BGH Urteil v. - X ZR 50/21

Instanzenzug: Az: 7 Ni 30/19 (EP) Urteil

Tatbestand

1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 161 607 (Streitpatents), welches am unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom angemeldet wurde und eine Kamera betrifft. Das Streitpatent ist durch Teilung aus einer europäischen Patentanmeldung hervorgegangen, auf die das in einem Parallelverfahren (X ZR 49/21) angegriffene europäische Patent 1 780 575 erteilt wurde.

2Patentanspruch 1, auf den vier weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

Dentalkamera (5) mit einem Gehäuse (6), mit einem darin angeordneten, ein Objekt auf einem Bildabnehmer (7) abbildenden Objektiv (40, 41, 42), mit einer dessen Fokussierung elektrisch ändernden Fokussiereinrichtung und mit einer Steuerung für diese, wobei das Objektiv (40, 41, 42) ein zwischen dem Objekt und dem Bildabnehmer (7) liegendes reelles Zwischenbild erzeugendes Teilobjektiv (40) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Fokussiereinrichtung ein mittels einer elektrischen Spannung in seinen Abbildungseigenschaften veränderbares elektrooptisches Bauelement (8) aufweist, welches als variable Flüssiglinse (8) ausgebildet ist, wobei die variable Flüssiglinse (8) im Bereich unmittelbarer Nähe einer Aperturblende (10) oder im Bereich unmittelbarer Nähe eines Bildes einer Aperturblende (10) angeordnet ist.

3Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und ergänzend mit elf Hilfsanträgen verteidigt.

4Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Klägerin tritt der Berufung entgegen.

Gründe

5Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

6I. Die Erfindung betrifft eine Dentalkamera.

71. In der Streitpatentschrift wird erläutert, eine bekannte Kamera dieser Art weise einen Elektromotor auf. Dieser werde von einer am Gehäuse als Handhabe ausgebildeten Steuerung gesteuert. Seine Achse sei mit einer Verstellspindel versehen, die in einem Stellglied geführt werde. An dem Stellglied werde der Bildabnehmer festgelegt, der durch Drehung der Achse des Elektromotors verstellt werden könne. Damit könne die Brennweite des Objektivs oder dessen Relativlage zu dem Bildabnehmer geändert werden (Abs. 2).

8Von Nachteil sei bei dieser Kamera, dass im Inneren des Gehäuses für Motor, Stellglied und Verstellspindel zusätzlicher Bauraum notwendig sei. Dies verhindere eine Kleinbauweise und beeinträchtige Design und Ergonomie (Abs. 3).

92. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine kompaktere Bauweise der Kamera zu erreichen.

103. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Kamera vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1. Dentalkamera (5) mit

2. einem Gehäuse (6)

3. mit einem darin angeordneten, ein Objekt auf einen Bildabnehmer (7) abbildenden Objektiv (40, 41, 42)

4. mit einer dessen Fokussierung elektrisch ändernden Fokussiereinrichtung

5. und mit einer Steuerung für diese.

6. Das Objektiv (40, 41, 42) weist ein zwischen dem Objekt und dem Bildabnehmer (7) liegendes Teilobjektiv auf.

7. Das Teilobjektiv erzeugt ein reelles Zwischenbild.

8. Die Fokussiereinrichtung weist ein mittels einer elektrischen Spannung in seinen Abbildungseigenschaften veränderbares elektrooptisches Bauelement auf.

9. Das elektrooptische Bauelement ist als variable Flüssiglinse (8) ausgebildet.

10. Die variable Flüssiglinse (8) ist

a) im Bereich unmittelbarer Nähe einer Aperturblende (10) oder

b) im Bereich unmittelbarer Nähe eines Bildes einer Aperturblende (10) angeordnet.

114. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.

12a) Zutreffend hat das Patentgericht angenommen, dass eine Dentalkamera nach Merkmal 1 objektiv für diesen Einsatzzweck geeignet sein muss.

13aa) Dies setzt eine räumlich-körperliche Ausgestaltung der Kamera voraus, die intraorale Bildaufnahmen ermöglicht.

14Die Kamera muss danach so klein sein, dass sie in die Mundhöhle einführbar ist. Darauf, ob die Kamera tatsächlich als Dentalkamera verwendet wird oder dazu bestimmt ist, kommt es nicht an (vgl. zu dieser Unterscheidung , GRUR 2012, 475 Rn. 17 mwN - Elektronenstrahltherapiesystem; Urteil vom - X ZR 50/16, GRUR 2018, 1128 Rn. 12 - Gurtstraffer; Urteil vom - X ZR 4/20, GRUR 2022, 982 Rn. 51 - SRS-Zuordnung).

15bb) Entgegen der Auffassung der Berufung muss eine Dentalkamera im Sinne von Merkmal 1 hingegen nicht zwingend für einen Einsatz außerhalb des Körpers geeignet sein.

16Die Streitpatentschrift enthält keine Konkretisierung des Einsatzzwecks der Dentalkamera. Ihr lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass extraorale Aufnahmen zwingend möglich sein müssen. Auch im Stand der Technik lassen sich solche Hinweise nicht finden.

17In der deutschen Gebrauchsmusterschrift 298 24 899 (NK3) wird vielmehr ausgeführt, Dentalkameras würden insbesondere als sogenannte Intraoralkameras benutzt (NK3). Daneben wird zwar auch die Verwendung für Extraoralaufnahmen angeführt. Die Eignung für diesen Einsatzzweck muss aber nicht zwingend vorhanden sein. NK3 lässt es vielmehr genügen, wenn von insgesamt sechs Einsatzarten (Intraoralaufnahmen, Extraoralaufnahmen, Röntgenaufnahmen, Mikroskopadaption, diagnostische Funktionen, Wurzelkanalaufnahmen) mindestens zwei zur Verfügung stehen (S. 7 Abs. 2; Anspruch 19).

18cc) Vor diesem Hintergrund kann aus Merkmal 1 auch nicht abgeleitet werden, dass eine Dentalkamera zwingend in der Lage sein muss, aus jedem beliebigen Abstand scharfe Bilder zu erstellen.

19(1) Bei Kameras, die allein für den intraoralen Einsatz ausgelegt sind, ist der Abstand zwischen Objektiv und Bild durch die Abmessungen der Mundhöhle beschränkt. Selbst wenn maximale Flexibilität erforderlich wäre, reichte es mithin aus, wenn die Kamera innerhalb dieses Bereichs fokussieren kann und auch ansonsten für den Einsatz in der Mundhöhle geeignet ist.

20(2) Weitergehende Anforderungen ergeben sich auch nicht aus Merkmal 4, wonach die Fokussiereinrichtung die Fokussierung elektrisch ändert.

21Dieses Merkmal gibt ebenso wie die Merkmale 8 und 9 lediglich das Mittel vor, mit dem die Fokussierung geändert wird, nämlich eine elektrische Spannung. Eine stufenlose Verstellmöglichkeit der Fokussiereinrichtung ist in Merkmal 4 demgegenüber weder ausdrücklich noch konkludent vorgesehen.

22Die Beschreibung stellt als Vorteil gegenüber dem Stand der Technik lediglich heraus, dass die Abbildungseigenschaften in Form der Fokussierung auf verschiedene Objektabstände geändert werden können (Abs. 6). Ob diese Fokussierung stufenlos oder nur mit einzelnen vorgegebenen Stufen möglich ist, bleibt danach der Ausgestaltung im Einzelfall überlassen.

23b) Flüssiglinsen im Sinne von Merkmal 9 sind Linsen, die Flüssigkeiten enthalten und deren Abbildungseigenschaften (etwa Brennweite oder Fokussierung) durch Einwirkung einer elektrischen Spannung beeinflusst werden können.

24aa) Nach der Beschreibung des Streitpatents wird zur Erreichung des mit der Erfindung angestrebten Ziels ein elektrooptisches Bauelement, vorzugsweise eine variable Flüssiglinse eingesetzt, deren Abbildungseigenschaften durch elektrische Spannung geändert werden können, ohne dass Teile des Objektivs bewegt oder die Relativlage zu dem Bildabnehmer geändert werden müssen (Abs. 6). Damit seien weder ein Elektromotor noch eine Drehspindel oder ein Stellglied erforderlich, so dass nur wenig Bauraum benötigt werde. Außerdem erfolge die Verstellung praktisch leistungslos, also ohne die elektrische Verlustleistung eines Elektromotors (Abs. 7).

25bb) Diese Funktionen sind für die Auslegung der Begriffe des elektrooptischen Bauelements im Sinne von Merkmal 8 und der Flüssiglinse im Sinne von Merkmal 9 maßgebend.

26(1) Das Streitpatent hebt die im Patentanspruch als zwingendes Merkmal vorgesehene Flüssiglinse zwar nur als besonders bevorzugte Ausführungsform eines elektrooptischen Bauelements hervor. Dennoch steht nicht eine besondere Bauweise im Mittelpunkt, sondern die oben genannten Eigenschaften, mit denen das Ziel eines geringen Bauraums erreicht werden soll.

27(2) Im Einklang damit sieht Merkmal 8 ein elektrooptisches Bauelement vor, das mittels einer elektrischen Spannung in seinen Abbildungseigenschaften verändert werden kann.

28Diese Anforderung ist erfüllt, wenn die elektrische Spannung in der Linse selbst in Bewegungsenergie umgesetzt wird, ohne dass hierzu ein Motor oder ähnliche externe Bauteile eingesetzt werden, mit denen eine durch elektrische Spannung vermittelte Bewegungsenergie auf die Linse als Ganzes übertragen, die Linse also insgesamt in Bewegung gesetzt wird.

29bb) Aus der in Merkmal 9 getroffenen Festlegung, dass als elektrooptisches Bauelement eine variable Flüssiglinse zum Einsatz kommen muss, ergibt sich als weitere Anforderung, dass die Änderung der optischen Eigenschaften mit Hilfe einer Flüssigkeit erfolgen muss, die durch die elektrische Spannung beeinflusst wird - etwa dadurch, dass sie ihre Position oder Ausrichtung verändert.

30Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt den bereits erwähnten Ausführungen, wonach die Änderung der optischen Eigenschaften erfolgen muss, ohne dass Teile des Objektivs bewegt werden, in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

31Mit dieser Vorgabe sind nur solche Bewegungen ausgeschlossen, für die ein Motor, eine Drehspindel, ein Stellglied oder sonstige Bauteile benötigt werden, die eine durch elektrische Spannung hervorgerufene Bewegung auf die Linse übertragen und zusätzlich zur Linse weiteren Bauraum benötigen. Nicht ausgeschlossen sind Bewegungen, die durch die Einwirkung der Spannung auf die Linse hervorgerufen werden und keine wesentlichen Auswirkungen auf den benötigten Bauraum haben, weil weder die Position der Linse und noch ihre äußeren Abmessungen sich in relevantem Umfang verändern. Solche Bewegungen finden auch bei einer Änderung der Linsenkrümmung statt.

32Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Auffassung des Patentgerichts ohne Bedeutung, dass das Streitpatent eine Irisblende vorschlägt, welche bewegliche Lamellen mit einem Elektromotor aufweist (Patentanspruch 2, Abs. 12, Abs. 13). Merkmal 8 beschränkt lediglich das Mittel zur Veränderung der Abbildungseigenschaften des elektrooptischen Bauelements und damit der Flüssiglinse auf die elektrische Spannung. Es enthält hingegen keine Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung der Blende und sonstiger Bauteile, die auf die Abbildungseigenschaften der Flüssiglinse keinen Einfluss nehmen.

33cc) Die Frage, ob als Flüssigkeit im oben aufgezeigten Sinne auch Flüssigkristalle zu verstehen sind, ist, wie auch die Parteien nicht verkennen, für die Entscheidung über den Rechtsbestand nicht erheblich.

34c) Hinsichtlich der in Merkmal 5 vorgesehenen Steuerung für die Fokussiereinrichtung schreibt Patentanspruch 1 nicht zwingend vor, ob diese außerhalb oder innerhalb des Gehäuses angeordnet ist.

35d) Gemäß Merkmal 10 ist die variable Flüssiglinse (8) im Bereich unmittelbarer Nähe einer Aperturblende (10) oder im Bereich unmittelbarer Nähe eines Bildes einer Aperturblende (10) angeordnet.

36aa) Eine Aperturblende ist eine Blende, die den Lichtdurchlass in dem Objektiv durch Veränderung der Öffnungsweite ("Apertur") beeinflussen kann.

37Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift ist es vorteilhaft, wenn die variable Flüssiglinse im Bereich unmittelbarer Nähe einer Aperturblende angeordnet ist, weil dann eine besonders kleine Bauform der Kamera erzielt werden kann (Abs. 8).

38bb) Entgegen der Auffassung der Berufung schließt Merkmal 10 nicht aus, dass zwischen der Flüssiglinse und der Aperturblende weitere Bauteile vorhanden sind.

39Gegen eine solche Ausgestaltung könnte zwar der Begriff "unmittelbare Nähe" sprechen. Merkmal 10 schränkt den möglichen Standort der variablen Flüssiglinse aber nicht darauf ein, sondern lässt es ausreichen, dass diese im Bereich unmittelbarer Nähe der Aperturblende angeordnet ist. Dies lässt erkennen, dass der genannte Bereich auch zur Anordnung weiterer Bauteile genutzt werden kann.

40II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

41Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei durch die japanische Offenlegungsschrift 2000-152063 (NK12, deutsche Übersetzung NK12a) vorweggenommen. Dass bei der dort offenbarten Vorrichtung die elektrisch änderbare Fokussierung periodisch verändert werde, stehe der Offenbarung von Merkmal 4 nicht entgegen. Darüber hinaus zeige NK12 auch eine dauerhafte elektrische Fokussierung auf bestimmte Punkte. Entgegen der Auffassung der Beklagten offenbare NK12 auch ein elektrooptisches Bauelement. Das mechanische Verformen einer Linse durch elektrische Aktoren sei durch das Streitpatent nicht per se ausgeschlossen. Gemessen am Bewegungsumfang von Flüssiglinsen mit Elektrobenetzung, die das Streitpatent als unschädlich ansehe, sei die noch geringfügigere Bewegung der in NK12 vorgesehenen Antriebswellen (202f') als unschädlich zu betrachten. Auch der von den Aktoren benötigte Bauraum sei vergleichbar mit den Fassungen von Flüssiglinsen mit Elektrobenetzung. Ferner wiesen piezoelektrische Aktoren grundsätzlich eine erheblich geringere elektrische Verlustleistung als Elektromotoren auf, genauso wie das Streitpatent dies von einem elektrooptischen Bauelement fordere. Soweit die in NK12 in den Figuren 7 bis 9 gezeigten optischen Bauteile (G1, G2, G3) des Objektivs als Ganzes längs der optischen Achse bewegt würden, sei dies nur ein Beispiel. Bei dem als Alternative genannten Tripletobjektiv seien die Linsen infolge der Festbrennweite unbeweglich.

42Der Offenbarung der unmittelbaren Nähe von Aperturblende und variabler Flüssiglinse (Merkmal 10) stehe nicht die Größe der Aktoren (202f) entgegen. Die Anweisung in NK12, das Varioobjektiv nahe an der Helligkeitsblende (Aperturblende) vorzusehen, enthalte keine Vorgabe, auf welcher Seite des Varioobjektivs die Blende anzuordnen sei. Damit sei die Flüssiglinse zumindest dann in unmittelbarer Nähe zur Aperturblende angeordnet, wenn man als Maßstab die Figur des Streitpatents heranziehe, welche die Aperturblende (10) mit einem deutlichen Abstand zum Baukörper der variablen Flüssiglinse zeige.

43Selbst wenn das in NK12 offenbarte Varioobjektiv (202) nicht als elektrooptisches Bauelement im Sinne von Merkmal 6 anzusehen wäre, sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 ausgehend von NK12 jedenfalls durch die US-amerikanische Offenlegungsschrift 2004/0228003 (NK16) nahegelegt. NK16 zeige eine Flüssiglinse mit Elektrobenetzung, deren Fokus durch Anlegen einer elektrischen Spannung variabel einstellbar sei. Diese Flüssiglinse gleiche in ihrer optischen Wirkung, elektrischen Ansteuerbarkeit und Außenkontur dem Varioobjektiv (202) der NK12. Sie sei als bauliche Einheit in derselben Weise zur optischen Achse ausgerichtet wie dieses und folglich ohne Hindernis in dessen Strahlengang integrierbar. Von einem solchen Austausch habe sich der Fachmann, ein Diplom-Physiker mit Spezialisierung auf dem Gebiet der Optik oder ein Hochschulingenieur mit einer Spezialisierung auf dem Gebiet der technischen Optik mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung optischer Systeme zur medizinischen Handhabung, eine kostengünstigere Flüssiglinse aus Massenproduktion erhoffen können, da NK16 auf den Einsatz in Mobiltelefonen abziele. Gegen eine solche Ersetzung spreche entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass in NK12 eine periodische Änderung des Fokus und eine damit verbundene erhöhte Vignettierung erforderlich sei. NK12 beschränke sich nicht auf einen periodischen Fokuswechsel. Außerdem sei eine variable Flüssiglinse mit Elektrobenetzung nach NK16 für einen solchen Betrieb grundsätzlich einsetzbar. Ferner gebe NK4 für Flüssiglinsen mit Elektrobenetzung hohe Schaltgeschwindigkeiten an, weshalb der Fachmann diese für einen periodischen Betrieb ebenfalls in Betracht gezogen hätte. Darüber hinaus werde der Fachmann die optischen Bauteile immer im Hinblick auf eine gegebenenfalls vorgegebene Grenze der Vignettierung dimensionieren. Im Übrigen enthalte das Streitpatent keine Angaben zur Vignettierung und folglich auch keine Grenzen für diese.

44Ebenso wie NK16 in Figur 3 die Aperturblende (4) unmittelbar neben der variablen Flüssiglinse (5) zeige, sei in NK12 vorgesehen, die dort offenbarte Flüssiglinse (202a/b/e/f) nahe an der Helligkeitsblende vorzusehen.

45Hilfsantrag 1 habe keinen Erfolg. Bei diesem werde Merkmal 10 näher bestimmt durch die Anweisung in der ersten Alternative, dass die variable Flüssiglinse direkt an eine Aperturblende angrenzend sein solle. NK16 schlage als vorteilhafte Ausgestaltung vor, ein Deckglas (cover glass 15, 16) der variablen Flüssiglinse als Aperturblende auszubilden. Diese Deckgläser (15, 16) berührten die Flüssigkeiten (8, 9) der Flüssiglinse, weshalb eine so gestaltete Aperturblende direkt an die variable Flüssiglinse angrenze. Hinsichtlich der zweiten Alternative des Merkmals 10 lege NK12 auch nahe, die variable Flüssiglinse im Bereich unmittelbarer Nähe eines Bildes einer Aperturblende anzuordnen.

46Hilfsantrag 2' habe gleichfalls keinen Bestand. Durch das mit diesem hinzugefügte Merkmal werde das Objektiv dahingehend konkretisiert, dass es eine weitere optische Anordnung aufweise, die eine erste und zweite Linsengruppe umfasse. Die variable Flüssiglinse sei zwischen den beiden Linsengruppen, während die zweite Linsengruppe zwischen der variablen Flüssiglinse und dem Bildabnehmer, und die zweite Linsengruppe beabstandet von der Flüssiglinse und der Aperturblende angeordnet seien. In NK12 sei eine solche Ausgestaltung offenbart. Der Einwand der Beklagten, die zweite Linsengruppe (201) weise nach den Figuren 7 bis 9 bewegliche Linsen auf, greife nicht durch, da das Tripletobjektiv ein Objektiv mit Festbrennweite und demnach mit feststehenden Linsen sei. Das zusätzlich in Hilfsantrag 3' vorgesehene Merkmal, wonach mindestens eine der Linsen der zweiten Linsengruppe konvex sei, sei deshalb vorweggenommen, weil nach NK12 das Tripletobjektiv als Sammellinse wirke, weshalb es zwangsläufig eine konvexe Linse aufweisen müsse.

47Der mit Hilfsantrag 4a verteidigte Gegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. NK16 zeige, dass allein die elektrische Spannung zwischen den Ringelektroden (12, 13) die Formänderung der Linsenoberfläche (11) bewirke.

48Der mit Hilfsantrag 5 verteidigte Gegenstand sei durch NK12 und NK16 zumindest nahegelegt. In NK12 sei die elektrische Spannung an die Aktoren (202d) als Teil der variablen Flüssiglinse angeschlossen. Nach NK16 liege die elektrische Spannung der Ringelektroden 12 und 13 unmittelbar an den Flüssigkeiten (8, 9) an.

49Hilfsantrag 5a könne nicht günstiger beurteilt werden. Sowohl NK12 als auch NK16 zeigten Mittel zur Verstellung, die nach diesem Maßstab nahezu ohne elektrische Verlustleistung auskämen.

50Das nach Hilfsantrag 6' zusätzlich vorgesehene Merkmal sei durch NK12 nahegelegt. NK12 lehre, je nach Bildschärfe wahlweise eine Bildbearbeitung durchzuführen oder zu unterlassen. Deshalb sei es für den Fachmann naheliegend, diese Entscheidung zu automatisieren, einschließlich der Ermittlung der Bildschärfe. Dabei liege es auf der Hand, für die Ermittlung der Bildschärfe die Bildverarbeitungseinrichtung (5) als Prozessor einzusetzen.

51Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 6a beruhe ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Hilfsantrag 6a vereine die Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 6' mit denjenigen gemäß den Hilfsanträgen 4 und 5a. Auch in der Gesamtheit dieser Merkmale sei kein über das Erwartbare hinausgehender Effekt erkennbar.

52Gleiches gelte für Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6b, welcher sich von Hilfsantrag 6a dadurch unterscheide, dass er wie Hilfsantrag 3' einschränkend festlege, dass die variable Flüssiglinse direkt an die Aperturblende angrenzen solle. Außerdem weise er zusätzlich das Merkmal gemäß Hilfsantrag 4a auf, wonach die Fokussierung ohne die Bewegung elektromotorischer Stellglieder erfolgen solle.

53Hilfsantrag 6c habe gleichfalls keinen Bestand. Die in NK12 offenbarte Steuerung könne der Fachmann nur entweder im Gehäuse der Kamera oder außerhalb davon anordnen, weshalb er je nach Bedarf eine dieser naheliegenden Möglichkeiten ergreife.

54III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug stand.

55Dabei kann dahinstehen, ob mit dem Patentgericht davon auszugehen ist, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch NK12 vorweggenommen wird. Der genannte Gegenstand war jedenfalls ausgehend von NK12 durch NK4 und NK16 nahegelegt.

562. NK12 offenbart jedenfalls die Merkmale 2 bis 7 und 9 bis 10.

57a) NK12 betrifft ein Endoskop.

58aa) In NK12 wird ausgeführt, ein Bediener müsse bei der herkömmlichen Verwendung eines Endoskops durch Betätigen einer Steuereinrichtung den Brennpunkt entsprechend dem Abstand zum Aufnahmeobjekt steuern. Normalerweise werde ein drehbeweglicher Fokusring oder dergleichen manuell betätigt und damit eine Linsengruppe oder ein Bildaufnahmeelement entlang der optischen Achse bewegt (NK12a Abs. 2).

59Die manuelle Betätigung sei sehr umständlich, insbesondere dann, wenn die Tiefenschärfe gering sei und der Brennpunkt deshalb bei jeder geringfügigen Veränderung des Abstands zum Aufnahmeobjekt nachgesteuert werden müsse. Es sei deshalb nötig, die Tiefenschärfe des Abbildungsoptiksystems zu vergrößern. Hierzu könne die Blendenzahl vergrößert werden, was aber zu Qualitätsproblemen führen könne. Eine Erhöhung der Anzahl der Lichtleitfasern sei ebenfalls nicht erstrebenswert, weil ein kleiner Durchmesser bei Endoskopen notwendig sei (NK12a Abs. 4 ff.).

60bb) Zur Verbesserung schlägt NK12 eine Bildaufnahmevorrichtung vor, deren Brennweite periodisch verändert werden kann, und zwar mit so hoher Geschwindigkeit, dass Nachbilder zurückbleiben (NK12a Abs. 11).

61Hierdurch könnten in rascher Abfolge einzelne, für sich gesehen kleine Tiefenschärfebereiche nacheinander aufgenommen werden (NK12a Abs. 24). Aufgrund des Nachbild-Phänomens nehme das menschliche Auge ein Bild mit großer Tiefenschärfe wahr (NK12a Abs. 25-27). Das Objektiv müsse hierzu mit einer Frequenz angetrieben werden, die mindestens der Bildwiedergabefrequenz des eingesetzten Monitors entspreche, also bei NTSC-Systemen mindestens 60 Hertz und bei PAL-Systemen mindestens 50 Hertz (NK12a Abs. 28).

62cc) Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 zeigt in schematischer Ansicht den Aufbau eines Ausführungsbeispiels.

63Ein Grundkörper (1) weist ein Beobachtungssystem auf, das aus einem Objektiv (101), einer Weiterleiteoptik (102), einer Sichtfeldblende (103) und einem Okular (104) besteht. Ferner ist ein Beleuchtungssystem mit einer Beleuchtungslinse (105) und einem Leuchtleiter (106) vorhanden (NK12a Abs. 14).

64Eine Fernsehkamera (2) ist mit dem Grundkörper (1) trennbar gekoppelt. Sie verfügt über ein an der optischen Achse des Beobachtungssystems angeordnetes Abbildungsoptiksystem (201), ein Varioobjektiv (202), ein Bildaufnahmeelement (203), etwa in Gestalt eines CCD (charged coupled device), und ein optisches Filter (204) (NK12a Abs. 15).

65Ein mit der Steuereinrichtung (4) verbundener Aktorantrieb (3) treibt Aktoren (202f) des Varioobjektivs (202) und das Bildaufnahmeelement (203) an (NK12a Abs. 16).

66dd) Der Aufbau des Varioobjektivs (202) ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 im Querschnitt dargestellt.

67In einem Gehäuse (202c) sind zwei dünne, transparente, runde Scheiben (202a, 202b) aus Glas, Plastik oder dergleichen gegenüberliegend angeordnet. Der Rand der einen Scheibe (202a) ist am Gehäuse (202c) befestigt. Der Rand der anderen Scheibe (202b) ist über eine ringförmige und druckveränderliche Membran (202d) von dem Gehäuse (202c) so abgestützt, dass er in Richtung der optischen Achse bewegbar ist. Zwischen den beiden Scheiben (202a, 202b) ist eine transparente Betriebsflüssigkeit (202e) eingeschlossen, etwa Silikonöl (NK12a Abs. 17).

68In einem am Gehäuse (202c) fixierten Aktorgehäuse (202g) sind mehrere Aktoren (202f) angebracht. Jeder Aktor (202f) besteht aus einer Vielzahl von polymerisierten monomorphen piezoelektrischen Elementen und einer Antriebswelle (202f'), die in deren Mitte befestigt ist (NK12a Abs. 18).

69ee) Die Wirkungsweise der Aktoren wird in NK12 anhand der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 erläutert, die auszugsweise einen geänderten Aufbau des Varioobjektivs gemäß Figur 2 zeigt (NK12a Abs. 21).

70Wird an die Aktoren (202f) eine Spannung angelegt, bewegen sich der zentrale Teil des piezoelektrischen Elements und die daran befestigte Antriebswelle (202f') nach rechts. Die Antriebswelle (202f') drückt dadurch mittelbar auf den Rand der transparenten Scheibe (202b). Infolgedessen wird die Linse zum Beispiel aus der in Figur 3a dargestellten Form in die in Figur 3b dargestellte überführt. Wird die an die Aktoren (202f) angelegte Spannung unterbrochen, nimmt die Linse wieder ihre ursprüngliche Form an. Wird eine entgegengesetzte Spannung angelegt, bewegt sich der zentrale Teil des piezoelektrischen Elements nach links und die Form der Linse ändert sich entsprechend (NK12a Abs. 22).

71Durch Anlegen und Unterbrechen der Spannung an den Aktoren (202f) kann der Fokus des Varioobjektivs (202) schnell geändert werden (NK12a Abs. 23). Dies ermöglicht die Erzeugung des bereits dargestellten Nachbild-Phänomens.

72ff) Die automatische Fokussierung kann durch einen Schalter (205) aktiviert werden.

73Dieser Schalter kann wahlweise als Drei-Modus-Schalter ausgebildet werden. Dann fokussiert das Varioobjektiv (202) in der ersten Stufe (ohne Spannung) auf einen fernen Punkt, in der zweiten Stufe (mit konstanter Spannung) auf einen nahen Punkt und in der dritten Stufe (mit Wechselspannung) findet die bereits beschriebene Schwingbewegung statt, um eine große Tiefenschärfe zu erzielen. In den ersten beiden Stufen, die einen normalen Modus mit geringer Tiefenschärfe bewirken, kann die Feinjustierung beim Aktorantrieb (3) erfolgen (NK12a Abs. 31).

74gg) Bei einem zweiten Ausführungsbeispiel, das unter anderem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 7 dargestellt ist, besteht das Abbildungsoptiksystem (201) aus einem Zoomobjektiv.

75Das System (201) besteht aus einer ersten Gruppe (G1) mit positiver Brechkraft, einer zweiten Gruppe (G2) mit negativer Brechkraft und einer dritten Gruppe (G3) mit positiver Brechkraft. Die zweite und die dritte Gruppe können gegensätzlich zueinander bewegt werden, wodurch die Brennweite von Weitwinkel bis Tele geändert werden kann (NK12a Abs. 34).

76hh) Mögliche Abwandlungen sind in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 13 dargestellt.

77ii) Bei der in Figur 13a dargestellten Variante ist das Brennpunktverschiebungsmittel (202) nahe der Helligkeitsblende (107) des Objektivs (101) vorgesehen. Bei der Variante nach Figur 13b ist es nahe der Pupille des Abbildungsoptiksystems (201) angeordnet. Dies ist möglich, obwohl dies nicht in der Zeichnung dargestellt ist (NK12a Abs. 51).

78b) Damit sind, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, die Merkmale 2 bis 3 und 6 offenbart.

79c) Merkmal 5 ist ebenfalls offenbart, und zwar in Gestalt der Steuereinrichtung (4). Dass diese außerhalb des Gehäuses der Kamera (2) angeordnet ist, steht dem nicht entgegen. Wie bereits dargelegt wurde, enthält Merkmal 5 diesbezüglich keine Festlegungen.

80d) Nach den Feststellungen des Patentgerichts erzeugt die in Figur 13b dargestellte, aus mehreren Stablinsen bestehende Weiterleiteoptik (102) ein reelles Zwischenbild auf dem Bildabnehmer. Die Berufung zeigt keine konkreten Umstände auf, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellung begründen.

81Zu Recht hat das Patentgericht aus dieser Feststellung abgeleitet, dass Merkmal 7 offenbart ist. Wie viele optische Schritte zur Erzeugung des reellen Bilds erforderlich sind, hat es zutreffend als unerheblich angesehen, weil Merkmal 7 insoweit keine Vorgaben enthält.

82e) Offenbart ist auch Merkmal 4.

83Wie bereits oben dargelegt wurde, kann der Fokus des Varioobjektivs (202) durch das Anlegen, Unterbrechen und Variieren der Spannung an den Aktoren 202f geändert werden. Dass dies in dem im Mittelpunkt des Interesses stehenden alternierenden Modus zugleich zur Erzielung einer großen Tiefenschärfe genutzt wird, ist schon deshalb unerheblich, weil Merkmal 4 eine solche Vorgehensweise nicht ausschließt.

84Unabhängig davon beschreibt NK12, wie das Patentgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, auch einen normalen Modus mit geringer Tiefenschärfe und konstanter Fokussierung. Dass hierbei mit dem Schalter (205) nur zwischen zwei Fokussierebenen gewählt werden kann, ist unerheblich, weil Merkmal 4 weder eine stufenlose Verstellbarkeit noch eine größere Anzahl an Stufen vorschreibt. Unabhängig davon ergibt sich aus der in diesem Zusammenhang in NK12 erwähnten Möglichkeit der Feinjustierung, dass weitere Einstellmöglichkeiten vorhanden sind.

85f) Auch Merkmal 10a ist, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, in NK12 vorweggenommen.

86aa) In NK12 wird ausgeführt, es genüge, wenn das Brennpunktverschiebungsmittel an der dem Objektiv (101) oder dem Okular (104) entsprechenden Stelle, insbesondere nahe an der Helligkeitsblende vorgesehen werde (NK12a Abs. 46).

87Die Helligkeitsblende ist eine Aperturblende im Sinne von Merkmal 10. Die Anordnung des Varioobjektivs (202) in Bezug zu dieser Blende hält sich in dem durch Merkmal 10a vorgegebenen Bereich.

88Ob dazwischen noch weitere Bauteile angeordnet sind, ist wie ausgeführt ohne Belang.

89bb) Da die beiden Varianten a und b alternativ beansprucht sind, genügt die Offenbarung der Variante a (vgl. , GRUR 2015, 768 Rn. 34 - Coenzym Q10).

902. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das in NK12 offenbarte Varioobjektiv (202) ein elektrooptisches Bauelement im Sinne der Merkmale 8 und 9 ist. Ausgehend von NK12 war eine solche Ausgestaltung durch die Pressemitteilung NK4 (Philips Fluid Lenses, Digital Photography Review, ) und die Entgegenhaltung NK16 jedenfalls nahegelegt.

91a) NK4 beschreibt ein fokusvariables Linsensystem, das keine mechanischen beweglichen Teile hat.

92Durch Vergrößern des angelegten elektrischen Feldes könne die Oberfläche der anfangs konvexen Linse vollständig flach (kein Linseneffekt) oder sogar konkav gemacht werden. Folglich sei es möglich, Linsen zu implementieren, die sich stufenlos ("smoothly") von konvergent zu divergent und wieder zurück wandelten.

93Eine solche Flüssiglinse sei für einen weiten Bereich optischer Abbildungsanwendungen einschließlich Digitalkameras und insbesondere Endoskope geeignet. Sie biete sich für die Massenproduktion an, überwinde die Fixfokus-Nachteile vieler Billig-Abbildungssysteme und könne einfach in optische Miniaturpfade eingesetzt werden. Zudem seien die Schaltgeschwindigkeiten sehr schnell. Schalten über den vollen Fokalbereich werde in weniger als 10 Millisekunden erreicht.

94b) NK16 befasst sich mit dem Einsatz solcher Linsen in Bildaufnahmegeräten mit veränderbarer Brennweite.

95In der Beschreibung von NK16 wird ausgeführt, herkömmliche Geräte wie etwa Videokameras änderten die Brennweite durch mechanisches Bewegen eines Teils der Linsen. Es sei auch eine Linse erfunden worden, die die Brennweite durch Variieren einer optischen Eigenschaft in der Linse ändern könne, zum Beispiel durch Elektrokapillarität (Abs. 5).

96Vor diesem Hintergrund schlägt NK16 eine Bildaufnahmeeinheit mit einem variablen optischen Element vor, das vorzugsweise zwei unterschiedliche Flüssigkeiten enthält, die sich nicht miteinander vermischen. Mittels einer Spannung könne die Form der Grenzfläche zwischen den beiden Flüssigkeiten verändert werden (Abs. 7, 22). Hierdurch werde die Brennweite verändert (Abs. 42).

97Als mögliche Einsatzzwecke gibt NK16 unter anderem Endoskope (Anspruch 12), insbesondere Kapselendoskope (Abs. 74), Mobiltelefone (Abs. 77) und Computer (Abs. 81) an.

98c) Ausgehend von NK12 bestand Anlass, Linsen der in NK4 und NK16 offenbarten Bauart als Ersatz für das in NK12 eingesetzte Varioobjektiv (202) in Betracht zu ziehen.

99aa) Neuere technische Entwicklungen können Anlass geben, eine neu in den Blickpunkt getretene Komponente als Alternative für eine im Wesentlichen funktionsgleiche Komponente einer im Stand der Technik bekannten Vorrichtung in Betracht zu ziehen.

100Wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, besteht bei der Konzeption einer Vorrichtung grundsätzlich Anlass, neueren technischen Entwicklungen Beachtung zu schenken, die erkennbar von Bedeutung sind. Dies führt zwar nicht ohne weiteres dazu, dass verbesserte Komponenten als Alternative für Komponenten einer bereits bekannten Vorrichtung in Betracht zu ziehen sind (vgl. , GRUR 2012, 475 Rn. 45 - Elektronenstrahltherapiesystem). Eine als neuartig vorgestellte Komponente ist aber jedenfalls dann grundsätzlich als Alternative nahegelegt, wenn sie erkennbar alle wesentlichen Funktionen erfüllt, die einer vergleichbaren Komponente in einer bereits bekannten Vorrichtung zukommen, und keine grundlegenden Schwierigkeiten oder Wechselwirkungen erkennbar sind, die einem entsprechenden Austausch entgegenstehen.

101bb) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall in Bezug auf den in NK4 und NK16 als neuartig offenbarten Linsentyp und das in NK12 offenbarte Varioobjektiv (202) erfüllt.

102(1) In NK12 ist zwar die Wirkungsweise des Varioobjektivs (202) im Detail beschrieben. Aus der Schilderung der Funktionen, die dieses Objektiv erfüllt, ergibt sich aber, dass die Art und Weise, in der diese Wirkungen erzielt werden, nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist.

103Entscheidend ist danach vielmehr, dass es sich um eine optische Einrichtung handelt, die allein durch Anlegen einer Spannung in rascher Folge unterschiedlich fokussiert werden kann und wenig Platz in Anspruch nimmt.

104Dies gab Veranlassung, im Stand der Technik nach ähnlichen Systemen mit vergleichbaren Eigenschaften zu suchen und hierbei insbesondere neuere Entwicklungen zu berücksichtigen, die in dieselbe Richtung zielten und eine weitere Verbesserung, jedenfalls aber eine interessante Alternative erwarten ließen.

105(2) Aus NK4 und NK16 ergab sich, dass der dort als neuartig vorgestellte Linsentyp diejenigen Eigenschaften aufweist, die für das Varioobjektiv aus NK12 von ausschlaggebender Bedeutung sind.

106Die in NK4 und NK16 offenbarten Linsen können ebenfalls durch Anlegen einer Spannung unterschiedlich fokussiert werden und nehmen wenig Platz in Anspruch. Komplexität und Platzbedarf sind im Vergleich zu dem in NK12 offenbarten Varioobjektiv sogar noch geringer, weil keine piezoelektrischen Aktoren erforderlich sind.

107Die in NK4 enthaltene Angabe, ein Schalten über den vollen Fokalbereich sei in weniger als 10 Millisekunden möglich, ließ zudem erwarten, dass die in NK12 als erforderlich erachteten Schaltfrequenzen von 50 oder 60 Hertz erreicht werden können.

108(3) Die in NK4 und NK16 enthaltenen Angaben zu möglichen Einsatzbereichen gaben zusätzliche Veranlassung, den dort offenbarten Linsentyp für Endoskope der in NK12 offenbarten Art in Betracht zu ziehen.

109Für einen solchen Einsatz spricht schon der Umstand, dass NK16 Endoskope ausdrücklich erwähnt.

110Dass als konkretes Beispiel aus diesem Bereich nur ein Kapselendoskop, also eine verschluckbare Vorrichtung, angeführt wird, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. NK16 benennt als weitere Einsatzgebiete Mobilfunkgeräte und Computer und zeigt damit ein denkbar breites Anwendungsfeld auf. In dieses Anwendungsfeld fügen sich herkömmliche Endoskope ohne weiteres ein.

111(4) Besondere Schwierigkeiten, die der Ersetzung der in NK12 beschriebenen Linsenart durch den in NK4 und NK16 beschriebenen Typ entgegenstehen könnten, gehen aus den genannten Entgegenhaltungen nicht hervor und sind auch sonst nicht ersichtlich. Auch das Streitpatent zeigt insoweit nichts auf.

1123. Ebenfalls offenbleiben kann, ob zumindest eines der in NK12 offenbarten Ausführungsbeispiele für Aufnahmen im intraoralen Bereich geeignet und damit als Dentalkamera im Sinne von Merkmal 1 anzusehen ist. Vor dem oben aufgezeigten Hintergrund lag es jedenfalls nahe, ein Aufnahmesystem nach dem Vorbild von NK12 auch für eine Dentalkamera in Betracht zu ziehen.

113a) Auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass die in NK12 offenbarten Endoskope nur mit zusätzlichen Modifikationen für intraorale Aufnahmen geeignet sind, ergibt sich daraus kein grundlegender Gegensatz.

114Endoskope und Dentalkameras weisen schon deshalb starke Ähnlichkeiten auf, weil beide Arten von Instrumenten zur Aufnahme von Bildern im Körperinneren dienen. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, geht die Entwicklung von Dentalkameras historisch sogar auf die Endoskopie zurück. Schon aufgrund der funktionellen Ähnlichkeit bestand grundsätzlich Anlass, Entwicklungen im einen Bereich darauf zu untersuchen, ob sie auch im anderen Bereich gewinnbringend eingesetzt werden können.

115b) Vor diesem Hintergrund bestand Anlass, die in NK12 offenbarte Lehre und die sich ausgehend von dieser Entgegenhaltung ergebenden Anregungen auf ihre Eignung für den Einsatz bei Dentalkameras zu untersuchen.

116Die in NK12 im Mittelpunkt stehende Vergrößerung der Tiefenschärfe mag für intraorale Aufnahmen zwar keine allzu große Bedeutung haben. Wie bereits oben dargelegt wurde, stellt NK12 aber ausdrücklich klar, dass das dort offenbarte System auch für Aufnahmen mit herkömmlicher Tiefenschärfe eingesetzt werden kann. Auch für diesen Einsatzbereich ergaben sich aus NK12 Vorteile aufgrund der kompakten Bauweise und der einfachen und schnellen Möglichkeit der Fokussierung. Die Verwirklichung dieser Vorteile bot sich auch für Dentalkameras an - sowohl unter Einsatz des in NK12 offenbarten Varioobjektivs als auch unter Einsatz des in NK4 und NK16 vorgestellten alternativen Linsentyps.

1174. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand des Hilfsantrags 1 sei nicht patentfähig.

118a) Nach Hilfsantrag 1 soll Merkmal 10a wie folgt modifiziert werden:

Die variable Flüssiglinse (8) ist im Bereich unmittelbarer Nähe direkt an einer Aperturblende angrenzend angeordnet.

119b) Eine solche Anordnung der variablen Flüssiglinse ist in NK16 offenbart.

120In NK16 wird vorgeschlagen, ein Deckglas (cover glass 15, 16) der variablen Flüssiglinse als Aperturblende auszubilden (NK16 Abs. 11 i.V.m. Fig. 1A-4). Diese Deckgläser (15, 16) grenzen an die Flüssigkeiten (8, 9) unmittelbar an.

1215. Das Patentgericht hat zutreffend auch den Gegenstand des Hilfsantrags 2' als nicht patentfähig angesehen.

122a) Mit Hilfsantrag 2' wird dem Patentanspruch in der erteilten Fassung folgendes weiteres Merkmal hinzugefügt:

11. Das Objektiv weist eine weitere optische Anordnung auf,

a) die eine erste Linsengruppe (41) und eine zweite Linsengruppe (42) umfasst.

b) Die variable Flüssiglinse (8) ist zwischen den beiden Linsengruppen angeordnet.

c) Die zweite Linsengruppe (42) ist zwischen der variablen Flüssiglinse (8) und dem Bildabnehmer (7) und

d) beabstandet von der variablen Flüssiglinse (8) und der Aperturblende (10) angeordnet.

123b) NK12 offenbart mit der Weiterleiteoptik (102) und dem Abbildungsoptiksystem (201) (NK12, Figur 13b) eine weitere optische Anordnung mit einer benachbart zu dem Teilobjektiv (101) angeordneten ersten Linsengruppe und einer davon beabstandet angeordneten zweiten Linsengruppe (201) (NK12, Figur 13b, Abs. 45 [Tripletobjektiv]; Merkmal 11a).

124Wie Figur 13b der NK12 zu entnehmen ist, ist zwischen diesen beiden Linsengruppen (102, 201) das Varioobjektiv (202) angeordnet (Merkmal 11b). Gezeigt ist dort auch, dass die zweite Linsengruppe (201) zwischen dem Varioobjektiv (202) und dem Bildabnehmer (203) angeordnet ist (Merkmal 11c), wobei ein Abstand zwischen der zweiten Linsengruppe (201) und dem Varioobjektiv sowie der Aperturblende vorhanden ist (Merkmal 11d).

1256. Das Patentgericht hat zutreffend auch den Gegenstand des Hilfsantrags 3' als nicht patentfähig angesehen.

126a) Nach Hilfsantrag 3' soll Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2' im Merkmal 10 wie in Hilfsantrag 1 gefasst sein und durch folgendes Merkmal ergänzt werden:

11e) Mindestens eine der Linsen der zweiten Linsengruppe ist konvex.

127b) Dieses Merkmal ist in NK12 offenbart.

128Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts wirkt bei dem in Figur 13b dargestellten Ausführungsbeispiel das als zweite Linsengruppe (201) eingesetzte Tripletobjektiv als Sammellinse, was gleichbedeutend damit ist, dass es mindestens eine konvexe Linse aufweist.

1297. Keine andere Beurteilung ergibt sich hinsichtlich des mit Hilfsantrag 4 verteidigten Gegenstands.

130a) Nach Hilfsantrag 4 soll Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1 durch folgendes Merkmal ergänzt werden:

10.1 Die variable Flüssiglinse (8) wird elektronisch durch die Steuerung so gesteuert, dass ihre Abbildungseigenschaften in Form der Fokussierung auf verschiedene Objektabstände geändert werden können, ohne dass Teile des Objektivs (40, 41, 42) bewegt oder die Relativlage zu dem Bildabnehmer (7) geändert werden müssen.

131b) Dieses Merkmal schränkt den Gegenstand des Streitpatents nicht weiter ein und unterliegt deshalb keiner abweichenden Beurteilung in Bezug auf die Patentfähigkeit.

1328. Hilfsantrag 4a ist im Ergebnis nicht anders zu beurteilen.

133a) Nach Hilfsantrag 4a soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 4 um folgendes Merkmal ergänzt werden:

10.2 und ohne dass elektromotorisch verstellbare Stellglieder bewegt werden müssen.

134b) Dieses Merkmal ist bei der ausgehend von NK12 aus den genannten Gründen naheliegenden Abwandlung, bei der das Varioobjektiv (202) durch eine variable Flüssiglinse nach dem Vorbild von NK16 ersetzt wird, ebenfalls verwirklicht.

1359. Die Berufung hat auch keinen Erfolg, soweit das Patentgericht Hilfsantrag 5 als nicht patentfähig angesehen hat.

136a) Nach Hilfsantrag 5 soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 durch folgendes Merkmal ergänzt werden:

10.1' Die Steuerung weist einen Ausgang auf, der die elektrische Spannung für die variable Flüssiglinse (8) führt und an die variable Flüssiglinse angeschlossen ist.

137b) Dieses Merkmal ist sowohl durch NK12 als auch durch NK4 und NK16 zumindest nahegelegt.

138Alle drei Entgegenhaltungen sehen eine Linse vor, deren optische Eigenschaften durch Anlegung einer steuerbaren Spannung geändert werden können. Daraus folgt, dass die Steuerung einen dafür geeigneten, zur Linse führenden Ausgang aufweist.

13910. Der mit Hilfsantrag 5a verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.

140a) Nach Hilfsantrag 5a soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 1 um die Merkmale 10.1' und 10.1 aus den Hilfsanträgen 5 bzw. 1 und zusätzlich um folgendes Merkmal ergänzt werden:

10.2' Die Verstellung der variablen Flüssiglinse (8) erfolgt nahezu ohne elektrische Verlustleistung.

141b) Auch dieses zusätzliche Merkmal führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

142c) Die in NK16 offenbarte Linsenart hat ausweislich NK4 eine geringe elektrische Verlustleistung (NK4 S. 1 letzte Zeile).

14311. Die Berufung hat auch keinen Erfolg, soweit das Patentgericht die mit den Hilfsanträgen 6', 6a und 6b verteidigten Gegenstände als nicht patentfähig angesehen hat.

144a) Nach Hilfsantrag 6' soll Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 durch folgende Merkmale ergänzt werden:

12a Die Steuerung ist als Prozessor (11) des Bildabnehmers (7) zur Ermittlung der Bildschärfe ausgebildet.

12b Der Ausgang des Prozessors (11) führt die elektrische Spannung für die variable Flüssiglinse (8) und ist an die variable Flüssiglinse (8) angeschlossen, damit eine selbsttätige Einstellung des Fokus erfolgt.

145b) Nach Hilfsantrag 6a soll diese Fassung um die Merkmale 11, 12, 10.1 und 10.2' aus den Hilfsanträgen 2', 6', 4 und 5a ergänzt werden.

146c) Nach Hilfsantrag 6b soll die mit Hilfsantrag 6a verteidigte Fassung um das Merkmal 10' aus Hilfsantrag 1 ergänzt werden.

147d) Wie das Patentgericht zutreffend entschieden hat, sind die Merkmale 12a und 12b - auch in Kombination mit den übrigen hinzugefügten Merkmalen - durch NK12 zumindest nahegelegt.

148aa) Ausgehend von NK12 und NK16 war auch eine Autofokusfunktion nahegelegt.

149Sowohl aus NK16 als auch aus NK4 ergibt sich, dass Flüssiglinsen der dort beschriebenen Art eine stufenlose Verstellung des Fokus durch Variieren einer angelegten elektrischen Spannung ermöglichen. In NK12 wird dies zwar nur zur Vergrößerung der Tiefenschärfe genutzt. Dennoch lag es angesichts der aufgezeigten Möglichkeiten auf der Hand, diese auch zur automatischen Fokussierung einzusetzen. Eine Autofokus-Funktion als solche war, wie sich aus NK3 ergibt, im Stand der Technik auch für Dentalkameras bekannt (NK3 S. 6).

150Dem steht nicht entgegen, dass in NK12 die Erhöhung der Tiefenschärfe im Vordergrund steht, die eine bessere Fokussierung auf bestimmte Ebenen in gewissem Umfang entbehrlich macht. Schon die in NK12 aufgezeigte Möglichkeit, stattdessen zwei feste Fokussierebenen mit normaler Tiefenschärfe zur Verfügung zu stellen, gab Veranlassung, auch bezüglich dieser Funktion nach weiteren Verbesserungen zu suchen. Hierfür bot sich eine Autofokusfunktion vor dem aufgezeigten Hintergrund an.

151bb) Zur Steuerung der Autofokusfunktion und zur Ermittlung der Bildschärfe einen Prozessor einzusetzen, ist durch NK12 zumindest nahegelegt.

152Die in NK12 beschriebene Bildverarbeitungseinrichtung (5) wird durch eine CPU gesteuert (NK12a Abs. 20 Z. 8-10). Schon deshalb bot es sich an, diesen Prozessor auch zur Ermittlung der Bildschärfe im Zusammenhang mit einer Autofokusfunktion und zur daraus abgeleiteten Steuerung der elektrischen Spannung einzusetzen.

15312. Für Hilfsantrag 6c gilt nichts anderes.

154a) Nach Hilfsantrag 6c soll die mit Hilfsantrag 6b verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 dahin ergänzt werden, dass die Steuerung im Gehäuse angeordnet ist.

155b) Eine solche Ausgestaltung lag ausgehend von NK12 ebenfalls nahe.

156In der schematischen Darstellung in Figur 1 ist die Steuereinrichtung (4) zwar als eigenständiger Block neben dem Kameragehäuse (2) dargestellt. Wo dieses Bauteil anzuordnen ist, wird in NK12 aber nicht im Detail festgelegt. Dies gab Veranlassung, nach geeigneten Stellen zu suchen.

157Hierbei kam auch eine Anordnung innerhalb des Gehäuses in Betracht, wie dies in NK16 zum Beispiel für Mobiltelefone vorgeschlagen wird.

158IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG sowie § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:160523UXZR50.21.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-44420