BGH Beschluss v. - XIII ZB 53/22

Beschwerdeberechtigung im Abschiebungshaftverfahren: Berücksichtigung einer vom Betroffenen benannten Vertrauensperson

Gesetze: Art 104 Abs 4 GG, § 62 AufenthG, § 59 Abs 1 FamFG, § 432 FamFG

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-21 T 152/21vorgehend AG Frankfurt Az: 934 XIV 2203/21 B

Gründe

1I. Der Betroffene, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2013 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Seine Asylanträge hatten keinen Erfolg. Im Jahr 2021 betrieb die beteiligte Behörde die Abschiebung des Betroffenen. In diesem Zusammenhang ordnete das im Wege der einstweiligen Anordnung gegen diesen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum an.

2Am hat der Rechtsbeschwerdeführer gegenüber dem Amtsgericht angezeigt, dass er die Person des Vertrauens (fortan: Vertrauensperson) des Betroffenen sei, und beantragt, die gegen diesen angeordnete Haft aufzuheben sowie festzustellen, dass die Haft ab Eingang des Antrags rechtswidrig war. Dem Schreiben war eine vom Betroffenen unterzeichnete Vollmacht beigefügt, die auch die Erklärung enthielt, dass er den Rechtsbeschwerdeführer als Vertrauensperson benenne. Das Amtsgericht hat den Haftaufhebungsantrag mit Beschluss vom abgelehnt. Die dagegen vom Rechtsbeschwerdeführer eingelegte, nach Beendigung der Haft auf Feststellung gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene sein Begehren weiter.

3II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

41. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mangels Beschwerdebefugnis für unzulässig erachtet, da der Rechtsbeschwerdeführer keine Vertrauensperson des Betroffenen sei. Insoweit reiche nicht aus, dass der Betroffene eine Vollmacht unterschrieben habe, die ihn als solche benenne. Es bestünden Zweifel, ob der Inhalt des in deutscher Sprache vorformulierten Formulars für den Betroffenen verständlich gewesen sei. Der Rechtsbeschwerdeführer habe auch nicht dargelegt, dass er dem Betroffenen den Inhalt des Formulars erläutert habe.

52. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

6a) Das Beschwerdegericht hat den Rechtsbeschwerdeführer zu Unrecht nicht als Vertrauensperson des Betroffenen anerkannt.

7aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in Freiheitsentziehungsverfahren grundsätzlich der- oder diejenige Person des Vertrauens, um dessen oder deren Beteiligung der Betroffene bittet; weitergehende Voraussetzungen, wie etwa ein Näheverhältnis oder wenigstens eine nachvollziehbar dargelegte persönliche Beziehung zum Betroffenen und ein daraus folgendes ideelles Interesse der Person am Ausgang des Verfahrens, sind nicht erforderlich (BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 10; vom - XIII ZB 132/19, juris Rn. 7; vom - XIII ZB 9/20, juris Rn. 14). Entscheidend für die Stellung als Vertrauensperson ist allein, wem der Festzuhaltende Vertrauen entgegenbringt (, juris Rn. 14). Es genügt daher, wenn der Betroffene in einer Vollmacht die Person nicht nur mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bevollmächtigt, sondern sie ausdrücklich auch als Person seines Vertrauens benannt hat, die über seine Inhaftierung und deren Fortbestand nach Art. 104 Abs. 4 GG, § 432 FamFG unterrichtet und an dem Verfahren beteiligt werden soll (, juris Rn. 7). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

8bb) Gründe, an der Ernstlichkeit der Benennung des Rechtsbeschwerdeführers zur Vertrauensperson durch den Betroffenen zu zweifeln, sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Soweit das Beschwerdegericht anführt, dem Betroffenen sei das von ihm unterschriebene Formular möglicherweise nicht verständlich gewesen, handelt es sich um eine reine Mutmaßung, die einer tatsächlichen Grundlage im festgestellten Sachverhalt entbehrt.

9b) Der Rechtsbeschwerdeführer ist auch beschwerdebefugt. Er wendet sich als Vertrauensperson mit der Beschwerde (allein) gegen die Zurückweisung seines zugunsten des Betroffenen gestellten Haftaufhebungsantrags. Diesen konnte er aufgrund seiner Benennung als Vertrauensperson (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 9/20, juris und XIII ZB 27/20, jew. juris Rn. 14 f.) und im eigenen Namen (vgl. , InfAuslR 2020, 387 Rn. 13) stellen; eine Beteiligung im vorangegangenen Haftanordnungsverfahren war dazu nicht erforderlich. Aufgrund der mit der Zurückweisung seines Antrags verbundenen formellen Beschwer des Rechtsbeschwerdeführers ergibt sich seine Beschwerdebefugnis im Streitfall unmittelbar aus § 59 Abs. 1 FamFG, nicht aus § 429 FamFG (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 30/20, juris Rn. 13; vom - XIII ZB 93/20, juris Rn. 7 f).

10c) Nach der Entlassung des Betroffenen aus der Haft konnte der Rechtsbeschwerdeführer den Haftaufhebungsantrag gemäß § 62 FamFG mit dem Feststellungsantrag weiterverfolgen (vgl. , juris Rn. 6 f.).

113. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben (§ 74 Abs. 5 FamFG). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sich die Rechtmäßigkeit der gegen den Betroffenen angeordneten Sicherungshaft auf Grundlage der vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilen lässt. Daher ist die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

12III. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:101023BXIIIZB53.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 680 Nr. 10
QAAAJ-51849