Verfahrensrecht | Vorlage von E-Mail-Korrespondenz, insbesondere eines Gesamtjournals (FG)
Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO stehen der Finanzverwaltung nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Es besteht kein Anspruch der Finanzverwaltung auf Vorlage eines elektronischen Gesamtjournals, welches nach den Vorgaben der Finanzverwaltung Informationen zu jeder einzelnen empfangen bzw. versandten E-Mail des Steuerpflichtigen enthalten soll (; Revision anhängig, BFH-Az. XI R 15/23).
Hintergrund: Nach § 147 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AO kann die Finanzverwaltung im Rahmen einer Außenprüfung verlangen, dass ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen in einem maschinell verwertbaren Format zur Verfügung gestellt werden.
Sachverhalt: Das beklagte Finanzamt forderte von der Klägerin im Rahmen einer Außenprüfung die Vorlage von empfangenen und Wiedergaben von versandten Handelsbriefen nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO sowie sonstiger Unterlagen mit Bedeutung für die Besteuerung nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO und für den Fall, dass die angeforderten Unterlagen in elektronischer Form vorlägen, ein Gesamtjournal, in dem alle E-Mails erfasst sein sollten.
Gegen diese - aus Sicht der Klägerin zu weitreichende - Anforderung von vorzulegenden Unterlagen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Die Klage hatte teilweise Erfolg:
Die Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen und eines (elektronischen) Datenträgers ist rechtmäßig, die Vorlage eines Gesamtjournals in dem angeforderten Umfang dagegen nicht.
Die Befugnisse aus § 147 Abs. 6 AO stehen der Finanzbehörde nur in Bezug auf solche Unterlagen zu, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat. Der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO wird wiederum grundsätzlich begrenzt durch die Reichweite der zugrundeliegenden Aufzeichnungspflicht.
Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang dieser Aufzeichnungspflicht, ist insofern also akzessorisch.
Vor diesem Hintergrund ist das Vorlageverlangen bzgl. der (vorhandenen) Handels- und Geschäftsbriefe sowie sonstiger Unterlagen mit Bedeutung für die Besteuerung rechtmäßig.
Maßgeblich ist insbesondere, dass sich das Vorlageverlangen u.a. auf solche Unterlagen (insbesondere E-Mails) beschränkt hat, die die Durchführung eines Handelsgeschäfts betreffen sowie zur Überprüfung der angewandten Verrechnungspreismethode von steuerlicher Relevant sind.
Das Vorlageverlangen des Beklagten bezüglich eines Gesamtjournals in dem begehrten Um-fang ist dagegen rechtswidrig, da ein solches Gesamtjournal nicht der Aufzeichnungs- bzw. Aufbewahrungspflicht unterliegt.
Das Verlangen der Finanzbehörde ist dahin zu verstehen, dass der Zugriff auf eine - ggf. noch zu erstellende - Datenbank gewünscht wird, die die seitens des Beklagten aufgeführten Informationen für jede einzelne E-Mail der gesamten E-Mail Korrespondenz der Klägerin und ihrer Mitarbeitenden enthält, unabhängig davon, ob für einzelne E-Mails eine Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 AO besteht. Insbesondere sollte das Gesamtjournal ein Zusatzfeld enthalten, in dem ein Vermerk darüber erfolgt, ob die Klägerin bezüglich dieser E-Mail bereits das ihr zukommende Erstqualifizierungsrecht ausgeübt hat, sodass letztlich alle E-Mails der Klägerin aufgelistet würden, ohne Rücksicht darauf, ob das Recht auf Erstqualifizierungsrecht ausgeübt worden ist oder ob diese E-Mails überhaupt von steuerlicher Relevanz sind.
Eine Verpflichtung zum Führen bzw. zur Aufbewahrung eines solchen Gesamtjournals kann weder § 200 AO noch den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung im Sinne der §§ 238 ff. HGB oder den §§ 140 ff. AO entnommen werden.
Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Az. XI R 15/23 anhängig.
Quelle: FG Hamburg, Newsletter 3/2023 (il)
Fundstelle(n):
WAAAJ-49748