BGH Beschluss v. - XI ZB 4/23

Instanzenzug: Az: 37 S 19/22vorgehend Az: 206 C 5/22nachgehend Az: XI ZB 4/23 Beschlussnachgehend Az: XI ZB 4/23 Beschluss

Gründe

I.

1Der Kläger nimmt die beklagte Bank im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom , dem Kläger zugestellt am , abgewiesen. Der Kläger hat mit Schreiben vom an das Landgericht beantragt, ihm zur Einlegung der Berufung einen Notanwalt beizuordnen. Hilfsweise hat er beantragt, festzustellen, dass vor dem Amtsgericht keine Entscheidung erlassen wurde, und das Verfahren zur Beendigung der Instanz an das Ausgangsgericht zurückzuleiten. Das Landgericht hat den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts zurückgewiesen, weil die Frist zur Einlegung der Berufung schon bei Einreichung des Schreibens vom abgelaufen gewesen sei und die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung nicht vorlägen. Den Hilfsantrag hat das Landgericht ebenfalls zurückgewiesen. Die vom Kläger zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellten Fragen könnten nicht isoliert außerhalb eines Berufungsverfahrens vorgebracht werden; sie beträfen Vorfragen, die nur im Rahmen einer formwirksam eingelegten Berufung geklärt werden könnten. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, für deren Durchführung er die Beiordnung eines Notanwalts beantragt.

II.

21. Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist unbegründet.

3Gemäß § 78b Abs. 1 ZPO hat das Gericht, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag einen Notanwalt beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos ist. Aussichtslosigkeit ist immer dann gegeben, wenn ein günstiges Ergebnis der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann (BGH, Beschlüsse vom - III ZR 85/19, juris Rn. 5, vom - II ZB 7/20, juris Rn. 9 und vom - V ZR 112/20, juris Rn. 6). Dies ist hier der Fall. Der Beschluss des Landgerichts Berlin ist nicht mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar.

42. Die Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie bereits nicht statthaft ist.

5a) Eine Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder sie in dem angegriffenen Beschluss zugelassen ist. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die gesetzliche Regelung der Beiordnung eines Notanwalts (§ 78b ZPO) sieht die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde nicht allgemein vor (vgl. , juris Rn. 3) und das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist - anders als die Nichtzulassung der Revision (§ 544 ZPO) - nicht anfechtbar (Senatsbeschlüsse vom - XI ZB 5/17, juris Rn. 4, vom - XI ZB 24/19, juris Rn. 4 und vom - XI ZB 25/20, juris Rn. 3).

6b) Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde folgt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger mit seinem Schreiben vom keine Berufung eingelegt, sondern den Hilfsantrag im Rahmen seines Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt hat.

7aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Rechtsbeschwerdegericht die Würdigung prozessualer Erklärungen einer Partei uneingeschränkt nachprüfen und Erklärungen selbst auslegen (Senatsurteil vom - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 11; , NJW 2019, 3727 Rn. 9). Die Auslegung darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Bei der Auslegung von Prozesserklärungen ist zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (Senatsurteil vom , aaO; , NJW 2014, 155 Rn. 30; aaO).

8bb) Unter Beachtung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger mit seinem Schreiben vom nicht Berufung eingelegt hat. Der Kläger hat die Beiordnung eines Notanwalts "zur Einlegung des Rechtsmittels der Berufung" beantragt und zur Begründung auf die vom Amtsgericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung Bezug genommen. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er weiß, für die Berufungseinlegung einen Rechtsanwalt zu benötigen. Die Einlegung einer mangels Postulationsfähigkeit unzulässigen Berufung wäre unvernünftig (, NJW 2019, 3727 Rn. 11). Seinen Hilfsantrag hat er damit begründet, dem Landgericht "zur Vermeidung unnötiger Kosten" ermöglichen zu wollen, im Falle des Vorliegens einer Schein- bzw. Nichtentscheidung die notwendigen Feststellungen zu treffen und das Verfahren "auf dem kurzen Dienstweg" zur Beendigung an das Ausgangsgericht zurückzuleiten; in diesem Falle würde er auf eine Entscheidung zum Hauptantrag verzichten. Diese Erklärung lässt sich bei verständiger Würdigung nur so verstehen, dass der Kläger kein - Kosten verursachendes - förmliches Rechtsmittelverfahren einleiten wollte.

93. Eine außerordentliche Beschwerde ist ebenfalls nicht eröffnet und verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. BVerfGE 107, 395, 416 ff.; BGH, Beschlüsse vom - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 ff., vom - XI ZB 5/17, juris Rn. 5 und vom - IX ZA 18/19, juris Rn. 2).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:200623BXIZB4.23.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-43970