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Gewerbliche Abfärbung: Handlungsbedarf bei PV-Anlagen
BMF gewährt erfreuliche, aber knappe Übergangsfrist
[i]BMF, Schreiben v. 17.7.2023 - IV C 6 - S 2121/23/10001 :001 NWB PAAAJ-44782 Für eine Personengesellschaft gilt die gesetzliche Fiktion, ausschließlich gewerbliche Einkünfte zu versteuern, wenn sie auch solche erzielt (sog. Abfärbung oder Infektion). Durch die rückwirkend zum eingefügte Regelung des § 3 Nr. 72 EStG zur Steuerfreiheit von Photovoltaikanlagen (in der Folge kurz „PV-Anlagen“) konnte diese Abfärbung nach der gesetzlichen Regelung verloren gehen. Das BMF hat nun erfreulicherweise eine Vertrauensschutzregelung erlassen, die bis zum in Anspruch genommen werden kann. Der Beitrag zeigt auf, welche Gesellschaften davon betroffen sind und folglich bis zum Jahresende handeln sollten bzw. müssen.
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I. Gesetzliche Lage
1. Regelung im Gesetz zur Abfärbung
Als Abfärbung bzw. Infizierung wird die steuerliche Folge aus der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG bezeichnet:
[i]Abfärbung = ausschließlich gewerbliche Einkünfte soweit solche zum Teil gegeben sindAls Gewerbebetrieb gilt in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit
einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 ausübt oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 bezieht. 2Dies gilt unabhängig davon, ob aus der Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 ein Gewinn oder Verlust erzielt wird oder ob die gewerblichen Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 positiv oder negativ sind;
Eine Personengesellschaft, die auch eine originär gewerbliche Tätigkeit ausführt (1. Alternative – Einkünfte i. S. von S. 690§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder an einer gewerblichen Mitunternehmerschaft beteiligt ist (2. Alternative – Einkünfte i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), erzielt also – unabhängig von ihren weiteren Einkunftsquellen – ausschließlich gewerbliche Einkünfte.
Das heißt, nur eine Personengesellschaft, die keine gewerblichen Einkünfte hat, kann Überschusseinkünfte erzielen.
[i]Folge: GewSt-Pflicht und BetriebsvermögenDie Folgen sind neben der Gewerbesteuerpflicht einer gewerblichen Personengesellschaft deshalb gewichtig, weil im Fall der gewerblichen Abfärbung bei der (dann als Mitunternehmerschaft bezeichneten) Gesellschaft ausschließlich Betriebsvermögen vorliegt. Dagegen verfügt die Überschusseinkünfte erzielende Gesellschaft ausschließlich über steuerliches Privatvermögen.
2. Keine Abfärbung bei geringfügigen Umsätzen
Der BFH hat die gewerbliche Abfärbung bei geringfügigen Umsätzen wie folgt eingeschränkt:
Eine gewerbliche Tätigkeit liegt nicht vor, wenn die originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse
[i]3 % der Umsätze und 24.500 € als Grenzen für Gewerblichkeit3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und
den Betrag von 24.500 €
im Veranlagungszeitraum als Obergrenze nicht übersteigen.
Auf zwei Dinge ist dabei hinzuweisen: Es wurde in der Rechtsprechung des BFH das Wort „und“ verwendet. Das heißt, um die Gewerblichkeit zu vermeiden, müssen beide Grenzen eingehalten werden. Wird nur eine Grenze eingehalten, liegen keine geringfügigen Umsätze vor und die Tätigkeit gilt als gewerblich. Die Urteile wurden im BStBl II veröffentlich und sind daher für die Finanzverwaltung zwingend zu beachten (anzuwenden).
3. Steuerfreie PV-Anlagen
Mit Wirkung für Einnahmen und Entnahmen, die nach dem erzielt oder getätigt werden (§ 52 Abs. 4 Satz 27 EStG), wurde rückwirkend durch das Jahressteuergesetz 2022 die Steuerbefreiung für bestimmte PV-Anlagen geregelt:
[i]Größenabhängige rückwirkende Steuerbefreiung für PV-Anlagen§ 3 EStG
Steuerfrei sind
...
72. die Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb
von auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 30 kW (peak) und
von auf, an oder in sonstigen Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit,
insgesamt höchstens 100 kW (peak) pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft. 2Werden Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erzielt und sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen insgesamt steuerfrei nach Satz 1, ist S. 691kein Gewinn zu ermitteln. 3In den Fällen des Satzes 2 ist § 15 Abs. 3 Nr. 1 nicht anzuwenden.
[i]Zulässige RückwirkungDie Rückwirkung sollte als zulässig einzustufen sein, da sie noch vor dem Ablauf des Veranlagungszeitraums 2022 erfolgt ist. Dennoch bleibt die Problematik, dass den betroffenen Steuerpflichtigen keine Zeit für eine Reaktion verblieben ist. Die Vertrauensschutzregelung (Abschnitt III.) ist vermutlich dieser Überlegung geschuldet.