BGH Beschluss v. - VIa ZR 26/22

Instanzenzug: LG Trier Az: 1 S 65/21vorgehend AG Trier Az: 7 C 425/20

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Der Kläger erwarb im Jahr 2011 von einem Händler einen Škoda Fabia Kombi 1.6 TDI zum Kaufpreis von 15.650,63 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, der über eine Umschaltlogik verfügt.

3Mit seiner Ende Oktober 2020 anhängig gemachten und der Beklagten im Dezember 2020 zugestellten Klage hat der Kläger mit der in erster Instanz aufgestellten Behauptung, er habe ein Neufahrzeug erworben, Ersatz der Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 3.912,66 € nebst Zinsen sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt, den Erwerb eines Gebrauchtwagens vorgetragen und seinen Angriff um einen Hilfsantrag ergänzt. Das Berufungsgericht hat vor der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz mit Verfügung vom unter anderem darauf hingewiesen, im Falle des Erwerbs eines Gebrauchtwagens komme die Gewährung von Restschadensersatz nicht in Betracht. Der Kläger ist dem vor der mündlichen Verhandlung mit dem Argument entgegengetreten, auch "in der hiesigen Situation eines gebraucht erworbenen Fahrzeugs" schulde die Beklagte aus Rechtsgründen die Leistung von Restschadensersatz. Das Berufungsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom die Berufung zurückgewiesen, ohne den Hilfsantrag zu erwähnen. Es hat im Berufungsurteil als unstreitig festgestellt, der Kläger habe "einen Gebrauchtwagen" erworben. Diese Feststellung hat der Kläger mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen. Das Berufungsgericht hat diesen Tatbestandsberichtigungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe im Berufungsverfahren selbst einen Gebrauchtwagenkauf vorgetragen.

4Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

II.

5Die Revision ist nach § 552a ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht (mehr) vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat.

61. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, wie folgt begründet:

7Der Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB sei nicht (mehr) durchsetzbar, weil er verjährt sei. Die dreijährige Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2016 begonnen, so dass sie mit Ablauf des Jahres 2019 und damit vor Klageerhebung geendet habe. Der Kläger habe spätestens im Jahr 2016 Kenntnis davon erlangt, dass sein Fahrzeug von dem sogenannten "Dieselskandal" betroffen sei. Auch stehe der Geltendmachung der Verjährungseinrede nicht der Einwand der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB entgegen. Des Weiteren könne der Kläger sein Klagebegehren nicht auf andere Anspruchsgrundlagen stützen. Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bzw. §§ 6, 27 EG-FGV bestünden nicht. Schließlich habe der Kläger gegen die Beklagte keinen Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 Satz 1 BGB. Die Beklagte habe keinen Vorteil aus dem Vermögen des Klägers erlangt, da dieser das Fahrzeug als Gebrauchtwagen von einem Dritten gekauft habe.

82. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Gebrauchtwagen erworben, greifen nicht durch.

9a) Das Berufungsgericht hat im Berufungsurteil als in zweiter Instanz unstreitig festgestellt, der Kläger habe einen Gebrauchtwagen gekauft. Diese Feststellung, die mit dem Protokoll der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht in Widerspruch steht, hat der Kläger zwar mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen. Diesen Tatbestandsberichtigungsantrag hat das Berufungsgericht indessen für das Revisionsgericht bindend durch Beschluss vom zurückgewiesen. Ist eine Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO beantragt worden, kann eine Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im Berufungsurteil zwar auch in der Revisionsinstanz mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO geltend gemacht werden, soweit sich aus der den Berichtigungsantrag zurückweisenden Entscheidung des Berufungsgerichts ergibt, dass seine tatbestandlichen Feststellungen widersprüchlich sind (, NJW 2011, 1513 Rn. 12; Urteil vom - I ZR 137/20, GRUR 2021, 1544 Rn. 31). So liegt der vorliegende Fall jedoch nicht, in dem im Übrigen die vorbereitenden Schriftsätze des Klägers in der Berufungsinstanz vollständig mit der Feststellung des Berufungsgerichts übereinstimmen.

10b) Der von der Revision gerügte Verstoß gegen § 139 ZPO ist nicht gegeben. Zwar kann das Gericht im Falle eines widersprüchlichen Vorbringens gehalten sein, auf seine Interpretation des Parteivortrags hinzuweisen (vgl. , NJW-RR 2003, 1718, 1719; Urteil vom - III ZR 65/06, NJW-RR 2007, 357 Rn. 11). Der Kläger hat in der Berufungsinstanz indessen nicht widersprüchlich, sondern eindeutig zu einem Gebrauchtwagenkauf vorgetragen. Das Berufungsgericht hat bereits mit Verfügung vom und damit lange vor der mündlichen Verhandlung am umfängliche Ausführungen zu seinem Verständnis des für das Berufungsverfahren maßgeblichen Vortrags des Klägers in zweiter Instanz - Gebrauchtwagenkauf - und der vom Berufungsgericht daraus gezogenen Schlüsse gemacht. Damit war den Anforderungen des § 139 ZPO in jedem Fall genügt.

113. Die Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 852 BGB beim Gebrauchtwagenkauf, die das Berufungsgericht veranlasst hat, die Revision zuzulassen, ist durch die nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen (, NJW 2022, 1311 Rn. 30; Urteil vom - VII ZR 692/21, VerwR 2022, 1039 Rn. 45; Urteil vom - VII ZR 717/21, juris Rn. 39; vgl. auch VIa ZR 232/21, juris Rn. 12) in Übereinstimmung mit der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts geklärt. Das Berufungsgericht hat den Rechtsstreit auch im Übrigen (vgl. VIa ZR 680/21, NJW-RR 2022, 1251 Rn. 25 ff.) rechtsfehlerfrei entschieden.

124. Es besteht Gelegenheit, zur Höhe des Streitwerts in der Revisionsinstanz vorzutragen. Das Berufungsgericht dürfte den Hilfsantrag, den es bei der Wiedergabe der Anträge nicht aufgeführt hat, bei seiner Entscheidung versehentlich übergangen haben. Damit beliefe sich die Beschwer aus dem Berufungsurteil, weil der Kläger fristgerecht nicht auch einen Antrag nach §§ 320, 321 ZPO gestellt hat (vgl. dazu , juris Rn. 26), auf "bis 4.000 €", da die Nebenforderung (Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten) auch nicht teilweise zur Hauptforderung geworden sein dürfte. Sollte die Revision darüber hinaus, was der Revisionsbegründung nicht eindeutig zu entnehmen ist, den Hilfsantrag in dritter Instanz wieder einführen wollen, wäre sie insoweit, da sie über die Beschwer aus dem Berufungsurteil hinausgeht und eine Antragserweiterung in dritter Instanz nicht in Betracht kommt, als unzulässig zu verwerfen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:220523BVIAZR26.22.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-46670