Steuerbefreiung nach Artikel X Absatz 1 NATO-Truppenstatut - Neue Rechtsauslegung
Artikel X Absatz 1 NATO-Truppenstatut [1] lautet wie folgt:
„1Hängt in dem Aufnahmestaat die Verpflichtung zur Leistung einer Steuer vom Aufenthalt oder Wohnsitz ab, so gelten die Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges nur in dieser Eigenschaft im Hoheitsgebiet dieses Staates aufhält, im Sinne dieser Steuerpflicht nicht als Zeiten des Aufenthalts in diesem Gebiet oder als Änderung des Aufenthaltsortes oder Wohnsitzes. 2Die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges sind in dem Aufnahmestaat von jeder Steuer auf Bezüge und Einkünfte befreit, die ihnen in ihrer Eigenschaft als derartige Mitglieder von dem Entsendestaat gezahlt werden, sowie von jeder Steuer auf die ihnen gehörenden beweglichen Sachen, die sich nur deshalb in dem Aufnahmestaat befinden, weil sich das Mitglied vorübergehend dort aufhält.“
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs [2] für die Anwendung von Artikel X Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 NATO-Truppenstatut für die Besteuerung von
Mitgliedern einer Truppe gemäß Artikel I Absatz 1 Buchst. (a) NATO-Truppenstatut,
Mitgliedern eines zivilen Gefolges gemäß Artikel I Absatz 1 Buchst. (b) NATO-Truppenstatut,
Fachkräften i. S. v. Artikel 71 Absatz 5, Artikel 72 Absatz 5 und Artikel 73 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut [3], die wie Mitglieder eines zivilen Gefolges i. S. v. Artikel I Absatz 1 Buchst. (b) NATO-Truppenstatut zu behandeln sind,
die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, Folgendes:
Allein für die Anwendung von Artikel X Absatz 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut ist von Bedeutung, dass sich die vorgenannten Personengruppen nur in ihrer Eigenschaft als Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Hat daher eine der vorgenannten Gruppen zugehörige Person im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) und sind die Voraussetzungen des Artikels X Absatz 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut erfüllt, unterliegt diese mit etwaigen inländischen Einkünften lediglich der beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Absatz 4 i. V. m. § 49 Einkommensteuergesetz (EStG). Sind die Voraussetzungen des Artikels X Absatz 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut nicht erfüllt, unterliegt die betreffende Person in der Bundesrepublik Deutschland mit ihren inländischen und ausländischen Einkünften der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Absatz 1 EStG.
Artikel X Absatz 1 Satz 2 NATO-Truppenstatut ist unabhängig davon anwendbar, ob die Voraussetzungen des Artikels X Absatz 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut vorliegen. Dies ergibt sich daraus, dass mit „derartige Mitglieder“ i. S. v. Satz 2 des Artikels X Absatz 1 NATO-Truppenstatut alle im ersten Halbsatz von Satz 2 des Artikels X Absatz 1 NATO-Truppenstatut genannten Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges und Fachkräfte im Sinne der Artikel 71 Absatz 5, 72 Absatz 5 und 73 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut gemeint sind. Die Steuerfreistellung nach Satz 2 des Artikels X Absatz 1 NATO-Truppenstatut ist danach bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen auch dann zu gewähren, wenn sich die betroffene Person nicht nur in der Eigenschaft als Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges oder als Fachkraft im vorbezeichneten Sinne in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Die in Bezug auf Artikel X Absatz 1 Satz 2 NATO-Truppenstatut durch die vorgenannte BFH-Rechtsprechung geprägte Verwaltungsauffassung, die Steuerfreistellung nach Artikel X Absatz 1 Satz 2 NATO-Truppenstatut nur bei Vorliegen der Voraussetzungen von Artikel X Absatz 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut zu gewähren, wird nicht länger aufrechterhalten.
Bei den Fachkräften ist weiterhin insbesondere nach Maßgabe der Notenwechsel zu den deutsch-amerikanischen Vereinbarungen
über die Gewährung von Befreiungen und Vergünstigungen gemäß Artikel 72 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut
zur Truppenbetreuung vom (BStBl 1998 I S. 961); ergänzt durch Notenwechsel vom (BGBl 2003 II S. 437)
zur Rahmenvereinbarung analytische Dienstleistungen vom (BGBl 2001 II S. 1018); ergänzt durch Notenwechsel vom (BGBl 2003 II S. 1540) und vom (BGBl 2005 II S. 1115)
über die Auslegung und Anwendung des Artikels 73 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut
zu technischen Fachkräften vom (BStBl 1998 I S. 881)
zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Artikel 71 Absatz 5, Artikel 72 Absatz 5 oder Artikel 73 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut für die Zuweisung und die Beibehaltung des Status als Fachkraft in diesem Sinne erfüllt sind. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist für die Fachkräfte unter den in Artikel 71 Absatz 5, Artikel 72 Absatz 5 und Artikel 73 Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut benannten Voraussetzungen Artikel X Absatz 1 NATO-Truppenstatut entsprechend anwendbar.
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
BMF v. - IV B 4 - S 1311/20/10002: 009
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2023 I Seite 1565
PAAAJ-45190
1Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom (BGBl 1961 II S. 1190 ff.).
2Urteile des Bundesfinanzhofs insbesondere vom - I R 55/69 - (BStBl 1971 II S. 659) und vom - I R 69/84 - (BStBl 1989 II S. 290).
3Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom (BGBl 1961 II S. 1218) - in Kraft getreten zum - in der Fassung der Änderungsgesetze vom (BGBl 1973 II S. 1021) und vom (BGBl 1994 II S. 2594) - Artikel 72 und 73 des Zusatzabkommens gelten seit .