD 25.20 - Buchholz 449 § 8 SG Nr. 2 Rn. 24 und Beschluss vom - 2 WDB 1.22 - BVerwGE 176, 296 Rn. 47).

46Mit dem Verhalten ging ein Verstoß gegen die Verpflichtung einher, Disziplin zu wahren ( 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 59 Rn. 65). Wer Disziplin fordert und für ihre Einhaltung verantwortlich ist, hat zuallererst Selbstdisziplin zu üben, da Gehorsam das Vertrauen der Untergebenen voraussetzt ( 2 WD 33.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 6). Während ein Ungehorsam (Verstoß gegen § 11 Abs. 1 SG) einen Verstoß gegen einen Befehl voraussetzt, reicht es für einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 SG aus, dass der Soldat mit seinem Verhalten eine gegenüber Vorgesetzten bestehende Pflicht verletzt und dabei zu erkennen gibt, dass er sich, jedenfalls im konkreten Fall, der dienstlichen Autorität seines Vorgesetzten nicht selbstbeherrscht unterordnen will. Vorgesetzte sind nicht nur die unmittelbaren Vorgesetzten, sondern alle militärischen Vorgesetzten, mithin auch der Amtschef des Heeres, von dem die Zentralrichtlinie gebilligt worden ist.

47ddd) Bei alledem liegen Hinweise auf einen Verstoß gegen § 31 Abs. 1 WStG vor. Die bisherige Würdigung der den Ausbildungsrahmen charakterisierenden Tatumstände deuten auf eine Behandlung hin, durch die Untergebene zum bloßen Objekt degradiert und ihre Subjektqualität prinzipiell in Frage gestellt worden sein könnte ( 2 WD 1.11 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 57 Rn. 55), ihnen ihr Dienst aber jedenfalls böswillig erschwert worden sein könnte ( 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG Nr. 59 Rn. 58 f.). Ob eine solche Absicht tatsächlich vorlag, ist im Hauptsacheverfahren zu klären.

48c) Die Anordnung der Nebenentscheidungen hat der Dienstherr ermessensfehlerfrei getroffen und insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt.

49aa) Er ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Dienstbetrieb bei einem Verbleiben des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde. Dabei dürfen dem Soldaten keine Nachteile zufügt werden, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der Dienstausübung auszuschließen ( 2 WDB 6.05 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 27 m. w. N.). Das Wehrdienstgericht ist insoweit allerdings auf eine Überprüfung der behördlichen Ermessensentscheidung beschränkt und trifft keine originäre gerichtliche Entscheidung wie dies bei der Entscheidung über die (gerichtliche) Disziplinarmaßnahme später der Fall ist (BVerwG, Beschlüsse vom - 2 WDB 3.19 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 8 Rn. 26 und vom - 2 WDB 13.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 16 Rn. 24).

50Die Entscheidung, den Soldaten vorübergehend auf keinem Dienstposten einzusetzen, insbesondere auch nicht auf einem ausbildungsfernen Dienstposten (vgl. Seite 14 des Beschlusses des Truppendienstgerichts), in dem die einem Vorgesetzten eingeräumte Machtposition (vgl. Seite 16 des Beschlusses des Truppendienstgerichts) nicht missbraucht werden kann, ist nicht unverhältnismäßig.

51Dabei impliziert bereits die Prognose der Höchstmaßnahme, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Soldaten und dem Dienstherrn aller Voraussicht nach objektiv zerstört ist. Dies spricht regelmäßig mit hohem Gewicht für die Annahme, dass der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst erheblich gestört ist und der Soldat deshalb nicht im Dienst bleiben kann ( 2 WDB 14.22 - juris Rn. 18).

52Ein Grund, davon abzuweichen, besteht nicht. Es steht im Ermessen des Dienstherrn darüber zu befinden, wie er seine Soldaten und Soldatinnen verwendet; dies schließt dessen Befugnis ein, von einer Verwendung dann vollständig abzusehen, wenn jedenfalls - wie hier - der Anschein besteht, ein Soldat sei nicht verfassungstreu. Denn dies schadet nicht nur dem Ansehen der Bundeswehr, die sich nicht selten des Vorwurfs erwehren muss, rechtsradikalen Umtrieben nicht energisch genug entgegenzutreten ( 2 WDB 4.22 - juris Rn. 32). Soweit das Truppendienstgericht dem "keinerlei Gewicht beimisst", dass neben Angehörigen der Bundeswehr vor allem Bürger kein Verständnis dafür aufbrächten, den Soldaten weiterhin im Dienst zu belassen, und in der Gefahr einer Bagatellisierung eine juristische Floskel sieht, verkennt es, dass die Rechtsordnung neben der militärischen Ordnung auch das Ansehen der Bundeswehr ausdrücklich als Parameter von rechtlicher Bedeutsamkeit ausweist (vgl. etwa § 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 SG, § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SG, § 55 Abs. 5 SG, § 67 Abs. 5 SG oder § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO), sodass die Einbeziehung von Akzeptanzvorstellungen der Bevölkerung rechtlich zulässig ist.

53bb) Was den Einbehaltenssatz von 35 % anbelangt, kann dieser angesichts der nach Ergehen der Nebenentscheidung und des truppendienstlichen Beschlusses veränderten familiären Lebensumstände des Soldaten ab Januar 2023 keinen Bestand haben. Er ist seither um 10 % überhöht, denn der Soldat ist seit Januar 2023 Vater eines Sohnes und somit nunmehr unterhaltsverpflichtet. Der Senat ist zu einer solchen Feststellung auch befugt, da der Wortlaut des § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO die Möglichkeit, eine Anordnung teilweise oder in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten, nicht ausschließt (Bundesdisziplinarhof <Wehrdienstsenat>, Beschluss vom - WDB 14/59 - Beschlussumdruck S. 5 - DÖV 1960, 513 f.) und die besondere Schwere des Dienstvergehens zwar maßgebliche Voraussetzung für die Einbehaltung von Bezügen, nicht aber für deren Höhe ist (vgl. Beschluss des 1. Disziplinarsenats vom - I DB 35/56 - BDHE 3, 71). Ein unzulässiger Eingriff in das Ermessen der Einleitungsbehörde erfolgt somit nicht.

54cc) Die vorliegende Entscheidung entbindet die Einleitungsbehörde nicht davon, ihre Nebenentscheidungen auch zukünftig auf ihre Verhältnismäßigkeit kontinuierlich zu überprüfen, denn sie bilden nur unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes (§ 17 Abs. 1 WDO) eine im Allgemeinen verfassungsrechtlich unbedenkliche Maßnahme. Mit zunehmender Verzögerung des Abschlusses des vorliegend bereits vor mehr als zwei Jahren eingeleiteten Disziplinarverfahrens gerät insbesondere die Aufrechterhaltung der (teilweisen) Einbehaltung von Dienstbezügen notwendigerweise immer stärker in einen Widerstreit mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit ( 2 WDB 10.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 15 Rn. 21).

554. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens miterfasst (vgl. 2 WDB 9.20 - juris Rn. 52 m. w. N.).

565. Mit der vorliegenden Entscheidung wird der Antrag, die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses bis zur Entscheidung über die Beschwerde auszusetzen, gegenstandslos.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:150823B2WDB1.23.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-52686