BGH Beschluss v. - XII ZB 304/21

Berufungsverfahren: Wahrung der Berufungsbegründungsfrist durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments

Gesetze: § 130a Abs 5 S 1 ZPO, § 520 Abs 2 S 1 ZPO, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG

Instanzenzug: LG Stade Az: 10 S 19/21vorgehend AG Zeven Az: 3 C 251/20

Gründe

I.

1Der Beklagte wendet sich dagegen, dass das Landgericht seine Berufung in einem Räumungsprozess wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verworfen hat.

2Das Amtsgericht hat den Beklagten unter anderem zur Räumung und Herausgabe einer von ihm gepachteten Scheune verurteilt. Gegen dieses ihm am zugestellte Urteil hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt, die er mit einem auf den datierten Schriftsatz, der ausweislich des darauf bezogenen Prüfvermerks am über das besondere elektronische Anwaltspostfach bei dem Landgericht eingegangen ist, begründet. Dieses hat die Berufung des Beklagten mit der Begründung verworfen, sie sei „nicht binnen der Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils (...) begründet worden und damit nicht in zulässiger Weise eingelegt worden“. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

41. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), welches es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 51/21 - FamRZ 2021, 1556 Rn. 4 mwN).

5Der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte bereits vorsorglich eine nach § 321a Abs. 1 Ziff. 1 ZPO unzulässige Anhörungsrüge gegen den hier angegriffenen Beschluss erhoben hat. Das Verfahren nach § 321a ZPO ist deshalb nicht eröffnet, weil gegen den Beschluss, durch den das Landgericht die Berufung des Beklagten verworfen hat, die Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO statthaft ist, die der unterlegenen Partei ausreichenden Rechtsschutz gewährt. Damit ist der Anspruch des Berufungsführers auf rechtliches Gehör, dessen Rechtsmittel aus formellen Gründen ohne sachliche Prüfung als unzulässig verworfen wird, durch die Rechtsmittelbestimmungen der Zivilprozessordnung in einer rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechenden Weise gewährleistet ( - NJW 2004, 1598 Rn. 14 ff. mwN).

62. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

7Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten mangels rechtzeitiger Begründung als unzulässig verworfen, obwohl die Berufungsbegründung innerhalb der nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bis zum laufenden Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen war. Der Beklagte hatte den Begründungsschriftsatz als elektronisches Dokument über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Berufungsgericht übermittelt. Dort ist es ausweislich des Prüfvermerks am und damit innerhalb der noch laufenden zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist eingegangen, was von der Vorsitzenden der Beschwerdekammer des Landgerichts nach Erlass des angegriffenen Beschlusses auch bestätigt worden ist. Der Beklagte hat damit die Frist zur Begründung seiner Berufung gewahrt (vgl. § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO). Dass das elektronische Dokument nicht zur Verfahrensakte gelangt ist, beruhte auf einem gerichtsinternen Versäumnis. Deshalb durften sich für den Beklagten hieraus keine Verfahrensnachteile ergeben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:020222BXIIZB304.21.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-44504