NWB Nr. 32 vom Seite 2201

§ 35a EStG in voller Blüte

Dr. Lukas Hilbert | Diplom-Kaufmann, M.I.Tax, Bonn | Herausgeber des Steuer-Stichwort-Kommentars Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer | www.lhilbert.de

BFH zur Inanspruchnahme der Steuerermäßigung durch Mieter

Mit der Möglichkeit, die tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um Teile der Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse sowie Dienst- und Handwerkerleistungen zu vermindern, werden die meisten Steuerpflichtigen schon in Berührung gekommen sein. Aufgrund des breiten Anwendungsbereichs ist die nun seit gut zwei Jahrzehnten bestehende Regelung in § 35a EStG wohl eine der meistgenutzten Steuerermäßigungen.

Selbst wenn es sich aus der Norm nicht direkt herauslesen lässt, ist die Berücksichtigung der von Mietern oder Mitgliedern einer Hauseigentümergemeinschaft (meist anteilig) getragenen diesbezüglichen Aufwendungen bereits seit vielen Jahren gerade auch von der Finanzverwaltung gelebte Praxis. Fast verwundert es deshalb zunächst ein wenig, dass es überhaupt zum BFH-Verfahren VI R 24/20 kam. Blickt man jedoch in die erstinstanzliche Entscheidung, zeigt sich deutlich, dass das Finanzamt vor allem die Nachweisführung zu den Aufwendungen als unzureichend ansah. So bekam – nach Abweisung der Klage durch das Finanzgericht – der BFH die Möglichkeit, zu den entsprechenden Rechtsfragen Stellung zu beziehen. Nach dem umfassenden ist es bei Mietern – da sie die Verträge mit den Leistungserbringern regelmäßig nicht selbst abschließen – für die Gewährung der Steuerermäßigung ausreichend, dass ihnen die haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen zugutegekommen sind. In Abs. 5 Satz 3 der Vorschrift wird gefordert, „dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.“ Als Nachweis genügt dabei auch eine Wohnnebenkostenabrechnung oder eine Bescheinigung, die dem von der Finanzverwaltung anerkannten Muster entspricht, wenn sich daraus Art, Inhalt und Zeitpunkt der Leistung sowie Erbringer und Empfänger nebst geschuldetem Entgelt einschließlich des Hinweises der unbaren Zahlung ergeben. Bei Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Ersatzunterlagen darf die Ermäßigung nicht ohne Weiteres versagt werden, sondern der Steuerpflichtige muss aufgefordert werden, sich weitere Unterlagen (z. B. Rechnungskopien) zu verschaffen und diese beizubringen. Ferner kommen noch Vorlageverlangen der Finanzbehörde oder des Gerichts beispielsweise gegenüber Vermieter oder Verwalter sowie gar deren Vernehmung als Zeugen in Betracht.

Im Ergebnis stärkt der BFH die Möglichkeiten für Mieter, die Steuerermäßigung in Anspruch nehmen zu können. Innerhalb des gegebenen Rahmens ist dies zu begrüßen. Noch deutlicher wird damit indes die Subvention selbst wieder in den Fokus gerückt. Ob etwa das Ziel, Schwarzarbeit zu bekämpfen (vgl. BT-Drucks. 15/91 S. 19 und 16/6739 S. 14), mit einer systematisch fragwürdigen Steuervergünstigung erkauft werden muss, lässt sich durchaus bezweifeln. Im EStG ist § 35a ein Fremdkörper. Die Ermäßigung zieht privat veranlasste Aufwendungen in die steuerliche Sphäre und „hat unvertretbar hohe Mitnahmeeffekte“ (Bundesrechnungshof in BT-Drucks. 17/4641). Gerade solch „liebgewonnene Errungenschaften“ erweisen sich aber oftmals als überaus beständig.

Lukas Hilbert

Fundstelle(n):
NWB 2023 Seite 2201
VAAAJ-45713