BGH Urteil v. - X ZR 103/22

Coronabedingter Rücktritt von Pauschalreise trotz Reisewarnung des Auswärtigen Amtes im Zeitpunkt der Buchung

Leitsatz

1. Die Qualifikation eines Umstands als außergewöhnlich im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn dieser Umstand bereits im Zeitpunkt der Buchung vorlag oder absehbar war.

2. Bei der Beurteilung, ob unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände dazu führen, dass die Durchführung der Pauschalreise erheblich beeinträchtigt ist, kann von Bedeutung sein, ob die mit der Durchführung verbundenen Risiken bei Buchung der Reise bereits bestanden oder zumindest absehbar waren.

3. Einem Reisenden, der eine Reise bucht, obwohl Umstände vorliegen oder absehbar sind, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte, ist es in der Regel zumutbar, die Reise anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen.

Gesetze: § 651h Abs 1 S 1 BGB, § 651h Abs 1 S 2 BGB, § 651h Abs 3 BGB, Art 3 Nr 12 EURL 2015/2302, Art 12 Abs 2 EURL 2015/2302

Instanzenzug: Az: 22 S 2/22vorgehend Az: 45 C 233/21

Tatbestand

1Die Klägerin begehrt die Erstattung einer geleisteten Anzahlung nach Rücktritt von einer Pauschalreise.

2Die Klägerin buchte am für sich und ihren Ehemann bei der Beklagten eine Flugreise mit Hotelaufenthalt in die Dominikanische Republik vom 22. März bis zum Preis von 7.700 Euro. Sie leistete eine Anzahlung von 1.540 Euro.

3Bereits im Zeitpunkt der Buchung bestand für die Dominikanische Republik eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes. Diese wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert, zuletzt bis zum .

4Mit Schreiben vom stornierte die Klägerin die Reise unter Berufung auf die Risiken der Covid-19-Pandemie.

5Die Beklagte übersandte der Klägerin eine Stornorechnung über 5.775 Euro und forderte sie zur Zahlung des nach Anrechnung der Anzahlung verbleibenden Differenzbetrags auf. Die Klägerin kam dem nicht nach und verlangte die vollständige Erstattung der Anzahlung.

6Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.540 Euro und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben.

7Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren in vollem Umfang weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

8Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg.

9I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

10Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rückerstattung der Anzahlung. Die Beklagte habe wirksam mit einem Entschädigungsanspruch aufgerechnet. Dieser stehe der Beklagten nach § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB in Verbindung mit ihren Allgemeinen Reisebedingungen zu und sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

11Der Gegenanspruch der Beklagten sei nicht gemäß § 651h Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Zwar sei bei der Covid-19-Pandemie grundsätzlich das Vorliegen von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen am Urlaubsort zu bejahen. Im Streitfall fehle es aber an einer zu erwartenden erheblichen Beeinträchtigung der Reise.

12Bei der hierfür maßgeblichen objektiven Prognose zum Zeitpunkt des Rücktritts sei zu berücksichtigen, dass die Buchung nach Beginn der Pandemie erfolgt sei. Mit einer solchen Buchung nehme der Reisende absehbare Einschränkungen am Reiseziel in Kauf.

13Im Streitfall habe bereits zum Buchungszeitpunkt eine Reisewarnung für die Dominikanische Republik bestanden. Die Klägerin habe bewusst das Risiko in Kauf genommen, dass diese Warnung bis zum Beginn der Reise nicht aufgehoben werde. Auch eine Gesundheitsgefährdung sei schon bei der Buchung vorhersehbar gewesen. Eine Änderung der Lage im Vergleich zum Buchungszeitpunkt sei nicht dargelegt.

14Einschränkungen am Reiseziel wie Maskenpflicht oder Leistungsbeschränkungen durch sonstige Hygienemaßnahmen sowie die nächtliche Ausgangssperre stellten ebenfalls keine Beeinträchtigungen dar, die über das im Buchungszeitpunkt erwartbare Maß hinausgingen. Der Umstand, dass die Klägerin schwerbehindert sei, falle nicht in die Risikosphäre der Beklagten.

15II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

161. Die Beklagte hat gemäß § 651h Abs. 1 Satz 2 BGB ihren Anspruch auf den Reisepreis verloren, weil die Klägerin nach § 651h Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam vor Reisebeginn von dem Pauschalreisevertrag zurückgetreten ist.

172. Zu Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage dennoch unbegründet ist, weil die Beklagte dem Anspruch auf Erstattung der Anzahlung einen Entschädigungsanspruch aus § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB entgegenhalten kann.

18Dieser Anspruch ist im Streitfall nicht nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen.

19a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Covid-19-Pandemie im Streitfall einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt.

20Unvermeidbar und außergewöhnlich sind Umstände gemäß § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich darauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären.

21Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist es in der Regel nicht zu beanstanden, dass ein Tatrichter die Covid-19-Pandemie als Umstand bewertet, der grundsätzlich geeignet ist, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen (, NJW 2022, 3707 = RRa 2022, 283 Rn. 24; X ZR 84/21, NJW 2022, 3711 = RRa 2022, 275 Rn. 23; Beschluss vom - X ZR 80/21, RRa 2023, 72 Rn. 20; Urteil vom - X ZR 23/22, NJW 2023, 1882 Rn. 16; Urteil vom - X ZR 78/22, NJW-RR 2023, 828 = RRa 2023, 118 Rn. 21).

22Dies gilt auch für den im Streitfall maßgeblichen Reisezeitraum im März und April 2021.

23b) Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Qualifikation eines Umstands als außergewöhnlich grundsätzlich auch dann möglich ist, wenn dieser Umstand bereits im Zeitpunkt der Buchung vorlag oder absehbar war.

24aa) Nach dem Wortlaut von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB und Art. 3 Nr. 12 der für die Auslegung dieser Vorschrift maßgeblichen Richtlinie (EU) Nr. 2015/2302 (im Folgenden: Richtlinie) kommt dem Zeitpunkt, zu dem der Umstand vorgelegen hat, keine erkennbare Bedeutung zu.

25Die in Gesetz und Richtlinie enthaltene Formulierung, wonach maßgeblich ist, dass Umstände der genannten Art "auftreten" (occur, survenir) deutet zwar - ebenso wie das Adjektiv "außergewöhnlich" - darauf hin, dass es um Umstände geht, die üblicherweise nicht vorliegen. Der Formulierung lässt sich aber nicht eindeutig entnehmen, zu welchem Zeitpunkt solche Umstände aufgetreten sein müssen.

26bb) Aufgrund der Systematik von § 651h Abs. 1 und 3 BGB sowie Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie hat es der Senat als nicht zweifelsfrei angesehen, ob Umstände berücksichtigt werden können, die erst nach der Rücktrittserklärung eingetreten sind und im Zeitpunkt des Rücktritts auch noch nicht mit hinreichender Sicherheit vorhersehbar waren. Diese Frage liegt dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vor (vgl. , MDR 2022, 1334 = RRa 2022, 278, Rechtssache C-584/22).

27Diese Frage stellt sich im Streitfall nicht. Alle Umstände, aus denen die Klägerin eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise ableiten will, lagen im Zeitpunkt des Rücktritts bereits vor oder waren zumindest absehbar.

28cc) Systematische Gründe, die dazu führen können, dass Umstände, die bereits bei Buchung der Reise vorgelegen haben oder absehbar waren, nicht berücksichtigt werden dürfen, sind nicht ersichtlich.

29Wie die Revision im Ansatz zu Recht geltend macht, ergeben sich solche Gründe insbesondere nicht aus den der Richtlinie vorangestellten Erwägungsgründen 29 bis 31, die das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Frage herangezogen hat, ob eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt.

30Die Erwägungsgründe 29 und 30 erwähnen zwar die Änderung bestimmter Umstände bzw. den Eintritt unvorhergesehener Ereignisse nach Vertragsschluss. Beide Regelungen beziehen sich aber nicht auf einen Widerruf des Vertrags gemäß Art. 12 der Richtlinie, sondern auf die Festlegung der Rechte und Pflichten im Vertrag bzw. auf die Übertragung des Vertrags auf andere Reisende.

31In Erwägungsgrund 31, der die Möglichkeit eines Rücktritts vor Reisebeginn betrifft, werden demgegenüber nur unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände erwähnt, nicht aber der Zeitpunkt, zu dem diese eingetreten sind oder absehbar waren.

32dd) Aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

33Die in § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit, sich vor Reisebeginn ohne Entschädigungspflicht vom Vertrag zu lösen, dient ausweislich des bereits erwähnten Erwägungsgrunds 31 dem Zweck, den Reisenden vor einer finanziellen Belastung zu bewahren, wenn die Durchführung der Reise mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Sicherheit oder erheblichen Risiken für die menschliche Gesundheit verbunden wäre.

34Dieser Zielsetzung entspricht es, dass eine Möglichkeit zum kostenfreien Rücktritt vor Reisebeginn im Einzelfall auch dann besteht, wenn die Umstände, auf denen die Beeinträchtigungen beruhen, bei Abschluss des Reisevertrags bereits vorlagen oder absehbar waren.

35c) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung besteht, von Bedeutung sein kann, ob die mit der Durchführung verbundenen Risiken bei Buchung der Reise bereits bestanden oder zumindest absehbar waren.

36Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, lässt sich die Frage, ob eine pandemische Lage am Bestimmungsort eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zur Folge hat, nicht pauschal beantworten. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Falles, insbesondere die Gefahren, die dem Reisenden bei Durchführung der Reise drohen (, NJW 2022, 3707 = RRa 2022, 283 Rn. 37). Von Bedeutung ist insbesondere, ob die Durchführung der Reise dem Reisenden trotz der außergewöhnlichen Umstände und der daraus resultierenden Risiken zumutbar ist. Die Beurteilung dieser Frage obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter (, NJW 2022, 3711 = RRa 2022, 275 Rn. 27; Urteil vom - X ZR 78/22, NJW-RR 2023, 828 = RRa 2023, 118 Rn. 25).

37Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann für die Frage der Zumutbarkeit auch der Umstand von Bedeutung sein, dass die Risiken im Zeitpunkt der Buchung bereits bestanden oder zumindest absehbar waren.

38Dabei kann dahingestellt bleiben, ob solche Risiken generell nur dann zu einer erheblichen Beeinträchtigung führen können, wenn nach Abschluss des Vertrages eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine erhebliche Beeinträchtigung kann jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn bei Vertragsschluss Umstände vorliegen oder absehbar sind, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte. Einem Reisenden, der in einer solchen Situation eine Reise bucht, ist es in der Regel zumutbar, die Reise anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen.

39d) Vor diesem Hintergrund ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die im Streitfall vorliegenden Umstände nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie geführt haben, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

40aa) Der Senat hat bereits entscheiden, dass eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts in der Regel ein erhebliches Indiz für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände am Bestimmungsort darstellt (, NJW 2022, 3707 = RRa 2022, 283 Rn. 47; X ZR 84/21, NJW 2022, 3711 = RRa 2022, 275 Rn. 29; Urteil vom - X ZR 78/22, NJW-RR 2023, 828 = RRa 2023, 118 Rn. 28).

41Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Reichweite der Indizwirkung davon abhängen kann, ob eine solche Reisewarnung bereits bei Abschluss des Reisevertrags besteht. Eine Buchung unter diesen Rahmenbedingungen mag in der Erwartung erfolgen, dass sich die Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Reisebeginns bessern, wie dies auch die Klägerin im Streitfall geltend macht. Ein Reisender, der bei der Buchung keinen diesbezüglichen Vorbehalt äußert, bringt in der Regel aber zum Ausdruck, dass er die aufgrund der Warnung indizierten Risiken in Kauf nimmt. Deshalb ist es ihm in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn die Reisewarnung bei Reisebeginn weiterhin oder wieder besteht und die Risikolage sich nicht substantiell verändert hat.

42bb) Die mit der Reise verbundenen Gesundheitsrisiken waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im vorgesehenen Reisezeitraum nicht substantiell höher, als dies bereits bei Buchung der Reise absehbar war. Dies gilt nach den getroffenen Feststellungen auch in Bezug auf die Gefahr einer Überlastung des vorhandenen Gesundheitssystems.

43Angesichts dessen ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Klägerin die Reise trotz der Reisewarnung und der dieser zugrunde liegenden Risiken zumutbar war, rechtlich nicht zu beanstanden.

44Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt dem Umstand, dass die Gesundheitsrisiken in Deutschland im Reisezeitraum ähnlich hoch waren, zwar grundsätzlich keine Bedeutung bei (, NJW 2022, 3707 = RRa 2022, 283 Rn. 25; Beschluss vom - X ZR 80/21, RRa 2023, 72 Rn. 21; Urteil vom - X ZR 78/22, NJW-RR 2023, 828 = RRa 2023, 118 Rn. 40). Das angefochtene Urteil wird insoweit aber durch die rechtsfehlerfreie Erwägung getragen, dass sich die Gesundheitsrisiken am Zielort im Zeitraum zwischen Buchung und Reisebeginn nicht substantiell verändert haben.

45cc) Weitere Einschränkungen wie die Maskenpflicht oder eingeschränkte Angebote im Hotel hat das Berufungsgericht vor dem aufgezeigten Hintergrund zu Recht ebenfalls nicht als erhebliche Beeinträchtigung der Reise angesehen.

46Solche Einschränkungen waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Zeitpunkt der Buchung absehbar. Dies trägt die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass sie zumutbar waren.

47dd) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht den Umstand, dass die Klägerin schwerbehindert ist, vor diesem Hintergrund als nicht ausreichend angesehen, um eine erhebliche Beeinträchtigung zu bejahen.

48Nach der Rechtsprechung des Senats können individuelle Verhältnisse oder Eigenschaften des Reisenden in diesem Zusammenhang allerdings von Bedeutung sein, wenn sie für die Durchführbarkeit der Reise erst aufgrund der außergewöhnlichen Umstände im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie Bedeutung gewinnen und die daraus resultierenden Gefahren für den Reisenden dem gewöhnlichen Reisebetrieb im Buchungszeitpunkt noch nicht innegewohnt haben (, NJW 2022, 3707 = RRa 2022, 283 Rn. 63).

49Im Streitfall haben die besonderen Risiken, die sich aufgrund der Behinderung der Klägerin ergeben, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch bereits bei Abschluss des Reisevertrags vorgelegen.

50Angesichts dessen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Durchführung der Reise auch unter diesem Gesichtspunkt als zumutbar angesehen hat.

513. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Entschädigungsanspruchs greift die Revision nicht an. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

52III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst.

53Die in der Literatur umstrittene und dem Gerichtshof von mehreren Gerichten (Oberster Gerichtshof Litauens, Beschluss vom , Rechtssache C-299/22; Österreichischer Oberster Gerichtshof, Beschluss vom , Rechtssache C-193/22 [durch Rücknahme erledigt]; Beschluss vom , Rechtssache C-328/23) vorgelegte Frage, ob Umstände, die beim Abschluss des Reisevertrages bereits vorlagen oder absehbar waren, als unvermeidbare und außergewöhnliche Umstände angesehen werden können, ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung.

54Wenn diese Frage entgegen der Auffassung des Senats zu verneinen wäre, stünde der Beklagten schon deshalb eine Entschädigung zu, weil alle Umstände, die zu erheblichen Beeinträchtigungen führen könnten, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorlagen und deshalb von vornherein nicht von Bedeutung wären.

55Die nach Auffassung des Senats relevante Frage, ob diese Umstände im Streitfall zu der Beurteilung führen, dass die Durchführung der Reise erheblich beeinträchtigt war, obliegt, wie bereits oben dargelegt wurde, im Wesentlichen dem Tatrichter. Ungeklärte Fragen des Unionsrechts, die für diese Würdigung von Bedeutung sein könnten, sind nicht ersichtlich.

56IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190923UXZR103.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 9 Nr. 45
NJW-RR 2023 S. 1540 Nr. 23
WAAAJ-50716