BGH Beschluss v. - 3 StR 76/23

Instanzenzug: Az: 18 KLs 9/21

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und zwar den Angeklagten P.   wegen 122 Fällen zu einer solchen von einem Jahr und acht Monaten, den Angeklagten I.    wegen 79 Fällen zu einer solchen von zwei Jahren sowie den Angeklagten V.           wegen 89 Fällen zu einer solchen von einem Jahr und drei Monaten. Daneben hat es gegen die Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in unterschiedlicher Höhe als Gesamtschuldner angeordnet. Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte P.   erhebt darüber hinaus eine nicht ausgeführte Verfahrensrüge. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

2I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen fasste ein anderweitig Verurteilter den Entschluss, an Unternehmen Schreiben zu versenden, die nach ihrem Erscheinungsbild den Anschein einer amtlichen Rechnung für eine kürzlich vorgenommene Handelsregistereintragung erweckten. Dadurch sollten die getäuschten Empfänger zur Zahlung an hierfür gegründete Scheinunternehmen veranlasst werden. Der anderweitig Verurteilte setzte seinen Plan sukzessive mit mehreren weiteren Personen um, die durch organisiertes und arbeitsteiliges Vorgehen eine unbestimmte Zahl entsprechender Taten begehen und sich hierdurch eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle verschaffen wollten. Auch die Angeklagten beteiligten sich daran.

31. Die für die Versendung der Schreiben verwendete Frankiermaschine befand sich für einige Monate in der Wohnung des Angeklagten P.   , der sie in Absprache mit dem Ideengeber für etwa sieben Frankieraktionen nutzte. Er verband sich mit seinem gesondert verurteilten Bruder und einem Mitangeklagten, um mehrere, im Einzelnen noch ungewisse Betrugstaten zu begehen. Aufgrund der Absprache eröffnete dieser Mitangeklagte für eine GmbH, deren Geschäftsführer der Bruder des Angeklagten P.   war, Konten bei zwei Banken. Auf die Konten wurden infolge der unter Beteiligung des Angeklagten P.   versandten Schreiben vier Geldbeträge überwiesen. Zudem ließ sich der Mitangeklagte absprachegemäß als Geschäftsführer einer weiteren Scheingesellschaft eintragen, auf deren Konto 29 Überweisungen eingingen. Der Angeklagte P.   begleitete ihn zu Notar- und Bankterminen sowie anderen Terminen im Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit. Der Mitangeklagte hob eingehende Gelder umgehend vom Geschäftskonto ab. Sie wurden bei gemeinsamen Treffen dieses Mitangeklagten, des Angeklagten P.   , dessen Bruders und des Ideengebers aufgeteilt.

42. Der Angeklagte I.    erfuhr von dem „Geschäftsmodell“, wollte aber wegen einer bevorstehenden Inhaftierung nicht als Geschäftsführer einer Scheingesellschaft zur Verfügung stehen und berichtete einem weiteren Mitangeklagten davon. Beide verbanden sich mit dem gesondert verurteilten Initiator zur künftigen Begehung entsprechender Straftaten. Der Angeklagte I.    stellte seine Schrebergartenparzelle für die Tätigkeiten des einbezogenen Mitangeklagten zur Verfügung und erhielt dafür 5.000 € aus Taterträgen. Zudem stellte er sicher, dass der Mitangeklagte Termine als Geschäftsführer einer Scheingesellschaft einhielt, indem er diesen regelmäßig daran erinnerte und ihn in der Wahrnehmung seiner Tätigkeit bestärkte. Aufgrund der namens der Gesellschaft verschickten Schreiben gingen 79 Zahlungen ein.

53. Der Angeklagte P.   sprach den mit ihm befreundeten Angeklagten V.           an, um ihn für eine Beteiligung an dem Betrugsmodell zu gewinnen. Beide verbanden sich mit dem Bruder des Angeklagten P.   und dem gesondert verfolgten Ideengeber, um künftig Betrugstaten zu begehen. Der Angeklagte V.           ließ sich als Geschäftsführer einer Scheingesellschaft eintragen. Zum Notartermin im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft begleitete ihn der Angeklagte P.   , der die Wahrnehmung entsprechender Termine kontrollieren sollte. Der Angeklagte V.           eröffnete sechs Geschäftskonten und wurde dabei unter anderem vom Angeklagten P.   angeleitet sowie unterwiesen. Dieser begleitete ihn auch bei dem Abschluss eines Mietvertrages für die GmbH und zahlte die Miete einmal von seinem Privatkonto. Der Angeklagte V.           hob die eingehenden Gelder ab und wurde dabei stets durch den Angeklagten P.   oder dessen Bruder begleitet. Sodann trafen sich alle vier zur Aufteilung des Geldes. Auf den Geschäftskonten gingen, durch die vermeintlichen Rechnungsschreiben veranlasst, 89 Zahlungen ein.

6II. Die vom Angeklagten P.   erhobene Verfahrensbeanstandung entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und hat daher keinen Erfolg.

7III. Nach materiellrechtlicher Prüfung kann die Verurteilung der Angeklagten mit Ausnahme der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen keinen Bestand haben, weil diese nicht die konkurrenzrechtliche Bewertung tragen, die Angeklagten seien bei den jeweils sie betreffenden Tatkomplexen in Bezug auf jeden einzelnen Zahlungseingang des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig, der in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) zu den die anderen Zahlungseingänge betreffenden Taten stehe (vgl. bereits , juris Rn. 5 ff.).

81. Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter beteiligt, ist bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 49, 177, 182 f.; Beschlüsse vom - 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226 Rn. 20; vom - 3 StR 302/16, wistra 2017, 231 Rn. 6 mwN; vom - 3 StR 427/22, juris Rn. 8).

92. Hieran gemessen ergeben sich keine individuellen Beiträge der Angeklagten zu jeder einzelnen der jeweils angenommenen Taten. Soweit sich die Angeklagten an Betrugstaten zum Nachteil der einzelnen Geschädigten beteiligten, erschließt sich insbesondere nicht, dass ihr Beitrag sich stets genau auf eine Tat bezog und nicht für mehrere Überweisungen der Geschädigten von Bedeutung war. Konkrete Handlungen der Angeklagten, die sich jeweils allein auf eine Zahlung auswirkten, sind nicht festgestellt.

103. Der Schuldspruch lässt sich mangels ausreichender Feststellungen nicht entsprechend § 354 Abs. 1 StPO durch das Revisionsgericht ändern. Es ist unklar, inwieweit sich einzelne Handlungen der Angeklagten ausschließlich auf bestimmte Überweisungen auswirkten. Beispielsweise ergibt sich nicht, ob die verschiedenen „Frankieraktionen“ des Angeklagten P.   die zu den Zahlungen führenden Schreiben umfassten. Ebenso wenig sind Einzelheiten zu Kontoeröffnungen durch den Angeklagten V.           und entsprechende Beiträge des Angeklagten P.   festgestellt, die möglicherweise abgrenzbar lediglich für diejenigen Beträge von Bedeutung sein könnten, die auf dem jeweiligen Konto eingingen. Die Urteilsgründe verhalten sich ferner nicht dazu, inwiefern Erinnerungen und Bestärkung durch den Angeklagten I.    Tätigkeiten des angesprochenen Geschäftsführers betrafen, die sich allein auf näher einzugrenzende Schreiben der betroffenen Gesellschaft bezogen. Es ist nicht auszuschließen, dass weitergehende tatgerichtliche Feststellungen getroffen werden können.

114. Die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen haben gemäß § 353 Abs. 2 StPO Bestand, da sie durch die Beweiswürdigung belegt und durch die unzutreffende konkurrenzrechtliche Bewertung nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen dürfen, sind zulässig und in Bezug auf die für die rechtliche Einordnung erforderlichen Tatsachen geboten.

12Weil die Urteilsaufhebung auf der konkurrenzrechtlichen Bewertung der individuellen Tatbeiträge der Angeklagten beruht, scheidet eine Erstreckung der Aufhebung auf Mitangeklagte (§ 357 Satz 1 StPO) aus.

13IV. Da die Schuldsprüche aufzuheben sind, bedarf keiner näheren Erörterung, dass die Angeklagten P.   und V.           nach den bislang getroffenen Feststellungen als Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB handelten (vgl. zu den Maßstäben etwa , BGHSt 66, 226 Rn. 50 f. mwN). Ob Tatbeiträge des Angeklagten I.    als diejenigen eines Mittäters oder eines Teilnehmers zu werten sind, wird das neue Tatgericht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auf Grundlage der bisherigen und der noch ergänzend zu treffenden Feststellungen zu beurteilen haben.

14Der Wegfall der Schuldsprüche zieht die Aufhebung der die Angeklagten betreffenden Strafaussprüche und Einziehungsentscheidungen nach sich. Insofern kommt es nicht darauf an, dass den bisherigen Feststellungen eine Anwesenheit des Angeklagten P.   bei der Aufteilung der die vier Überweisungen an die S.   GmbH betreffenden Auszahlungen nicht zu entnehmen ist (vgl. zur Mitverfügungsmacht bei Beuteteilung , NStZ-RR 2020, 76).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:200923B3STR76.23.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-50811