Verfahrensrecht | Nießbrauchsrecht als Wirtschaftsgut im Sinne des § 39 AO (FG)
Ein Nießbrauchsrecht (hier
Nießbrauch an Kommanditanteilen) kann ein Wirtschaftsgut im Sinne des
§ 39 AO sein.
Infolgedessen kann der Nießbrauchsertrag einem Beteiligten persönlich nach
§ 39 Abs.
2 Nr. 2 AO als Gewinnanteil steuerrechtlich zugerechnet
werden ( und 3 K 42/21; Revisionen anhängig, BFH-Az. IV R
36/22 sowie IV R 37/22).
Sachverhalt: Beiden Verfahren lag in tatsächlicher Hinsicht ein gesellschaftsrechtliches Firmenkonstrukt zugrunde, das sich vor allem dadurch auszeichnete, dass der Kläger zu 1. an verschiedensten Stellen der mehrstöckigen Personengesellschaft beteiligt war. Die Beteiligung war dabei sowohl wirtschaftlicher Natur (etwa als Kommanditist) als auch dienstvertraglich geregelt, indem der Kläger zu 1. etwa Geschäftsführer verschiedener Gesellschaften war. Hieraus sowie aus den verschiedenen vertraglichen Grundlagen in den einzelnen Verhältnissen resultierte für den Kläger zu 1. (unstreitig) ein maßgeblicher und umfassender Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaften und damit schließlich auf den wirtschaftlichen Erfolg der Untergesellschaft, der Klägerin zu 2.
Nachdem der Kläger zu 1. durch Übertragung seiner Kommanditanteile an der Untergesellschaft auf seine Söhne nicht mehr unmittelbar an den Erträgen der Untergesellschaft beteiligt war, sich aber gleichzeitig ein 70%iges Nießbrauchsrecht daran einräumen ließ, das wirtschaftlich letztlich wieder ihm zufließen sollte, war zu klären, wie diese Beteiligungsverhältnisse (ertrag)steuerrechtlich in Bezug auf die Untergesellschaft zu bewerten sind.
Das FG Schleswig-Holstein bestätigte den von dem Finanzamt erlassenen Feststellungsbescheid. Es hat insbesondere die Auffassung des Finanzamts bestätigt, dass der Kläger zu 1. nach der Übertragung der Kommanditanteile auf seine Söhne weiterhin als Mitunternehmer bei der Untergesellschaft anzusehen ist:
Ein Nießbrauchsrecht (hier Nießbrauch an Kommanditanteilen) kann ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 39 AO sein. Infolgedessen kann der Nießbrauchsertrag einem Beteiligten persönlich nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO als Gewinnanteil steuerrechtlich zugerechnet werden.
Das für die Bejahung einer Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erforderliche Mitunternehmerrisiko, das eine gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens voraussetzt, erfordert stets das Vorliegen einer Gewinnbeteiligung. Diese ist zwingendes Merkmal.
Für das für die Bejahung einer Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erforderliche Mitunternehmerrisiko ist eine Beteiligung am Verlust ebenso wie eine Beteiligung an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswertes als Regelmerkmal des Unternehmerrisikos zu verstehen; das Fehlen eines oder aller Regelmerkmale führt zu einem insoweit eingeschränkten Mitunternehmerrisiko, das durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen werden kann.
Ein Gesellschaftsverhältnis im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zeichnet sich dadurch aus, dass die Erzielung des Gewinns als gemeinsamer Zweck angestrebt wird, was an den Umständen des Einzelfalls zu messen ist; insoweit ist (auch) eine Gesamtbetrachtung aller Umstände und Rechtsbeziehungen innerhalb eines Gesellschaftskonstrukts vorzunehmen.
Der BFH hat die Revisionen zugelassen; die Revisionsverfahren sind dort unter den Aktenzeichen IV R 36/22 und IV R 37/22 anhängig.
Quelle: u.a. Schleswig-Holsteinisches FG, Newsletter II-III/2023 (il)
Fundstelle(n):
UAAAJ-49500