Lohnsteuer | Zufluss des geldwerten Vorteils aus vorausbezahlten Krankenversicherungsbeiträgen des Arbeitgebers (FG)
Durch die jährliche Vorauszahlung der Krankenversicherungsbeiträge entsteht kein von den laufenden (monatlichen) Lohnzahlungszeiträumen abweichender Zufluss des Sachbezugs "Versicherungsschutz" beim Arbeitnehmer, wenn dieser zum Zeitpunkt der Beitragszahlung durch den Arbeitgeber noch keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung für das gesamte Versicherungsjahr hat (, rechtskräftig).
Sachverhalt: Die Klägerin hatte für ihre über 300 Arbeitnehmer ab Juni 2012 eine betriebliche Gruppenversicherung abgeschlossen. Versichert waren Zusatzleistungen zur Krankenversicherung (Vorsorge, Reise, Zahnbehandlung, Zahnersatz). Die Klägerin war Versicherungsnehmerin, Hauptversicherte waren deren Arbeitnehmer. Die Vertragsdauer betrug pro versicherter Person ein Jahr. Der für die versicherte Person abgeschlossene Tarif endete mit dem Ausscheiden aus dem nach dem Gruppenversicherungsvertrag versicherbaren Personenkreis. Die Beiträge für die Gruppenversicherung waren als laufende Monatsbeiträge kalkuliert und monatlich zu zahlen. Die Klägerin leistete die Beiträge als jährliche Vorauszahlung, weil sie hierfür einen Nachlass von 4 % erhielt. Die Beiträge beliefen sich je Arbeitnehmer auf Beträge zwischen 99,19 € und 432,92 € jährlich.
Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung vertrat das beklagte FA die Auffassung, dass die Beitragszahlung der Klägerin in den Streitjahren 2014 und 2015 zum Zufluss von Barlohn für die Arbeitnehmer führe und die 44 €-Freigrenze für Sachbezüge nicht anwendbar sei. Das gegen den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer geführte Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Das FG Baden-Württemberg gab der Klage gegen den Nachforderungsbescheid statt:
Die jährlich bezahlten Beiträge zu der Gruppenkrankenversicherung sind dem jeweiligen Arbeitnehmer im Kalendermonat der Beitragszahlung als Sachlohn zugeflossen. Die 44 €-Grenze wurde nicht überschritten.
Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehörten auch Sachbezüge, wie sie in § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG im Klammerzusatz als Regelbeispiel aufgeführt sind („Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge)“. Ein Sachbezug liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Anspruch, eine Sach- und Dienstleistung beziehen zu können, einräumt. Dies ist bei der Verschaffung von Versicherungsschutz zu bejahen.
Die durch den Sachbezug bewirkte Bereicherung des jeweiligen Arbeitnehmers ist auch „für“ die Arbeitsleistung gewährt worden. Die Aufnahme der Arbeitnehmer der Klägerin in den Gruppenversicherungsvertrag ist durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst. (Haupt-)Versicherte sind die Arbeitnehmer der Klägerin. Der Versicherungsschutz ist nach den Versicherungsbedingungen an die Arbeitnehmereigenschaft bei der Klägerin gebunden gewesen und für die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer gewährt worden.
Die Gewährung von Krankenversicherungsschutz ist in Höhe der geleisteten Beiträge Sachlohn, wenn der Arbeitnehmer auf Grund des Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz und nicht auch eine Geldzahlung verlangen kann. Zahlt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer dagegen einen Zuschuss unter der Bedingung, dass dieser mit einem vom Arbeitgeber benannten Unternehmen einen Vertrag schließt, wendet er Geld und nicht eine Sache zu. Im vorliegenden Streitfall stellen die von der Klägerin an die Versicherungsgesellschaft geleisteten Beiträge zur Gewährung von Krankenversicherungsschutz Sachlohn dar.
Die Verschaffung von Krankenversicherungsschutz unterliegt als Sachbezug der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG in der in den Streitjahren 2014 und 2015 gültigen Fassung. Danach bleiben Sachbezüge außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 € im Kalendermonat nicht übersteigen. Für die Berechnung der monatlichen Freigrenze ist der Zuflusszeitpunkt des Sachbezugs maßgeblich.
Der von der Klägerin zugewandte Versicherungsschutz ist laufender Arbeitslohn i. S. von § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG, der den Arbeitnehmern regelmäßig und nicht einmalig im Kalenderjahr mit der Zahlung der Beiträge durch die Klägerin an die Versicherungsgesellschaft zugeflossen ist. Die Arbeitnehmer haben die wirtschaftliche Verfügungsmacht mit der monatlichen Gewährung des Versicherungsschutzes erlangt. Nach den Versicherungsbedingungen haben die Beiträge für die Versicherung als laufende Monatsbeiträge (Zahlungsperiode) gezahlt werden müssen und sind als Monatsbeiträge kalkuliert gewesen. Lediglich hinsichtlich der Fälligkeit der Beiträge hat für die Klägerin die Möglichkeit bestanden, mehrere Monatsbeiträge im Voraus zu zahlen, um einen Nachlass zu erhalten. Ein Beitragsrabatt ändert aber nichts an der vereinbarten monatlichen Zahlungsperiode.
Mit der jährlichen Vorauszahlung der Beiträge ist den Arbeitnehmern der Sachbezug „Versicherungsschutz“ bei wirtschaftlicher Betrachtung noch nicht zugeflossen. Zwar erlangen die Arbeitnehmer als Versicherte einen unmittelbaren Anspruch auf Krankenversicherungsschutz gegen die Versicherungsgesellschaft. Die Arbeitnehmer haben zum Zeitpunkt der Beitragszahlung durch die Klägerin jedoch noch keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung für das gesamte Versicherungsjahr gehabt, der durch die Klägerin als Arbeitgeberin bereits im jährlichen Zahlungszeitpunkt der Beiträge zu erfüllen und von ihr in voller Höhe der Beiträge geschuldet gewesen ist. Hinzukommen muss das Fortbestehen des jeweiligen Arbeitsverhältnisses während des Versicherungsjahres. Die Arbeitnehmer haben im Zeitpunkt der jährlichen Beitragszahlung daher noch keinen unentziehbaren Rechtsanspruch auf Versicherungsschutz für das Versicherungsjahr gehabt.
Für die Bewertung der Sachbezüge ist der monatlich zugeflossene geldwerte Vorteil maßgeblich, der gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen ist. Vorliegend haben die Beteiligten hinsichtlich der Höhe der Sachbezugswerte eine tatsächliche Verständigung getroffen, dass die jeweiligen Sachbezugswerte des Versicherungsschutzes den von der Klägerin bezahlten Versicherungsprämien von monatlich zwischen 8,27 € und 36,08 € je Arbeitnehmer entsprechen. Die Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG i. H. v. 44 € ist demzufolge nicht überschritten.
Quelle: FG Baden-Württemberg Newsletter 1/2023 (il)
Fundstelle(n):
QAAAJ-43629