BGH Urteil v. - KZR 71/21

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union: Anwendung der das Kartellverbot einschränkenden Grundsätze des Meca Medina-Tests auf das von dem Dachverband der deutschen Fußballverbände erlassene Reglement für die Spielervermittlung

Gesetze: Art 101 Abs 1 AEUV, Art 267 Abs 1 Buchst b AEUV, Art 267 Abs 3 AEUV, § 33 Abs 1 GWB

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 11 U 172/19 (Kart) Urteilvorgehend LG Frankfurt Az: 2-03 O 517/18 Urteilanhängig EuGH Az: C-428/23

Gründe

1I. Die Parteien streiten über kartellrechtliche Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit einem vom Beklagten erlassenen Reglement für die Spielervermittlung (Reglement der RfSV).

2Die Klägerin zu 1 ist eines der führenden Beratungsunternehmen für junge Talente und Profifußballer in Deutschland. Ihre Tätigkeit umfasst unter anderem die Beratung im Zusammenhang mit Transfers und Vertragsverlängerungen von Profifußballspielern. Ihr Gründer und Geschäftsführer ist der Kläger zu 3. Die Klägerin zu 2 ist eine juristische Person österreichischen Rechts, deren Unternehmenstätigkeit ebenfalls auf die Spielervermittlung gerichtet ist. Spielervermittler können sowohl von Spielern, die einen Verein suchen, als auch von Vereinen beauftragt werden, die einen Spieler abgeben (sog. Wegvermittlung) oder aufnehmen (sog. Hinvermittlung) wollen.

3Der Beklagte ist der Dachverband von 27 deutschen Fußballverbänden mit etwa 25.000 Vereinen und mehr als 7 Millionen Mitgliedern. Organisatorisch ist er in eine Verbandspyramide unter dem Dach des Fußballweltverbandes (FIFA) eingegliedert.

4Der Spielbetrieb in den beiden höchsten Profiligen (Bundesliga und 2. Bundesliga) wird nach § 16a der Satzung des Beklagten von der Deutschen Fußball Liga (DFL e.V.) durchgeführt. Die DFL e.V. ist ein Zusammenschluss der Vereine der beiden höchsten deutschen Profiligen. Den Spielbetrieb in der ebenfalls zum Profibereich gehörenden 3. Liga führt der Beklagte selbst durch. Weitere Ligen werden von den regionalen Fußballverbänden organisiert. Vereine, die am Spielbetrieb der Bundesliga oder der 2. Bundesliga teilnehmen, sind als ordentliche Mitglieder der DFL e.V. an die Satzung des Beklagten und die verbindlichen Regelwerke gebunden. Spieler müssen, um in der Bundesliga oder 2. Bundesliga spielberechtigt zu sein, einen Lizenzvertrag mit der DFL e.V. unterzeichnen, der sie ebenfalls zur Einhaltung von Verbandsregeln verpflichtet. Als Mitglied der FIFA ist der Beklagte deren Regelungen unterworfen und zur Umsetzung der Entscheidungen der FIFA verpflichtet.

5Im Zuge eines von der FIFA verabschiedeten Reglements zur Arbeit mit Spielervermittlern erließ der Beklagte das am in Kraft getretene Reglement. Es wendet sich an Vereine und Spieler, die gegenüber dem Beklagten verpflichtet sind, das Regelwerk einzuhalten. Es regelt die Inanspruchnahme der Dienste eines Vermittlers durch Spieler und Vereine für den Abschluss von Berufsspielerverträgen und Transfervereinbarungen. Vorgeschrieben ist unter anderem

- eine Registrierungspflicht für Vermittler, § 2 Nr. 3 und § 3 Nr. 2 und 3 RfSV (nachfolgend: Registrierungspflicht);

- die Abgabe einer Vermittlererklärung, die die Unterwerfung des Vermittlers unter diverse Statuten, Reglements und Ordnungen der FIFA, des Beklagten und der DFL e.V., einschließlich der Unterwerfung unter die Verbandsgerichtsbarkeit, vorsieht, § 2 Nr. 2 und § 3 Nr. 2, Nr. 3 RfSV und Anhänge 1 und 2 (nachfolgend: Unterwerfungspflicht);

- die zusätzliche Verpflichtung einer natürlichen Person bei der Registrierung juristischer Personen, Anhang 2 RfSV (nachfolgend: Zusatzverpflichtung bei juristischen Personen);

- ein Verbot der Beteiligung des Vermittlers bei der Hinvermittlung an zukünftigen Transfererlösen des Vereins, § 7 Nr. 3 RfSV (nachfolgend: Provisionsverbot für Folgetransfers);

- ein Provisionsverbot bei der Vermittlung Minderjähriger, § 7 Nr. 7 RfSV;

- eine Pflicht zur Offenlegung von Vergütungen und Zahlungen an Vermittler, § 6 Nr. 1 RfSV (nachfolgend: Offenlegungspflicht).

6Verstöße gegen das Reglement können als unsportliches Verhalten sanktioniert werden (§ 9 RfSV). Im Anhang des Regelwerks befinden sich vorgedruckte Formulare für die abzugebende Vermittlererklärung.

7Die DFL GmbH, ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der DFL e.V., versandte mit Datum vom das Rundschreiben Nr. 62 an die Verantwortlichen der Vereine und Kapitalgesellschaften der Bundesliga und 2. Bundesliga, um diese unter anderem über Wegvermittlungsvereinbarungen zu informieren. Darin hieß es, als Vergütung könne eine pauschale Einmalzahlung oder eine gestaffelte Vergütung in Relation zu der aufgrund der Wegvermittlungsleistung erzielten Transferentschädigung vereinbart werden, die aber einer prozentualen Beteiligung nicht nahekommen dürfe (nachfolgend: Vergütungsberechnung nach dem Rundschreiben Nr. 62).

8Die Kläger wenden sich mit ihren Unterlassungsanträgen gegen die Registrierungspflicht (Antrag 1), die Unterwerfungspflicht (Antrag 2), die Zusatzverpflichtung bei juristischen Personen (Antrag 3), das Provisionsverbot für Folgetransfers (Antrag 4), die Vergütungsberechnung nach dem Rundschreiben Nr. 62 (Anträge 5 und 5a), das Provisionsverbot bei der Vermittlung Minderjähriger (Antrag 6) und die Offenlegungspflicht (Antrag 7). Sie berufen sich in erster Linie auf das Kartellverbot.

9Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat den Beklagten entsprechend dem Antrag 2, soweit sich die Vermittler zur Ahndung von Verstößen der Verbandsgerichtsbarkeit der FIFA und des DFB unterwerfen müssen, sowie gemäß Antrag 3 zur Unterlassung verurteilt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

10Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht der Klage in weiterem Umfang stattgegeben. Es hat den Beklagten insgesamt zur Unterlassung verurteilt, Vermittler nur zu registrieren, wenn sie sich den mit der Ausübung der Vermittlertätigkeit im Zusammenhang stehenden Bestimmungen der FIFA, des Beklagten und der DFL e.V. unterwerfen (Antrag 2). Außerdem hat es den Beklagten verurteilt, es zu unterlassen, die DFL e.V. oder einen anderen Auftragnehmer mit der Durchführung des Spielbetriebs in einer Fußballliga zu beauftragen und dabei zu ermöglichen, dass der Auftragnehmer Vereine in ihren Möglichkeiten einschränkt, für die Berechnung von Provisionen Formeln zu vereinbaren, die prozentual Bezug auf Weitertransfererlöse nehmen (Antrag 5a). Die weitergehende Berufung und die Anschlussberufung des Beklagten hat es zurückgewiesen.

11Mit den vom Oberlandesgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihre weiteren Unterlassungsanträge und der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

12II. Für die Entscheidung über die Revision sind Vorschriften des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen maßgeblich, die wie folgt lauten:

§ 33 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt (Rechtsverletzer) oder wer gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist gegenüber dem Betroffenen zur Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet.

(2) (…)

(3) Betroffen ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist.

(4) (…)

13III. Der Erfolg der Revision hängt von den Vorlagefragen ab. Vor einer Entscheidung ist daher das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Unionsgerichtshofs einzuholen (vgl. zu den FIFA Football Agents Regulations: LG Mainz, Vorlagebeschluss vom - 9 O 129/21).

141. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt a.M., WuW 2022, 99) hat ausgeführt, das Reglement sei am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu messen. Es führe zu einer Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt der Spielervermittlung, die spürbar und binnenmarktrelevant sei. Als sportliches Regelwerk sei das Reglement aber nach den Vorgaben des Unionsgerichtshofs (Urteil vom - C-519/04 P, Slg 2006, I-6991-7028 = WuW/E EU-R 1493 - Meca Medina) auf die Vereinbarkeit mit dem Kartellverbot zu prüfen. Für die Anwendbarkeit dieser das Kartellverbot einschränkenden Grundsätze komme es darauf an, ob die mit den Regeln des RfSV verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen in einem Zusammenhang mit der vom Beklagten reklamierten sportlichen Zielsetzung stünden. Das sei hier der Fall. Bei dem RfSV handele es sich um ein sportliches Regelwerk im Sinne dieser Rechtsprechung. Der Beklagte habe die satzungsgemäße Aufgabe, den sportlichen Wettkampf im Fußball zu gewährleisten; diesem Ziel diene auch das Regelwerk des RfSV. Es solle zur Gewährleistung des fairen, sportlichen Wettkampfs die Bedingungen für die Anwerbung und Einstellung der Sportler regeln. Die Tätigkeit der Spielervermittler beeinflusse maßgeblich die Zusammensetzung der Mannschaften, ihre Kontinuität und ihre sportliche Stärke; sie stehe damit in einer direkten Verbindung zum sportlichen Wettbewerb. Die Betätigung der Spielervermittler habe Einfluss auf den fairen Wettkampf, die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Sportler. Mit dem Reglement sollten Abhängigkeiten zwischen Spielervermittlern, Spielern und Clubs vermieden werden. Solche Abhängigkeiten könnten die Integrität und Fairness des Wettbewerbs und des Sports gefährden. In der Vergangenheit seien teilweise Spieler und Vereine durch strafrechtlich relevante Praktiken von Spielervermittlern in finanzieller und beruflicher Hinsicht geschädigt worden.

15Die angegriffenen Regeln müssten daher im Einzelnen anhand der in der Entscheidung "Meca Medina" aufgestellten Grundsätze geprüft werden. Unabhängig von der allgemeinen Zielsetzung müsse hinsichtlich jeder der streitgegenständlichen Regelungen geprüft werden, ob sie sich auf das legitime Ziel beziehe, eine untrennbare Verbindung zwischen der Verfolgung der legitimen Zielsetzung und der Wettbewerbsbeschränkung bestehe und ob die Maßnahme verhältnismäßig sei.

16Gemessen daran verstießen die mit den Unterlassungsanträgen 1, 4, 6 und 7 angegriffenen Regelungen zur Registrierungspflicht, zum Verbot der Beteiligung an späteren Transfererlösen, zum Provisionsverbot bei der Vermittlung Minderjähriger und zur Offenlegung sämtlicher Zahlungen gegenüber dem Beklagten nicht gegen Art. 101 AEUV. Demgegenüber falle die mit dem Unterlassungsantrag 2 angegriffene Pflicht zur Unterwerfungserklärung und die mit dem Antrag 3 angegriffene Regelung, wonach juristische Personen bei Abgabe der Vermittlererklärung zugleich eine weitere Vermittlererklärung einer privaten Person vorlegen müssten, unter das Verbot des Art. 101 AEUV. Der Unterlassungsantrag 5 sei unbegründet. Die beanstandeten Rundschreiben seien dem Beklagten nicht zuzurechnen. Begründet sei hingegen der Hilfsantrag zu 5a. Den Beklagten treffe eine Überwachungspflicht gegenüber der DFL GmbH.

172. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Kläger hat Erfolg, wenn den Klägern gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus § 33 Abs. 1 GWB, Art. 101 Abs. 1 AEUV gegen die mit den Anträgen 1, 4, 6 und 7 angegriffenen Regelungen des RfSV zusteht. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 101 Abs. 1 AEUV sind erfüllt (dazu unter a). Die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV können auf Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht bejaht werden (dazu unter b). Es stellt sich die Frage, ob unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs, in dem das Reglement seine Wirkungen entfaltet, und seiner Zielsetzung eine Einschränkung des Tatbestands des Art. 101 Abs. 1 AEUV in Betracht kommt. Dies kann auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs nicht eindeutig beantwortet werden (dazu unter c). Die Entscheidung hängt daher von der Beantwortung der Vorlagefragen ab (dazu unter d).

18a) Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sind unter anderem Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken, mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten. Dabei muss als ungeschriebene Voraussetzung sowohl die Wettbewerbsbeschränkung als auch die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels spürbar sein. Wer gegen das Verbot verstößt, ist dem Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 GWB zur Unterlassung verpflichtet.

19aa) Der Beklagte ist als Unternehmensvereinigung Adressat des Art. 101 Abs. 1 AEUV. In dem Beklagten sind unter anderem die Fußballvereine der deutschen Profiligen zusammengeschlossen. Für sie stellt sich der Fußball in erster Linie als eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Die Verbindung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit zum Sport ändert nichts an der Unternehmenseigenschaft des Beklagten (vgl. , WuW/E EU-R 1457 Rn. 22 - MOTOE). Auch der Umstand, dass bei dem Beklagten neben Profivereinen ebenso Amateurvereine zusammengeschlossen sind, kann diese Bewertung nicht in Frage stellen (vgl. zur FIFA: , WuW/E 2005, EU-R 881, Rn. 69 bis 72 - Piau). Eine wirtschaftliche Tätigkeit stellt auch die hier in Rede stehende Regelsetzung des Beklagten dar, die die Inanspruchnahme einer vorgelagerten, regelmäßig entgeltlichen Dienstleistung in Gestalt der Vermittlung von Sportlern betrifft. Das RfSV ist als Beschluss einer Unternehmensvereinigung anzusehen (vgl. dazu grundlegend: 45/85, Slg 1987, 405 Rn. 29 bis 32 - Feuerversicherung; EuG, WuW/E 2005, EU-R 881 Rn. 75 - Piau). Der Beklagte möchte mit dem Regelwerk, was aus § 1 Nr. 1 RfSV deutlich wird, das Verhalten seiner Mitglieder auf einem bestimmten Markt koordinieren, nämlich im Hinblick auf die Tätigkeit der Spielervermittler beim Abschluss von Berufsspielerverträgen und bei Transfervereinbarungen.

20bb) Die hier angegriffenen Regelungen des RfSV führen auch zu einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung auf dem Markt der Spielervermittlung.

21(1) Die Regelungen richten sich zwar nicht direkt an Spielervermittler, sondern an Vereine und Spieler, die als Nachfrager der Vermittlungsleistung zur Marktgegenseite gehören. Sie bewirken jedoch, dass die Entscheidungsfreiheit der beteiligten Spieler, Vereine und Unternehmen beschränkt wird, was sich zugleich auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Spielervermittler auswirkt. Diese müssen ihr Verhalten an den in dem Regelwerk niedergelegten Bestimmungen ausrichten, um auf dem Vermittlungsmarkt tätig werden zu können. Andernfalls riskieren sie, dass Spieler und Vereine - unter dem Druck der Sanktionierung durch den Beklagten (§ 9 RfSV) - davon absehen, sie mit der Spielervermittlung zu beauftragen.

22(2) Die Wettbewerbsbeschränkung ist auch spürbar. Wie ausgeführt, sind sämtliche in Deutschland tätigen Vereine und Spieler als Nachfrager der Vermittlungsleistungen an das Regelwerk gebunden. Realistische Marktchancen in Deutschland bestehen daher nur für Vermittler, die den angegriffenen Regelungen zur Registrierungspflicht (§ 2 Nr. 3, § 3 Nr. 2 und 3), zur Vergütungsstruktur (§ 7 Nr. 3 und Nr. 7) und zur Offenlegung der Zahlungen (§ 6 Nr. 1) nachkommen. Dem steht nicht die Klarstellung nach § 1 Nr. 4 RfSV entgegen, wonach Berufsspielerverträge und Transfervereinbarungen auch ohne Einhaltung der Bestimmungen des Reglements ihre Gültigkeit behalten.

23(3) Die Regelungen des RfSV sind ferner geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Wie ausgeführt, sind sämtliche in Deutschland tätigen Vereine und Spieler als Nachfrager der Vermittlungsleistungen an das Regelwerk gebunden, wodurch auch alle in Deutschland tätigen Spielervermittler durch die Regelungen beschränkt werden. Obwohl sie sich nur auf den gesamten deutschen Markt beziehen, bilden die Regelungen eine Marktzutrittsschranke für ausländische Spielevermittler, die in ihren Heimatländern nicht den gleichen Restriktionen unterliegen. Zudem hat eine Vielzahl vermittelter Spielertransfers einen Auslandsbezug, soweit ein Wechsel in die Bundesliga oder aus der Bundesliga in Rede steht. Die Relevanz für den Binnenmarkt steht daher außer Frage.

24b) Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die angegriffenen Regelungen die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllen. Auf Grundlage der Feststellungen des Berufungsurteils kann dies nicht angenommen werden.

25c) Die Entscheidung des Falls hängt damit entscheidend davon ab, ob eine Einschränkung des Tatbestands des Art. 101 Abs. 1 AEUV nach Maßgabe der Grundsätze der "Meca Medina"-Entscheidung des Unionsgerichtshofs eingreift, wie das Berufungsgericht angenommen hat.

26aa) Beschränkungen des Verbotstatbestands von Art. 101 Abs. 1 AEUV sind nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs nur für besondere Fallgestaltungen anerkannt (vgl. , WuW/E EU-R 533 Rn. 97 ff. - Wouters; vom - C-1/12, WuW 2013, 545 Rn. 93 - OTOC; vom - C-136/12, WuW 2013, 1243 Rn. 53 f. - Consiglio nazionale dei geologi; vom - C-427/16 und C-428/16, NZKart 2018, 39, Rn. 54 - CHEZ Elektro Bulgaria). Danach fällt nicht jeder Beschluss einer Unternehmensvereinigung, durch den die Handlungsfreiheit von Parteien beschränkt wird, zwangsläufig unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV. Die Vereinbarkeit eines solchen Beschlusses mit den Wettbewerbsregeln der Union kann nicht abstrakt beurteilt werden. Vielmehr sind bei der Anwendung des Kartellverbots der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zu Stande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere seine Zielsetzung zu würdigen. Es ist weiter zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind. Der Unionsgerichtshof hat diese Grundsätze - unter Berücksichtigung der Besonderheiten des sportlichen Wettbewerbs - auch im Bereich der Regelsetzung von Sportverbänden angewandt. Er hat entschieden, dass eine legitime Zielsetzung im vorstehend genannten Sinn auch mit einem sportlichen Regelwerk verfolgt werden kann, soweit es - wie Regeln zur Dopingkontrolle - untrennbar mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs verbunden ist und gerade dazu dient, einen fairen Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten (sog. Meca Medina-Test; EuGH, WuW/E EU-R 1493 Rn. 43, 45 - Meca Medina).

27bb) Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von den bisherigen Fällen, in denen der Unionsgerichtshof für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen eine entsprechende Tatbestandseinschränkung erwogen hat. Die Entscheidungen in den Rechtssachen "Wouters", "OTOC", "CHEZ Elektro Bulgaria" und "Consiglio nazionale dei geologi" betrafen jeweils berufsrechtliche Regelungen von auf gesetzlicher Grundlage gebildeten berufsständischen Vertretungen, denen eine Regelsetzungskompetenz für ihren Bereich zustand (vgl. EuGH, WuW/E EU-R 533 Rn. 44, 62 - Wouters; WuW 2013, 545 Rn. 48 f. - OTOC; WuW 2013, 1243 Rn. 5, 43 f. - Consiglio nazionale dei geologi; NZKart 2018, 39, Rn. 21, 48 - CHEZ Elektro Bulgaria). Der Entscheidung in der Rechtssache "Meca Medina" lagen Anti-Dopingregelungen des Internationalen Olympischen Komitees und eines Schwimmverbands zugrunde (vgl. EuGH, WuW/E EU-R 1493 Rn. 27 f. - Meca Medina). Diese Regelungen betrafen unmittelbar die sportliche Betätigung der Athleten und den fairen Ablauf des Wettkampfs, mithin den Markt für die Veranstaltung von Sportwettkämpfen. Sie bewegten sich damit im Rahmen der Verbandsautonomie, die es Verbänden erlaubt, ihre internen Verhältnisse selbst zu regeln (Art. 12 Abs. 1 GRCh, Art. 11 Abs.1 EMRK, Art. 9 Abs. 1 GG). Das im Streitfall vorliegende Reglement wendet sich zwar ebenfalls an Vereine und Spieler, insofern an die Verbandsmitglieder des Beklagten, es betrifft jedoch ebenso Spielervermittler, die nicht Mitglieder des Beklagten sind. Das Reglement wirkt sich daher auf einen der sportlichen Tätigkeit vorgelagerten Drittmarkt aus, an dem die Vereine und Spieler nur als Nachfrager der Vermittlungsleistung beteiligt sind. Beschränkungen Dritter im Wettbewerb lassen sich nicht allein mit der Vereinsautonomie rechtfertigen. Die privatrechtlichen Beziehungen eines Vereins oder seiner Mitglieder zu anderen Privatrechtssubjekten sind nicht anders zu beurteilen als entsprechende Beziehungen nicht vereinsgebundener Personen (vgl. dazu , NJW 1996, 1203 Rn. 9).

28cc) Ob in Fallgestaltungen wie diesen eine Regelung, die die wirtschaftliche Handlungsfreiheit nicht vereinsgebundener Marktteilnehmer spürbar beschränkt, unter Anwendung des Meca Medina-Tests von dem Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen werden kann, lässt sich der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs nicht eindeutig entnehmen. Dazu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.

29(1) Nach einer Auffassung sind die vom Unionsgerichtshof unter anderem in den Entscheidungen "Wouters" und "Meca Medina" entwickelten Grund-sätze in Fallgestaltungen wie der vorliegenden nicht anwendbar. Diese Grundsätze sollen danach nur gelten, wenn das Regelwerk rein sportliche oder jedenfalls "sportspezifische" Zwecke verfolgt (vgl. Ackermann, WuW 2022, 122, 126; Bien/Becker, ZWeR 2021, 565, 576; Podszun, NZKart 2021, 138, 142; Soldner/Gastell, SpoPrax 2022, 74, 76f.). Dafür spreche, dass der Unionsgerichtshof in der Rechtssache "Meca Medina" darauf abgestellt habe, dass die Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten durch Anti-Dopingregeln mit dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs "untrennbar verbunden" sei (EuGH, WuW/E EU-R 1493 Rn. 45 - Meca Medina). Zudem könne sich eine Befugnis von Sportverbänden zur Regelsetzung in Bezug auf unternehmerische Tätigkeit zwar aus den Besonderheiten sportlicher Wettkämpfe (dazu: Schlussanträge des Generalanwalts vom - C-333/21, juris Rn. 91 - European Super League), der privatrechtlichen Unterwerfung der Mitglieder unter die Verbandssatzung und der rechtlich anerkannten Verbandsautonomie ergeben. Anderes gelte aber, wenn Bedingungen für Märkte geregelt würden, die nicht unmittelbar den sportlichen Wettkampf selbst beträfen, und wenn dabei die Tätigkeit von Unternehmen Gegenstand der Regelung sei, die keine Mitglieder des Sportverbands seien und daher den Inhalt dieser Regelungen nicht beeinflussen könnten. Dann rechtfertigten es weder die Besonderheiten des sportlichen Wettkampfs noch die den Verbänden durch ihre Mitglieder privatrechtlich verliehene Regelsetzungsmacht, gemäß dem Meca Medina-Test des Unionsgerichtshofs von der Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV abzusehen (vgl. Bien/Becker, aaO 588; Podszun, aaO 146). Andernfalls könnte das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen aus Art. 101 Abs. 1 AEUV an Durchsetzungskraft verlieren. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art. 165 Abs. 2 Satz 2 AEUV. Diese Vorschrift ermögliche der Union zur Verwirklichung ihrer sportbezogenen Zielsetzung nach Art. 165 Abs. 4 AEUV nur Empfehlungen und gesetzgeberische Fördermaßnahmen, nicht aber die Lockerung kartellrechtlicher Bindungen (Ackermann, aaO, 122, 126 f.). Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass zur regelhaften Konkretisierung übergeordneter Interessen, die im Widerspruch zu Art. 101 Abs. 1 AEUV stehen, nur der demokratisch legitimierte Gesetzgeber befugt sei (Schweitzer in: Monopolkommission (Hrsg.), Symposium: 40 Jahre Monopolkommission, Baden-Baden 2015 S. 21, 36 f.).

30(2) Nach anderer Ansicht kommt es für die Anwendbarkeit der unter anderem in den Rechtssachen "Wouters" und "Meca Medina" entwickelten Grundsätze nicht darauf an, ob das Reglement eines Sportverbands nur den rein sportlichen Bereich der Verbandstätigkeit - insbesondere die Märkte für die Veranstaltung der Sportwettkämpfe - betrifft oder ob es sich unmittelbar auf Drittmärkte auswirkt. Vielmehr beanspruchten die Grundsätze bereits dann Geltung, wenn die Verbandsregelung überhaupt in irgendeinen sachbezogenen Zusammenhang mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettkampfs gebracht werden könnte. Der Anwendungsbereich der Meca Medina-Grundsätze sei nur dann nicht eröffnet, wenn mit der strittigen Regelung allein (eigen)wirtschaftliche und keinerlei den konkreten Sportwettkampf betreffende sportorganisatorische Ziele verfolgt würden (Heermann, Verbandsautonomie im Sport, 2022, S. 355 Rn. 174). Die Verbandsautonomie sei in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich. Eine legitime Zielsetzung, die der zwingenden Verbotsfolge aus Art. 101 AEUV entgegenstehe, könne unabhängig davon in den Besonderheiten des Sports gesehen werden, dessen ethische Werte nach Art. 165 Abs. 2 Satz 2 AEUV auch zu den erklärten Zielen der Europäischen Union gehörten (vgl. Heermann, SpuRt 2022, 214, 217; WRP 2015, 1172, 1174). Dafür spreche auch, dass der Unionsgerichtshof in der Rechtssache "Meca Medina" nicht ausdrücklich auf die Verbandsautonomie abgestellt, sondern allgemein auf die in der Rechtssache "Wouters" genannten Grundsätze verwiesen habe. Er habe angenommen, die Vereinbarkeit eines Regelwerks mit den unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln sei nicht abstrakt zu beurteilen, sondern es müsse der Gesamtzusammenhang gewürdigt werden, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen sei oder seine Wirkungen entfalte (vgl. EuGH, WuW/E EU-R 1493 Rn. 42 - Meca Medina). Zu dem sportlichen Gesamtzusammenhang könnten auch Regelungen gerechnet werden, die nicht rein sportlichen Charakters seien, sondern die Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch Verbandsmitglieder beträfen, die nur mittelbar Auswirkungen auf die sportliche Tätigkeit haben. Zudem könne es den Markt der Spielervermittlung ohne die Organisation des professionellen Fußballsports durch den Beklagten gar nicht geben, so dass er zumindest insofern mit der sportlichen Betätigung unmittelbar zusammenhänge.

31dd) Sofern die auf einen Drittmarkt bezogene Regelsetzung eines Sportverbands nach Prüfung ihrer Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Regelungsziele von der Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen werden kann und daher Vorlagefrage 1 zu bejahen sein sollte, wäre zu erwägen, diese Prüfung nicht einheitlich für das gesamte von einem Sportverband erlassene Reglement zu eröffnen, sondern von vornherein nur für solche Regelungen, die eine ausreichende Nähe zu der sportlichen Tätigkeit des Verbands aufweisen (Vorlagefrage 2). Eine Prüfung, ob eine legitime Zielsetzung gegeben ist, die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen und ob sie im Hinblick auf diese Ziele verhältnismäßig sind, wäre dann nur im Hinblick auf diese einzelnen Regelungen möglich und erforderlich.

32d) Geht man mit dem Berufungsgericht davon aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang des Reglements eine legitime Zielsetzung im Sinne der "Meca Medina"-Rechtsprechung ergibt, wären die angegriffenen Einzelregelungen jeweils daraufhin zu untersuchen, ob sie dieser allgemeinen Zielsetzung entsprechen. Auf einer zweiten Prüfungsstufe wäre zu untersuchen, ob ein notwendiger Zusammenhang zwischen der Verfolgung der legitimen Zielsetzung und der Wettbewerbsbeschränkung besteht. In einem dritten Schritt wäre zu prüfen, ob die jeweilige wettbewerbsbeschränkende Maßnahme verhältnismäßig, also zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Bei Anwendung des Meca Medina-Tests könnte sich jedenfalls ein Teil der angegriffenen Regelungen als mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar erweisen.

33Ist hingegen der Meca Medina-Test auf Regelwerke der streitgegenständlichen Art, die mit dem von einem Sportverband organisierten Spielbetrieb nur in einem weiteren Zusammenhang stehen, nicht anwendbar, wäre für sämtliche angegriffenen Regelungen ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV zu bejahen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:130623BKZR71.21.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-43668