BGH Beschluss v. - 2 StR 358/22

Beweiswürdigung zum Vorliegen einer Bande; konkrete Darlegung der Gegenstände in Einziehungsentscheidung

Gesetze: § 73a Abs 1 StGB, § 75 Abs 1 S 2 StGB, § 250 Abs 1 Nr 2 StGB

Instanzenzug: LG Aachen Az: 60 KLs 6/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen schweren Bandendiebstahls sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es verschiedene Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Verfahrensrüge ist entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ausgeführt und deshalb unzulässig.

32. Während der Schuldspruch im Fall 3 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung standhält, begegnet die Verurteilung in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4Das Landgericht ist in beiden Fällen vom Vorliegen einer Bandenabrede ausgegangen, in deren Ausführung es unter Beteiligung des Angeklagten zu den Taten gekommen sei. Bandenmitglieder seien neben dem Angeklagten die gesondert verfolgten K.  und E.   sowie weitere nicht bekannte Personen. Die dieser Annahme zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

5a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die gesondert verfolgten             K.   und     E.    zusammen mit weiteren, namentlich nicht bekannten Personen überein, in großem Stil und auf Dauer in arbeitsteiligem Zusammenwirken im Raum A.   , aber auch in den Niederlanden und in Belgien, Raubüberfälle zu begehen, bei denen Opfern hochwertige Armbanduhren der Marke Rolex von den Handgelenken gerissen werden sollten. Nachdem der Angeklagte unter einer Aliaspersonalie in den Niederlanden im Jahr 2020 bereits einmal wegen des Verdachts der Beteiligung an ähnlich gelagerten Delikten festgenommen worden war, stieß er spätestens im Frühjahr 2021 zu der Gruppierung um K.   und E.     , zu der sehr wahrscheinlich auch die in Belgien wohnhafte Freundin des Angeklagten gehörte. Nach einem bestimmten Modus Operandi, nach dem unter Beteiligung von mindestens drei Bandenmitgliedern ein Opfer mit einer wertvollen Uhr ausfindig gemacht wurde, einer der Täter mit diesem Kontakt aufnahm und ihn ins Gespräch verwickelte, um ihm sodann die Uhr vom Handgelenk zu entwenden, und die anderen im Bedarfsfall bei der Sicherung der Beute oder Flucht behilflich waren, konnte zwischen 13 Fällen in A.   und einem Fall in K.   ein Zusammenhang hergestellt werden. Auch in den Niederlanden und Belgien kam es zu entsprechenden Taten. Neben den angeklagten beiden Taten verübten Mitglieder der Gruppierung jedenfalls am und am Taten in A.   , ferner ein     S.    am 3. und in An.   , wobei dieser dort K.   als Drahtzieher belastete. Wahrscheinlich kam dem Angeklagten im Rahmen der Gruppe die Aufgabe zu, die geraubte Ware nach den jeweiligen Taten zu veräußern. Darüber hinaus war er jedoch auch an den zwei hier angeklagten Taten vom und vom vor Ort aktiv beteiligt.

6b) Der Angeklagte hat die Tatbegehung eingeräumt, aber angegeben, als Alleintäter gehandelt zu haben. Demgegenüber ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass die beiden Taten in Ausführung einer zuvor getroffenen Bandenabrede begangen worden seien. Das hat das Landgericht zunächst auf Erkenntnisse aus der Telefon- und Funkzellenauswertung gestützt. Ein Abgleich der Rufnummer des Angeklagten mit den Tatort-Funkzellendaten habe ergeben, dass das Mobiltelefon des Angeklagten in den Tatortfunkzellen der nicht angeklagten Taten vom 30. März und sowie der hiesigen Taten eingeloggt gewesen sei und es in unmittelbarem Zusammenhang mit den Taten zu telefonischen Kontakten mit anderen Personen – darunter seinen Mittätern – gekommen sei. Die Inhalte der Telefonate seien zwar wie die einzelnen Anschlussinhaber nicht bekannt, doch zeichne bereits die Tatsache des Aufenthalts untereinander in Kontakt stehender Personen vor Ort das Bild einer Bande, deren Mitglieder in unterschiedlichen Konstellationen an verschiedenen Taten mitgewirkt hätten, wobei bisher lediglich K.   und E.    als Bandenmitglieder hätten identifiziert werden können. Gegen eine Alleintäterschaft spreche auch das offenkundig arbeitsteilige Vorgehen mehrerer Personen vor Ort in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe. Das Landgericht hat weiter in den Blick genommen, dass der Angeklagte im Verdacht stehe, zusammen mit E.    und weiteren Mittätern in den Niederlanden gleichgelagerte Straftaten begangen zu haben. Außerdem kenne der Angeklagte nicht nur E.   , sondern auch – wie sich unter anderem aus der Auswertung des Handys des Angeklagten ergebe – den gesondert verfolgten K.   . Aus der Auswertung des Mobiltelefons gehe ferner hervor, dass dort eine Vielzahl von Fotos gefunden worden seien, auf denen hochwertige Markenuhren abgebildet seien. Ein deutliches Indiz für die Beteiligung des Angeklagten sei zudem, dass in seiner Wohnunterkunft auffälliges Diebeswerkzeug und Tatbeute („diverser Goldschmuck“) aufgefunden worden seien. Daraus ergebe sich, dass der Angeklagte entsprechend der Bandenabrede jedenfalls auch für das Veräußern der Uhren zuständig gewesen sein dürfte. Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei auch, dass es in den Jahren 2020/21 zu einer erhöhten Zunahme von Raubüberfällen zum Nachteil älterer Menschen gekommen sei, bei denen es bis auf einen Fall Rolex-Uhren geraubt worden seien. Bei identischem Modus Operandi sei zwischen 13 Fällen in A.   und einem Fall in K.   ein Zusammenhang hergestellt worden. K.   und E.    seien am Tatort vom ermittelt worden; auch hätten beide eine Tat in K.   gemeinsam verübt. Beide seien auch wegen Raubes von Rolex-Uhren in den Niederlanden und Belgien inhaftiert gewesen. Nach Festnahme des Angeklagten und der gesondert verfolgten K.   und E.    sei die Raubserie abgerissen.

7c) Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Vorliegen einer Bande zum Zeitpunkt der hier abgeurteilten Taten erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Sie weist Lücken auf, weil sie sich mit wesentlichen gegen eine Bande sprechenden Umständen nicht auseinandersetzt.

8Nicht in seine Erwägungen einbezogen hat das Landgericht zum einen den Umstand, dass E.    zum Zeitpunkt der hier abgeurteilten Tat vom bereits seit sechs Wochen in Belgien in Untersuchungshaft saß. Es erscheint zwar nicht völlig ausgeschlossen, dass er aus der Haft heraus (weiter) an der Planung der Taten beteiligt gewesen ist; die Tatsache seiner Inhaftierung hätte aber jedenfalls Anlass für das Landgericht sein müssen, sich mit der Frage zu befassen, ob er unter dieser äußeren Bedingung (noch) Mitglied einer Gruppierung zur Begehung von Raubstraftaten gewesen sein kann. Ebenso wenig erörtert hat die Strafkammer in diesem Zusammenhang zudem, dass mit der Inhaftierung der gesondert verfolgten K.   und E.    sowie des Angeklagten die Raubserie „abgerissen“ ist, andere also die Tatserie nicht fortgesetzt haben. Dies könnte ein Hinweis dafür sein, dass lediglich diese drei inhaftierten Personen und – entgegen der Annahme einer Bandenzugehörigkeit weiterer unbekannter Personen – nicht auch weitere an der Ausführung der Taten Beteiligte den Entschluss gefasst hatten, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige „Raubstraftaten“ zu begehen. Ansonsten wäre es – wie nach der Inhaftierung E.      – womöglich zu erwarten gewesen, dass die verbliebenen Bandenmitglieder der Bandenabrede entsprechend weiter Straftaten begehen. Dass an der Tat Beteiligte in jedem Fall auch – wie wohl die Strafkammer annimmt – Mitglieder der Bande sind, erschließt sich im Übrigen anhand der Urteilsfeststellungen nicht und hätte näherer Darlegung bedurft. Der Hinweis des Landgerichts, es habe ein „Zusammenhang zwischen 13 Taten in A.   und einer Tat in K.   hergestellt“ werden können, genügt ohne Darlegung von Abläufen und Tatbeteiligten nicht, um dem Senat die Überprüfung dieser Annahme zu ermöglichen.

9Der Mangel in der Beweiswürdigung führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung im Fall 1 der Urteilsgründe sowie wegen schweren Bandendiebstahls im Fall 2 der Urteilsgründe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei vollständiger Würdigung das Vorliegen einer Bande verneint und damit zu einem für den Angeklagten günstigeren Schuldspruch gelangt wäre.

103. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafaussprüche sowie des Gesamtstrafenausspruchs. Der Strafausspruch im Fall 3 der Urteilsgründe bedarf der Aufhebung, soweit die Festsetzung der Tagessatzhöhe unterblieben ist. Die Festsetzung der Tagessatzhöhe ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Geldstrafe – wie hier – in eine Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wird. Im Übrigen weist der Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

114. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit diese „diversen Goldschmuck (Ringe, Uhren, Ketten) aus der Asservatenliste Ass. Nr. 1“ betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung sind die einzuziehenden Gegenstände in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; eine bloße Bezugnahme auf ein Asservatenverzeichnis ist nicht ausreichend (vgl. etwa ). Mangels weiterer Angaben in den Urteilsgründen zur Konkretisierung der einzuziehenden Gegenstände kann der Senat die Ergänzung der Urteilsformel nicht selbst nachholen. Dies führt zur Aufhebung der insoweit getroffenen Einziehungsanordnung und Zurückverweisung an das Landgericht, das erneut über die Einziehung zu entscheiden hat. Dabei stünde einer Einziehung nicht die mögliche Überzeugung des Landgerichts entgegen, dass es sich um Diebes- oder Raubgut handelt, an dem der Angeklagte kein Eigentum erwerben konnte. Es handelt sich gleichwohl um „Gegenstände des Täters“ im Sinne von § 73a Abs. 1 StGB, ausreichend ist insoweit die faktische Verfügungsgewalt des Täters (vgl. Matt/Renzikowski/Altenhain/Fleckenstein, StGB, 2. Aufl., § 73a, Rn. 4). Die Rechtsinhaberschaft des Einziehungsadressaten ist keine Voraussetzung für die Einziehungsanordnung, bei fremden Sachen greift § 75 Abs. 1 Satz 2 StGB (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Schuster, 30. Aufl., § 73a, Rn. 9). Die Entscheidung des 1. Strafsenats vom (1 StR 503/18, NStZ 2019, 141) steht nicht entgegen, diese betrifft bei möglicher Aufbewahrung des einzuziehenden Gegenstands eine andere Fallkonstellation.

12Der Senat stellt weiter die Urteilsformel dahingehend klar, dass in Höhe von 14.000 Euro die Einziehung des Werts von Taterträgen angeordnet ist. Im Übrigen weist die Einziehungsanordnung keinen Rechtsfehler auf.

135. An einer Entscheidung im Beschlussweg ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass der Generalbundesanwalt einen weitergehenden Antrag auf Entfallen der Einziehungsanordnung hinsichtlich des „diversen Goldschmucks (Ringe, Uhren, Ketten) aus der Asservatenliste Ass. Nr. 1“gestellt hat. Denn der Senat hat die Revision des Angeklagten zu diesem Teil der Einziehungsentscheidung nach § 349 Abs. 4 StPO einstimmig für begründet erachtet, so dass kein Fall des § 349 Abs. 5 StPO gegeben ist. Ob das Revisionsgericht anschließend eine Entscheidung nach § 354 Abs. 2 StPO oder (entsprechend) § 354 Abs. 1 StPO trifft, ist hierfür unbeachtlich (vgl. , NJW 2022, 339, 340 f.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:300323B2STR358.22.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-46037