Gesetzgebung | Erste Anhörung zum Wachstumschancengesetz (Bundestag)
Die führenden Wirtschaftsverbände
haben die meisten Maßnahmen in dem von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurf eines Wachstumschancengesetzes (BT-Drucks. 20/8628) begrüßt. Vertreter von
Städten und Gemeinden warnten jedoch in einer öffentlichen Anhörung des
Finanzausschusses am zu den unternehmenssteuerrechtlichen Teilen des
Entwurfs vor massiven Steuerausfällen der Kommunen.
Hintergrund: Mit dem
Wachstumschancengesetz soll die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gestärkt
werden. Dazu soll eine Investitionsprämie
zur Förderung der Transformation der Wirtschaft eingeführt werden. Unternehmen
sollen Zuschüsse in Höhe von 15 Prozent der Aufwendungen für
Energieeffizienzmaßnahmen erhalten. Die steuerliche
Forschungsförderung soll verbessert werden.
Außerdem will die Regierung das Steuersystem vereinfachen und
modernisieren. Vorgesehen ist unter anderem eine
befristete Wiedereinführung der degressiven
Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter sowie für
Wohngebäude. Verbesserungen sind auch beim steuerlichen
Verlustabzug vorgesehen. Die
Grenze für die Sofortabschreibung
geringwertiger Wirtschaftsgüter soll auf 1.000 Euro erhöht werden.
Hierzu wird u.a.
weiter ausgeführt:
Die
Bundesvereinigung der kommunalen
Spitzenverbände bat den Finanzausschuss eindringlich, die
drohenden massiven Steuerausfälle der
Kommunen abzuwenden. Den Kommunen drohten Steuerausfälle in
Höhe von 3,3 Milliarden Euro im Jahr. Das sei inakzeptabel. Zusammen mit
anderen Maßnahmen seien sogar Steuerausfälle von 5,85 Milliarden Euro im
kommenden Jahr zu befürchten. Dadurch werde die kommunale Investitionstätigkeit
gebremst. Klimaschutz, Wärmewende, Wohnungsbau und der Ausbau von Schul- und
Kitaplätzen könnten zukünftig deutlich langsamer vorankommen. Auch die Kölner
Stadtkämmerin, Professorin Dörte Diemert, kritisierte, der Gesetzentwurf gehe
mit erheblichen Steuerausfällen für die kommunale Seite einher. Die Ausfälle
müssten vom Bund kompensiert werden, forderte sie.
Dagegen begrüßten die
Spitzenverbände der Wirtschaft in ihrer
gemeinsamen Stellungnahme das Wachstumschancengesetz, das eine Reihe wichtiger
und überfälliger Maßnahmen enthalte. Damit könnten die steuerlichen
Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandortes Deutschland verbessert werden. Das
sei auch wichtig, weil sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten für 2023
nochmals verschlechtert hätten. Positiv beurteilten die Spitzenverbände die
Verbesserungen bei der Verlustverrechnung, die Verbesserung der steuerlichen
Förderung von Forschung und Entwicklung, die Erhöhung der Grenzen für
Sofortabschreibungen bei geringwertigen Wirtschaftsgütern sowie verbesserte
Sonderabschreibungen. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA)
nannte es grundsätzlich richtig, Maßnahmen für die Stärkung der
Investitionstätigkeit zu ergreifen. Durch das Gesetz werde die
Investitionstätigkeit der Unternehmen um elf Milliarden Euro angeschoben. Die
Verbesserung der Forschungsförderung stärke die Innovationskraft im Land.
Abgelehnt wurde von den
Wirtschaftsverbänden hingegen die vorgesehene deutliche Verschärfung der
Zinsschranke sowie die Einführung einer
Zinshöhenschranke. Dies sei
„kontraproduktiv“. Verlangt wurde außerdem eine Senkung der
Stromsteuer. Auch der Zentralverband des deutschen Handwerks verlangte eine
Senkung der Stromsteuer. Die Strom- und Energiepreise in Deutschland seien
nicht wettbewerbsfähig. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer sprach sich
für eine Senkung der im internationalen Vergleich viel zu hohen
Unternehmenssteuern aus. Das Wachstumsgesetz sei nicht das, was man sich unter
einer großen Reform vorstelle.
Wie die Wirtschaftsverbände
kritisierte auch die
Bundessteuerberaterkammer die Einführung der
Zinshöhenschranke. Die Zinshöhenschranke bedeute, dass Unternehmen Kosten nur
noch zu einem geringen Teil steuerlich abziehen könnten. „Wie sich eine
solche Maßnahme unter den Titel eines Wachstumschancengesetzes fassen lässt,
ist nicht ersichtlich“, kritisierte die Bundessteuerberaterkammer.
Außerdem enthalte der Entwurf mit der Einführung von Meldepflichten regelrechte
„Bürokratiemonster“.
Dagegen sprach sich
Professor Lorenz Jarass (Hochschule
RheinMain) für die Zinsschranken-Regelungen aus, weil dadurch
Steueroptimierung und Steuervermeidung vermieden werden könnten. Die
vorgesehenen Erweiterungen bei der Verlustverrechnung lehnte er ab. Kritisch
äußerte sich Jarass auch zu den Anhebungen von
Freigrenzen, zum Beispiel für Gewinne aus privaten
Veräußerungsgeschäften. Hier sind derzeit 600 Euro pro Kalenderjahr steuerfrei.
Der Betrag soll ab 2024 auf 1.000 Euro erhöht werden. Laut Jarass ermöglicht
die Erhöhung der Freigrenze eine verstärkte Steuervermeidung und sei deshalb
abzulehnen. Dies gelte auch für die für Vermietungseinnahmen, die bis zu 1.000
Euro steuerfrei bleiben sollen.
Dagegen begrüßte
Professor Heribert Anzinger (Universität
Ulm) in seiner Stellungnahme die Einführung der Freigrenzen,
die insbesondere bei Gelegenheitsvermietungen über Internetportale eine
Kriminalisierung verhindern könnten. Allerdings stelle sich die Frage, warum
keine einheitliche Freigrenze für alle Einkunftsarten geschaffen werde. Dadurch
könnte die Finanzverwaltung erheblich entlastet werden. Anzinger verwies auf
den Fall eines jugendlichen Krypto-Miners mit wenigen hundert Euro
Jahreseinnahmen, der nach jetzigem Recht mit den Mitteln des Straf- und
Ordnungswidrigkeitenrechts verfolgt werden müsse, weil seine Tätigkeit als
gewerbliche Betätigung einzustufen sei.
Professor
Roland Ismer (Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg) nannte die in dem Entwurf enthaltene
Klimaschutz-Investitionsprämie ein Projekt von „zentraler Bedeutung für
die Transformation der Wirtschaft, die jetzt ansteht“. Rechtlich sei die
Prämie schwierig, weil es Probleme mit dem unionsrechtlichen Beihilfeverbot
geben könne. Es müsse ein Regelung gefunden werden, damit es nicht zu
Rückforderungen der Prämie kommen könne. Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte-
und Gemeindebund regte an, die Zahlung der Klimaschutz-Investitionsprämie auch
auf Eigenbetriebe der Kommunen auszudehnen. Das wäre ein wichtiger Baustein für
den Klimaschutz auf kommunaler Ebene. Das Handwerk nannte die Klimaschutzprämie
grundsätzlich richtig, forderte jedoch Nachbesserungen für kleine Unternehmen.
So drohe die Pflicht zur Einschaltung von Energieberatern zu einem
„Flaschenhals“ zu werden. Es gebe bundesweit nur 5.000
Energieberater, aber rund eine Million Handwerksbetriebe.
Hinweis:
Über den weiteren Gang des
Gesetzgebungsverfahrens halten wir Sie mit unserem
ReformRadar
auf dem Laufenden. Dort finden Sie auch vertiefende Literatur zum
Thema.