BGH Urteil v. - 1 StR 209/22

Steuerhinterziehung: Annahme eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns bei Veräußerung von Anteilen einer Kapitalgesellschaft

Gesetze: § 39 Abs 1 AO, § 39 Abs 2 Nr 1 AO, § 41 Abs 2 S 2 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO, § 370 Abs 1 AO, § 17 Abs 1 S 1 EStG, § 17 Abs 2 S 1 EStG, § 33 Abs 2 S 1 GmbHG, § 117 Abs 1 BGB

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 2 KLs 3/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie zwei Monate hiervon als Kompensation für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt erklärt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 539.978,54 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, bleibt nach einer geringen Einziehungsbeschränkung in Höhe von 3.824 € (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO) ohne Erfolg.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts beteiligte sich der Angeklagte im Jahr 2009 mit 18 % am Grundkapital der       H.     GmbH bei Anschaffungskosten in Höhe von 9.000 €. Im Frühjahr 2010 entschied er sich nach einem Streit mit dem Mitgesellschafter        W.     , seine Gesellschaftsanteile für einen zweistelligen Millionenbereich zu veräußern. Dabei war ihm bewusst, dass aufgrund W.    s Dominanz ein Verkauf an eine Person außerhalb des U.    -Konzerns zu einem noch deutlich höheren Preis faktisch nicht in Betracht kam; der Angeklagte und W.     gingen von einer Wertsteigerung der Anteile in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags aus. Indes konnte die       H.      GmbH den vollen Kaufpreis nicht sogleich aufbringen. Der Angeklagte war seinerseits zum einen auf den Zufluss des Kaufpreises angewiesen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten; zum anderen wollte er die auf die Anteilsveräußerung nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG anfallende erhebliche Steuerlast vermeiden. Aufgrund des Anschreibens seines Steuerberaters vom mitsamt einer Vorausberechnung wusste der Angeklagte, dass sich bei einem Kaufpreis von 11,5 Mio. € seine Einkommensteuerschuld inklusive Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2010 auf rund 3,255 Mio. € belaufen würde.

3Um diese Interessen (gesicherter und faktisch sofortiger Anteilserwerb auf der einen, ratenweise zum Lebensunterhalt zu vereinnahmende Entgelte und Vermeidung einer erheblichen Einkommensteuerlast auf der anderen Seite) zu erfüllen, ließen der Angeklagte und W.     als Vertreter der Erwerberinnen       H.      GmbH und       I.        GmbH mit drei Vereinbarungen, darunter einem notariellen „Optionsvertrag über den Verkauf und die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen“, am ein schwer zu durchschauendes Vertragswerk aufsetzen, mit dem sie den wirtschaftlichen Vollzug des Anteilsverkaufs verschleiern wollten (insbesondere UA S. 9 zweiter Absatz fünfter Satz; UA S. 10 zweiter Absatz erster Satz). Danach räumte der Angeklagte gegen Zahlung einer jährlichen Stillhalteprämie von 20.000 € den Erwerberinnen das „Optionsrecht“ bis zum ein, den Erwerb seiner Gesellschaftsanteile zu einem bestimmten – sich zum jeweiligen Jahresende um 980.000 € erhöhenden – Kaufpreis zu erklären; dabei bezog sich diese aufschiebende Bedingung nach Ziffer VI des Optionsvertrags auch auf die Abtretung der Gesellschaftsanteile (UA S. 16). Mit weiteren notariellen Verträgen verlängerten die Vertragsbeteiligten die Option letztendlich bis zum , wobei sich der Kaufpreis nach der jährlichen Staffelung um jeweils weitere 1 Mio. € auf zuletzt 16.440.000 € belief.

4Ebenfalls am schlossen der Angeklagte und die      H.      GmbH einen als solchen bezeichneten Darlehensvertrag über eine Valuta in Höhe von 1,22 Mio. €, gefolgt von zwei weiteren „Darlehensverträgen“ in den Jahren 2013 (Valuta: 720.000 €) und 2015 (Valuta: 340.000 €) sowie schließlich umgeschuldet am (Valuta: 1.998.435,36 €) mit einer am Optionsvertrag nicht beteiligten Konzerngesellschaft, der       T.                      mbH. Der Angeklagte vereinnahmte bis 2015 insgesamt 2.022.698,89 Mio. €, im Ergebnis also etwa 24.000 € mehr als formell vereinbart und auch ansonsten losgelöst von den Darlehensmodalitäten. Der Zweck des „Darlehens“ lag nach der Vorbemerkung der dritten (Zusatz-)Vereinbarung darin, den Lebensunterhalt des Angeklagten zu sichern, bis die Darlehensgeberin ihr Optionsrecht ausübte. Tatsächlich sollte nach dem Willen der Vertragsbeteiligten der Angeklagte, der sich aus dem Unternehmen zurückzog und über keine anderen Einkünfte verfügte, die zugeflossenen Summen zu keinem Zeitpunkt an die Darlehensgeberin zurückzahlen; der Angeklagte leistete auch keine Zinsen, obwohl vorgeblich ein Zinssatz von nominal 1,5 % p.a. – weit unter dem Marktzins von 5 % p.a. – vereinbart war. So standen nach der Zusatzvereinbarung im Falle der Ausübung des Optionsrechts die wechselseitigen (Rück-)Zahlungsansprüche unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer – der Aufrechnung gleichkommenden – Zug-um-Zug-Zahlung. Bei Nichtausübung des Optionsrechts sollte der Darlehensrückzahlungsanspruch gar erlöschen; denn in diesem Falle schuldeten die Käuferinnen eine Vertragsstrafe, die der Höhe des Darlehens angepasst war und mit der die Rückzahlungsansprüche der Darlehensgeberin verrechnet werden sollten.

5In seiner im September 2011 abgegebenen Einkommensteuererklärung 2010 erklärte der Angeklagte, der weder seine Befugnisse als Gesellschafter der      H.     GmbH ausübte noch Gewinnausschüttungen bezog, nur die vereinnahmte Stillhalteprämie in Höhe von 20.000 €; er verschwieg den Veräußerungsgewinn, obwohl er wusste, dass dieser steuerpflichtig war, weil er und die Käuferinnen den Anteilskaufvertrag bereits wirtschaftlich vollzogen hatten. Im Bescheid vom setzte das Finanzamt daher eine Einkommensteuer nur in Höhe von 3.824 € fest, in einem weiteren Bescheid vom gar von „Null“. Zugunsten des Angeklagten hat das Landgericht der Bestimmung des Verkürzungs- und Einziehungsumfangs einen Verkaufspreis nur in Höhe der tatsächlich zugeflossenen Gelder (2.022.698,89 €) und (davon abzuziehender) Anschaffungskosten für die Gesellschaftsanteile in Höhe von 50.000 € zugrunde gelegt sowie eine Einkommensteuer inklusive Solidaritätszuschlag in Höhe von 539.978,54 € berechnet.

6Im Zuge der Umschuldung am hoben die Vertragsbeteiligten die Zusatzvereinbarung auf; der Angeklagte zahlte aber auch bis zum nichts auf das Darlehen zurück. Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der        H.    GmbH und das der anderen Konzerngesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet; die      H.    GmbH leistete daher keine weiteren Zahlungen an den Angeklagten. Der Insolvenzverwalter erlangte auf der Grundlage des Vertrags vom am einen rechtskräftig gewordenen Zahlungstitel in Höhe von 1 Mio. € gegen den Angeklagten, der sämtliche Gelder mittlerweile verlebt hatte, vermögenslos war, sich überwiegend in Thailand aufhielt und sich daher nicht um den Rechtsstreit kümmerte, zumal er bei einer ernsthaften Verteidigung vor dem Landgericht hätte offenlegen müssen, dass die Darlehensbeträge tatsächlich vorgezogene Kaufpreiszahlungen waren.

72. Das Landgericht hat nicht erläutert, warum das Finanzamt die Einkommensteuer mit Bescheid vom von 3.824 € auf null herabsetzte. Im Hinblick auf diese Feststellungslücke im angefochtenen Urteil hat der Senat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts von der Einziehung dieses Betrages abgesehen (§ 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO).

83. Im Übrigen erweist sich die Revision aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet.

9Ergänzend bemerkt der Senat:

10a) Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich bei der abgeurteilten um die angeklagte Tat (§ 264 Abs. 1 StPO). Es genügt zur Konkretisierung, dass der Anklagesatz die für den Veranlagungszeitraum 2010 abgegebene Einkommensteuererklärung und den daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheid benennt. Hierdurch wurde die Hinterziehung der Einkommensteuer für das Jahr 2010 insgesamt und nicht lediglich bezüglich einzelner Einkunftsarten angeklagt. Die Tat ist daher nicht etwa auf die in der Anklageschrift genannten Einkunftsarten oder Besteuerungsgrundlagen – wie hier auf die Einordnung der Geldzuflüsse als verdeckte Gewinnausschüttungen – beschränkt (vgl. Rn. 5 f.), sondern unterliegt der umfassenden Kognitionspflicht des Tatgerichts.

11b) Das Landgericht hat die Rechtsgeschäfte vom in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend gewürdigt, dass der – geständige – Angeklagte einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn (§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG) jedenfalls in Höhe der ihm tatsächlich zugeflossenen Beträge erzielte, weil die Vertragsbeteiligten den Anteilskaufvertrag bereits wirtschaftlich vollzogen hatten (dazu unter aa)). Die aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) aus Ziffer VI des Optionsvertrags und den zum Vertragswerk vom zugehörigen „Darlehensvertrag“ hat das Landgericht rechtsfehlerfrei der Sache nach als Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO) gewertet. Der Schuld- und der Einziehungsumfang wurden durch die Umschuldung vom nicht verändert (dazu unter bb)). Im Einzelnen:

12aa) Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei von einem im April 2010 vollzogenen Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 17 EStG ausgegangen.

13(1) Eine einkommensteuerpflichtige Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 17 EStG ist anzunehmen, wenn die zivilrechtliche Inhaberschaft (§ 39 Abs. 1 AO) oder zumindest das sogenannte wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an den Anteilen auf den Erwerber übergeht. Zu diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn; auf den Zufluss des Entgelts kommt es nicht an (vgl. nur , BFHE 271, 482 Rn. 48 und vom – IX R 7/18 Rn. 25; jeweils mwN).

14Wirtschaftlicher Eigentümer eines Wirtschaftsguts ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (, BFHE 153, 318 Rn. 11). Ausgehend hiervon ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums von Anteilen an Kapitalgesellschaften regelmäßig anzunehmen, wenn der Käufer aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (vgl. , BFHE 276, 20 Rn. 41; vom – VIII R 21/17, BFHE 271, 482 Rn. 44; vom – IX R 57/10, BFHE 235, 376 Rn. 32; vom – VIII R 68/05 Rn. 27-31, BFHE 218, 299 unter II. 2. a. und vom – VIII R 32/04 Rn. 20-24, BFHE 214, 326 unter II. 3.; jeweils mwN).

15Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann dabei auch dann anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Ausschlaggebend ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte (vgl. , BFHE 235, 376 Rn. 33; vom – VIII R 68/05 Rn. 32, BFHE 218, 299 und vom – VIII R 32/04 Rn. 25, BFHE 214, 326 unter II. 3.; jeweils mwN). So kann selbst dann, wenn das Kausalgeschäft – etwa weil die Formvorschriften der § 15 Abs. 4 GmbHG (s. § 125 BGB) nicht beachtet wurden – formunwirksam ist, wirtschaftliches Eigentum an Kapitalgesellschaftsanteilen erworben werden, wenn einander nicht nahestehende Vertragsparteien die im formunwirksamen schuldrechtlichen Vertrag getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchführen (vgl. Rn. 27; vom – IX R 69/10 Rn. 29, 34; vom – IX R 61/05 Rn. 24 und vom – VIII R 26/01 Rn. 33, BFHE 205, 204 unter II. 4. c. bb.; jeweils mwN).

16Erwerbsoptionen sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur dann geeignet, wirtschaftliches Eigentum zu begründen, wenn nach dem typischen und für die wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichen Geschehensablauf tatsächlich mit einer Ausübung des Optionsrechts zu rechnen ist; von einer solchen ausreichenden „Verdichtung“ ist bei einer Verbindung von Ankaufs- und Andienungsrecht (sogenannte Doppeloption) auszugehen ( Rn. 33, BFHE 218, 299 unter II. 2. a.; vom – VIII R 32/04 Rn. 27, BFHE 214, 326 unter II. 4. a. und vom – VIII R 28/02 Rn. 29, BFHE 205, 426 unter II. 1. b. cc.; jeweils mwN).

17(2) Ausgehend von diesen Maßstäben ist hier ein vollzogenes Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 17 EStG anzunehmen. Die     H.     GmbH, die eigene Anteile erwarb (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), und die       I.          GmbH auf der einen Seite sowie der Angeklagte auf der anderen Seite warteten nicht ab, bis die beiden Gesellschaften die „Erwerbsoption“ förmlich ausübten. Vielmehr begannen sie sofort, wie von vornherein beabsichtigt, faktisch mit der Erfüllung der kaufvertraglichen Pflichten; jede Vertragsseite wollte der anderen die dieser zustehenden Positionen möglichst weitgehend verschaffen. Der Angeklagte „räumte“ seine Gesellschafterstellung: Weder erhielt er aus den formal weiterhin ihm zustehenden Anteilen Gewinnausschüttungen noch wirkte er an den unternehmerischen Entscheidungen der      H.     GmbH mit. Ein etwa formal bei ihm verbliebenes Stimmrecht hätte er ohnehin grundsätzlich im Interesse der Erwerberinnen ausüben müssen (vgl. Rn. 25, BFHE 205, 426 unter II. 1. b. bb.). Die regelmäßigen Geldzahlungen waren nur als Darlehenstranchen getarnt (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO; § 117 Abs. 1 BGB) und in Wirklichkeit Kaufpreiszahlungen (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AO; § 117 Abs. 2 BGB); auch dies ist ein (äußerst) gewichtiges Indiz, was das Landgericht bei der tatgerichtlichen Auslegung der Rechtsgeschäfte (vgl. dazu nur Rn. 42; Beschluss vom – 1 StR 475/21 Rn. 14; jeweils mwN) ohne Rechtsfehler heranziehen durfte. Die spätere Insolvenz der       H.    GmbH gehörte nicht zum vertragsgemäßen Verlauf und schließt daher den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auch nicht aus.

18bb) Auch die Bestimmung der Höhe des Veräußerungsgewinns (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) begegnet keinen im Ergebnis durchgreifenden Bedenken. Die Vertragsbeteiligten reduzierten am nicht nachträglich die Höhe des Kaufpreises oder ließen ihn gar ganz entfallen; in der angeblichen Umschuldung liegt kein „rückwirkendes Ereignis“, welches die Neubestimmung des Veräußerungsgewinns nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erforderlich machte.

19(1) Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises grundsätzlich nicht mehr, sofern nicht der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft – wie etwa eine Leistungsstörung – bereits „angelegt“ war. Eine derartige Einschränkung sieht die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für tatsächliche oder rechtliche Veränderungen, die vor Erfüllung des Anspruchs auf die Gegenleistung eintreten, nicht vor. In diesen Fällen wirkt vielmehr jede nach der Veräußerung eintretende Veränderung beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO); ohne Bedeutung ist insoweit die Ursache der Störung bei der Vertragsabwicklung (vgl. Rn. 26-29; vom – IX R 43/14, BFHE 251, 326 Rn. 23 und vom – VIII R 67/02 Rn. 24, BFHE 203, 209 unter 2. c.; jeweils mwN).

20(2) Jedenfalls dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass der Angeklagte sowie W.     als Vertreter der beiden Erwerberinnen und der       T.                     mbH auch am nicht erstmals die Begründung einer Darlehensrückzahlungsschuld ernstlich wollten. Die Umschuldung ist damit ein weiteres Scheingeschäft. Der Angeklagte war nach wie vor nicht kreditwürdig und leistete auch keine Rückzahlungen. Die Feststellungen des Landgerichts bieten keinen Anhalt dafür, dass die Vertragspartner von ihrem Gesamtplan, dass der Angeklagte gegen Abfindung aus der       H.     GmbH faktisch ausgeschieden war, abrücken, mithin den Vollzug des Anteilserwerbs rückgängig machen wollten. Solches hat auch der geständige Angeklagte nicht geltend gemacht. Eine Aufklärungsrüge hat er nicht erhoben.

21(3) Auch der rechtskräftige Zahlungstitel führt nicht zur Rückwirkung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dies folgt bereits daraus, dass der mittellose Angeklagte hierauf nichts zahlen kann (vgl. Rn. 32, BFHE 205, 426 unter II. 2. a.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:140623U1STR209.22.0

Fundstelle(n):
wistra 2023 S. 3 Nr. 11
wistra 2024 S. 29 Nr. 1
DAAAJ-51917