Online-Nachricht - Dienstag, 15.08.2023

Einkommensteuer | Kosten für Privatschulbesuch eines hochbegabten Kindes keine agB (FG)

(Allgemeine) Aufwendungen für den Privatschulbesuch eines hochbegabten Kindes stellen keine außergewöhnlichen Belastungen dar. Hierbei handelt es sich nicht um unmittelbare Krankheitskosten (; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig, BFH-Az. VI B 35/23).

Sachverhalt: Die Tochter der Kläger besuchte in den Streitjahren ein staatlich anerkanntes Internatsgymnasium. Dem Internatsbesuch ging ein Schreiben des amtsärztlichen Dienstes voraus, wonach bei ihr eine besondere Lernbegabung und eine sehr hohe Intelligenz vorliege. Diese außerordentlichen intellektuellen Fähigkeiten würden in der Schule keine entsprechende Förderung erhalten. Durch die ständige schulische Unterforderung seien bei der Tochter behandlungsbedürftige psychosomatische Beschwerden aufgetreten, die sich innerhalb eines Jahres zu einem besorgniserregenden gesundheitlichen Zustand entwickelten. Aus gesundheitlichen Gründen sei daher der Besuch einer Schule mit individuellen, an die Hochbegabung angepassten Fördermöglichkeiten wie dem Internatsgymnasium amtsärztlich dringend zu befürworten.

Die Aufwendungen für den Internatsbesuch machten die Kläger - soweit die gezahlten Schulgelder nicht bereits als Sonderausgaben berücksichtigt wurden - als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt folgte dem nicht und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die amtsärztliche Stellungnahme nicht mit einem amtsärztlichen Gutachten i. S. d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV vergleichbar sei. Die Zwangsläufigkeit sei nicht nachgewiesen. Auch handele es sich bei den Internatskosten nicht um unmittelbare Krankheitskosten.

Die Richter des FG Münster wiesen die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Die Aufwendungen für den Privatschulbesuch sind keine zu berücksichtigenden unmittelbaren Krankheitskosten, sondern Kosten der privaten Lebensführung.

  • Nach der Rechtsprechung des BFH könnten Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule nur unter ganz engen Voraussetzungen als (unmittelbare) Krankheitskosten angesehen werden. Denn auch bei einem infolge von Krankheit lernbehinderten Kind sind die Privatschulaufwendungen grundsätzlich durch den Kinderfreibetrag, den Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf und das Kindergeld abgegolten.

  • Dementsprechend zählen Privatschulkosten nicht bereits dann zu den unmittelbaren Krankheitskosten, wenn der Besuch der Privatschule durch eine Krankheit des Kindes verursacht ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Privatschulbesuch zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgt und dort eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung stattfindet.

  • Im Streitfall kann es daher dahinstehen, ob die formalen Nachweisanforderungen nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV anzuwenden sind. Denn die von den Klägern zum Abzug begehrten Aufwendungen (u.a. Schulgeldanteil, Betreuungskosten, Aufnahmegebühr, Verpflegung/Projekte, Fahrtkosten des Kindes, Fahrtkosten der Eltern für Kindesbesuche) stellen keine unmittelbaren Krankheitskosten dar.

  • Es ist nicht ersichtlich, dass der Privatschulbesuch medizinisch indiziert ist und im Internat eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung stattgefunden hat.

  • Die Durchführung einer Therapie hinsichtlich der bei dem Kind vorhandenen Beschwerden durch medizinisches und/oder psychotherapeutisches Personal kann weder dem klägerischen Vortrag noch dem Internetauftritt des Internats entnommen werden.

  • Auch dem amtsärztlichen Schreiben können weder eine zwangsläufige medizinische Indikation des Schulbesuchs noch das Angebot und die Durchführung entsprechender Heilbehandlungen in der Privatschule entnommen werden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Schulbesuch auch im Hinblick auf die Hochbegabung des Kindes erfolgt ist, die keine Krankheit i.S.d. § 33 EStG darstellt, und andere Krankheiten in dem amtsärztlichen Schreiben nicht diagnostiziert worden sind.

  • Der Schulbesuch als solcher kann auch bei günstigen Auswirkungen auf die Krankheit ebenfalls nicht als eigentliche Heilmaßnahme anzusehen sein, da es sich in diesem Fall nicht um unmittelbare Krankheitskosten, sondern um nicht abziehbare Kosten der Vorbeugung bzw. Folge einer Krankheit handelt.

Hinweis:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BFH unter dem Az. VI B 35/23 anhängig.

Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW veröffentlicht.

Quelle: FG Münster, Newsletter August 2023 (il)

Fundstelle(n):
WAAAJ-46138