BSG Urteil v. - B 6 KA 22/22 R

Vertragsärztliche Vergütung - Honorarverteilung - neu gegründete Einzelpraxis mit angestellten Ärzten - Wachstumsmöglichkeiten in Aufbauphase - gleiche Regelungen wie bei neu gegründeten Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ

Leitsatz

Für eine neu gegründete Einzelpraxis mit angestellten Ärzten gelten die gleichen Regelungen zu Wachstumsmöglichkeiten in der Aufbauphase wie für neu gegründete Berufsausübungsgemeinschaften und medizinische Versorgungszentren.

Gesetze: § 87b Abs 1 SGB 5, § 87b Abs 2 SGB 5, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: S 27 KA 215/14 Urteilvorgehend Landessozialgericht Hamburg Az: L 5 KA 11/18 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars des Klägers für das Quartal 1/2014.

2Der Kläger ist seit dem im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) als Facharzt für Radiologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis Ende des Jahres 2013 war er in einer radiologischen Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit Standort in Hamburg tätig. Nach seinem Austritt aus der BAG war der Kläger in einer Einzelpraxis mit einem Angestellten an einem mehrere Kilometer vom Standort der vormaligen BAG entfernten Praxissitz mit zwei Versorgungsaufträgen tätig. Der bei ihm angestellte Arzt für Radiologie D war zuvor nicht in der vertragsärztlichen Versorgung tätig.

3Mit Honorarbescheid vom setzte die Beklagte das Honorar für die Arztpraxis des Klägers mit seinem Angestellten D auf 169 713,34 Euro fest. Der Berechnung des Honorars lag ein individuelles Leistungsbudget (ILB) für "übrige Leistungen der Radiologen" in Höhe von 145 611,47 Euro zugrunde. Das durchschnittliche ILB der Arztgruppe lag im Quartal 1/2014 bei 111 421,95 Euro je Arzt und damit bei 222 843,90 Euro für eine Praxis, die wie die des Klägers zwei volle Versorgungsaufträge zu erfüllen hat. Die angeforderte Vergütung des Klägers für die im Bereich seines ILB erbrachten Leistungen betrug 256 157,95 Euro. Die innerhalb des Budgets erbrachten Leistungen wurden mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung, die darüber hinausgehenden Leistungen quotiert vergütet.

4Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom ) und Klage (), mit denen der Kläger geltend gemacht hat, dass sein ILB zu niedrig bemessen worden sei, blieben ohne Erfolg. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom ) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die besonderen Wachstumsmöglichkeiten von Anfängerpraxen in der Aufbauphase seien in § 17 des Honorarverteilungsmaßstabs der Beklagten (im Folgenden: VM) geregelt. Nach § 17 Abs 1 Satz 1 VM erhielten neu zugelassene Ärzte, die in Einzelpraxis tätig seien, innerhalb einer Anfangsphase von zwölf Quartalen nach erstmaliger Praxisaufnahme ein ILB in Höhe des arztgruppendurchschnittlichen Leistungsbudgets unter Berücksichtigung ihres Versorgungsumfanges im Abrechnungsquartal. Der bereits seit 2006 im Bezirk der Beklagten tätige Kläger sei kein neu zugelassener Arzt in diesem Sinne. Zwar könnten auch Gründungsmitglieder einer BAG oder eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), die sich noch in der Anfangsphase von zwölf Quartalen nach erstmaliger Praxisaufnahme befinden, ein arztgruppendurchschnittliches Leistungsbudget erhalten. Der Kläger sei im streitgegenständlichen Quartal jedoch weder Gründungsmitglied einer BAG noch eines MVZ gewesen, sondern in Einzelpraxis mit einem angestellten Arzt tätig gewesen. Dementsprechend erfülle auch der angestellte Arzt die genannten Voraussetzungen nicht.

5Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, in ihrem VM eine Regelung zu Praxisneugründungen zu treffen, die Konstellationen wie die des Klägers einbeziehe. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG müsse die Regelung zu den besonderen Wachstumsmöglichkeiten von Anfängerpraxen nicht auf Ärzte erstreckt werden, die wie der Kläger bereits langjährig in demselben Planungsbereich zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen gewesen seien. Die Verlegung des Tätigkeitsorts des Klägers innerhalb desselben Planungsbereichs führe nicht dazu, dass die Praxis als Aufbaupraxis zu behandeln sei. Daran ändere auch die Anstellung des D nichts. Entsprechendes habe das BSG bereits für den Neueintritt eines Partners in eine BAG entschieden. Eine BAG könne sich durch die Neuaufnahme eines Partners nicht verjüngen. Die gleichen Grundsätze müssten erst recht für die Anstellung eines neuen Arztes gelten. Dieser trage schon nicht das gleiche unternehmerische Risiko wie ein neu zugelassener Arzt, der im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit auf Wachstumsmöglichkeiten durch die Gewinnung weiterer Patienten angewiesen sei. Der Fall des Klägers sei auch nicht dem einer Neugründung eines MVZ und der Anstellung eines Arztes in diesem MVZ vergleichbar, weil das neu gegründete MVZ selbst eine Zulassung erhalte, während der Kläger seine Zulassung nach dem Wechsel aus der BAG in die Einzelpraxis mit neuem Standort unverändert behalten habe.

6Auch die in § 8 Abs 7 und § 23 VM getroffenen Regelungen für die Bildung und Fortschreibung von Unterkontingenten speziell für Radiologen seien nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung sei es zulässig, in Honorarverteilungsmaßstäben nicht nur gesonderte Honorartöpfe für die verschiedenen Fachgruppen, sondern auch Unterkontingente nach Leistungsbereichen innerhalb einer Gruppe zu bilden, wenn es dafür - wie hier - sachliche Gründe gebe. Die Beklagte habe die Einführung von Unterkontingenten damit begründet, dass sie Verwerfungen durch die Veränderungen nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses (BewA) zu den CT-gesteuerten Interventionen nicht auf die gesamte Gruppe der Radiologen habe durchschlagen lassen wollen, weil ein Großteil der Radiologen überhaupt keine derartigen Interventionsleistungen erbringe. Wenn der Anteil der Gesamtvergütung für die bis zum Quartal 1/2013 sehr oft erbrachten CT-gesteuerten Interventionen in das Gesamtkontingent aller Radiologen eingeflossen wären, hätte das zu unsachgemäßen Honorarvorteilen bei denjenigen geführt, die in der Vergangenheit nicht dazu beigetragen hätten, diese Vergütungsanteile zu erzielen. Insbesondere im Hinblick auf die in der Vergangenheit relativ großen Honoraranteile für CT-gesteuerte Interventionen habe die Beklagte gewährleisten wollen, dass die aufgrund der EBM-Änderungen eintretenden Effekte sich allein auf die Gruppe der betreffenden Leistungserbringer beschränkten. Die Bildung von Teilbudgets löse allerdings eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Beklagten dahin aus, dass sie die Verteilungsregelungen, mit denen sie in Verfolgung bestimmter Ziele vom Grundsatz der gleichmäßigen Honorarverteilung abweiche, regelmäßig zu überprüfen habe. Da die Neuregelung erst mit dem Quartal 4/2013 eingeführt wurde, könne noch keine Verletzung der Beobachtungs- und Reaktionspflicht vorgelegen haben. Die Einführung von Unterkontingenten verstoße nicht gegen die Grundsätze der leistungsproportionalen Vergütung und der Honorarverteilungsgerechtigkeit und diese stehen auch im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 87b SGB V, insbesondere bezogen auf das Erfordernis, dem Leistungserbringer Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars zu vermitteln.

7Auch die in § 23 Abs 5 VM getroffene Regelung widerspreche nicht dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Begünstigend weise die Vorschrift die nicht abgeforderten Leistungen dem Unterkontingent für alle anderen Leistungen zu. Es habe dem Kläger freigestanden, weiterhin Leistungen der CT-gesteuerten Intervention zu erbringen und sich entsprechend unternehmerisch zu positionieren.

8Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision, zu deren Begründung er vorträgt: Die Entscheidung des LSG verstoße gegen § 87b SGB V iVm dem aus Art 12 Abs 1, Art 3 Abs 1 GG folgenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der leistungsproportionalen Vergütung. Es handele sich nicht nur bei § 87b SGB V sowie Art 12 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG um revisibles Recht, sondern auch bei § 17 VM, weil in den Bezirken anderer LSGs inhaltsgleiche Vorschriften gelten würden.

9Er habe im Quartal 1/2014 eine neu gegründete unterdurchschnittlich abrechnende Praxis in der Aufbauphase geführt. Diese habe sich in erheblicher Entfernung zum Standort seiner früheren BAG befunden. Er habe einen neuen Patientenstamm aufgebaut und sich neu am Markt sowie im Wettbewerb zu den übrigen Leistungserbringern positionieren müssen. Das BSG habe seine zu Honoraransprüchen von Einzelpraxen entwickelte Rechtsprechung zunächst für BAG und dann für MVZ weiterentwickelt und klargestellt, dass einem MVZ für seine angestellten Ärzte ein Wachstumsanspruch zustehen könne, solange sich sowohl das MVZ als auch der Angestellte noch in der Aufbauphase befinde. Dieser Grundsatz sei auf Einzelpraxen mit Angestellten zu übertragen.

10Entgegen der Auffassung des LSG verstießen die im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten getroffenen Regelungen zur Bildung von Unterkontingenten für radiologische Leistungen gegen die Vorgaben des § 87b SGB V iVm den aus Art 12 Abs 1, Art 3 Abs 1 GG folgenden Grundsätzen der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der leistungsproportionalen Vergütung. § 23 Abs 5 Satz 3 VM habe dazu geführt, dass Ärzte, die CT-gesteuerte Interventionen aufgrund der Anpassung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) anders als im Vorjahresquartal nicht mehr erbringen konnten, Honorarnachteile hinzunehmen hätten, während solche Radiologen, die in dem für die Bildung des Unterkontingents maßgeblichen Vorjahresquartal keine CT-gesteuerten Interventionen erbracht haben, von den Unterkontingenten ausschließlich profitiert hätten. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass es Ärzten wie ihm freigestanden habe, weiterhin Leistungen aus dem Bereich der CT-gesteuerten Interventionen zu erbringen. Der zentrale Effekt der Änderung von Abschnitt 34.5 EBM-Ä habe gerade darin bestanden, die Voraussetzungen für die Erbringung und Abrechnung CT-gesteuerter Interventionen erheblich zu verschärfen, sodass nur wenige niedergelassene Radiologen diese Leistungen wie zuvor hätten erbringen können.

13Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei § 17 VM nicht um revisibles Recht. Die vom Kläger zitierten Regelungen anderer KÄVen seien bereits inhaltlich nicht identisch. Die in der Rechtsprechung des BSG zu Jungarztpraxen entwickelten Kriterien seien auf die vorliegende Konstellation nicht zu übertragen, weil der Kläger bereits seit 2006 im selben Planungsbereich vertragsärztlich tätig gewesen sei. Sein Angestellter D sei auf dem vormaligen Arztsitz von W tätig geworden, die bereits seit 2006 im selben Planungsbereich vertragsärztlich tätig gewesen sei. Auch weil der angestellte Arzt nicht das gleiche unternehmerische Risiko wie der Kläger als zugelassener Vertragsarzt trage, könnten die Regelungen zum Wachstumsanspruch von unterdurchschnittlich abrechnenden Jungarztpraxen auf ihn keine Anwendung finden.

14Die Bildung eines Honorarunterkontingents für CT-gesteuerte Interventionen sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe weiterhin entsprechende Leistungen erbringen können. Es sei auch sachgerecht gewesen, ein auf die CT-gesteuerten Interventionen bezogenes Unterbudget zu bilden, dass zunächst den Radiologen vorbehalten sei, die zuvor entsprechende Leistungen erbracht hätten.

Gründe

15Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Soweit die Beklagte der Berechnung des Honoraranspruchs des Klägers für das Quartal 1/2014 bezogen auf die von seinem angestellten Arzt D erbrachten Leistungen ein den Arztgruppendurchschnitt unterschreitendes ILB zugrunde gelegt hat, ist der angefochtene Honorarbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig. Insoweit waren deshalb auch das die Klage vollumfänglich abweisende Urteil des SG und das die Berufung des Klägers zurückweisende Urteil des LSG aufzuheben. Nicht zu beanstanden ist dagegen das in die Berechnung des Honoraranspruchs eingestellte ILB für den Kläger selbst. Auch durch die Umsetzung der in § 8 Abs 7, § 23 VM speziell zur Bemessung des Honorars von Radiologen getroffenen Regelungen einschließlich der Regelungen zur Bildung eines Unterkontingents für CT-gesteuerte Interventionen wird der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Insoweit sind der angefochtene Bescheid und die Urteile nicht zu beanstanden.

16Der im Bezirk der Beklagten geltende VM, der Honorarbegrenzungen auf der Grundlage von ILB vorsieht (dazu 1.), enthält in § 17 besondere Regelungen zu Wachstumsmöglichkeiten von Anfängerpraxen. Zwar folgt daraus kein Anspruch des Klägers auf das geltend gemachte ILB in Höhe des Fachgruppendurchschnitts, weil die Konstellation einer neu gegründeten Einzelpraxis mit Angestellten von der genannten Regelung nicht erfasst wird (dazu 2. a). Das wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt, sodass es nicht darauf ankommt, ob seine Auffassung zutrifft, nach der es sich bei § 17 VM um revisibles Recht handelt (dazu 2. b). Die durch die Beklagte getroffenen Regelungen sind jedoch insoweit rechtswidrig als sie nicht alle Formen von Praxisneugründungen mit Jungärzten erfassen. Bei der vom Kläger nach seinem Austritt aus der BAG gegründeten Einzelpraxis handelt es sich um eine Neugründung mit der Folge, dass zwar nicht für die von ihm selbst erbrachten, aber für die von seinem erstmals in der vertragsärztlichen Versorgung tätigen Angestellten erbrachten Leistungen ein ILB mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugrunde zu legen war (dazu 2. c). Dagegen ist die in § 8 Abs 7, § 23 VM geregelte Honorarbegrenzung auf der Grundlage von Unterkontingenten für CT-gesteuerte Interventionen einerseits und für alle anderen Leistungen aus dem Arztgruppenkontingent der Radiologen andererseits nicht zu beanstanden (dazu 3.).

171. Gesetzliche Grundlage der vom Kläger beanstandeten Verteilungsregelungen ist § 87b Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom (BGBl I 2983; im Folgenden: aF). Nach dieser Vorschrift verteilt die KÄV die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, MVZ sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Sie wendet bei der Verteilung den Verteilungsmaßstab an, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist (§ 87b Abs 1 Satz 2 SGB V). Nach § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V hat der Verteilungsmaßstab Regelungen vorzusehen, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag nach § 95 Abs 3 SGB V oder seinen Ermächtigungsumfang hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden.

18Mit der Neufassung des § 87b SGB V durch das GKV-VStG ist der Gesetzgeber weitgehend zu der Verteilungssystematik aus der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom (BGBl I 2190) zurückgekehrt und hat die bundesgesetzlichen Vorgaben, insbesondere die Implementation von Regelleistungsvolumina (RLV) weitgehend zurückgenommen (Wasem in Halbe/Orlowski/Preusker/Schiller/Wasem, Versorgungsstrukturgesetz, 2012, S 111). Die KÄVen dürfen - in Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen - seit 2012 die Honorarverteilung wieder nach eigenen Präferenzen gestalten. Bis sie von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hatten, galten die Vorschriften über arzt- und praxisbezogene RLV fort (§ 87b Abs 1 Satz 3 SGB V aF), im Bezirk der Beklagten bis zum Ende des Quartals 3/2013.

19Ab dem Quartal 4/2013 - und auch in dem hier maßgebenden Quartal 1/2014 - hat die Beklagte in ihrem VM anstelle der bis dahin geltenden Bestimmungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes auf der Grundlage von RLV nunmehr Begrenzungen in Form von ILB als Obergrenze der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen vorgesehen (vgl § 15 Abs 1 Satz 1 VM). Die innerhalb dieser ILB abgerechneten Leistungen wurden der Arztpraxis zu den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet. Darüber hinausgehende Leistungen wurden zu quotierten Preisen vergütet (§ 15 Abs 2 VM). Anders als die in den vorangegangenen Quartalen geltenden RLV, für deren Höhe - neben der Fallzahl - im Grundsatz ein arztgruppenspezifischer Fallwert maßgeblich war, orientierten sich die ILB an dem Abrechnungsvolumen des einzelnen Arztes im entsprechenden Quartal des Vorjahres. Dazu wurde die Gesamtvergütung für die innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung gezahlten Leistungen zunächst in Vergütungsvolumina für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung (§ 6 VM) und - mit Abzügen ua für Rückstellungen (vgl § 7 VM) - in Arztgruppenkontingente aufgeteilt (§ 8 VM). Für die Höhe des ILB des einzelnen Arztes ist im Grundsatz sein prozentualer Anteil am Leistungsbedarf seiner Arztgruppe im Vorjahr maßgebend (§ 16 Abs 2 VM). Durch Abzüge in Höhe von insgesamt bis zu 5 % wird ua gewährleistet, dass die über das ILB hinausgehenden Leistungen abgestaffelt vergütet werden können (vgl dazu im Einzelnen § 8 Abs 4 und 6, § 16 Abs 3, § 23 Abs 3 VM).

202. Für neu zugelassene Ärzte galten nach § 17 VM Besonderheiten, und zwar sowohl für neu zugelassene Ärzte, die in Einzelpraxen tätig sind (Abs 1), als auch für Ärzte, die in BAGen oder in MVZ tätig sind (Abs 2). Für die Vergütung von Leistungen der Radiologen galten diese Regelungen nach § 23 Abs 6 VM entsprechend.

21Neu zugelassene Ärzte in Einzelpraxis erhielten danach innerhalb einer Anfangsphase von zwölf Quartalen nach erstmaliger Praxisaufnahme ein ILB in Höhe des arztgruppendurchschnittlichen Leistungsbudgets unter Berücksichtigung ihres Versorgungsumfanges im Abrechnungsquartal. Lag in den ersten vier Quartalen nach erstmaliger Praxisaufnahme der relative Anteil des Vorgängers über dem Durchschnitt der Arztgruppe, wurde stattdessen zur Berechnung des ILB der Anteil des Vorgängers herangezogen.

22Gründungsmitglieder einer BAG oder eines MVZ, die mit der Gründung erstmalig ihre Praxis aufnahmen oder die bislang in Einzelpraxis tätig waren und sich noch in der Anfangsphase von zwölf Quartalen nach erstmaliger Praxisaufnahme befanden, erhielten nach § 17 Abs 2 VM ebenso wie neu zugelassene Ärzte in Einzelpraxis ein mindestens arztgruppendurchschnittliches Leistungsbudget. Die arztgruppengleichen Ärzten einer Arztpraxis eingeräumte Möglichkeit zur Verrechnung der ILB (§ 15 Abs 1 Satz 2 VM) bestand in diesem Fall nicht. Entsprechendes galt für neu zugelassene Ärzte, die in eine BAG oder ein MVZ eingetreten waren. Neu zugelassene Ärzte, die in einer BAG oder einem MVZ einen Arztsitz übernommen hatten, erhielten gemäß § 17 Abs 3 VM zur Berechnung des ILB den relativen Anteil ihres Vorgängers unter Berücksichtigung ihres Versorgungsumfanges im Abrechnungsquartal.

23a) Auf der Grundlage dieser Regelungen für Anfängerpraxen kann der Kläger das geltend gemachte ILB in Höhe des Fachgruppendurchschnitts nicht beanspruchen. § 17 Abs 1 VM bezieht sich allein auf neu zugelassene Ärzte. Der Kläger war im streitbefangenen Quartal zwar zugelassener Arzt. Er war aber bereits seit 2006 im Bezirk der KÄV Hamburg, der nur einen Planungsbereich umfasst, zugelassen. Der bei ihm angestellte Arzt für Radiologie D war vor seiner Anstellung bei dem Kläger zwar nicht in der vertragsärztlichen Versorgung tätig, aber im Quartal 1/2014 nicht - wie in § 17 Abs 1 VM vorausgesetzt - neu zugelassen, sondern angestellt. Die unter § 17 Abs 2 und 3 VM getroffenen Regelungen zum Anfängerstatus von BAG und MVZ kommen von vornherein nicht in Betracht, weil es sich bei der Arztpraxis des Klägers um eine Einzelpraxis mit einem Angestellten handelt.

24b) Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob die Auffassung des Klägers zutrifft, dass es sich bei den den Anfängerstatus betreffenden Regelungen des VM um revisibles Recht handelt, weil in anderen LSG-Bezirken inhaltsgleiche Vorschriften gelten und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern im Interesse der Rechtsvereinheitlichung bewusst und gewollt ist (zu den Voraussetzungen der Revisibilität von Landesrecht vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 162 RdNr 5a ff mwN). Abgesehen davon, dass der Kläger in der Revisionsbegründung keine inhaltsgleichen, sondern inhaltlich abweichende Vorschriften aus anderen LSG-Bezirken bezeichnet hat, behauptet er auch nicht, dass er aus den hier maßgebenden Regelungen des VM Rechte für sich herleiten könnte.

25c) Der Kläger macht indes zu Recht geltend, dass der angefochtene Honorarbescheid rechtswidrig ist, weil er nach den Feststellungen des LSG § 17 VM nicht alle Konstellationen erfasst, in denen der Honorarberechnung ein ILB mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugrunde zu legen ist, um einer Anfängerpraxis die unter Beachtung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit erforderlichen Wachstumsmöglichkeiten einzuräumen (nachfolgend aa). Zwar musste die Beklagte der Honorarberechnung kein höheres ILB für den Kläger selbst zugrunde legen (nachfolgend bb). Soweit der Berechnung des Honoraranspruchs des Klägers für dessen Angestellten D ein ILB zugrunde gelegt worden ist, das niedriger war als das durchschnittliche ILB der Arztgruppe der Radiologen im Quartal 1/2014, ist das Honorar jedoch rechtswidrig zu niedrig festgesetzt worden (nachfolgend cc).

26aa) Nach stRspr des BSG ( - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 17 mwN; - SozR 4-2500 § 87b Nr 11 RdNr 42 ff; - SozR 4-2500 § 87b Nr 13 RdNr 25) müssen Regelungen zur Honorarverteilung umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen die Möglichkeit geben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen. Dem einzelnen Vertragsarzt muss die Chance eingeräumt werden, durch Qualität und Attraktivität der Behandlungen oder durch bessere Praxisorganisation neue Patienten für sich zu gewinnen, um auf diese Weise jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe aufzuschließen. Dieses aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art 3 Abs 1 iVm Art 12 Abs 1 GG) abgeleitete Erfordernis gilt unabhängig vom konkreten Mechanismus zur Honorarverteilung; es war nicht nur für die Zeit der gesetzlich vorgeschriebenen Anwendung von RLV zu beachten (vgl dazu - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 20 f), sondern auch bei Begrenzungen durch ILB (vgl - BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5, RdNr 25 f = juris RdNr 32 f; - SozR 4-2500 § 87b Nr 11 RdNr 42). Für Praxen in der Aufbauphase muss die Steigerung des Honorars auf den Durchschnittsumsatz grundsätzlich sofort realisierbar sein, während den auch noch nach Abschluss der Aufbauphase unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen dies jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss ( - juris RdNr 8 f mwN). Die Bemessung der Dauer der Aufbauphase, die wenigstens drei Jahre umfasst, aber auch bis zu fünf Jahre dauern kann, erfolgt in der Satzung zur Honorarverteilung durch die KÄV (vgl - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 18, 23). In dem für den Bezirk der Beklagten beschlossenen VM ab dem Quartal 1/2014 ist die "Wachstumsphase" auf drei Jahre festgelegt worden (§ 17 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1 VM).

27Für BAGen (vgl - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 26 ff; - SozR 4-2500 § 87b Nr 13 RdNr 26 ff) und für MVZ ( - SozR 4-2500 § 87b Nr 16 RdNr 24 ff) hat der Senat die zunächst auf Einzelpraxen bezogene Rechtsprechung in der Weise weiterentwickelt, dass in diesen Fällen ein doppeltes Erfordernis gilt (vgl Clemens in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Aufl 2020, Kap 13 RdNr 259; Loose in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2022, § 85 RdNr 434). Für die Anwendung der Sonderregelungen zur Honorierung von Ärzten in der Aufbauphase ist danach zunächst maßgeblich, ob sich die BAG bzw das MVZ als solches noch in der Aufbauphase befindet. Von einer Neugründung der BAG ist der Senat in seiner Rechtsprechung auch dann ausgegangen, wenn an ihrem Standort bereits zuvor eine Arztpraxis - jedoch nicht in der Form einer BAG - betrieben worden war (vgl - SozR 4-2500 § 87b Nr 13 RdNr 2, 27). Beim MVZ hat der Senat auf die erstmalige Zulassung abgestellt und darin eine Neugründung gesehen ( - SozR 4-2500 § 87b Nr 16 RdNr 24). Wenn die Voraussetzungen einer Neugründung von BAG oder MVZ vorliegen, muss das in einem ersten Schritt arztbezogen zu ermittelnde Budget aber nur für solche in der BAG oder dem MVZ tätigen Ärzte, die sich selbst noch in der Anfangsphase ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit befinden (sog Jungärzte), abweichend von den allgemeinen Regeln festgesetzt werden ( - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27). Weder eine BAG noch ein MVZ können sich also durch die Aufnahme eines Jungarztes als Gesellschafter oder durch die Anstellung eines Jungarztes insgesamt "verjüngen" (vgl - SozR 4-2500 § 87b Nr 16 RdNr 23; vgl - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27). Auch die Verlegung des Standortes einer Praxis innerhalb des Planungsbereichs kann nicht dazu führen, dass die Praxis insgesamt als Aufbaupraxis zu behandeln ist ( - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 31; - SozR 4-2500 § 87b Nr 16 RdNr 25), weil solche Standortverlegungen den Zulassungsstatus unberührt lassen (vgl zB - SozR 3-2500 § 103 Nr 3 S 25; - BSGE 99, 218 = SozR 4-2500 § 103 RdNr 3, RdNr 17 mwN).

28Die vom Senat für BAG und MVZ entwickelten Grundsätze sind auf andere Formen kooperativer Berufsausübung zu übertragen und gelten auch für Einzelärzte mit angestellten Ärzten, jedenfalls soweit die Anstellung nicht im Rahmen eines sog Job-Sharing iS des § 101 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V erfolgt. Bei einem Vertragsarzt, der angestellte Ärzte beschäftigt, ist - ebenso wie bei BAG oder MVZ - zwischen der Arztpraxis und dem einzelnen dort tätigen Arzt zu differenzieren. Für die Anwendung der Regelungen über die Wachstumsmöglichkeiten in der Aufbauphase gilt auch hier das doppelte Erfordernis, dass sich sowohl die Arztpraxis als auch der einzelne Arzt in der Aufbauphase befinden müssen.

29Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Einzelpraxis des Klägers um eine Neugründung. Die Arztpraxis des Klägers ist zum gegründet worden und der Kläger hat auch nicht allein seinen Vertragsarztsitz verlegt, sondern ist nach den Feststellungen des LSG aus einer - fortbestehenden - BAG ausgeschieden, um an dem neuen Standort in Einzelpraxis mit einem Angestellten tätig zu werden. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Kläger unverändert im selben Planungsbereich als zugelassener Vertragsarzt tätig geblieben ist. Genauso wie eine Arztpraxis nach der Neugründung einer BAG jedenfalls im Grundsatz als Aufbaupraxis anzusehen ist ( - SozR 4-2500 § 87b Nr 13 RdNr 2, 27), muss dies beim Austritt eines Arztes aus einer fortbestehenden BAG und der Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit als Einzelarzt gelten, jedenfalls wenn der Arzt seine Tätigkeit an einem anderen Standort in neuen Praxisräumen fortführt.

30Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Status des Klägers als Vertragsarzt durch den Austritt aus der BAG nicht verändert hat. Bereits im Zusammenhang mit der Frage, ob eine neu gegründete BAG als Aufbaupraxis anzusehen ist, hat der Senat nicht entscheidend auf den Zulassungsstatus des einzelnen Mitglieds der BAG, sondern darauf abgestellt, dass nicht der einzelne Arzt, sondern die BAG der KÄV auch hinsichtlich der Vergütung und der Abrechnung als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenübertritt ( - SozR 4-2500 § 87b Nr 13 RdNr 27; - juris RdNr 29 mwN). Insofern gilt für den Austritt eines Arztes aus einer fortbestehenden BAG nichts anderes als für deren Gründung. Zwar ist der Senat der Auffassung, dass der KÄV Gestaltungsspielräume bezogen auf die Frage einzuräumen sind, wann eine Neugründung vorliegt. Unterschiedliche Regelungen sind etwa bezogen auf die Frage denkbar, ob die orts- und personenidentische Umwandlung von einer Praxisgemeinschaft in eine BAG oder von einer BAG in ein MVZ bereits als Neugründung anzusehen ist (zum Gestaltungsspielraum des untergesetzlichen Normgebers bezogen auf die Definition von "Neupraxen" im Zusammenhang mit der durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG vom , BGBl I 646, mWv eingeführten - und durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vom , BGBl I 1990, bis begrenzten - Neupatientenregelung in § 87a Abs 3 Satz 5 Nr 5 SGB V aF vgl - juris RdNr 30). Diese Spielräume würden jedoch überschritten, wenn die Eröffnung einer Praxis durch einen Einzelarzt an einem neuen Standort nur deshalb nicht als Neugründung angesehen würde, weil der Vertragsarzt - wie hier - zuvor in einer - fortbestehenden - BAG vertragsärztlich tätig gewesen ist.

31bb) Aus dem Umstand, dass die Praxis des Klägers nach den og Maßstäben als Neugründung einzuordnen ist, folgt entgegen seiner Auffassung jedoch nicht, dass der Berechnung des Honoraranspruchs sowohl für ihn als auch für seinen Angestellten ein ILB mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zugrunde gelegt werden müsste. Weil der Kläger im streitgegenständlich Quartal bereits seit mehr als drei Jahren (seit 2006) im selben Planungsbereich vertragsärztlich tätig war, musste die Beklagte das arztbezogen zu ermittelnde ILB des Klägers nicht mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts festsetzen. Insofern gilt für ihn nichts anderes als für einen etablierten Arzt, der innerhalb desselben Planungsbereichs in eine neu gegründete BAG oder ein neu gegründetes MVZ eintritt (sog doppeltes Erfordernis, vgl RdNr 27).

32cc) Anderes gilt jedoch bezogen auf die Bemessung des ILB für den Angestellten des Klägers, D. Dieser war zuvor weder als Vertragsarzt noch als Angestellter in der vertragsärztlichen Versorgung tätig. Er ist damit im Quartal 1/2014 als Jungarzt in einer Aufbaupraxis tätig geworden. Deshalb hätte die Beklagte ihm bei der Honorarberechnung ein ILB mindestens in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zuordnen müssen.

33Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Angestellte des Klägers kein Unternehmerrisiko zu tragen habe und die für Jungarztpraxen in der Aufbauphase entwickelten Maßstäbe deshalb nicht auf ihn anzuwenden seien. Die Beklagte übersieht bei ihrer Argumentation, dass der Honoraranspruch nicht dem Angestellten, sondern dem anstellenden Vertragsarzt - hier also dem Kläger - zusteht und dass dieser das Unternehmerrisiko auch bezogen auf die vom angestellten Arzt erbrachten Leistungen zu tragen hat. Wenn ein angestellter Jungarzt in der Anfangsphase seiner Tätigkeit zB nur geringe Umsätze generiert, trägt das Risiko jedenfalls im Grundsatz der anstellende Arzt, der zur Zahlung der vereinbarten Vergütung gemäß § 611 Abs 1 BGB verpflichtet bleibt. Insofern unterscheidet sich die Position des Vertragsarztes mit (einem oder mehreren) Angestellten nicht wesentlich von der eines MVZ oder einer BAG mit Angestellten. Die bestehenden Unterschiede zwischen Vertragsarzt und angestelltem Arzt ua bezogen auf ihren Status im Vertragsarztrecht (vgl dazu - BSGE 124, 266 = SozR 4-2500 § 95 Nr 33, RdNr 36 ff; - BSGE 133, 220 = SozR 4-2500 § 103 Nr 33, RdNr 16 ff) sind in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz (zur Gleichbehandlung von Vertragsärzten und angestellten Ärzten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung vgl - BSGE 129, 220 = SozR 4-2500 § 106a Nr 25, RdNr 20). Der Senat hat bereits geklärt, dass die Rechtsprechung zu Jungärzten auch auf angestellte Ärzte in MVZ zu beziehen ist (vgl - SozR 4-2500 § 87b Nr 16 RdNr 2, 25). Für die bei einem Vertragsarzt angestellten Ärzte kann im vorliegenden Zusammenhang nichts anderes gelten.

343. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die in § 8 Abs 7, § 23 VM geregelte Honorarbegrenzung auf der Grundlage von Unterkontingenten für CT-gesteuerte Interventionen einerseits und für alle anderen Leistungen aus dem Arztgruppenkontingent der Radiologen andererseits nicht zu beanstanden.

35a) Der VM der Beklagten regelte speziell für die Bildung des Arztgruppenkontingents der Radiologen, dass dieses in zwei Unterkontingente aufzuteilen war: ein Unterkontingent für CT-gesteuerte Interventionen und eines für alle anderen Leistungen. Maßgeblich für die Aufteilung der Vergütungsvolumina zwischen diesen beiden Unterkontingenten waren nach § 8 Abs 7 Satz 2 VM die Anteile der von der Gruppe der Radiologen im entsprechenden Vorjahresquartal abgerechneten Leistungen (relativer Anteil am arztgruppenkontingentspezifischen Leistungsbedarf des Vorjahresquartals). Für das arztbezogene ILB war nach § 23 VM maßgeblich, in welchem Umfang der einzelne Arzt im Vorjahresquartal Leistungen aus dem entsprechenden Unterkontingent abgerechnet hatte.

36Da der Kläger und sein angestellter Arzt im Referenzquartal 1/2013 CT-gesteuerte Interventionen erbracht haben, haben dem Kläger für das Quartal 1/2014 Unterkontingente sowohl für CT-gesteuerte Interventionen als auch für die übrigen Leistungen zur Verfügung gestanden. Der Kläger und auch sein angestellter Arzt haben jedoch nach den Feststellungen des LSG im Quartal 1/2014 keine CT-gesteuerten Interventionen mehr erbracht, sodass das entsprechende Unterkontingent nicht genutzt wurde, während das Unterkontingent für die sonstigen Leistungen mit der Folge überschritten wurde, dass ein Teil dieser Leistungen quotiert vergütet wurde. Die Möglichkeit zur gegenseitigen Verrechnung sieht § 23 Abs 1 Satz 2 VM allein zwischen den ILB der Radiologen einer Arztpraxis, nicht jedoch zwischen den beiden Unterkontingenten vor. Dadurch hat sich die Bildung der Unterkontingente im Ergebnis begrenzend auf den Honoraranspruch des Klägers ausgewirkt.

37b) Die Bildung der Unterkontingente ist jedoch nicht zu beanstanden. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass den KÄVen bei der Ausformung des Honorarverteilungsmaßstabs ein Gestaltungsspielraum zukommt, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Norm, nämlich einer Satzung, ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung ist ( - BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr 9, RdNr 7 = juris RdNr 14; - BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, RdNr 10 = juris RdNr 17; - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 50 = juris RdNr 63). Der Honorarverteilungsmaßstab kann deshalb von dem Grundsatz einer leistungsproportionalen Verteilung des Honorars aus sachlichem Grund abweichen ( - SozR 4-2500 § 85 Nr 82 RdNr 36 mwN). § 87b Abs 2 Satz 1 SGB V ist die Vorgabe zu entnehmen, dass der Verteilungsmaßstab Regelungen vorzusehen hat, die verhindern, dass die Tätigkeit des Leistungserbringers über seinen Versorgungsauftrag hinaus übermäßig ausgedehnt wird; dabei soll dem Leistungserbringer eine Kalkulationssicherheit hinsichtlich der Höhe seines zu erwartenden Honorars ermöglicht werden. Zur Umsetzung dieser Ziele kann die KÄV bei der Verteilung des Honorars leistungsbezogene Honorarkontingente und vergleichbare Steuerungsinstrumente vorsehen, und zwar sowohl für einzelne Fachgruppen und Leistungsbereiche als auch - wie hier - für Mischsysteme, teilweise nach Arztgruppen und teilweise nach Leistungsbereichen ( - BSGE 83, 1, 2 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 S 183 f = juris RdNr 10 ff; vgl auch - SozR 4-2500 § 85 Nr 63 RdNr 15 mwN). Bei der Bildung von Honorarkontingenten kann auch an die Verhältnisse in einem früheren Quartal angeknüpft werden (stRspr; - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 50 = juris RdNr 63; - SozR 4-2500 § 85 Nr 40 RdNr 18; - SozR 4-2500 § 87b Nr 4 RdNr 31, jeweils mwN). Auch steht der Zuordnung zu einem Honorarkontingent nicht entgegen, dass Leistungen betroffen sind, die überweisungsgebunden sind ( - BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12 RdNr 15, 30 = juris RdNr 21, 36; - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 50 = juris RdNr 63; - SozR 4-2500 § 85 Nr 63 RdNr 16, jeweils mwN). Ebenso können Fachgruppen einem Honorarkontingent zugeordnet werden, dessen Angehörige vorwiegend oder ausschließlich auf Überweisung tätig werden (vgl zB - SozR 3-2500 § 85 Nr 24 S 164 f - Laborärzte; - BSGE 97, 170 = SozR 4-2500 § 87 Nr 13, RdNr 50 - Laborärzte; - SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 18 f - Anästhesisten).

38Die Topfbildung muss allerdings durch Sachgründe gerechtfertigt sein ( - SozR 3-2500 § 85 Nr 31 S 237; - SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 408 mwN; Loose in Hauck/Noftz, SGB V, Stand September 2022, § 85 RdNr 394; Clemens in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Aufl 2020, Kap 13 RdNr 231). Eine Bildung von Honorartöpfen nach Leistungsbereichen ist zulässig, wenn damit Steuerungszwecke verbunden sind, die ihrerseits im Gesetz bzw im vertragsärztlichen Vergütungssystem angelegt sind oder die zu verfolgen zu den legitimen Aufgaben der KÄV gehört ( - BSGE 83, 1, 2 = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 S 184 = juris RdNr 12). Eine Topfbildung, die Folgen einer Leistungsmengenausweitung auf die jeweilige Teilgruppe beschränkt und Honorarminderungen für solche Gruppen verhindert, die zu einer Leistungsausweitung nichts beitragen, ist regelmäßig nicht zu beanstanden (vgl schon - BSGE 81, 213, 218 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 23 S 154; - SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 408 f; - SozR 4-2500 § 87 Nr 29 RdNr 31). Auch kann die Bildung des Kontingents dem Schutz gerade der davon erfassten Gruppe dienen (vgl zB - SozR 3-2500 § 85 Nr 48; - BSGE 93, 258 = SozR 4-2500 § 85 Nr 12, RdNr 15 = juris RdNr 21; Clemens in Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 4. Aufl 2020, Kap 13 RdNr 231).

39c) Die danach zu fordernden sachlichen Gründe liegen hier entgegen der Auffassung des Klägers bezogen auf die Bildung von Unterkontingenten - einerseits für CT-gesteuerte Interventionen und andererseits für alle anderen Leistungen aus dem Arztgruppenkontingent der Radiologen - vor. Hintergrund der Einführung des gesonderten Unterbudgets für CT-gesteuerte Interventionen waren Änderungen der Richtlinie des GBA über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V vom (BAnz Nr 155 S 3526 vom , berichtigt: BAnz Nr 165 S 3825 vom ) und - darauf inhaltlich aufbauend - zum in Kraft getretene Änderungen des EBM-Ä (Beschluss des BewA nach § 87 Abs 1 Satz 1 SGB V in seiner 290. Sitzung <schriftliche Beschlussfassung> zur Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes <EBM>, DÄBl 2012, A-2604). Ein zentrales Ziel dieser Änderungen bestand darin, dass CT-gesteuerte schmerztherapeutische Interventionen nicht solitär, sondern eingebettet in ein multimodales Schmerztherapiekonzept durchgeführt werden. Dazu wurde ua in Abschnitt 34.5 Nr 1 EBM-Ä geregelt, dass Leistungen der GOP 34504 EBM-Ä (CT-gesteuerte schmerztherapeutische Intervention<en> bei akutem und/oder chronischem Schmerz nach vorausgegangener interdisziplinärer Diagnostik) nur berechnungsfähig sind, wenn sie von Ärzten erbracht werden, welche die Voraussetzungen gemäß Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten nach § 135 Abs 2 SGB V erfüllen oder die Behandlung auf Überweisung eines Arztes erfolgt, der die Voraussetzungen gemäß Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten nach § 135 Abs 2 SGB V erfüllt oder die Zusatzweiterbildung Schmerztherapie gemäß der Weiterbildungsordnung besitzt (vgl dazu auch die entscheidungserheblichen Gründe zum Beschluss des BewA nach § 87 Abs 1 Satz 1 SGB V in seiner 290. Sitzung <schriftliche Beschlussfassung> zur Änderung des EBM mit Wirkung zum ).

40Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren nachvollziehbar dargelegt, dass sie mit der Bildung eines Unterkontingents für CT-gesteuerte Interventionen habe erreichen wollen, dass die aus ihrer Sicht hohen - durch die Änderung des EBM-Ä absehbar sinkenden - Vergütungsanteile für CT-gesteuerte Interventionen in erster Linie weiterhin den Radiologen zur Verfügung stehen, die diese Leistungen in der Vergangenheit erbracht haben und damit nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar an alle Radiologen zur Verteilung gelangen sollten. Bei der Beklagten bestand die Sorge, dass es aufgrund der ab dem geltenden neuen Vorgaben bei der Erbringung CT-gesteuerter Interventionen möglicherweise zu Engpässen in der Versorgung kommen könnte (vgl das Rundschreiben des Vorstands der Beklagten, KV Telegramm 17 vom ). Die in § 23 Abs 5 Satz 3 VM getroffene Regelung, nach der Unterschreitungen des Unterkontingents "im nächst erreichbaren Abrechnungsquartal" dem Vorwegabzug nach § 8 Abs 7 VM für das Unterkontingent der "anderen Leistungen" zugeführt werden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Diese Regelung benachteiligt den Kläger im Übrigen nicht; vielmehr kann sich die Erhöhung der aus dem Unterkontingent der "anderen Leistungen" zu verteilenden Mittel auf seine Honoraransprüche nur positiv auswirken.

41Im Übrigen stand dem Kläger im Quartal 1/2014 ein Unterkontingent für die Erbringung CT-gesteuerter Interventionen zur Verfügung, weil er in der Vergangenheit - und auch in dem hier maßgebenden Referenzquartal 1/2013 - entsprechende Leistungen erbracht hatte. Der Kläger verfügte nach den im Urteil des LSG getroffenen Feststellungen, deren Richtigkeit der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Senats bestätigt hat, über die erforderliche Qualifikation, um CT-gesteuerte Interventionen auch nach Inkrafttreten der og Änderung des EBM-Ä erbringen zu können. Zwar kann ohne Weiteres nachvollzogen werden, dass die Erbringung dieser Leistungen für den Kläger in seiner neu gegründeten Einzelpraxis und angesichts der geänderten Vergütungsbestimmungen mit zusätzlichem Aufwand verbunden gewesen wäre. Ausschlaggebend ist aus Sicht des Senats jedoch, dass der Kläger von der Erbringung CT-gesteuerter Interventionen - und damit der Nutzung des ihm zugeordneten Unterkontingents - nicht ausgeschlossen war. Die Beklagte war nicht verpflichtet, auf die Entscheidung des Klägers, CT-gesteuerte Interventionen in seiner neu gegründeten Einzelpraxis und unter den geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen nicht mehr zu erbringen, mit einer sofortigen Erhöhung seines Budgets für die sonstigen radiologischen Leistungen zu reagieren.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:190723UB6KA2222R0

Fundstelle(n):
MAAAJ-48399