BGH Beschluss v. - 2 StR 299/22

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/06 KLs 32/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten E.      wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten H.     hat es wegen Beihilfe zur bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge, diejenige des Angeklagten E.      auch mit der nicht ausgeführten Rüge der Verletzung formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

31. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt fand auf einem Betriebsgelände in Dr.     ein Treffen der Angeklagten A.    , E.     , H.     und D.   mit dem gesondert verfolgten P.     , alias „K.   “, und dessen Cousin „T.   “ statt, der Cannabis aus Spanien importierte. Dabei wurde vereinbart, künftig unter Mitwirkung der Anwesenden Drogen zum gewinnbringenden Verkauf einzuführen. „T.   “ sollte Ansprechpartner im Ausland und „K.   “ dessen rechte Hand in Deutschland sein. D.    sollte Informationsfunktionen übernehmen, E.       Lkws und Fahrer zur Verfügung stellen und H.     an den Übergabeorten Betäubungsmittel getarnt in legaler Ladung in Lkws verstauen. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde auch der Angeklagte M.        eingeschaltet.

4E.      stellte zunächst den Fahrer Mi.    und einen Lkw zur Verfügung. Mi.    fuhr am nach Spanien. Dabei war er ständig in Telefonkontakt mit E.       und A.    . Am übernahm Mi.    in Malaga 59,035 kg Haschisch, das er mit einer Ladung von Reifen getarnt im Auflieger verstauen wollte, was ihm aber nicht gelang. Daher flog H.      am nach Spanien, wo er beim Verstecken der Drogen im Lkw half. Dann erfolgte die Rückfahrt des Lkws und H.      kehrte auf dem Luftweg zurück. Beim Passieren der französisch-deutschen Grenze wurde der Lkw angehalten und kontrolliert. Die Betäubungsmittel wurden sichergestellt und der Fahrer Mi.    verhaftet (Fall II.1. der Urteilsgründe).

52. Anfang 2020 wurde M.        beauftragt, einen Transport von Kokain aus den Niederlanden in die Schweiz zu überwachen. A.    schaltete Mü.  ein, der einen Lkw und den Fahrer C.    zur Verfügung stellte. Dieser fuhr im April 2020 nach R.       . Um den Beschränkungen in der Pandemie Rechnung zu tragen, stellte E.      Grenzübertrittsbescheinigungen für H.     und dessen Begleiter Az.     aus, die den Drogentransport bewerkstelligen und begleiten sollten. In R.       erhielt H.     30,0791 kg Kokain, das er im Auflieger des Lastzuges zwischen dessen Reifenladung verbarg. Der Lkw fuhr zum Betriebsgelände in Dr.     , wo weitere Ladung zur Tarnung der Drogen übernommen wurde. Dann fuhr C.     in die Schweiz. Die Schweizer Zollbehörden kontrollierten den Lkw, wobei das Kokain sichergestellt wurde (Fall II.2. der Urteilsgründe).

6Das Rechtsmittel des Angeklagten E.      ist unbegründet, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet. Es führt aber zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs.

71. Das Landgericht hat den Strafzumessungsregeln aus § 31 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BtMG und § 46 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 StGB nicht hinreichend Rechnung getragen.

8a) Es hat dem Angeklagten E.      eine Strafrahmenmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BtMG versagt, weil es an einem dafür erforderlichen Aufklärungserfolg gefehlt habe.

9aa) Dazu hat es unter anderem darauf verwiesen, dass dessen Angaben „in der Hauptverhandlung“ zu einem Zusammenschluss der Gruppe zur Begehung künftiger Taten so „unstet“ gewesen seien, dass er geplante künftige Taten „offensichtlich nicht von sich aus einräumen wollte“. Das lässt besorgen, dass das Landgericht einen fehlerhaften rechtlichen Maßstab an die Anwendung von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BtMG angelegt hat.

10bb) Hat ein Angeklagter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich zur Aufdeckung einer Tat nach den §§ 29 bis 30a BtMG beigetragen, so liegen die Voraussetzungen für eine Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG für alle Taten des Angeklagten vor, die mit der aufgedeckten Tat im Zusammenhang stehen, ohne dass es darauf ankommt, ob auch bezüglich dieser Taten ein wesentlicher Aufklärungserfolg bewirkt worden ist (vgl. , NStZ-RR 2021, 381 mwN). Einem Aufklärungserfolg im Sinne dieser Vorschrift kann auch dann wesentliches Gewicht für die Aufklärung von Taten anderer Beteiligter zukommen, wenn hierdurch wichtige Tatsachen kundgetan werden oder den bereits vorhandenen Erkenntnissen eine sicherere Grundlage verschafft wird (vgl. , NStZ 2020, 556 f. mwN). Das kann hinsichtlich der beiden abgeurteilten Taten durch einen Aufklärungsbeitrag hinsichtlich einer dritten Tat der Fall sein, der Indizbedeutung für die bandenmäßige Begehung der späteren Taten zugemessen wird.

11cc) Für einen Aufklärungserfolg, der die behördlichen Ermittlungen ermöglicht oder erleichtert, kommt es auf die Angaben an, die der Angeklagte bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses macht (vgl. ‒ 1 StR 75/11, BGHSt 56, 191, 193); ein Bestreiten oder eine Relativierung erst in der Hauptverhandlung ist dann aber unerheblich (vgl. , NStZ-RR 2020, 148). Daher durfte das Landgericht nicht ohne weiteres das „unstete“ Aussageverhalten des Angeklagten E.       in der Hauptverhandlung zur Begründung der Versagung einer Strafrahmenverschiebung heranziehen.

12b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Wegfall dieses Arguments dazu geführt hätte, dass das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung nach § 31 Satz 1 BtMG in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hätte.

13c) Selbst wenn das Landgericht die Voraussetzungen dieser Normen nicht angenommen oder dem Angeklagten im Rahmen seiner Ermessensentscheidung eine Strafrahmenmilderung versagt hätte, wären die für die behördlichen Ermittlungen hilfreichen „Angaben zur England-Fahrt“ jedenfalls im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB zu berücksichtigen gewesen (vgl. für präkludierte Aufklärungshilfen ). An einer solchen Bewertung der Aufklärungsbemühungen fehlt es – unbeschadet der strafmildernden Berücksichtigung des Geständnisses zu den abgeurteilten Taten – in der Strafbemessung durch das Landgericht.

142. Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs für den Angeklagten E.      . Die zugehörigen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben, weil sie von dem Wertungsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).

III.

15Die Revision des Angeklagten H.      ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Sie führt aber zur teilweisen Aufhebung des Strafausspruchs.

161. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Bemessung der Einzelstrafe für die Tat im Fall II.1. der Urteilsgründe. Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch, soweit das Landgericht den Tatbeitrag des Angeklagten H.     als erheblich eingestuft hat, obwohl dieser als Beteiligter mit einer untergeordneten Rolle innerhalb der Bande nur auf Anweisung des Angeklagten A.    gehandelt hat. Der Angeklagte H.     ist im konkreten Fall auf dem Luftweg nach Spanien gereist, um dem Lkw-Fahrer Mi.    beim Verbergen der Drogen in der Ladung zu helfen, die diesem zuvor nicht gelungen war. Darin konnte das Landgericht ohne Rechtsfehler einen Tatbeitrag sehen, der „für den Taterfolg erheblich“ war.

172. Rechtsfehlerhaft ist jedoch der dem Angeklagten H.    „massiv“ strafschärfend zur Last gelegte Vorwurf, er habe „nicht von einer Beteiligung an der Tat im Fall II.2. Abstand“ genommen, obwohl zuvor der Lkw-Fahrer Mi.    im Fall II.1. der Urteilsgründe festgenommen wurde. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist, dass der Angeklagte H.     zur Tatzeit im Fall II.2. der Urteilsgründe von der vorausgegangenen Festnahme des Lkw-Fahrers Kenntnis erlangt hat.

18Das ist entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe selbsterklärend. Der Angeklagte H.     hatte Mi.    vor der Tat im Fall II.1. der Urteilsgründe nicht gekannt und war bei beiden Taten ohne eigenes Tatinteresse nur auf Anweisungen des Angeklagten A.    tätig geworden.

19Eine für die Strafzumessung bestimmende Warnwirkung der Festnahme des Lkw-Fahrers im Fall II.1. der Urteilsgründe kann dem Angeklagten H.     im Fall II.2. der Urteilsgründe nicht ohne die Feststellung einer entsprechenden Kenntnis angelastet werden.

203. Der Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.2. der Urteilsgründe. Die zugrunde liegenden Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben, weil sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann sie durch weitere Feststellungen ergänzen, soweit diese nicht in Widerspruch zu den bisherigen Feststellungen treten.

214. Der Wegfall einer von zwei Einzelstrafen hat den Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260923B2STR299.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-52403