BGH Beschluss v. - III ZB 93/22

Berufungssumme: Rechtsmittelbeschwer nach Abweisung eines Eigentumsherausgabeanspruchs für ein Grundstück wegen der Einwendung eines bestehenden Kleingartenpachtvertrags

Leitsatz

Zur Bemessung der Rechtsmittelbeschwer des die Herausgabe eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks begehrenden, in der Vorinstanz unterlegenen Klägers, wenn sich der Beklagte auf einen das Grundstück betreffenden Kleingartenpachtvertrag beruft.

Gesetze: § 8 ZPO, § 9 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 985 BGB, § 986 BGB, § 1 BKleingG, §§ 1ff BKleingG

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 10 U 920/22vorgehend LG Zwickau Az: 1 O 711/20

Gründe

I.

1Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Herausgabe der Teilfläche eines im Eigentum des Klägers stehenden Grundstücks. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Beklagten ein Nutzungsrecht an dieser Teilfläche aufgrund eines konkludent mit dem Voreigentümer des Grundstücks geschlossenen Pachtvertrages über die Nutzung als Kleingarten zusteht. Das Landgericht hat die auf § 985 BGB und hilfsweise auf § 581 Abs. 2, § 546 Abs. 1 BGB gestützte Klage abgewiesen.

2Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes entgegen § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO den Betrag von 600 € nicht übersteige, und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 45,63 € festgesetzt. Es hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstandes bestimme sich in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Herausgabekläger meine, dass zwischen den Parteien kein Nutzungs- oder Pachtverhältnis bestehe, während sich der Beklagte auf ein Recht zum Besitz aus einem Zwischenpachtvertrag berufe, nach den §§ 8, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahrespachtzins. Dieser belaufe sich nach den Behauptungen des Beklagten auf 45,63 €. Die Beschwer des Klägers betrage mithin 159,71 €. Maßgeblich sei, dass der Beklagte sich auf einen Zwischenpachtvertrag nach dem Bundeskleingartengesetz mit der Rechtsvorgängerin des Klägers mit einem jährlichen Pachtzins von 45,63 € berufe, in den später der Kläger eingetreten sei. Es komme auch nicht darauf an, dass die Rechtsvorgängerin des Klägers zunächst einen Pachtzins von 0,50 € pro Monat und Quadratmeter gefordert gehabt habe. Von dieser Forderung habe sie in der Folge Abstand genommen und den Pachtzins von 45,63 € jährlich akzeptiert. Das Bestehen eines Pachtvertrags sei zwischen den Parteien streitig. Sei in einem solchen Fall - wie hier - das Ende des umstrittenen Pachtverhältnisses weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, sei im Rahmen der Wertbemessung gemäß § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden.

3Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begehrt.

II.

4Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Denn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, sind nicht erfüllt. Die Rechtssache erfordert insbesondere - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn Veranlassung gegeben ist, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (st. Rspr.; zB , juris Rn. 15 mwN). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.

51. Dies gilt zunächst für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, wie die Beschwer des Klägers einer Herausgabeklage zu bestimmen ist, wenn er diese vorrangig auf sein Eigentum und nur hilfsweise auf Herausgabeansprüche aus einem Pachtvertrag stützt, dessen Zustandekommen er bestreitet.

6Nach der Rechtsprechung des Senats findet § 8 ZPO auch auf Kleingartenpachtverhältnisse im Sinne des Bundeskleingartengesetzes Anwendung (Senat, Beschluss vom - III ZB 84/15, NJW-RR 2016, 506 Rn. 6 mwN). Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses - wie hier - weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gemäß § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden (Senat, Beschlüsse vom - III ZR 222/18, juris Rn 5; vom - III ZR 525/16, NJW-RR 2017, 911 Rn. 7 und vom aaO; BGH, Beschlüsse vom - V ZR 185/13, juris Rn. 4; vom - LwZR 9/02, juris Rn. 12 und vom - IX ZR 253/98, NZM 1999, 189, 190). Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn der Kläger einer Herausgabeklage diese allein oder in erster Linie auf einen dinglichen Anspruch wie denjenigen aus § 985 BGB stützt und sich der Beklagte demgegenüber mit einem angeblichen Miet- oder Pachtverhältnis verteidigt (Senat, Beschluss vom aaO Rn. 1, 5 [Herausgabeanspruch aus § 985 BGB]; BGH, Beschlüsse vom aaO [dinglicher Herausgabeanspruch]; vom - XII ZB 106/04, juris Rn. 1, 8 [Herausgabeverlangen in erster Linie aus Eigentum, hilfsweise aus gekündigtem Nutzungsverhältnis]; vom aaO Rn. 10 [dinglicher Herausgabeanspruch] und vom aaO S. 189 [dinglicher Herausgabeanspruch]).

7Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass diese Rechtsprechung in der obergerichtlichen Rechtsprechung oder der Literatur in Zweifel gezogen wird. Entgegen ihrer Auffassung besteht auch kein Wertungswiderspruch dazu, dass bei einem allein auf ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gestützten Räumungsanspruch der Streitwert nach § 6 ZPO und dem Verkehrswert des Herausgabeobjektes zu bestimmen ist. Denn in Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich der Beklagte auf ein zum Besitz berechtigendes Nutzungsverhältnis beruft, streiten die Parteien - wie der Kläger an anderer Stelle zutreffend erkennt - nicht um den Vollwert des Grundstücks, sondern nur um dessen Nutzung (vgl. , juris Rn. 6; Monschau in Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl., Rn. 2.2166: Anwendbarkeit von § 42 GKG, wenn Beklagter sich bei seiner Verteidigung auf Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis beruft). Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage ist mithin in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem geklärt. Einen Grund, von ihr abzuweichen, zeigt der Kläger nicht auf.

82. Eine Veranlassung zur Fortbildung des Rechts besteht ebenfalls nicht hinsichtlich der weiteren von der Rechtsbeschwerde formulierten Frage, welche Werte der Bestimmung der Beschwer zugrunde zu legen sind, wenn der Kläger zum Wert der Nutzung des Grundstücks selbst vorgetragen hat und dieses Interesse über die vom Beklagten dargelegten Pachtzinsen hinausgeht.

9Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der nach § 8 ZPO beziehungsweise § 9 ZPO maßgebliche Pacht- oder Mietzins nur dem Vortrag der Beklagtenseite entnommen werden, wenn die klagende Partei - wie hier - den Bestand eines Pacht- oder Mietvertrages hinsichtlich der streitgegenständlichen Flächen bestreitet. Die Beklagtenseite kann nicht geltend machen, ihre Beschwer richte sich nach einem höheren Pacht- oder Mietzins, der weder nach dem Vortrag der klagenden Partei noch nach ihrem eigenen Vortrag vereinbart war (vgl. BGH, Beschlüsse vom aaO Rn. 5 und vom - XII ZR 154/05, juris Rn. 8). Nichts anderes gilt, wenn die Beschwer des in der Vorinstanz unterlegenen, auf Herausgabe klagenden Eigentümers zu bestimmen ist (vgl. Senat, Beschluss vom aaO Rn. 1, 5 f). Auch dann ist der dreieinhalbfache Jahresbetrag des zu entrichtenden Pachtzinses - und nicht ein allgemeiner Gebrauchswert der Nutzung - heranzuziehen. Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob bei einem der Höhe nach zwischen den Parteien streitigen Pachtzins auf die Angaben des (Herausgabe-)Klägers oder diejenigen des Beklagten abzustellen ist. Soweit die Rechtsbeschwerde (S. 9; vgl. auch Klägerschriftsatz vom ) in diesem Zusammenhang auf die Pachtzinsforderung der Rechtsvorgängerin des Klägers verweist, hat diese nicht "stets" einen Pachtzins von 0,50 €/m2 (x 446 m2 = 223 €) gefordert. Der insofern von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Vortrag des Klägers befasst sich lediglich mit der entsprechenden Forderung seiner Rechtsvorgängerin in dem Zeitraum bis zum Jahr 2004 (Schriftsatz vom , S. 5 ff). Demgegenüber hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsvorgängerin des Klägers von dieser Forderung in der Folge Abstand genommen und - ausweislich ihrer Rechnungen für den Zeitraum ab dem Jahr 2005 (Anlage B 1, S. 3 ff) - den Pachtzins von 45,63 € jährlich akzeptiert hat. Die Vorstellung der Rechtsvorgängerin des Klägers zur Höhe des zu entrichtenden Pachtzinses entsprach mithin zuletzt derjenigen des Beklagten. Dass der Kläger nach dem Übergang des Grundstückseigentums auf ihn im Jahr 2015 einen höheren Pachtzins geltend gemacht hat, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar, geschweige denn, dass ein solcher vereinbart wurde.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280923BIIIZB93.22.0

Fundstelle(n):
NJW-RR 2024 S. 75 Nr. 2
AAAAJ-52391