BGH Urteil v. - 6 StR 299/22

Strafmildernde Berücksichtigung von Umständen bei der Untreue eines Beamten

Gesetze: § 46 StGB, § 263 Abs 3 S 2 Nr 4 StGB, § 266 Abs 1 StGB, § 266 Abs 2 StGB

Instanzenzug: Az: 46 KLs 18/21vorgehend Az: 6 StR 282/20 Urteilvorgehend Az: 70 KLs 12/19

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.      wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 100 Euro verurteilt; den Angeklagten   H.      hat es vom Tatvorwurf der Anstiftung zur Untreue freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen, hinsichtlich des Angeklagten S.      beschränkt auf den Strafausspruch. Das den Angeklagten S.     betreffende Rechtsmittel hat Erfolg; die den Angeklagten   H.      betreffende Revision ist unbegründet.

I.

2Das Landgericht hat festgestellt:

3Der Angeklagte S.      war seit 2013 Oberbürgermeister der Landeshauptstadt        . Der als Volljurist ausgebildete Angeklagte   H.      war zunächst Leiter des Fachbereichs Recht der Landeshauptstadt        . Im Jahr 2012 wurde er zum Leiter des Fachbereichs „Büro Oberbürgermeister“ befördert und in die Besoldungsgruppe B 2 eingeordnet. Zwei Jahre später begannen Planungen, einen „Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters“ einzurichten, in dem neben dem Fachbereich „Büro Oberbürgermeister“ auch die Fachbereiche „Recht“ und „            G.   “ sowie der Bereich der Gleichstellungsbeauftragten und das Rechnungsprüfungsamt enthalten sein sollten. Der Geschäftsbereich sollte zunächst als neues Dezernat der Stadt aufgewertet werden. Deshalb entwarf das von dem gesondert verurteilten Zeugen Hä.   geleitete Personaldezernat eine Beschlussdrucksache für die Ratsversammlung, in der die Einrichtung des (siebten) Dezernats „Oberbürgermeister“ mit einem Personalaufwand für die Stelle eines nach der Besoldungsgruppe B 7 besoldeten Dezernenten vorgesehen war. Dieser Vorschlag fand in der Ratsversammlung jedoch keine Mehrheit, so dass die Einrichtung des Geschäftsbereichs des Oberbürgermeisters zwar weiterverfolgt, von dessen Aufwertung zu einem neuen Dezernat aber Abstand genommen wurde.

4Der Angeklagte   H.      war für die Leitung des neuen Geschäftsbereichs vorgesehen, dessen Einrichtung einen erheblichen Aufgabenzuwachs und mehr Verantwortung mit sich brachte. Seine Besoldung hielt er deshalb nicht mehr für angemessen. Am schrieb er Hä.    eine E-Mail mit folgendem Inhalt:

5„Lieber Ha.  ,

6bevor der OB morgen in die nächste Verhandlungsrunde geht, würde ich gerne mit Dir zwei Fragen klären, um die Probleme mit dem siebten Dezernat auszuräumen. Im Kern geht es darum, ob wir im Geschäftsbereich des OB eine Führungsebene zwischen OB und den Fachbereichsleitungen einrichten können, ohne ein neues Dezernat einzurichten:

7Frage 1: Kannst Du mit einer Zulage hinbekommen, dass ich netto wie B 7 bezahlt werde? Diese Frage ist wichtig für mein Selbstwertgefühl.

8Frage 2: Welche Erhöhung der pensionswirksamen Bezüge kannst Du beim MI durchbekommen (B 4)? (Begründung: Verantwortlicher Jurist im Führungsgremium, Vorgesetzter von Fachbereichsleitern). Diese Frage ist wichtig für die Verantwortungs-/Haftungsfrage?“

9  H.     , der sich im Besoldungsrecht nicht auskannte und mit besoldungsrechtlichen Fragen in seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit nicht befasst gewesen war, hatte zu diesem Zeitpunkt nicht geprüft, ob die Höherbesoldung oder die Zahlung einer Zulage rechtlich zulässig war oder gegen geltendes Besoldungsrecht verstoßen und ihre Gewährung der Stadt        einen Vermögensnachteil zufügen würde. Für ihn war Hä.   als Leiter des Personaldezernats der zuständige Ansprechpartner, von dem er erwartete, dass dieser ihm fundierte und rechtlich zutreffende Auskünfte geben könne. Hä.    antwortete   H.     per E-Mail vom selben Tage wie folgt:

10„Lieber F.  ,

11Antwort zu Frage 1: Das bekommen wir rechtlich und tatsächlich ohne Probleme hin.

12Antwort zu Frage 2: Eine Bewertung nach der Stelle B 4 ist möglich und ohne Probleme beim MI durchsetzbar.

13Bei der damaligen Bewertung Deiner jetzigen Stelle nach B 2 hat uns der MI eine fast grenzenlose Freiheit bei der Bewertung eingeräumt.

14Die damalige Auskunft lautete:

15Über die Bewertung der Stelle eines Leiters des Oberbürgermeisterbüros entscheidet der OB und nicht der MI.“

16Im Januar 2015 traf   H.      zufällig auf den stellvertretenden Leiter des dem Dezernenten Hä.   unterstellten Fachbereichs Personal und Organisation, den Zeugen K.     . Er fragte K.      , ob Hä.   auch bereits mit ihm über die Frage der Besoldungserhöhung für ihn gesprochen habe. K.     , der erfahren hatte, dass eine Erhöhung der Besoldung   H.      s durch Höherstufung und/oder eine Zulage im Raum stand, antwortete ihm, dass er „hinsichtlich dessen Besoldungserhöhung rechtliche Bedenken“ habe, ohne dies weiter auszuführen.   H.      machte sich auch jetzt keine Gedanken über die Frage der rechtlichen Zulässigkeit, sondern vertraute weiterhin der Antwort Hä.    s auf seine E-Mail vom und rechnete nicht mit der Möglichkeit einer Rechtswidrigkeit der von ihm begehrten Höherbesoldung oder Zulage.

17K.       hingegen beauftragte die als Sachbearbeiterin des Fachbereichs tätige Zeugin N.   mit der Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten einer Besoldungserhöhung. Sie führte in einem Vermerk vom aus, dass eine über die Besoldungsgruppe B 2 hinausgehende Bewertung für kommunale Ämter nicht möglich sei und eine Zulage in Form von Mehrarbeitsvergütung nur bei der Besoldungsgruppe A mit aufsteigenden Bezügen gewährt werden könne. K.     setzte Hä.    von dem Inhalt des Vermerks in Kenntnis.

18Im Folgenden wurde der „Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters“ eingerichtet. Zur Umsetzung dieses Vorhabens wurde unter der Federführung des Personaldezernats eine Beschlussdrucksache verfasst, in der ein Personalmehraufwand für den Leiter des Geschäftsbereichs des Oberbürgermeisters von jährlich 15.546 Euro vorgesehen war, was der Differenz einer Besoldung nach B 2 zu B 5 entsprach. Am fasste der Rat den entsprechenden Beschluss.

19Anfang April 2015 bat Hä.   den Zeugen K.     , den Differenzbetrag zwischen der Besoldung B 2 und B 5 sowie die Anzahl der zur Erreichung des Differenzbetrags erforderlichen Mehrarbeitsstunden auszurechnen. K.       äußerte rechtliche Bedenken gegen die Gewährung von Mehrarbeitsvergütungen für einen Angehörigen der Besoldungsgruppe B, die Hä.   unter Hinweis auf sein Bewertungs- und Organisationsermessen abtat. K.       gab den Auftrag an die Zeugin N.    weiter. Sie teilte ihm per E-Mail vom mit, dass der Differenzbetrag zwischen den Besoldungsgruppen monatlich 1.295,49 Euro betrage und die höchstmögliche Überstundenvergütung in der Besoldungsgruppe A 16 auf einen Betrag von 1.045,60 Euro monatlich begrenzt sei. Im Rahmen von Gehältern der Besoldungsgruppe B sei eine etwaige Mehrarbeit mit abgegolten. Hä.    nahm diese E-Mail am zur Kenntnis und veranlasste an demselben Tag rückwirkend ab dem – in Kenntnis ihrer Rechtswidrigkeit – die Auszahlung der höchstmöglichen Überstundenvergütung befristet bis zum , ohne mit den Angeklagten S.        und  H.      gesprochen zu haben.

20Ende April 2015 teilte K.       dem Angeklagten   H.      die Entscheidung zur Zahlung der Überstundenpauschale als Zulage mit.   H.     hatte sich jedoch eine an der Qualität seiner Arbeit orientierte und weitgehend pensionswirksame Aufwertung seiner Bezüge vorgestellt und wies darauf hin, dass Hä.   ihm „etwas anderes“ zugesagt habe. K.     erwiderte, dass man bei der Bewertung seiner Stelle gerade nicht „frei“ sei und auch Mehrarbeitszulagen so nicht möglich seien.   H.      vertraute indes weiterhin auf den Inhalt der E-Mail vom und meinte, dass ihm aufgrund zusätzlich übernommener Aufgaben und Verantwortung eine höhere Bezahlung zustehe.

21Am beauftragte Hä.    den Zeugen K.     , die Differenz zwischen den Besoldungsgruppen B 2 und B 5 erneut zu berechnen. Die damit befasste Zeugin N.   teilte am mit, dass die Differenz 1.327,88 Euro betrage, was 50 Mehrarbeitsstunden der Besoldungsgruppe A 16 entspreche, und wies erneut auf die Unzulässigkeit der Mehrarbeitszulage bei Gehältern der Besoldungsgruppe B hin. Hä.    nahm diesen Vermerk zur Kenntnis.

22Am wies Hä.    den Zeugen K.      an, diesen Differenzbetrag nunmehr als unbefristete Zulage auszuzahlen, und gab wahrheitswidrig an, dass er das Vorgehen mit der Kommunalaufsicht abgestimmt habe. K.        notierte den Inhalt des Gesprächs auf dem Vermerk vom und veranlasste die Zahlungen an   H.     . Er verfügte jedoch, weil er weiterhin Zweifel an der Rechtmäßigkeit hegte, eine jährliche Befristung, um jeweils eine erneute Entscheidung seines Vorgesetzten herbeizuführen. Die Strafkammer hat nicht feststellen können, dass   H.      an der Anweisung Hä.   s „beteiligt“ war. In den Folgejahren stimmte Hä.    der Verlängerung der Auszahlungen an   H.      jeweils zu.

23Die Bewerbung   H.     s auf eine nach B 7 besoldete Dezernentenstelle blieb mangels Unterstützung durch den Angeklagten S.      erfolglos.  H.      war weiterhin unzufrieden mit seiner Besoldung und forderte am von Hä.   mit dem Hinweis, „alle drei Punkte sind rechtlich vertretbar“, unter anderem eine Erhöhung seiner Zulage „auf den Differenzbetrag zu Besoldungsgruppe B 7“. Erst nachdem   H.      ihn immer wieder auf seine Forderungen angesprochen hatte, beauftragte Hä.   den Zeugen K.     mit der Überprüfung der Forderungen des Angeklagten. Die Zeugin N.   begründete in ihrem Vermerk vom ausführlich, dass keine rechtliche Möglichkeit bestehe, einem kommunalen Beamten auf Lebenszeit eine solche Zulage zu gewähren. K.     informierte Hä.    über das Ergebnis der Prüfung und händigte diesem den Vermerk aus.

24Am suchte Hä.   den Angeklagten S.      auf und teilte ihm mit, dass es „rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Umsetzung der neuen Forderungen“ des Angeklagten   H.      gebe, ohne den Vermerk vom zu übergeben. Zu einer Erhöhung der Zulage kam es nicht.

25Ende Oktober 2017 berichteten einige Zeitungen im Zusammenhang mit dem gegen Hä    in einer anderen Sache eingeleiteten Disziplinarverfahren auch von einer vom Angeklagten S.      angestrebten unrechtmäßigen Aufstockung des Gehalts eines engen Mitarbeiters. S.       wurde aufgefordert, vor dem Verwaltungsausschuss zu diesem Verdacht Stellung zu nehmen. Auf die anstehende Ausschusssitzung sollte ihn   H.      vorbereiten. In der Nacht auf den äußerte   H.      über „WhatsApp“ gegenüber S.      , dass der Umgang der Stadt         mit Überstunden – anders als die ihm gewährte Pauschale – „undurchsichtig und (…) rechtlich angreifbar“ sei, und empfahl unter anderem, den Vermerk, den Hä.    seinerzeit „wieder mitgenommen hat“, anzufordern sowie im Falle einer entstehenden „Erklärungsnot“ eine Neuregelung des Komplexes anzukündigen.

26Am forderte S.      , der von der   H.      gewährten Zulage und deren Größenordnung wusste, den Vermerk vom an. Er überflog ihn, bewertete ihn als „inhaltlich komplex“, fotografierte beide Seiten und übersandte diese kommentarlos an   H.     . Er ging davon aus, dass dieser den Vermerk für seine – S.      s – Vorbereitung auf die Sitzung des Verwaltungsausschusses gebrauchen könnte und auch selbst daran interessiert sei. Die Strafkammer konnte nicht feststellen, dass S.        H.      einen Auftrag zur Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit der Zulagenzahlung erteilt hatte. Infolge der Lektüre des Vermerks hielt S.      es allerdings für möglich und nahm billigend in Kauf, dass die Zulagenzahlung an   H.      rechtswidrig war. Außer der Übersendung des Vermerks unternahm S.      nichts.

27Spätestens am sprach   H.      mit der Leiterin des Fachbereichs Personal und Organisation, der Zeugin D.  , über den Inhalt des Vermerks und die ihm gewährte Zulage. Sie teilte ihm mit, es handele sich „inhaltlich um einen ‚alten Vermerk‘, dessen rechtliche Bewertung insofern überholt sei,“ als Hä.    die Zulagenzahlung mit der Kommunalaufsicht abgestimmt habe. Dies teilte   H.      dem Angeklagten S.      spätestens am unmittelbar vor der Sitzung des Verwaltungsausschusses mit. S.      hielt es für möglich und nahm billigend in Kauf, dass es tatsächlich keine Abstimmung mit der Kommunalaufsicht gab.

28Im Mai 2018 veröffentlichte eine Zeitung den Vermerk der Zeugin N.   vom mit der Notiz K.     s über die vermeintliche Abstimmung Hä.   s mit der Kommunalaufsicht. Der für die Kommunalaufsicht zuständige Abteilungsleiter im Landesinnenministerium teilte dem Angeklagten S.      in Anwesenheit des Angeklagten   H.      mit, dass diese Zustimmung nie erteilt worden sei.   H.      veranlasste daraufhin die Einstellung der Zahlung. Insgesamt erhielt er 49.522,65 Euro, wovon 9.583,68 Euro auf den Zeitraum von November 2017 bis Mai 2018 entfielen.

29Mit zwischenzeitlich bestandskräftigem Bescheid vom wurde   H.      zur Rückzahlung des Gesamtbetrags verpflichtet. Seit dem werden monatlich 1.300 Euro von seinen Bezügen einbehalten. Zum bestand ein offener Restbetrag in Höhe von 28.978,82 Euro.

II.

30Der den Angeklagten S.      betreffende Strafausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl mit rechtsfehlerhaften Erwägungen die Indizwirkung für das Vorliegen eines besonders schweren Falls nach § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, Alt. 1 StGB als entkräftet angesehen.

311. Bei der Frage, ob ein besonders schwerer Fall anzunehmen ist, handelt es sich um eine dem Tatgericht obliegende Frage der Strafzumessung, in die einzugreifen dem Revisionsgericht nur in engen Grenzen gestattet ist (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 1982, 464, 465; vom – 1 StR 469/02, NStZ-RR 2003, 297, 298). Eine solche Konstellation ist hier gegeben, weil das Landgericht eine rechtsfehlerhafte Abwägung vorgenommen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 511/21, NStZ-RR 2022, 342; vom – 1 StR 116/11, NStZ 2012, 162, 163; jeweils mwN; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1530).

32a) Das Landgericht hat zu Unrecht das öffentliche Interesse sowie die Presseberichterstattung über das Strafverfahren und die damit für den Angeklagten S.      verbundenen Belastungen zu seinen Gunsten berücksichtigt.

33aa) Beeinträchtigungen des Angeklagten aufgrund einer öffentlichen Berichterstattung – selbst wenn diese „aggressiven und vorverurteilenden“ Charakter hat (vgl. dazu , Rn. 28 mwN) – wirken im Rahmen der Strafzumessung nur dann mildernd, wenn der Druck erheblich über das hinausgeht, was jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss (st. Rspr.; vgl. , NStZ- RR 2008, 343, 344; vom – 3 StR 149/18; Beschluss vom – 1 StR 56/15, NJW 2016, 728, 730; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 736 mwN). Die strafmildernde Berücksichtigung der öffentlichen Berichterstattung scheidet zudem regelmäßig aus, wenn eine Person des öffentlichen Lebens in Ausübung ihres Amtes Straftaten begeht; denn diese muss im Falle eines Strafverfahrens mit einem besonderen öffentlichen Interesse an ihrer Person und an ihrer Amtsführung rechnen (vgl. , NJW 2000, 154, 157; Beschluss vom – 1 StR 83/08, BGHSt 52, 220, 222).

34bb) Das Landgericht hat weder eine übermäßige mediale Berichterstattung noch damit verbundene außergewöhnlichen Belastungen des Angeklagten S.      festgestellt. So berichteten „einige Printmedien in        “ zunächst über das von S.      eingeleitete Disziplinarverfahren gegen Hä.   und davon, dass dies möglicherweise eine „Retourkutsche“ S.      s sei, weil Hä.    die Erhöhung des Gehalts eines engen Mitarbeiters S.      s als rechtswidrig abgelehnt habe. Am wurde in einer Tageszeitung der Vermerk der Zeugin N.   vom nebst handschriftlicher Ergänzung des Zeugen K.     abgedruckt. Weitere Berichterstattungen, insbesondere solche mit einem Bezug zur Person des Angeklagten S.      , lassen sich den Urteilsgründen ebensowenig entnehmen wie ihre möglichen konkreten Folgen für ihn. Die pauschale Feststellung des Landgerichts, dieser habe „ersichtlich aufgrund des öffentlichen Drucks“ seine Versetzung in den Ruhestand beantragt und dadurch sein Amt verloren, ist nicht mit Tatsachen belegt.

35b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die strafmildernde Berücksichtigung des Umstands, dass gegen den Angeklagten ein Disziplinarverfahren anhängig sei und Disziplinarmaßnahmen nach § 6 Abs. 2 NDiszG drohten.

36Zwar sind nicht unerhebliche beamtenrechtliche Folgen – wie etwa der Verlust der Beamtenrechte wegen einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlichen Tat von mindestens einem Jahr (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG) – regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 541/05, NStZ 2006, 393, 394; vom – 4 StR 445/09, NStZ-RR 2010, 39; vom – 3 StR 199/12, NJW 2013, 1892; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 737 mwN). Das Landgericht hat jedoch keine Feststellungen zu konkret drohenden erheblichen dienstrechtlichen Konsequenzen für den Angeklagten S.      getroffen. Solche verstehen sich mit Blick auf das Tatbild auch nicht von selbst. Sogar die Anwendung des Strafrahmens nach § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 StGB führt nicht zwingend zu einer Entfernung aus dem Amt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG), und dass der Angeklagte durch eine mögliche Kürzung des Ruhegehalts nach § 6 Abs. 2 Nr. 1, § 12 NDiszG oder eine Zurückstufung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2, § 10 NDiszG wirtschaftlich in besonderer Weise betroffen würde (vgl. , NStZ 2006, 393, 394), lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.

372. Im Hinblick auf den Strafausspruch bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine einheitliche und widerspruchsfreie Strafzumessung zu ermöglichen. Hierzu weist der Senat vorsorglich auf das Folgende hin:

38a) Das Landgericht durfte den vertypten Strafmilderungsgrund des § 13 Abs. 2 StGB – der auch bei Untreue durch Unterlassung Anwendung findet (vgl. , BGHSt 36, 227) – im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Strafkammer im Rahmen einer notwendigen Gesamtwürdigung (vgl. dazu Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 939 mwN) festgestellt, dass das Unterlassen hier leichter wiegt.

39b) Den teilweisen Einbehalt der Bezüge des Angeklagten   H.      hat das Landgericht rechtsfehlerfrei als Schadenswiedergutmachung zu Gunsten des Angeklagten S.      gewertet. Bestimmend für die Strafzumessung ist der dem Geschädigten tatsächlich verbleibende Schaden als verschuldete Auswirkung der Tat (§ 46 Abs. 2 StGB; vgl. , NStZ 2014, 517, 520). Die (teilweise) Schadenswiedergutmachung kann auch dann zu Gunsten des Täters wirken, wenn ein Dritter diese erbringt (vgl. , NJW 1958, 2078, 2079, Zahlung eines Haupttäters für einen Gehilfen; LK-StGB/Schneider, 13. Aufl., § 46 Rn. 198; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO Rn. 593).

40c) Schließlich war die Strafkammer entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht gehalten, generalpräventive Aspekte in die Gesamtabwägung einzustellen. Weder besteht bei der abgeurteilten Tat die Gefahr einer Nachahmung (vgl. dazu etwa ) noch ist eine gemeinschaftsgefährdende Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten festgestellt (vgl. dazu , NStZ 1986, 358; Beschluss vom – 4 StR 173/07, NStZ 2007, 702).

III.

41Der Freispruch des Angeklagten   H.      hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

421. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, er habe sich der Anstiftung zur Untreue strafbar gemacht, indem er am und Anfang des Jahres 2015 von Hä.    die Zahlung einer Zulage verlangt habe, die der Differenz zwischen den Besoldungsgruppen B 2 und B 7 entsprach. Dabei sei ihm die Rechtswidrigkeit der geforderten Zahlung bewusst gewesen. Mit Hä.    habe er sich dann auf die Zahlung einer Zulage in Höhe der Differenz zwischen den Besoldungsgruppen B 2 und B 5 geeinigt. Diese sei den jeweiligen Besoldungserhöhungen angepasst und als „pauschale Mehrarbeitsvergütung“ ausgewiesen worden. Wie mit Hä.    vereinbart, sei die Zahlung der „Mehrarbeitsvergütung“ beibehalten und stets verlängert worden.

43Dem Freispruch des Angeklagten   H.      liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen des Landgerichts zugrunde:

44Zum Zeitpunkt seiner an Hä.   gerichteten E-Mail vom habe er sich keine Gedanken über die besoldungsrechtliche Zulässigkeit der Zulagenzahlung gemacht, sondern lediglich eine „erste Erkundigung“ einholen wollen. Es sei nicht festzustellen gewesen, dass   H.      Anfang 2015 erneut eine Zulage verlangt habe. Es habe lediglich ein Gespräch zwischen ihm und dem Zeugen K.        stattgefunden, in dessen Rahmen er sich erkundigt habe, ob Hä.   bereits mit K.     über die Besoldungserhöhung gesprochen habe. An den Anweisungen Hä.   s zur Auszahlung der höchstmöglichen Überstundenvergütung zur Abdeckung der Differenz zwischen den Besoldungsgruppen B 2 und B 5 sei   H.      nicht beteiligt gewesen, auch nicht an den Zustimmungen Hä.  s zur jährlichen Verlängerung der Zulagenzahlung. Eine Strafbarkeit ergebe sich auch nicht mit Blick auf die in der E-Mail vom enthaltenen weitergehenden Forderungen, weil diese nicht umgesetzt worden seien. Der bloße Empfang der Zulage in Kenntnis ihrer Rechtwidrigkeit begründe keine Strafbarkeit, denn aus der Beamtenstellung allein folge keine diesbezügliche Aufklärungspflicht.

45Schließlich habe   H.      mangels Vermögensbetreuungspflicht den Tatbestand der Untreue nicht als Täter verwirklicht. Der Angeklagte S.      habe eine solche auch nicht in Form eines Prüfauftrags an ihn delegiert.

462. Entgegen der vom Generalbundesanwalt vertretenen Auffassung wird das Urteil den formellen Anforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO gerecht.

47a) Wird ein Angeklagter aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen hält. Auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen werden können (vgl. , NStZ 2009, 512, 513; vom – 1 StR 50/16; vom – 2 StR 427/09, NStZ-RR 2010, 182; vom – 6 StR 395/21).

48b) Das Landgericht hat den gegen den Angeklagten   H.      erhobenen Anklagevorwurf – die Anstiftung des gesondert verurteilten Hä.     zur Untreue – hinreichend konkret mitgeteilt. Insbesondere sind die möglichen Bestimmungshandlungen ausreichend deutlich beschrieben und zeitlich eingegrenzt.

49Es stellt auch keinen formellen Mangel dar, dass das Landgericht die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten   H.      nicht gesondert dargestellt hat. Grundsätzlich sind Urteilsfeststellungen hierzu bei einem freisprechenden Urteil entbehrlich (vgl. für viele MüKo-StPO/Wenske, § 267 Rn. 488), außer, sie können für die Beurteilung des Tatvorwurfs von Bedeutung sein (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2010, 529, 530 für Taten im familiären und häuslichen Bereich; vom – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314, 315 f. für Anhaltspunkte einer psychischen Erkrankung; vom – 4 StR 317/07, NStZ-RR 2008, 206, 207 für Vorstrafen; vom , 3 StR 297/99, NStZ 2000, 91 für Vorkenntnisse der Strafjustiz der ehemaligen DDR). Hier hat das Landgericht den beruflichen Werdegang des Angeklagten   H.      insoweit mitgeteilt, als er zum Verständnis des Anklagevorwurfs notwendig ist; im Übrigen hat es festgestellt, dass der Angeklagte sich im Besoldungsrecht nicht auskannte und auch in seinem Berufsleben mit besoldungsrechtlichen Fragen „nicht qua Amtes betraut gewesen war“. Zu einer weitergehenden Darstellung seines beruflichen Werdegangs war das Landgericht aufgrund fehlenden Bezugs zum Tatvorwurf nicht verpflichtet.

503. Die Beweiswürdigung, die der Annahme des Landgerichts zugrundeliegt, eine Anstiftung zur Untreue (vgl. zum möglichen „Bestimmen“ durch Fragen , NStZ-RR 2022, 252 mwN) scheide mangels Vorsatzes aus, hält rechtlicher Überprüfung stand.

51a) Die Beweiswürdigung ist Aufgabe des Tatgerichts. Das Revisionsgericht hat sie regelmäßig hinzunehmen; ihm ist es verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. etwa ; vom – 4 StR 502/10). Damit kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht die Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte, selbst wenn die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen „lebensfremd" erscheinen mögen (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ-RR 2011, 51, 52; vom – 4 StR 285/10; vom – 4 StR 502/10). Der Begriff der „Überzeugung“ im Sinne des § 261 StPO schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus (vgl. , Rn. 24).

52b) Hier ist das Landgericht ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage und ohne Verstoß gegen Denkgesetze (vgl. dazu , NStZ-RR 2011, 51, 52) aufgrund einer Bewertung der erhobenen Beweise sowie in einer Gesamtschau zu der möglichen Schlussfolgerung gelangt, der Angeklagte   H.      habe sich zum Zeitpunkt seiner E-Mail vom keine Gedanken über die rechtliche Zulässigkeit der von ihm begehrten Zulage gemacht.

53aa) Entgegen der Ansicht der Revision war das Landgericht nicht gehalten darzulegen, ob es Anfang des Jahres 2015 weitere Kommunikation zwischen  H.      und Hä.    gab. Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass – abseits der E-Mail vom – die Handlungen   H.     s für die Entscheidung Hä.   s zur Gewährung der Zulage nicht ursächlich waren. Dies ist im Urteil anhand der Aussage des Verurteilten Hä.    beweiswürdigend belegt.

54bb) Im Rahmen der Bewertung der Tatsachen hat das Landgericht seine Überzeugung vom fehlenden Untreuevorsatz des Angeklagten   H.     rechtsfehlerfrei aus einer Gesamtschau der erhobenen Beweise abgeleitet. Zwar enthalten die Urteilsgründe mehrfach die – für sich bedenkliche – Wendung, die Einlassung des Angeklagten   H.      sei „nicht zu widerlegen“ (vgl. dazu , NStZ-RR 2017, 221, 222; vom – 5 StR 165/20, NStZ 2021, 286 mwN). Dies lässt hier aber nicht besorgen, dass das Landgericht von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab ausgegangen ist. Denn in der Gesamtschau hat die Strafkammer die Überzeugung von deren Richtigkeit stets auf konkrete tatsächliche Anhaltspunkte gestützt (vgl. , NStZ-RR 2009, 90, 91; vom – 4 StR 129/14; jeweils mwN). Sie hat auf die Einlassung bekräftigende Beweismittel, insbesondere die E-Mails des Angeklagten sowie den Inhalt des Gesprächs mit dem Zeugen K.     , verwiesen und diese einer kritischen Würdigung unterzogen. Dabei hat sie auch in den Blick genommen, dass spezifische Rechtskenntnisse des Angeklagten   H.      als promoviertem Juristen in der öffentlichen Verwaltung naheliegen. Aus den Wendungen und dem Gesamtkontext seiner E-Mail vom , insbesondere im Vergleich zur E-Mail vom , und zu seinem „vehementen“ Auftreten gegenüber der Zeugin D.  , durfte das Landgericht den möglichen Schluss ziehen,   H.      habe sich zum Zeitpunkt seiner ersten Anfrage vom keine Gedanken über die besoldungsrechtliche Zulässigkeit der Zulage gemacht und nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass diese rechtswidrig sei. Dass er versuchte, eine Stellenhebung beim Innenministerium durchzusetzen, und auch dem „Nichtjuristen“ Hä.    Argumente für solches an die Hand gegeben hat, spricht nicht zwingend dagegen. Es existiert kein allgemeiner Erfahrungssatz dahin, dass ein Volljurist im höheren Verwaltungsdienst die besoldungsrechtliche Unzulässigkeit einer entsprechenden Zulagenzahlung erkennen müsste. Der Senat sieht ferner keinen Widerspruch zwischen der Feststellung fehlender relevanter Kenntnisse des Besoldungsrechts einerseits und der „Begründungshilfe“ des Angeklagten   H.      für sein Verlangen nach einer höheren Besoldung andererseits.

554. Darüber hinaus hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei nicht davon zu überzeugen vermocht, dass die nachfolgenden Handlungen des Angeklagten  H.      – insbesondere seine E-Mail vom – für die Entscheidung Hä.   s zur Verlängerung der Zulagenzahlungen mitursächlich waren. Die Feststellung, dass Hä.    auch die Verlängerungen der Zulagenzahlungen ohne Einflussnahme des Angeklagten   H.      verfügt hatte, ist aufgrund der Aussage Hä.   s beweiswürdigend belegt; eine Aufklärungsrüge ist nicht erhoben (vgl. auch − 6 StR 282/20, NZWiSt 2022, 26, 29). Das Landgericht hat überdies nicht festgestellt, dass ihm seinerzeit die Vermerke der Zeugin N.   bekannt waren. Dass   H.      spätestens am Kenntnis von dem Inhalt des Vermerks der Zeugin N.   vom erlangt hatte, dessen bloße Existenz ihm zudem schon vorher bekannt gewesen sein muss, lässt nicht darauf schließen, dass er vorsätzlich handelte, als er auf Hä.    einwirkte. Zudem wies die neue Leiterin des Personaldezernats, die Zeugin D.  , vom Angeklagten umgehend auf den Vermerk angesprochen, darauf hin, dass der Vermerk überholt sei, weil Hä.    die Zulage mit der Kommunalaufsicht beim Innenministerium abgestimmt habe.

565. Einer täterschaftlich begangenen Untreue des Angeklagten   H.     steht entgegen, dass dieser weder eine eigene Vermögensbetreuungspflicht für das Vermögen der Stadt        hatte noch eine solche an ihn delegiert wurde (vgl. dazu − 6 StR 282/20, NZWiSt 2022, 26, 29 f. mwN). Insoweit hat das Landgericht – in rechtlich nicht zu beanstandender Weise – keinen Prüfauftrag des Angeklagten S.      feststellen können. Mangels Aufklärungspflicht kommt auch ein Betrug durch Unterlassen durch   H.      nicht in Betracht (vgl. dazu − 6 StR 282/20, NZWiSt 2022, 26, 29 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:051023U6STR299.22.0

Fundstelle(n):
wistra 2024 S. 3 Nr. 2
YAAAJ-51641