BVerwG Beschluss v. - 8 B 19/22

Anwendung des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags auf landesinterne Dienstherrenwechsel kraft Landesrecht

Gesetze: § 137 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 127 Nr 2 BRRG, § 63 Abs 3 S 2 BeamtStG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein Az: 2 LB 3/21 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Az: 6 A 478/16 Urteil

Gründe

1Mit Ablauf des schieden zwei Gemeinden aus dem klagenden Amt aus und traten in eine Verwaltungsgemeinschaft mit der beklagten Stadt ein. Ein Beamter des Klägers wurde aus diesem Anlass zur Beklagten versetzt. § 5 Satz 1 des zwischen dem Kläger, der Beklagten und den beiden Gemeinden geschlossenen Personalüberleitungsvertrages verwies darauf, dass nach § 24 Gemeindehaushaltsverordnung Doppik (GemHHV Doppik) unter anderem Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeverpflichtungen zu bilden seien. § 5 Satz 2 des Vertrages bezifferte die Summe der beiden für den versetzten Beamten gebildeten Rückstellungen mit 273 802,35 € und bestimmte, die Rückstellungen gingen von dem Kläger auf die Beklagte über. Im Januar 2014 verlangte die Beklagte von dem Kläger unter Hinweis auf die genannte Regelung des Personalüberleitungsvertrages die Zahlung von 273 757,86 €. Der Kläger überwies den Betrag an die Beklagte. Im März 2014 verlangte er von der Beklagten dessen Rückzahlung, weil mittlerweile festgestellt worden sei, dass zwischen Mitgliedern der Versorgungsausgleichskasse der Kommunalverbände in Schleswig-Holstein (VAK) bei Dienstherrenwechseln keine Zahlungen zu leisten seien. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung unter Hinweis auf den Personalüberleitungsvertrag. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrages an den Kläger verpflichtet. Die Revision hat es nicht zugelassen.

2Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht.

3Die Frage,

ob bei einem landesinternen Dienstherrnwechsel zwischen Mitgliedern der Versorgungsausgleichskasse der Kommunalverbände in Schleswig-Holstein der bisherige und der neue Dienstherr angesichts der Möglichkeit der Übertragung der Abwicklung von Zahlungen gemäß § 8 Abs. 4 des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags auf die Versorgungsausgleichskasse das durch das Umlagesystem der Versorgungsausgleichskasse nicht geregelte Problem der unverändert weiterbestehenden Verpflichtung des neuen Dienstherrn zur Bildung von Pensionsrückstellungen im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit durch vertragliche Vereinbarung einer Zahlung des abgebenden Dienstherrn an den aufnehmenden Dienstherrn regeln können,

ist keine Rechtsfrage des revisiblen Rechts, soweit sie die vorinstanzliche Auslegung und entsprechende Anwendung des Staatsvertrags über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln - Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag (VLSV) - vom (BGBl. I S. 1290) zur Überprüfung stellt (1.). Im Übrigen wäre die Frage im angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich (2.).

41. Der Sache nach möchte die Beklagte geklärt wissen, ob eine Übertragung der Abwicklung von Versorgungszahlungen auf die VAK gemäß § 8 Abs. 4 VLSV bei einem Dienstherrenwechsel zwischen VAK-Mitgliedern die vertragliche Vereinbarung von Abfindungszahlungen im Sinne des § 4 Abs. 1 VLSV ausschließt, oder ob eine solche Vereinbarung mangels abschließender, gegenteiliger Regelung im Staatsvertrag zulässig bleibt. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Frage im Sinne der ersten Alternative beantwortet, allerdings nicht in Anwendung revisiblen Rechts.

5a) Zum revisiblen Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zählen nur Vorschriften, die kraft Normsetzungsbefehls des Bundes für den konkreten Sachverhalt Geltung beanspruchen. Ergibt ihre Anwendbarkeit sich erst aus einem Normsetzungsbefehl des Landes, ist ihre Auslegung und Anwendung nicht revisibel (vgl. 3 C 64.89 - BVerwGE 91, 77 <80 f.>; Beschluss vom - 7 B 35.86 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 132 S. 16). Dies trifft beispielsweise zu, wenn eine irrevisible landesrechtliche Norm eine bundesrechtliche Vorschrift für anwendbar erklärt und dadurch deren sachlichen Geltungsbereich auf den in Rede stehenden Sachverhalt erweitert (Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 137 Rn. 76). Das ist hier durch § 2 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden Dienstherrenwechseln (Versorgungslastenteilungsgesetz - VersLastG) vom (GVOBl. Schl.-H. S. 493) geschehen. Die irrevisible landesgesetzliche Regelung ordnet eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Staatsvertrages an. Damit erstreckt sie deren sachlichen Geltungsbereich, der länderübergreifende Dienstherrenwechsel einschließlich Dienstherrenwechsel zwischen Bund und Land umfasst, auf landesinterne Dienstherrenwechsel. § 2 Satz 3 VLSV lässt diese - von ihm als Einbeziehung in den Staatsvertrag bezeichnete - Ausdehnung des Anwendungsbereichs ausdrücklich zu, schreibt sie aber nicht vor. Damit beruht die Anwendbarkeit der staatsvertraglichen Regelungen hier allein auf der landesrechtlichen Anordnung.

6b) Die vom Oberverwaltungsgericht angewendeten Vorschriften des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrages sind auch nicht gemäß § 127 Nr. 2 BRRG i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG revisibel. Nach § 127 Nr. 2 BRRG kann die Revision gegen das Urteil eines Oberverwaltungsgerichts über eine Klage aus einem Beamtenverhältnis außer auf die Verletzung von Bundesrecht darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruht. Das Oberverwaltungsgericht hat vorliegend über keine Klage aus einem Beamtenverhältnis in Sinne dieser Vorschrift entschieden. Eine Klage aus dem Beamtenverhältnis liegt vor, wenn Gegenstand des Streits ein sich aus einem konkreten Beamtenverhältnis ergebendes Rechtsverhältnis eines Beamten ist (vgl. 2 C 14.17 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 148 Rn. 17, Beschluss vom - 8 B 44.63 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 13 S. 21). Hier streiten die Beteiligten nicht um die Frage, ob sich aus dem Beamtenverhältnis des von dem Kläger zu der Beklagten versetzten Beamten Rechte oder Pflichten für diesen ergeben, sondern darüber, ob eine Pflicht des Klägers zur Zahlung von 273 802,35 € an die Beklagte aus dem zwischen beiden abgeschlossenen Personalüberleitungsvertrag folgt.

7Darüber hinaus haben die vom Oberverwaltungsgericht angewendeten Vorschriften des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrages keinen beamtenrechtlichen Inhalt. Nach § 127 Nr. 2 BRRG sind nur solche landesrechtlichen Vorschriften revisibel, die materiell dem Beamtenrecht zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 5 B 6.20 - juris Rn. 7 und vom - 2 B 11.19 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 68 Rn. 23). Materiell beamtenrechtlicher Natur ist eine Regelung nicht bereits dann, wenn sie Auswirkungen auf Beamte entfaltet - selbst wenn diese zwangsläufig eintreten und die Norm regelmäßig sogar zwingend Beamte betrifft. Beamtenrechtlich ist eine Regelung vielmehr erst dann, wenn ihr Regelungsgegenstand in einem sachlichen Zusammenhang mit den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses steht und sich auf einen beamtenrechtlichen Kontext bezieht (vgl. 2 C 18.15 - Buchholz 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr. 58 Rn. 27). Einen solchen Kontext weisen die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Vorschriften des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags nicht auf. Sie regeln nur, ob und inwieweit der abgebende und der aufnehmende Dienstherr bei einem Dienstherrenwechsel Zahlungspflichten wegen der dem Beamten gegenüber bestehenden Ruhegehalts- und Beihilfeverpflichtungen vereinbaren können. Damit beziehen sie sich nicht auf Besonderheiten des Beamtenverhältnisses, sondern betreffen Fragen des öffentlichen Haushaltsrechts.

82. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage wäre im angestrebten Revisionsverfahren zudem nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass das Umlagesystem der Versorgungsausgleichskasse nach dem Gesetz über die Versorgungsausgleichskasse der Kommunalverbände in Schleswig-Holstein (VAKG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (GVOBl. Schl.-H. S. 182), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom (GVOBl. Schl.-H. S. 1349), das Problem der unverändert weiterbestehenden Verpflichtung des neuen Dienstherren zur Bildung von Pensionsrückstellungen nicht regele. Vielmehr hat es die von der Beklagten angenommene Regelungslücke in Anwendung irrevisiblen Rechts verneint. Dabei stützt es sich auf zwei entscheidungstragende Erwägungen, die jeweils nicht revisibles Recht betreffen und von der Beschwerde nicht mit wirksamen Rügen angegriffen werden.

9Erstens geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die in § 2 Abs. 2 VersLastG i. V. m. § 4 Abs. 1 VLSV normierte Pflicht des abgebenden Dienstherren, dem aufnehmenden Dienstherren eine Abfindung zu zahlen, mit der Übertragung der Abwicklung der Versorgung des Beamten auf die umlagefinanzierte VAK als eine andere Stelle im Sinne des § 8 Abs. 4 VLSV entfällt, wenn abgebender und aufnehmender Dienstherr - wie hier - in den jeweils maßgeblichen Dienstzeiträumen der VAK angehören und Umlagen an diese entrichten. In solchen Fällen gleiche die VAK gemäß § 2 Abs. 1 VAKG die Versorgungslasten beider Mitglieder aus und führe auch Abrechnungen nach dem Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrag zentral durch. Die Versorgungsrückstellungen gingen als haushaltsrechtliche Buchungs- und Bilanzposten auf den aufnehmenden Dienstherren über, ohne eine Ausgleichszahlungspflicht auszulösen.

10Zweitens hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass § 2 Abs. 2 VersLastG i. V. m. § 8 Abs. 3 VLSV in solchen Fällen keine vertragliche Vereinbarung einer Ausgleichs- oder Abfindungszahlung für übergehende Rückstellungen zulässt. Die Ermächtigung zur Vereinbarung abweichender Zahlungsregelungen sei wegen der Übertragung der Abwicklung auf die VAK gemäß § 2 Abs. 3 VersLastG i. V. m. § 8 Abs. 4 VLSV nicht anwendbar; außerdem decke sie nur Vereinbarungen zu Zahlungsmodalitäten und gestatte keine vertragliche Begründung originärer Zahlungspflichten. Damit hat das Oberverwaltungsgericht den nach § 2 Abs. 2 VersLastG entsprechend anzuwendenden Regelungen des Staatsvertrages eine abschließende Regelung zulässiger Zahlungsabreden zum Versorgungslastenausgleich entnommen.

11Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:091222B8B19.22.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-51088