BGH Beschluss v. - 4 StR 86/23

Instanzenzug: LG Arnsberg Az: II-2 KLs 36/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Soest vom (24 Ds 340 Js 432/20-162/20) wegen des Herstellens von kinderpornographischen Inhalten, des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in zwei Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit dem Sichverschaffen kinderpornographischer Inhalte, des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und wegen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt sowie die Einziehung seines sichergestellten Mobiltelefons angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

32. Soweit der Angeklagte im Fall II.5. der Urteilsgründe verurteilt wurde, hat der Senat das Urteil aufgehoben und das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Die Jugendkammer hat diese Tat in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, sie anschließend aber gleichwohl abgeurteilt.

4a) In der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Arnsberg wurden dem Angeklagten unter anderem sechs Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Last gelegt, wobei die Tatvorwürfe im engeren Sinne dahin umschrieben wurden, dass der Angeklagte jeweils in seiner Wohnung am Penis des Kindes manipuliert habe. Am habe es insgesamt vier Fälle (Ziffer 4. bis 7. der Anklageschrift) und am zwei weitere Fälle (Ziffer 8. und 9. der Anklageschrift) gegeben. Dabei habe der Angeklagte am in insgesamt drei Fällen am Penis des Kindes bis zum Samenerguss manipuliert, währenddessen es beim letzten Mal an jenem Tag nicht zum Samenerguss gekommen sei.

5Am letzten Sitzungstag der mehrtägigen Hauptverhandlung beantragte die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, die Anklagevorwürfe zu Ziffer 5., 7. und 9. gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen. Antragsgemäß beschloss die Jugendkammer daraufhin die Einstellung der vorbezeichneten Anklagevorwürfe (vgl. Protokollband, Bl. 19 Rs.). Nach weiteren Beweiserhebungen wurde die Beweisaufnahme geschlossen, es folgten die Schlussvorträge, das letzte Wort und die Urteilsverkündung.

6b) Der Verurteilung des Angeklagten im Fall II.5. der Urteilsgründe steht die Einstellung des Verfahrens hinsichtlich Ziffer 7. der Anklageschrift entgegen, weil es sich um dieselbe Tat im prozessualen Sinne handelt. Mit der wirksamen Einstellung durch Gerichtsbeschluss gemäß § 154 Abs. 2 StPO entsteht ein Verfahrenshindernis, das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist ( Rn. 7 mwN; Beschluss vom – 1 StR 45/11 Rn. 21). Einen förmlichen Wiederaufnahmebeschluss, der das Verfahrenshindernis beseitigen könnte, hat die Jugendkammer nicht erlassen.

7Es handelt sich im Fall II.5. der Urteilsgründe (Manipulation ohne Samenerguss am ) um dieselbe prozessuale Tat, die ausweislich des Gerichtsbeschlusses dem Vorwurf zu Ziffer 7. der Anklageschrift entspricht. Von den vier Anklagevorwürfen vom wird allein die chronologisch letzte Tat der unter Ziffer 4. bis 7. der Anklageschrift konkret geschilderten Taten mit dem Umstand verknüpft, dass die Manipulation des Angeklagten am Penis des Kindes nicht zum Samenerguss führte. Auf dieses durch diese Besonderheit gekennzeichnete Geschehen bezieht sich die gerichtliche Verfahrenseinstellung zu Ziffer 7. der Anklageschrift unter wörtlicher Wiedergabe des Anklagevorwurfs: „…wobei der Zeuge C.      nicht zum Samenerguss kam…“. Infolge des Gerichtsbeschlusses nach § 154 Abs. 2 StPO ist das Verfahren – soweit es diese Tat betrifft – deshalb nicht mehr anhängig.

83. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass sich der Wegfall der tatmehrheitlichen Verurteilung wegen eines Falles des sexuellen Missbrauchs von Kindern auf die unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Soest vom verhängte Einheitsjugendstrafe von vier Jahren ausgewirkt hätte. Die Jugendkammer hat insoweit im Rahmen der Bemessung der Einheitsjugendstrafe nicht in bestimmender Weise auf die Anzahl der verwirklichten Sexualstraftaten, sondern auf den erheblichen – sich über nahezu alle Lebensbereiche des Angeklagten erstreckenden – Erziehungsbedarf abgestellt.

94. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

105. Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO, § 74, § 109 Abs. 2 JGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:160823B4STR86.23.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-48244