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WP Praxis Nr. 10 vom Seite 290

Wirecard: Bewährungsprobe für die APAS

Zweifelhafter Umgang mit Prüferversagen

Rechtsanwalt Dr. Philipp Fölsing, Hamburg

Der Wirecard-Skandal stellt den Jahresabschlussprüfer des ehemaligen DAX-30-Konzerns vor erhebliche Probleme. Nicht nur sieht er sich im Rahmen eines Kapitalanlegermusterverfahrens immensen Schadenersatzansprüchen geschädigter institutioneller Anleger und Kleinanleger ausgesetzt. Darüber hinaus sind die verantwortlichen Wirtschaftsprüfer und ihre Prüfungsgesellschaft mit einem Berufsaufsichtsverfahren der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) konfrontiert. Auch für die APAS stellt das bisher umfangreichste Aufsichtsverfahren eine Bewährungsprobe dar. In ihrer Pressemitteilung v.  teilte sie der Öffentlichkeit die Entscheidung ihrer zuständigen Beschlusskammer mit – möglicherweise unter Verstoß gegen § 69 Abs. 1 Satz 1 WPO: Denn nach dieser Vorschrift dürfen nur unanfechtbare berufsaufsichtsrechtliche Maßnahmen bekanntgemacht werden.

Kernaussagen
  • Die APAS darf berufsrechtliche Sanktionen gem. § 69 Abs. 1 Satz 1 WPO erst dann offenlegen, wenn sie bestandskräftig geworden sind, d. h., wenn die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist oder die Sanktion durch die Berufsgerichte rechtskräftig bestätigt wurde; rein interne Entscheidungen der zuständigen Beschlusskammer ohne Außenwirkung dürfen erst recht nicht an die Presse weitergegeben werden.

  • Eine berufsrechtliche Sanktion gegen die Prüfungsgesellschaft ist gem. § 71 Abs. 2 Satz 2 WPO nur dann zulässig, wenn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit bei ihr selbst liegt – bei einer mangelhaften Qualitätssicherung dürfte eine berufsrechtliche Sanktion nur als Ultima Ratio in Betracht kommen, da die Kommission für Qualitätskontrolle gem. § 57e WPO mit Weisungen und Zwangsgeldern angemessener und gezielter reagieren kann.

  • Für ein nur auf neue Prüfungsmandate bezogenes Tätigkeitsverbot fehlt eine Rechtsgrundlage, da § 68 Abs. 1 Nr. 3 i. V. mit § 2 Abs. 1 WPO nicht zwischen Neu- und Bestandsmandaten differenziert. Nach deutschem Recht gibt es zudem keine Bestandsmandate, da der Abschlussprüfer gem. § 124 Abs. 3 Satz 2 AktG für jedes Jahr neu vorzuschlagen, zu wählen und zu beauftragen ist.

I. Voreilige Transparenz ohne Bescheid und Sanktion ohne Rechtsgrundlage

In der Pressemitteilung vom legte die APAS die Entscheidung ihrer Beschlusskammer „Berufsaufsicht“ vom offen. Die zuständige Berufskammer sähe bei der Prüfung der Jahresabschlüsse der Wirecard AG und der Wirecard Bank AG in den Jahren 2016 bis 2018 Berufspflichtverletzungen als erwiesen an. Deshalb hätte sie gegen fünf Wirtschaftsprüfer und ihre Prüfungsgesellschaft Sanktionen verhängt. Gegen die Wirtschaftsprüfer hätte sie auf Geldbußen i. H. von 23.000 bis 300.000 € erkannt. Bei der Prüfungsgesellschaft hätte sie eine Geldbuße i. H. von 500.00 € festgesetzt. Zudem hätte sie die Prüfungsgesellschaft für die Dauer von zwei Jahren ab Bestandskraft des Sanktionsbescheids davon ausgeschlossen, neue Abschlussprüfungsmandate bei Unternehmen von öffentlichem Interesse zu übernehmen. Von diesem Verbot nicht betroffen seien Prüfungsmandate, die gem. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 verlängert würden (sog. Bestandsmandate).

Die APAS betonte in ihrer Pressemitteilung den aufsichtsrechtlichen Charakter des berufsrechtlichen Disziplinarverfahrens. Sie hob die damit verbundenen Akteneinsichtsrechte, den Anspruch auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Vertretung durch Rechtsanwälte hervor. Außerdem verwies die APAS darauf, dass es sich bei dem Aufsichtsverfahren um ihr bisher umfangreichstes und bedeutendstes Verfahren handelte. Vor diesem Hintergrund sollte man davon ausgehen, dass die APAS die Vorschriften der WPO penibel genau einhält, um ihre Bewährungsprobe zu meistern und sich nicht rechtlich angreifbar zu machen.

Deshalb erstaunt, dass sie die rein interne Entscheidung ihrer Beschlusskammer „Berufsaufsicht“ offenlegt, noch bevor überhaupt die Sanktionsbescheide fertiggestellt und den betroffenen Prüfern und ihrer Prüfungsgesellschaft zugestellt worden sind. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 WPO dürfen berufsrechtliche Sanktionen überdies nur offengelegt werden, wenn sie unanfechtbar und bestandskräftig sind, d. h., wenn die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist oder die Sanktionen durch die S. 291Berufsgerichte rechtskräftig bestätigt worden sind. Hier hat mangels Vorliegen eines Bescheids mit Außenwirkung die Rechtsmittelfrist noch nicht einmal begonnen zu laufen. Die Bescheide sollen wegen des Umfangs des Verfahrens wohl erst im Dezember 2023 vorliegen.

Auch die gegen die Prüfungsgesellschaft beschlossene Sanktion, nämlich das Verbot der Übernahme von Neuprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse für die Dauer von zwei Jahren, wirft Fragen auf. Gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 3 WPO kann dem Prüfer bzw. der Prüfungsgesellschaft untersagt werden, auf bestimmten Tätigkeitsgebieten für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren tätig zu werden. Die Tätigkeitsbereiche des Wirtschaftsprüfers sind in § 2 WPO geregelt. Dazu zählen gem. § 2 Abs. 1 WPO insbesondere die gesetzlichen Jahresabschlussprüfungen. Die Differenzierung zwischen gesetzlichen Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und anderen Unternehmen ergibt sich aus europarechtlichen Vorgaben – für erstere gilt die Verordnung (EU) Nr. 537/2014, für letztere dagegen gilt die in nationales Recht umzusetzende Richtlinie Nr. 2014/56/EU.

Demgegenüber gibt es für die Abgrenzung von Neu- gegenüber Altprüfungen keine Rechtsgrundlage, weder im nationalen noch im europäischen Recht. Wenn die APAS ein Verbot von Prüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse insgesamt nicht für verhältnismäßig halten sollte, hätte sie sich womöglich auf die nächstniedrigere Sanktion, nämlich eine Geldbuße von nach damals geltendem Recht maximal 500.000 €, beschränken müssen.

II. Der Wirecard-Skandal

Die konkreten Vorwürfe gegen die Wirtschaftsprüfer und ihre Prüfungsgesellschaft hat die APAS bisher nicht offengelegt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich dabei um dieselben Vorwürfe handelt, die auch in den zivilrechtlichen Schadensersatzverfahren erhoben werden. Danach stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:

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