BGH Beschluss v. - EnVR 35/21

Ermittlung des Kapitalkostenabzugs im Rahmen der Festlegung der Erlösobergrenze durch Bundesnetzagentur - Negativer Kapitalkostenabzug

Leitsatz

Negativer Kapitalkostenabzug

1. Das negative Eigenkapital eines Netzbetreibers ist auch dann insgesamt mit dem Zinssatz für Neuanlagen zu verzinsen, wenn zu dessen betriebsnotwendigem Vermögen auch Altanlagen gehören.

2. Beim Kapitalkostenabzug nach § 6 Abs. 3 ARegV ist die Berücksichtigung rechnerisch negativer Abzugsbeträge ausgeschlossen.

Gesetze: § 4 Abs 1 StromNEV, § 4 Abs 5 StromNEV, § 7 StromNEV, § 6 Abs 3 ARegV, § 6 Anl 2a ARegV

Instanzenzug: Az: VI-3 Kart 767/19 (V)

Gründe

1A. Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Sie ist lediglich Eigentümerin der Netzleitstelle, eines Betriebsgebäudes sowie der Betriebs- und Geschäftsausstattung. Sämtliche anderen Netzanlagen hat sie gepachtet.

2Mit Beschluss vom legte die Bundesnetzagentur die kalenderjährlichen Erlösobergrenzen für die dritte Regulierungsperiode für das Netz der Betroffenen niedriger als beantragt fest. Sie verzinste das negative Eigenkapital der Betroffenen insgesamt mit dem Zinssatz für Neuanlagen. Bei der Ermittlung des Kapitalkostenabzugs nach § 6 Abs. 3 ARegV setzte sie die sich bei der Betroffenen ergebenden negativen Kapitalkostenabzugsbeträge mit dem Wert Null an. Ferner bewertete sie die im Basisjahr im Bau befindlichen Anlagen sowie die Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskosten im Kapitalkostenabzug abweichend von der Betroffenen.

3Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss der Bundesnetzagentur aufgehoben und diese hinsichtlich der Bewertung der Anlagen im Bau sowie der Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskosten im Kapitalkostenabzug, nicht jedoch hinsichtlich des Zinssatzes für das negative Eigenkapital und des rechnerisch negativen Kapitalkostenabzugs zur Neubescheidung verpflichtet. Dagegen haben sich sowohl die Betroffene als auch die Bundesnetzagentur mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Die Betroffene hat ihre Beschwerde, soweit sie sich gegen die Behandlung der Baukostenzuschüsse und Netzanschlusskostenbeiträge sowie der Anlagen im Bau beim Kapitalkostenabzug richtet, während des Rechtsbeschwerdeverfahrens mit Zustimmung der Bundesnetzagentur zurückgenommen.

4B. Die Teilrücknahme der Beschwerde durch die Betroffene bewirkt, dass das Verfahren insoweit als nicht anhängig geworden anzusehen ist. Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat sich dadurch erledigt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - EnVR 55/20, RdE 2023, 163 Rn. 4 - Regionetz GmbH; vom - EnVR 45/21, juris Rn. 4 - Datenkorrektur).

5C. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg.

6I. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Bundesnetzagentur habe zu Recht auf das negative Eigenkapital der Betroffenen insgesamt den Zinssatz für Neuanlagen gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 StromNEV angewandt. Ausnahmekonstellationen, die die Anwendung anderer Zinssätze rechtfertigten, seien nicht gegeben. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur bei der Betroffenen einen sich rechnerisch ergebenden negativen Kapitalkostenabzug für das jeweilige Jahr der Regulierungsperiode unberücksichtigt gelassen habe. Dies stehe mit dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 ARegV und der systematischen Einbindung des Kapitalkostenabzugs in den Kapitalkostenabgleich in Einklang. Die Berücksichtigung eines negativen Kapitalkostenabzugs und damit eines Kapitalkostenaufschlags hätte zur Folge, dass aufgrund einer rein mathematischen Betrachtung trotz sinkender Werte der vorhandenen Anlagegüter ein künstlich geschaffener Aufwuchs der Kapitalkosten berücksichtigt würde. Dies liefe jedoch der Systematik des Kapitalkostenabgleichs nach § 6 Abs. 3, § 10a ARegV zuwider, wonach Kostenzuwächse allein für Investitionen nach dem Basisjahr vorgesehen seien, und widerspräche Sinn und Zweck des Kapitalkostenabzugs, der allein das Sinken der Kapitalkosten infolge sinkender Restbuchwerte abbilden wolle.

7II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

81. Die Erlösobergrenze wird gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 ARegV für jedes Kalenderjahr der gesamten Regulierungsperiode nach Maßgabe der §§ 5 bis 17, 19, 22 und 24 ARegV bestimmt. Zur Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Bestimmung der Erlösobergrenzen verweist § 6 Abs. 1 ARegV auf Vorschriften der Gas- und der Stromnetzentgeltverordnung. Diese Regelungen finden nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-718/18, RdE 2021, 534 Rn. 112 bis 138) weiterhin Anwendung (BGH, Beschlüsse vom - EnVR 17/20, RdE 2022, 119 Rn. 14 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; vom - EnVR 6/21, WM 2023, 630 Rn. 9 - Kapitalkostenabzug m.w.N.). Angesichts der durch das Unionsrecht geforderten Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur von externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Stellen sind die Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung sowie der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung jedoch wo auch immer möglich und bis zu der den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenze im Sinne einer Gewährleistung und Sicherung dieser Unabhängigkeit auszulegen. Eine gerichtliche Überprüfung erfolgt daher im Grundsatz nur noch in Bezug auf den nach diesen Maßstäben fortgeltenden nationalen Regulierungsrahmen sowie anhand unionsrechtlicher Vorgaben (BGH, RdE 2022, 119 Rn. 15 - Genereller sektoraler Produktivitätsfaktor II; WM 2023, 630 Rn. 10 - Kapitalkostenabzug, jew. m.w.N.).

92. Vor diesem Hintergrund hat das Beschwerdegericht zu Recht gebilligt, dass die Bundesnetzagentur das gesamte negative Eigenkapital mit dem Zinssatz für Neuanlagen gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 StromNEV von 6,91 % verzinst hat.

10a) Die Bundesnetzagentur hat zur Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung für die Betroffene den Altanlagenanteil am Sachanlagevermögen von    % vollumfänglich mit der Bewertung zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten in die Verzinsungsbasis gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromNEV eingestellt. Auf dieser Basis ermittelte die Bundesnetzagentur (negatives) Eigenkapital in Höhe von -               € und eine (negative) Eigenkapitalquote von -    %. Sie berechnete unter Anwendung des Zinssatzes für Neuanlagen gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 StromNEV von 6,91 % auf das gesamte negative Eigenkapital eine negative Eigenkapitalverzinsung von -     €.

11b) Dieses Vorgehen steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach in Verpachtungsfällen negatives Eigenkapital bei der Verzinsung zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - EnVR 79/07, RdE 2010, 19 Rn. 39 bis 46 - SWU Netze; vom - EnVR 57/15, RdE 2017, 340 Rn. 33 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH). Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StromNEV darf ein Netzbetreiber für die Überlassung von Anlagegütern durch Dritte höchstens diejenigen Kosten ansetzen, die anfielen, wenn er Eigentümer der Anlagen wäre. Damit soll verhindert werden, dass insbesondere innerhalb eines Konzerns durch die Vereinbarung überhöhter Pachtzinsen für den Netznutzer höhere Netzentgelte entstehen (BGH, RdE 2017, 340 Rn. 34 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH). Hierzu hat eine kalkulatorische Berechnung sowohl beim Verpächter als auch beim Pächter stattzufinden, und soweit sich dabei beim Pächter eine höhere Obergrenze für die Netzkosten als beim Verpächter ergibt, muss die anzusetzende Pacht so weit reduziert werden, dass diese Differenz nicht mehr auftritt (vgl. BGH, RdE 2010, 19 Rn. 43 - SWU Netze; RdE 2017, 340 Rn. 35 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH). Darüber hinaus ist zu gewährleisten, dass Abzugskapital im Sinne von § 7 Abs. 2 StromNEV beim Netzbetreiber in voller Höhe angesetzt wird. Wenn das betriebsnotwendige Eigenkapital im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 StromNEV beim Netzbetreiber aufgrund der Gebrauchsüberlassung niedriger ist als das Abzugskapital, ist für die kalkulatorische Verzinsung des Eigenkapitals deshalb ein negativer Wert anzusetzen (BGH, RdE 2017, 340 Rn. 36 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH).

12Des Weiteren hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass allein die Verzinsung des negativen Eigenkapitals mit dem in § 7 Abs. 4 Satz 1 StromNEV vorgesehenen Zinssatz für die zum Eigenkapital gehörenden Neuanlagen dem Zweck des § 4 Abs. 5 StromNEV entspricht (BGH, RdE 2017, 340 Rn. 48 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH; vgl. auch , RdE 2019, 456 Rn. 100 - Eigenkapitalzinssatz II). Der Zinssatz für Neuanlagen ist derjenige Zinssatz, der der gesetzlichen Vorgabe einer angemessenen Verzinsung unter Berücksichtigung der mit dem Netzbetrieb verbundenen unternehmerischen Wagnisse grundsätzlich entspricht. Die Zinssätze für den überschießenden Anteil des Eigenkapitals und für Altanlagen betreffen demgegenüber Ausnahmekonstellationen und können deshalb nur dann herangezogen werden, wenn die darin vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind oder zumindest eine damit vergleichbare Konstellation vorliegt, was bei negativem Eigenkapital nicht der Fall ist (BGH, RdE 2017, 340 Rn. 51 bis 57 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH).

13c) An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der von der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Argumente fest.

14aa) Entgegen der Auffassung der Betroffenen ist das negative Eigenkapital des Netzbetreibers auch dann insgesamt mit dem Zinssatz für Neuanlagen zu verzinsen, wenn zum betriebsnotwendigen Vermögen des Netzbetreibers auch Altanlagen gehören. Dieser Fall ist mit der Verzinsung des Altanlagenanteils bei positivem Eigenkapital nicht vergleichbar.

15(1) Durch den um die durchschnittliche Preisänderungsrate gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 StromNEV gegenüber Neuanlagen reduzierten Zinssatz für Altanlagen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Eigenkapitalanteil von Altanlagen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromNEV zu Tagesneuwerten zu berechnen ist, die Preisänderungsrate also schon im Ausgangswert Niederschlag findet (vgl. BGH, RdE 2017, 340 Rn. 56 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH).

16(2) Ist die gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 StromNEV zu bestimmende Eigenkapitalquote rechnerisch negativ, besteht kein eigenfinanzierter Anteil der Altanlagen und die kalkulatorischen Restwerte der Altanlagen sind, wie vorliegend erfolgt, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromNEV vollumfänglich zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten und nicht zu Tagesneuwerten in die Verzinsungsbasis einzustellen, so dass für eine Reduzierung des Zinssatzes um die Preisänderungsrate keine Veranlassung besteht.

17(3) Zu Unrecht macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Beschwerdegericht hätte den Ansatz der Altanlagen ausschließlich zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten beanstanden müssen, weil die Bundesnetzagentur eine Eigenkapitalquote der Betroffenen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 StromNEV in Höhe von 81,66 % ermittelt habe und der Altanlagenanteil somit gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StromNEV in Höhe von 40 % zu Tagesneuwertpreisen in die Verzinsungsbasis hätte einfließen müssen. Wie sich aus der zur angefochtenen Festlegung gehörenden Anlage 4 für die Betroffene und den diesbezüglichen Feststellungen des Beschwerdegerichts ergibt, hat die Bundesnetzagentur sowohl nach § 6 Abs. 2 Satz 3 StromNEV als auch nach § 7 StromNEV für die Betroffene eine (negative) Eigenkapitalquote von -     % errechnet (vgl. Zeilen 20, 24 der genannten Anlage) und die Altanlagen somit, da ein eigenfinanzierter Altanlagenanteil nicht besteht, zutreffend vollumfänglich zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten in die Verzinsungsbasis eingestellt.

18bb) Auf das negative Eigenkapital der Betroffenen ist, auch soweit es eine (negative) Eigenkapitalquote von -40 % unterschreitet, nicht der Zinssatz gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5, Abs. 7 StromNEV für über (+)40 % hinausgehendes positives Eigenkapital anzuwenden.

19(1) Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Zinssatz nach § 7 Abs. 7 StromNEV auf negatives Eigenkapital nicht anwendbar. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 StromNEV ist der Zinssatz nach § 7 Abs. 7 StromNEV anzuwenden, soweit das betriebsnotwendige Eigenkapital einen Anteil von 40 % des betriebsnotwendigen Vermögens "übersteigt". Entsprechend heißt es in § 7 Abs. 7 Satz 1 StromNEV, dass der dort festgelegte Zinssatz auf den Anteil des Eigenkapitals anzuwenden ist, der die Eigenkapitalquote nach § 7 Abs. 1 Satz 5 "übersteigt". Negatives Eigenkapital übersteigt aber nicht die Eigenkapitalquote nach § 7 Abs. 1 Satz 5 StromNEV, sondern befindet sich zwingend im Bereich unter 0 %. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Regelung nach ihrem Wortlaut also keineswegs "vorzeichenneutral" in dem Sinne, dass danach Eigenkapital, das eine Eigenkapitalquote von -40 % unterschreitet, wie positives Eigenkapital zu verzinsen ist, das über die Eigenkapitalquote von 40 % hinausgeht.

20(2) Auch Sinn und Zweck der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 5, Abs. 7 StromNEV stehen einer Anwendung auf negatives Eigenkapital entgegen. Der Verordnungsgeber ist bei dem in § 7 Abs. 7 StromNEV vorgesehenen niedrigeren Zinssatz davon ausgegangen, dass es nach betriebswirtschaftlichen Grund-sätzen nicht sinnvoll erscheint, wenn Unternehmen langfristig eine Eigenkapitalquote von mehr als 40 % aufweisen (vgl. BGH, RdE 2010, 19 Rn. 15 - SWU Netze; RdE 2017, 340 Rn. 54 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH). Diese Erwägung lässt sich, auf negatives Eigenkapital nicht übertragen. Denn der Ansatz eines negativen Werts für das Eigenkapital ist nicht die Folge einer Finanzierung durch Fremdkapital oder einer Überschuldung des Netzbetreibers, sondern lediglich ein rechnerisches Hilfsmittel, um zu gewährleisten, dass das Vorhandensein von Abzugskapital im Sinne von § 7 Abs. 2 StromNEV zu einer Verringerung der ansetzbaren Kosten führt. Eine Gleichsetzung von negativem Eigenkapital mit Fremdkapital scheidet deshalb aus - unabhängig davon, in welchem Verhältnis der Betrag des negativen Eigenkapitals zum Gesamtwert des betriebsnotwendigen Vermögens steht (BGH, RdE 2017, 340 Rn. 55 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH). Daher rechtfertigt auch die von der Betroffenen geltend gemachte weitgehende Finanzierung ihres Anlagevermögens mit Fremdkapital nicht den Ansatz des Zinssatzes gemäß § 7 Abs. 7 StromNEV. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Begründung zur Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Energieregulierung [BR-Drucks. 417/07 (Beschluss) vom , S. 22], die sich zum Zinssatz für eine Eigenkapitalquote, die unter -40 % absinkt, nicht verhält.

21cc) Es kann dahinstehen, ob auch die von der Betroffenen begehrte Verzinsung des - vermeintlichen - eigenfinanzierten Altanlagenanteils mit dem Zinssatz nach § 7 Abs. 4 Satz 2 StromNEV und des die Quote von -40 % unterschreitenden Eigenkapitals mit dem Zinssatz nach § 7 Abs. 7 StromNEV vorliegend - wie diese meint - hinter der Verzinsung zurückbliebe, die sich ergäbe, wenn die Betroffene Eigentümerin des Anlagevermögens wäre (§ 4 Abs. 5 StromNEV). Wie dargelegt entspricht die von der Betroffenen begehrte Verzinsung nicht den Regelungen der Stromnetzentgeltverordnung.

22dd) Die Nichtanwendung des Zinssatzes gemäß § 7 Abs. 7 StromNEV auf das eine Quote von -40 % unterschreitende negative Eigenkapital und des Zinssatzes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 StromNEV auf den Altanlagenanteil verletzt die Netzbetreiber, die nicht Eigentümer der gesamten betriebsnotwendigen Anlagegüter sind, schließlich nicht - wie die Betroffene meint - in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Wie dargelegt, entspricht allein die Verzinsung des negativen Eigenkapitals mit dem in § 7 Abs. 4 Satz 1 StromNEV vorgesehenen Zinssatz dem Zweck des § 4 Abs. 5 StromNEV. Dessen Verfassungskonformität zieht auch die Betroffene nicht in Zweifel.

233. Das Beschwerdegericht hat auch zu Recht gebilligt, dass die Bundesnetzagentur bei der Festlegung des Kapitalkostenabzugs nach § 6 Abs. 3 ARegV die sich bei der Betroffenen rechnerisch ergebenden negativen Abzugsbeträge mit null angesetzt hat. Denn die Berücksichtigung negativer Abzugswerte ist beim Kapitalkostenabzug nach § 6 Abs. 3 ARegV ausgeschlossen. Dies folgt unmittelbar aus den Regelungen der Anreizregulierungsverordnung in der bis zum geltenden Fassung (aF). Danach kann im Ergebnis dahinstehen, ob im Streitfall Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 ARegV in der seit dem geltenden ergänzten Fassung (nF) Anwendung findet, in der nunmehr ausdrücklich festgelegt ist, dass der Kapitalkostenabzug keine Werte kleiner als null annehmen darf (vgl. zur Änderung des § 34 Abs. 5 Satz 1 ARegV: , WM 2023, 630 Rn. 41 - Kapitalkostenabzug).

24a) Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 ARegV ermittelt die Regulierungsbehörde vor Beginn der Regulierungsperiode für jedes Jahr der Regulierungsperiode den Kapitalkostenabzug nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 und der Anlage 2a. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass Kapitalkosten im Sinne des Kapitalkostenabzugs nach Satz 1 die Summe der kalkulatorischen Abschreibungen, der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung, der kalkulatorischen Gewerbesteuer und des Aufwands für Fremdkapitalzinsen sind. In Satz 3 ist festgelegt, dass sich der Kapitalkostenabzug aus den im Ausgangsniveau nach den Absätzen 1 und 2 enthaltenen Kapitalkosten im Basisjahr abzüglich der fortgeführten Kapitalkosten im jeweiligen Jahr der Regulierungsperiode ergibt. Die fortgeführten Kapitalkosten werden gemäß Absatz 3 Satz 4 unter Berücksichtigung der im Zeitablauf sinkenden kalkulatorischen Restbuchwerte der betriebsnotwendigen Anlagegüter des Ausgangsniveaus nach den Absätzen 1 und 2 sowie der im Zeitablauf sinkenden Werte der hierauf entfallenden Netzanschlusskostenbeiträge und Baukostenzuschüsse ermittelt. Ergänzt wird diese Regelung durch die in Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 ARegV aF enthaltene Formel, wonach sich der Kapitalkostenabzug für das jeweilige Jahr der Regulierungsperiode (KKAbt) aus der Differenz der für das Basisjahr ermittelten Kapitalkosten (KK0) und den fortgeführten Kapitalkosten für das betreffende Jahr der Regulierungsperiode (KKt) ergibt.

25Bei Anwendung dieser Formel ergibt sich rechnerisch ein negativer Kapitalkostenabzugsbetrag, wenn die fortgeführten Kapitalkosten die für das Basisjahr ermittelten Kapitalkosten übersteigen. Dies kann darauf beruhen, dass bereits die auf Grundlage des Bestands der betriebsnotwendigen Anlagegüter für das Basisjahr errechneten Kapitalkosten einen negativen Wert haben, weil das Abzugskapital höher ist als das Anlagevermögen und daher negatives Eigenkapital besteht, oder wenn nach dem Basisjahr die Werte des Abzugskapitals schneller sinken als der Wert des Anlagevermögens und daher die (kalkulatorischen) Kapitalkosten während der Regulierungsperiode steigen, statt zu sinken.

26b) Die Berücksichtigung eines rechnerisch negativen Kapitalkostenabzugsbetrags im Rahmen des § 6 Abs. 3 ARegV würde zu einer Erhöhung der Kapitalkosten führen, käme also einem Kapitalkostenaufschlag gleich. Aus Sinn und Zweck der Regelung des Kapitalkostenabzugs in § 6 Abs. 3 ARegV und der Systematik des Kapitalkostenabgleichs ergibt sich, dass ein solcher "Abzugsbetrag" nicht berücksichtigt werden kann, sondern vielmehr bei der Berechnung der Kapitalkosten für das jeweilige Jahr der Regulierungsperiode mit dem Wert Null anzusetzen ist. Der Wortlaut des § 6 Abs. 3 ARegV in Verbindung mit Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 ARegV aF steht dem nicht entgegen.

27aa) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen durch das im Jahr 2016 neu eingeführte Instrument des Kapitalkostenabzugs ausschließlich die im Laufe der Regulierungsperiode sinkenden (kalkulatorischen) Kosten für das betriebsnotwendige Anlagevermögen berücksichtigt, nicht hingegen jegliche Veränderung beim Eigenkapital abgebildet werden. Dies folgt aus der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung für die Zweite Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung vom . Danach soll durch den Kapitalkostenabzug das zeitliche Absinken der Restbuchwerte der im Ausgangsniveau enthaltenen betriebsnotwendigen Sachanlagegüter und das damit verbundene Absinken der Kosten des Netzbetreibers für Abschreibungen, kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, kalkulatorische Gewerbesteuer sowie für Fremdkapitalzinsen nachgefahren werden. Auf diese Weise wird berücksichtigt, dass aus sinkenden Restbuchwerten sinkende Kapitalkosten resultieren. Für Restbuchwerte, die den Wert Null erreicht haben, sollen - wie bisher - keine Kapitalkosten mehr berücksichtigt werden (vgl. BR-Drucks. 296/16, S. 33).

28Daher kann das Instrument des Kapitalkostenabzugs bei denjenigen Netzbetreibern, die nicht über eigene betriebsnotwendige Anlagegüter verfügen, von vornherein keine Wirkung entfalten, denn sie haben keine Kapitalkosten, die infolge des Wertverlusts der Anlagegüter sinken können. Zugleich schließt die Funktion des § 6 Abs. 3 ARegV es allgemein aus, dass trotz sinkender Werte des Anlagevermögens steigende Kapitalkosten berücksichtigt werden, was indes die wirtschaftliche Folge eines negativen Kapitalkostenabzugs wäre. Eine solche Handhabung liefe dem Ziel zuwider, mit dem Kapitalkostenabzug (allein) die durch den Wertverlust des vorhandenen Anlagevermögens sinkenden kalkulatorischen Kosten beim Netzbetreiber nachzufahren. Das Anlagevermögen kann gemäß § 6 Abs. 6 und 7 StromNEV den Wert Null nicht unterschreiten.

29bb) Zu Recht hat das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit der Bundesnetzagentur ausgeführt, dass die Anerkennung eines negativen Abzugsbetrags beim Kapitalkostenabzug in Widerspruch zum System des Kapitalkostenabgleichs stünde. Danach werden Veränderungen der Kapitalkosten während der laufenden Regulierungsperiode nicht nur dadurch abgebildet, dass über den Kapitalkostenabzug nach § 6 Abs. 3 ARegV die mit dem Sinken der Werte des betriebsnotwendigen Anlagevermögens verbundene (kalkulatorische) Kostenersparnis erfasst wird. Durch den Kapitalkostenaufschlag nach § 10a ARegV finden vielmehr auch die durch neu hinzukommende betriebsnotwendige Anlagegüter bedingten neuen (kalkulatorischen) Kapitalkosten Berücksichtigung. Beide - in ihrer methodischen Ausgestaltung freilich nicht deckungsgleichen (vgl. BGH, WM 2023, 630 Rn. 71 - Kapitalkostenabzug) - Instrumente des Kapitalkostenabgleichs erfassen eine Veränderung der Kapitalkosten allein unter dem Aspekt der sich verändernden Zusammensetzung des betriebsnotwendigen Anlagevermögens, nehmen jedoch nicht jegliche Veränderungen des Eigenkapitals in den Blick. Mit dieser Funktionsweise wäre es nicht vereinbar, auch Änderungen der Kapitalkosten zu berücksichtigen, die nicht mit einer entsprechenden Veränderung des Werts oder Bestands der betriebsnotwendigen Anlagegüter korrespondieren. Dabei kann dahinstehen, ob die Bundesnetzagentur bei der Festlegung der Erlösobergrenzen für andere Netzbetreiber in anderen Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen einen negativen Kapitalkostenaufschlag zu Recht angenommen hat. Selbst wenn diese Vorgehensweise in Widerspruch zu den Vorgaben der Anreizregulierungsverordnung stehen sollte, was im Streitfall nicht zu beurteilen ist, hätte das nicht zur Folge, dass ein negativer Kapitalkostenabzug systemwidrig zu berücksichtigen wäre.

30cc) Der Wortlaut des § 6 Abs. 3 ARegV steht der Nichtberücksichtigung eines negativen Kapitalkostenabzugs nicht entgegen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mathematischen Formel für die Berechnung des Kapitalkostenabzugs in Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 ARegV aF. Zwar könnte sich bei deren isolierter Betrachtung ein derartiges Verständnis ergeben, da sie keine ausdrückliche Begrenzung auf null enthält. Der Verordnungsgeber hat jedoch, wie ausgeführt (oben Rn. 27), in der Begründung des § 6 Abs. 3 ARegV zum Ausdruck gebracht, dass mit dem Kapitalkostenabzug dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass die Kapitalkosten im Laufe der Regulierungsperiode sinken, weil auch die Werte des im Basisjahr vorhandenen betriebsnotwendigen Sachanlagevermögens sinken. Diesem Ziel liefe die Berücksichtigung eines negativen Kapitalkostenabzugsbetrags diametral entgegen, weil auf diese Weise eine - neben dem Kapitalkostenaufschlag nach § 10a ARegV stehende - außerordentliche Kapitalkostenerhöhung während der Regulierungsperiode ermöglicht würde. Es erscheint daher fernliegend, dass der Verordnungsgeber über die Formel in Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 ARegV aF einen negativen Kapitalkostenabzugsbetrag ermöglichen wollte.

31dd) Wie auch die Betroffene nicht in Frage stellt, ist der Kapitalkostenabzug in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur getrennten Betrachtung der Vermögenssphären von Netzbetreiber und Verpächter (BGH, RdE 2017, 340 Rn. 45 - SWL Verteilungsnetzgesellschaft mbH; Beschluss vom - EnVR 23/16, RdE 2018, 77 Rn. 37- SW Kiel Netz GmbH) für diese jeweils einzeln zu bestimmen (vgl. BR-Drucks. 296/16, S. 33). Ergibt sich dabei für den Netzbetreiber rechnerisch ein negativer Betrag, ist dieser entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn "über alle Beteiligten, d. h. Netzbetreiber und Verpächter hinweg" ein Abzug verbleibt, denn eine solche Anerkennung würde dem Grundsatz der getrennten Betrachtung der Vermögenssphären von Netzbetreiber und Verpächter widersprechen. Dies steht auch im Einklang mit der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung und der Stromnetzentgeltverordnung, auf die sich die Betroffene zu Unrecht beruft. In dieser ist ausdrücklich ausgeführt, dass der Kapitalkostenabzug beim Netzbetreiber und Verpächter jeweils nicht kleiner als null sein darf [vgl. BR-Drucks. 405/21 (Beschluss) vom , S. 2 f.].

32D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:250423BENVR35.21.0

Fundstelle(n):
WM 2023 S. 2282 Nr. 49
OAAAJ-49502