Instanzenzug: Az: 5 U 1343/20vorgehend LG Trier Az: 5 O 352/19
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihm am bei einem AUDI-Vertragshändler verbindlich bestellten und als Gebrauchtwagen erworbenen, von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs PKW Audi A6 Avant Allroad Quattro in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs V6 3.0 l TDI EA 896 G2 oder 897 (Euro 6) ausgestattet und verfügt unter anderem über eine temperaturgesteuerte Abgasrückführung und eine "Aufheizstrategie". Schon vor dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bei der Überprüfung eines Motors der entsprechenden Baureihe eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt und einen verpflichtenden Rückruf angeordnet. Auf Anordnung des KBA entwickelte die Beklagte ein Software-Update, das der Kläger bisher nicht aufspielen ließ.
2Der Kläger hat in den Vorinstanzen in der Hauptsache die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs nebst Prozesszinsen, die Feststellung, dass der Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrühre und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 31.668,71 € nebst Prozesszinsen seit dem Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs zu zahlen, festgestellt, dass der Anspruch auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruht, und die Beklagte zur Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.751,80 € verpflichtet. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung aus den Vorinstanzen weiter.
Gründe
3Die Revision ist begründet.
I.
4Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2021, 8819 veröffentlichen Entscheidung, soweit es für die Revision von Bedeutung ist, ausgeführt:
5Die Beklagte hafte dem Kläger auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB analog. Unstreitig und gerichtsbekannt sei das Fahrzeug des Klägers von einer Rückrufaktion des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 betroffen. Nach Darstellung des Klägers sei der Rückruf wegen mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen erfolgt, das Fahrzeug verfüge über eine "Aufheizstrategie", AdBlue werde im normalen Fahrbetrieb nur eingeschränkt eingespritzt und es sei ein Thermofenster aktiv. Der Klägervortrag sei in Bezug auf eine Prüfstandsbezogenheit der "Aufheizstrategie" ausreichend substantiiert. Die Darstellung der Beklagten, die Aktualisierung der Motorsoftware sei erforderlich gewesen, weil nach Auffassung des KBA der "Warmlaufmodus" im Straßenbetrieb nicht ausreichend gewesen sei, was aber mit einem alternativen Betriebsmodus nichts zu tun habe, sei unzureichend. Denn aus der Notwendigkeit des Software-Updates wegen einer unzureichenden Funktion im Straßenbetrieb ergebe sich zugleich, dass es vorher zwei verschiedene Betriebsmodi und damit auch eine Umschaltlogik gegeben habe. Die Beklagte genüge so nicht ihrer Darlegungslast zu dem allein ihr bekannten Bescheid des KBA. Ohne konkreten anderen Vortrag der Beklagten sei davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Betriebsmodi dazu dienten, über den tatsächlichen Stickoxidausstoß im normalen Fahrbetrieb zu täuschen. Die Täuschung ziele erkennbar sowohl auf die Genehmigungsbehörde als auch auf die Wettbewerber und die Kunden der Beklagten.
6Die Beklagte habe vorsätzlich gehandelt und die Schädigung des Klägers billigend in Kauf genommen. Ihr sei vorzuwerfen, sich im eigenen Kosten- und Gewinninteresse besonders verwerflich verhalten zu haben. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Sittenwidrigkeit im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger nicht entfallen gewesen. Es komme insoweit auf eine Gesamtschau des Verhaltens des Schädigers an. Vortrag zu umfassenden Aufklärungsbemühungen, die im Fall der Volkswagen AG und des Motortyps EA 189 nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Bewertung geführt hätten, die Sittenwidrigkeit sei nach der Pressemitteilung vom entfallen, habe die Beklagte erstmals zweitinstanzlich und ohne Darlegungen zu den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO gehalten, zumal der Kläger eine Verhaltensänderung der Beklagten bestreite. Unabhängig davon seien die Aufklärungsbemühungen unzureichend. Mit der Suchmaschine auf der Homepage der Beklagten könne nur nach Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 189 gesucht werden. Weder aus der Pressemitteilung der Beklagten vom , den Hinweisen an die Vertragshändler seit Januar 2018 noch aus dem "Beipackzettel" ergebe sich, dass illegale Abschalteinrichtungen vorgelegen hätten. Vielmehr erweckten diese ebenso wie die vereinzelten Presseberichte den Eindruck, als ob die Nachrüstung einen Beitrag zur Verbesserung des Emissionsverhaltens darstelle; ein Eingeständnis eines Fehlers liege darin nicht. Die ebenfalls erst zweitinstanzlich aufgestellte Behauptung, der Kläger habe den "Beipackzettel" von dem Vertragshändler, bei dem er das Fahrzeug erworben habe, ausgehändigt bekommen und unterschrieben, sei nicht zugestanden, zumal erneut Vortrag zu den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO fehle.
7Der Schaden liege im Vertragsschluss. Auf die Erstattung von Kaufpreis und Finanzierungskosten müsse sich der Kläger eine Nutzungsentschädigung bezogen auf eine Gesamtfahrleistung von 300.000 km anrechnen lassen. Der Zinsanspruch sei gem. §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab Rechtshängigkeit in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz begründet. Die Kosten der Rechtsverfolgung seien bezogen auf den nur in Höhe des Anspruchs des Klägers bestehenden Gegenstandswert und nur in Höhe einer 1,3 Gebühr erstattungsfähig.
II.
8Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB wegen der vom KBA beanstandeten "Aufheizstrategie" können mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bejaht werden.
101. Es kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, im Fahrzeug des Klägers sei mindestens eine unzulässige, prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung in Form der "Aufheizstrategie" verbaut, die eine sittenwidrig-manipulative Täuschung des KBA und der Kunden indiziere. Selbst wenn dies der Fall wäre und im Grundsatz die Annahme rechtfertigte, dass die Beklagte sittenwidrig gehandelt hätte, weil sie aufgrund einer für ihr Unternehmen getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in großem Umfang Fahrzeuge mit Motoren mit unzulässiger Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht hätte, wäre infolge einer Verhaltensänderung der Beklagten der Vorwurf der Sittenwidrigkeit im Zeitpunkt des Fahrzeugkaufs des Klägers nicht mehr gerechtfertigt.
112. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 13 m.w.N., WM 2021, 2108). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben ( Rn. 11, WM 2021, 1609; Urteil vom - VI ZR 5/20 Rn. 29, ZIP 2020, 1715; Urteil vom - VI ZR 252/19 Rn. 15, BGHZ 225, 316). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht ( Rn. 12, VersR 2021, 661; Beschluss vom - VI ZR 433/19 Rn. 14, ZIP 2021, 297; Urteil vom - VI ZR 5/20 Rn. 29, ZIP 2020, 1715; Urteil vom - VI ZR 252/19 Rn. 15, BGHZ 225, 316).
12a) Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer insbesondere sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich ( Rn. 21, WM 2021, 2056; Urteil vom - VI ZR 505/19 Rn. 19, NJW 2021, 1669; Urteil vom - VI ZR 252/19 Rn. 16 ff., BGHZ 225, 316).
13b) Nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist dabei eine umfassende Betrachtung des Verhaltens des Schädigers geboten, um die Sittenwidrigkeit zu beurteilen. Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als (nicht) sittenwidrig ist dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und dieser Bewertung das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn - wie hier - die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat (vgl. Rn. 26, juris; Urteil vom - III ZR 200/20 Rn. 16 ff., WM 2021, 2153; Beschluss vom - VI ZR 889/20 Rn. 12 f., WM 2021, 652; Urteil vom - VI ZR 5/20 Rn. 30 f., ZIP 2020, 1715).
14Die Qualifizierung eines Verhaltens als sittenwidrig ist dabei eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 20 m.w.N., WM 2021, 2056).
15c) Nach diesen Grundsätzen kann das Verhalten der Beklagten bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages im Juni 2018 nicht mehr mit einer Täuschung gleichgesetzt werden. Wesentliche Umstände, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit im Hinblick auf die vom Berufungsgericht angenommene und hier zu unterstellende Entwicklung und Implementierung einer manipulativen und prüfstandsbezogenen Aufheizstrategie getragen haben, waren bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger entfallen (vgl. Rn. 34, ZIP 2020, 1715).
16aa) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist bereits die Auffassung des Berufungsgerichts, der in der Berufungserwiderung gehaltene Vortrag der Beklagten zu ihren Aufklärungsbemühungen sei mangels Ausführungen zu den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO unerheblich. Schon weil der Vortrag unstreitig ist, war er zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. Rn. 10 m.w.N., BGHZ 177, 212). Das Vorbringen sowohl zu der auf der Homepage der Beklagten eingerichteten Suchmaschine, in die Käufer von Fahrzeugen der Beklagten die Fahrzeug-Identifizierungsnummer eingeben und so feststellen konnten, ob ihr Fahrzeug von einem Rückruf oder einer freiwilligen Servicemaßnahme betroffen war, als auch zu der Pressemitteilung der Beklagten vom und der Berichterstattung darüber in anderen Medien ist unstreitig. Dies gilt ebenso für die Information der Vertragshändler der Beklagten am über den Rückruf und die Verpflichtung, von einem Rückruf betroffene Fahrzeuge nur unter Hinweis darauf und Übergabe des sogenannten "Beipackzettels" zu verkaufen. Dass der Kläger, der zu der Berufungserwiderung keine Stellung mehr genommen hat, pauschal weiter eine Verhaltensänderung bestritten und das Verhalten der Beklagten nach wie vor für sittenwidrig gehalten haben mag, steht dem ersichtlich nicht entgegen. Denn die Qualifizierung als sittenwidrig ist keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage, die sich dem Bestreiten entzieht. Da das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten indes gleichwohl berücksichtigt hat, gebietet allein dies noch nicht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
17bb) Durchgreifend rechtsfehlerhaft ist allerdings die Würdigung des Berufungsgerichts, die aufgezeigten unstreitigen Maßnahmen der Beklagten rechtfertigten nicht die Annahme einer Verhaltensänderung mit der Folge, dass der Beklagten im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger keine Sittenwidrigkeit mehr vorzuwerfen sei.
18(1) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, die auf der Homepage der Beklagten eingerichtete Suchmaschine habe nur für Käufer von Fahrzeugen mit einem von der Volkswagen AG hergestellten Motor des Typs EA 189 zur Verfügung gestanden. Diese Feststellung widerspricht dem von der Revision aufgezeigten unbestrittenen Vortrag der Beklagten in der Berufungserwiderung, nach der die Suchmaschine ohne Einschränkung auf einen bestimmten Motortyp die Prüfung ermöglichte, ob das eigene Fahrzeug von der vom KBA beanstandeten Bedatung der Motorsteuerungssoftware betroffen war. Dass die Wiedergabe des Vortrags insoweit bereits in einem Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom unzutreffend war, hat die Beklagte in der Stellungnahme zum Hinweis des Berufungsgerichts gerügt und den Vortrag zur Suchmaschine wiederholt. Da das Berufungsgericht seine Würdigung, die Beklagte habe ihr Verhalten nicht relevant geändert, maßgeblich auf diesen Umstand stützt, kann diese bereits deswegen insgesamt keinen Bestand haben.
19(2) Sie begegnet auch im Übrigen durchgreifenden Bedenken. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte durch ihr Verhalten gezeigt, dass es ihr nicht mehr darauf ankam, die Fahrzeugkäufer im eigenen Kosten- und Gewinninteresse zu täuschen. Sie hat vielmehr umfangreiche Veranlassungen getroffen, um eine solche - durch ihre Vertragshändler vermittelte - Täuschung der Käufer zu verhindern. Aufgrund der verpflichtenden internen Anweisung an die Vertragshändler durfte die Beklagte davon ausgehen, dass Fahrzeugkäufer grundsätzlich Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung erhielten. In Zusammenarbeit mit dem KBA hat die Beklagte zudem ein Software-Update entwickelt, das den vom KBA beanstandeten Zustand und die Stilllegungsgefahr nach Freigabe durch das KBA beseitigt hat (vgl. Rn. 29, juris).
20(3) Von den Feststellungen nicht getragen ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die Hinweise an die Vertragshändler und der "Beipackzettel" erweckten den Eindruck, die Nachrüstung diene allein der Verbesserung des Emissionsverhaltens. In der Pressemitteilung der Beklagten vom ist zwar ausschließlich von freiwilligen Maßnahmen im Interesse einer Reduktion der Gesamtemissionen die Rede und jeder Hinweis auf verpflichtende Rückrufe verbunden mit notwendigen Software-Updates fehlt. Im "Beipackzettel" wird allerdings darauf verwiesen, dass die Software-Updates teilweise auf einer Anordnung des KBA beruhen. Ausweislich der den Vertragshändlern übermittelten Informationen hat die Beklagte diese explizit über den Rückruf informiert und verpflichtet, betroffene Fahrzeuge, bei denen ein Software-Update noch nicht durchgeführt worden sei, nur unter Übergabe des "Beipackzettels" zu veräußern.
21(4) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gebietet die Tatsache, dass das Medienecho auf den Rückruf und die Pressemitteilung der Beklagten vom verhaltener war als auf die Presse- bzw. Ad-Hoc-Mitteilung der Volkswagen AG von September 2015, keine andere Beurteilung, zumal dies nur Ausdruck dafür ist, dass die Öffentlichkeit und damit auch die Kunden der Beklagten im Hinblick auf die "Dieselproblematik" Anfang 2018 bei weitem nicht mehr so arglos waren wie im September 2015. Dass die Beklagte eine bewusste Manipulation geleugnet hat und dass sie möglicherweise weitere Schritte zur umfassenden Aufklärung hätte unternehmen können, reicht für die Aufrechterhaltung des gravierenden Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung gegenüber späteren Käufern nicht aus. Insbesondere war ein aus moralischer Sicht tadelloses Verhalten der Beklagten oder eine Aufklärung, die tatsächlich jeden potenziellen Käufer erreicht und einen Fahrzeugerwerb in Unkenntnis der Abschalteinrichtung sicher verhindert, zum Ausschluss objektiver Sittenwidrigkeit nicht erforderlich (vgl. Rn. 16, WM 2021, 50; Urteil vom - VI ZR 5/20 Rn. 38, ZIP 2020, 1715). Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Vertragshändler, von dem der Kläger das Fahrzeug erwarb, ihm den "Beipackzettel" tatsächlich nicht aushändigte. Selbst wenn der Kläger insoweit eine unzutreffende Auskunft über den verpflichtenden Rückruf erhalten haben sollte, wäre dies nicht der Beklagten zuzurechnen (vgl. VIa ZR 533/21 Rn. 20, ZIP 2023, 1432; Beschluss vom - VII ZR 391/21 Rn. 31, juris; Urteil vom - VI ZR 244/20 Rn. 19, WM 2021, 50).
III.
221. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Entscheidung in der Sache durch den Senat ist nicht veranlasst, weil der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
232. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
24a) Bei der erneuten Prüfung eines Anspruchs des Klägers aus §§ 826, 31 BGB wird das Berufungsgericht die vom Bundesgerichtshof geklärten Maßstäbe (vgl. zum Thermofenster VI ZR 433/19Rn. 16 ff., NJW 2021, 921; Urteil vom - VII ZR 190/20Rn. 12 ff., NJW 2021, 3721) zu beachten und den Vortrag des Klägers nach diesen Maßgaben zu bewerten haben.
25b) Das Berufungsgericht wird auch bei der Prüfung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV (vgl. dazu VIa ZR 335/21 u.a., juris) die festgestellte Verhaltensänderung zu bewerten haben. Hat der Fahrzeughersteller sein Verhalten vor dem Abschluss des konkreten Erwerbsgeschäfts, das wie in den Fällen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung das gesetzliche Schuldverhältnis nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV erst begründet (vgl. zu § 826 BGB nur Rn. 31, NJW 2020, 2798), dahin geändert, dass er die Ausrüstung der Fahrzeuge mit Motoren einer dem erworbenen Fahrzeug entsprechenden Baureihe mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einer Art und Weise bekannt gegeben hat, die einem objektiven Dritten die mit dem Kauf eines solchen Kraftfahrzeugs verbundenen Risiken verdeutlichen muss, kann die Verhaltensänderung die Anwendung des für die Gewähr des Differenzschadens maßgeblichen Erfahrungssatzes in Frage stellen, dass der Geschädigte den Kaufvertrag zu diesem Kaufpreis nicht geschlossen hätte. Dies darzulegen und zu beweisen ist Sache des Fahrzeugherstellers (vgl. VIa ZR 533/21 Rn. 35, ZIP 2023, 1432).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:121023UVIIZR319.21.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-52510