BGH Beschluss v. - 4 StR 211/23

Gesetze: § 267 Abs 3 S 1 StPO

Instanzenzug: Az: 35 KLs 17/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „des Unternehmens der Besitzverschaffung eines kinderpornographischen Inhalts an Dritte, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt“, in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch hält hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Beurteilung rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3a) Den Urteilsfeststellungen zufolge übersandte der Angeklagte im Tatzeitraum zwischen dem und dem mithilfe seines Mobiltelefons elf Chatpartnern über den Kurznachrichtendienst „Telegram“ kinderpornographische Inhalte. Den 41 Übermittlungen lagen gegenseitige Austauschgeschäfte zugrunde, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem „angemessenen“ Verhältnis stehen mussten. Stets übersandte einer der Chatpartner eine oder mehrere Dateien mit u. a. kinderpornographischem Inhalt (Bilder oder Videos), um als Gegenleistung ebensolche Dateien von dem anderen Chatpartner zu erhalten. Dem Angeklagten dienten alle Chats allein dazu, kinderpornographische Inhalte auszutauschen, denen sein vordringliches Interesse galt. Zu Beginn der jeweiligen Chats wusste er noch nicht, wie viele oder welche Dateien er erhalten und daher auch nicht, wie viele Dateien er an den jeweiligen Chatpartner versenden würde. Nach jeder festgestellten Versendung hielt der Angeklagte inne, um zu entscheiden, ob er selbst wieder etwas versenden wolle. Stets traf er eine neue Entscheidung, kinderpornographisches Material zu übermitteln. Derartige Übermittlungen nahm der Angeklagte im Verhältnis zu bestimmten Chatpartnern, von denen er seinerseits Dateien mit kinderpornographischem Inhalt erhielt, häufig im Abstand von einigen Minuten vor.

4b) Nach den Feststellungen liegen nicht 41, sondern lediglich 17 selbständige Taten der Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte vor.

5aa) Die Strafkammer hat zwar erkannt, dass das Versenden mehrerer kinderpornographischer Bild- oder Videodateien im Rahmen eines einheitlichen Kommunikationsvorgangs nur eine Tat nach § 184b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB darstellt (vgl. Rn. 3 mwN; Beschluss vom – 4 StR 342/14 Rn. 8; Urteil vom – 4 StR 258/13 Rn. 14). Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts wird aber ein einheitlicher Kommunikationsvorgang in den Fällen, in denen der Angeklagte von ihm ausgesuchte kinderpornographische Inhalte in geringen Zeitabständen (zumeist von wenigen Minuten bis hin zu einer knappen halben Stunde) an seinen Chatpartner versandte, nicht durch den hierfür jeweils neu gefassten Entschluss in Frage gestellt. Denn jeder Fortgang der Kommunikation unter Chatpartnern bedarf der situativen Entscheidung eines Teilnehmers, dass und in welcher Weise auf übermittelte Inhalte zu reagieren ist. Ein verbindendes subjektives Element, welches die kurz hintereinander erfolgten Übersendungen der Dateien hier als Teil eines einheitlichen Kommunikationsvorgangs erscheinen lässt, besteht vielmehr bereits in dem alleinigen Bestreben des Angeklagten, mit seinem Chatpartner kinderpornographische Inhalte auszutauschen. Es lag schon der ersten und wenig später auch den weiteren Dateiübermittlungen zugrunde, zu denen der Angeklagte von Beginn an grundsätzlich bereit war.

6bb) Demgemäß ist in den Fällen II. 2. bis II. 6., II. 8. bis II. 13., II. 18. und II. 19., II. 20. bis II. 24., II. 25. bis II. 29., II. 31. bis II. 36. sowie II. 40. und II. 41. der Urteilsgründe jeweils nur eine Tat gegeben. Dabei verging zwischen den vom Angeklagten vorgenommenen Dateiübersendungen in den Fällen II. 21. und II. 22. wie auch in den Fällen II. 23. und II. 24. der Urteilsgründe zwar mehr als eine Stunde. Zumindest aufgrund der hier festgestellten Nachrichten, die der Angeklagte und sein Chatpartner jeweils in der Zwischenzeit wechselten, zählen aber auch diese Übersendungen zu einem einheitlichen Kommunikationsvorgang (vgl. auch Rn. 10). Dieser schließt darüber hinaus den Fall II. 20. der Urteilsgründe ein. Mithin verbleiben in den eingangs genannten Fällen sieben Taten. Unter Berücksichtigung der zehn weiteren Taten, deren konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht nicht zu beanstanden ist, hat der Senat in analoger Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch entsprechend geändert.

72. Der gesamte Strafausspruch hat keinen Bestand.

8a) Die – nach den Urteilsfeststellungen zu bejahende – Unbestraftheit des Angeklagten ist ein gewichtiger Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), dessen Berücksichtigung es regelmäßig bedarf (st. Rspr.; vgl. Rn. 5 mwN; Beschluss vom – 6 StR 61/22 Rn. 2; Beschluss vom – 2 StR 63/16 Rn. 15). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Strafkammer hat insoweit allein strafmildernd bedacht, dass der Angeklagte als Erstverbüßer besonders haftempfindlich ist. Diese Erwägung bleibt jedoch hinter der gebotenen Berücksichtigung von dessen Unbestraftheit zurück (vgl. Rn. 4 ff.). Auch im Übrigen lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass das Landgericht das Fehlen von Vorstrafen bei der Strafzumessung beachtet hat.

9b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diesen Rechtsfehler mildere Strafen verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich bei dem aufgezeigten Rechtsfehler lediglich um einen Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO).

103. Das neue Tatgericht ist in den zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefassten Fällen nicht durch das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) gehindert, höhere Einzelstrafen als die jeweils höchste der insoweit im ersten Rechtsgang verhängten Einzelstrafen festzusetzen. Hingegen dürfen die Einzelstrafen für die unberührt gebliebenen Taten, die Summe aller Einzelstrafen sowie die neu zu bestimmende Gesamtstrafe nicht zum Nachteil des Angeklagten verändert werden (vgl. Rn. 13; Beschluss vom – 3 StR 346/95, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:270923B4STR211.23.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-51115