BGH Urteil v. - III ZR 17/22

Haftung des Tiefbauunternehmers für Beschädigungen an unterirdisch verlegten Versorgungsleitungen in Zusammenhang mit Bauarbeiten an öffentlichen Straßen

Gesetze: § 249 BGB, § 276 Abs 2 BGB, § 823 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 11 U 16/21vorgehend Az: 13 O 154/19

Tatbestand

1Die Klägerin, die unter anderem ein entlang der Bundesstraße 76 im Bereich R.      verlaufendes Stromnetz betreibt, verlangt von der Beklagten zu 1 (im Folgenden auch: Beklagte), einem Tief- und Straßenbauunternehmen, und dem am Revisionsverfahren nicht beteiligten Land Schleswig-Holstein, dem vormaligen Beklagten zu 2, Schadensersatz wegen Beschädigung einer Stromleitung.

2Die Beklagte wurde mit Zuschlagsschreiben des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein vom im Namen und für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland beauftragt, im Zuge der Fahrbahnerneuerung der Bundesstraße 76 in diesem Bereich Fahrzeugrückhaltesysteme (im Folgenden auch: Schutz- oder Leitplanken) entlang der Fahrbahn zu errichten. In der dem Zuschlag vorausgegangenen Aufforderung des beklagten Landes zur Abgabe eines Angebots wurde unter Nummer 2.10 auf Folgendes hingewiesen:

"Von Station 4,835 bis Station 5,400 ist im nördlichen Randbereich eine Stromleitung verlegt. Andere Versorgungsleitungen in Längsverlegung sind gemäß Bauentwurfsunterlagen nicht vorhanden. Vereinzelt ist mit kreuzenden Versorgungsleitungen zu rechnen. Das Aufsuchen und Abstecken der Rohrleitungen wird gesondert vergütet."

3Die der Beauftragung zugrundeliegende Leistungsbeschreibung enthält in dem Abschnitt "Allgemeine Beschreibung der Leistung" folgende Festlegung:

"Die tatsächlichen Achsen der im Konfliktbereich mit den geplanten Schutzeinrichtungen liegenden Leitungen sind festzustellen und in ihrem Verlauf zu markieren sowie darauf aufbauend ist die Achse der Schutzeinrichtungen festzulegen."

4Die gemäß Abschnitt 5 der Allgemeinen Leistungsbeschreibung vertragsgegenständlichen "Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Fahrzeug-Rückhaltesysteme" (ZTV FRS Ausgabe 2013) regeln in Nummer 5.2.4.1 Folgendes:

"Vorbereitung Untergrund und Unterlage

(1) Vor Beginn der Arbeiten hat sich der Auftragnehmer über die Lage und den Verlauf von Kabeln, Rohren, Leitungen etc. zu informieren. Im Bereich von unterirdischen Leitungen ist vom Auftragnehmer sicherzustellen, dass diese durch die Arbeiten nicht beschädigt werden. Im Übrigen sind die Anweisungen des Eigentümers von Kabeln, Rohrleitungen usw. zu beachten.

(2) Bei Bedarf sind vom Auftragnehmer in Abstimmung mit dem Auftraggeber die Lage von Kabeln und Leitungen mit Such- und/oder Kontrollgrabungen festzustellen und zu dokumentieren."

5In der Planauskunft (Stand: ), die das beklagte Land vor Beginn der Arbeiten von der Klägerin erhalten und an die Beklagte weitergereicht hatte, war vermerkt, dass die Lage der Leitungen von den Planangaben abweichen könne und deshalb durch fachgerechte Erkundungsmaßnahmen vor Ort festgestellt werden müsse. Da die Straße nach Aufstellung der Bestandspläne auf Veranlassung des beklagten Landes verbreitert worden war, lag die aus den Plänen ersichtliche Stromleitung (inzwischen) tatsächlich näher am Fahrbahnrand. Die Beklagte führte vor Beginn ihrer Arbeiten keine Maßnahmen zur Überprüfung durch, ob in den Bereichen, in denen sie Schutzplanken errichtete, Versorgungsleitungen verliefen beziehungsweise die übergebenen Pläne mit der tatsächlichen Lage der Stromleitungen übereinstimmten. Sie richtete insoweit auch keine Anfrage an die Klägerin. Im September 2016 beschädigten Mitarbeiter der Beklagten eine entlang der Fahrbahn verlaufende unterirdische Stromleitung, die im Eigentum der Klägerin stand, im Zuge von Rammarbeiten für Pfosten zur Leitplankenbefestigung. Die erforderliche Reparatur verursachte Kosten in Höhe von 22.631,45 €.

6Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte und das Land Schleswig-Holstein hafteten als Gesamtschuldner gemäß § 823 Abs. 1, § 840 Abs. 1 BGB. Die Beklagte sei für den entstandenen Schaden verantwortlich, weil sie versäumt habe, vor Beginn der Rammarbeiten die genaue Lage der Leitung durch Ausschachtungen selbst zu ermitteln. Sie sei weder mit hoheitlichen Tätigkeiten beauftragt worden noch als Verwaltungshelferin anzusehen und habe ihre Arbeiten ohne Bindung an konkrete Weisungen völlig selbständig durchgeführt. Das Land hafte, weil es der Beklagten überholte Pläne zur Verfügung gestellt habe.

7Die Beklagte hat sich damit verteidigt, sie sei nicht passivlegitimiert, weil sie bei der Errichtung der Schutzplanken in Erfüllung einer Amtspflicht als Verwaltungshelferin ohne eigenen Entscheidungs- und Ermessensspielraum tätig geworden sei. Sie treffe auch kein Verschulden. Auf die ihr übergebenen - nicht mehr aktuellen beziehungsweise unrichtigen - Lagepläne habe sie vertrauen dürfen.

8Das Landgericht hat das beklagte Land antragsgemäß zur Zahlung von 22.631,45 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 22.631,45 € nebst Zinsen und darüber hinaus die Beklagte zu 1 zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen sowie weiterer Zinsen auf den Hauptsachebetrag verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte zu 1 die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

9Die Revision der Beklagten zu 1 hat keinen Erfolg.

I.

10Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO insgesamt statthaft.

11Im Tenor der angefochtenen Entscheidung wurde die Revisionszulassung uneingeschränkt ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat die Revisionszulassung damit begründet, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, dass die Erledigung hoheitlicher Aufgaben durch ein privates Unternehmen dann nicht als Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne des Art. 34 GG anzusehen sei, wenn die Arbeiten durch die öffentliche Hand so wenig beeinflusst würden wie im vorliegenden Fall (BU 8 Abs. 2). Daraus lässt sich nicht mit der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit entnehmen, dass das Berufungsgericht die Revision der Beklagten nur eingeschränkt zulassen wollte, zumal eine Beschränkung auf die aufgeworfene Rechtsfrage nicht zulässig wäre. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Eine Beschränkung auf bestimmte Rechtsfragen, Anspruchselemente oder einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen ist nicht zulässig (Senat, Urteile vom - III ZR 148/19, WM 2020, 1862 Rn. 13 und vom - III ZR 84/21, WM 2022, 514 Rn. 15).

12Da das Berufungsgericht die Revision unbeschränkt zugelassen hat, ist die vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegenstandslos (vgl. Senat, Urteile vom - III ZR 33/14, NJW 2015, 152 Rn. 28 und vom - III ZR 90/14, WM 2015, 569 Rn. 9).

II.

13Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung in Bezug auf die Beklagte zu 1 im Wesentlichen ausgeführt:

14Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB auf Erstattung der Reparaturkosten in Höhe von 22.631,45 € zu. Die Beschädigung der Stromleitung durch die Beklagte sei widerrechtlich und fahrlässig geschehen. Sie habe mit den Rammarbeiten nicht beginnen dürfen, ohne zuvor weitere Auskünfte der Klägerin als Leitungsbetreiberin einzuholen oder den Boden durch geeignete Ausschachtungen selbst zu untersuchen (Hinweis auf , NJW 1971, 1313). Dafür spreche auch der Vermerk in den Leitungsplänen, wonach die konkrete Lage der Leitungen noch der Überprüfung bedürfe. Die Klägerin sei für die Fehlerhaftigkeit der Pläne nicht verantwortlich, da sie bei Übergabe der Pläne an das Land nicht habe wissen müssen, dass dieses inzwischen die Straße habe verbreitern lassen.

15Bei ihren Arbeiten habe die Beklagte kein öffentliches Amt gemäß Art. 34 GG ausgeübt. Insbesondere sei sie nicht als Verwaltungshelferin tätig geworden. Zwar habe sie eine hoheitliche Aufgabe erledigt. Zum Straßenbau im Sinne des § 10 Abs. 4 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein (StrWG SH) gehöre auch die Ausstattung der Straßen mit Schutzeinrichtungen. Im vorliegenden Fall trete der hoheitliche Charakter der Arbeiten jedoch eher in den Hintergrund, weil der Sicherheitsgewinn einer Leitplanke anders als derjenige eines Verkehrsschildes nicht durch eine Allgemeinverfügung, sondern rein tatsächlich erzielt werde. Auch habe die Beklagte über einen relevanten Entscheidungsspielraum verfügt. Sie habe innerhalb gewisser Grenzen selbst bestimmen dürfen, wie sie die Leitplanken ausführe und in welchem Umfang und wo genau sie vorher zur Bodenuntersuchung stichprobenartig Suchschächte aushebe.

III.

16Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

17Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte gemäß § 823 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz haftet. Sie ist nicht als Verwaltungshelferin des Landes Schleswig-Holstein tätig geworden, sondern hat die Leitplanken als private Fachfirma in eigener Verantwortung und mit einem relevanten eigenen Ausführungsspielraum montiert. Es liegt kein Fall der Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG vor.

18Da das beklagte Land unter dem - also nach Revisionseinlegung - an die Klägerin einen Betrag von 22.631,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem mit Erfüllungswirkung auch gegenüber der Beklagten (§ 422 Abs. 1 Satz 1 BGB) bezahlt und die Beklagte der Teilerledigungserklärung der Klägerin widersprochen hat, war insoweit die Erledigung des Rechtsstreits auszusprechen. Dies ist, wenn - wie hier - das erledigende Ereignis unzweifelhaft eingetreten ist, auch in der Revisionsinstanz möglich (vgl. , NJW 1965, 537; vom - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359, 368; vom - XII ZR 184/97, BGHZ 141, 307, 316 und vom - II ZR 278/16, NJW 2019, 2777 Rn. 13).

191. In seinem Anwendungsbereich verdrängt § 839 BGB als vorrangige Spezialregelung konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff BGB. Im Rahmen der Haftung nach § 839 BGB tritt gemäß Art. 34 Satz 1 GG - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - der Staat beziehungsweise die jeweilige Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat; in diesem Falle scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom - III ZR 124/18, NJW-RR 2019, 1163 Rn. 10 m. zahlr. w.N.).

202. Der Anwendungsbereich der Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ist jedoch nicht eröffnet, da die Mitarbeiter der Beklagten bei den die Montage der Schutzplanken vorbereitenden Rammarbeiten nicht in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes handelten.

21a) Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich nach der ständigen Senatsrechtsprechung danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (siehe nur Senat, Urteile vom - III ZR 86/08, BGHZ 181, 65 Rn. 10; vom - III ZR 240/10, BGHZ 191, 71 Rn. 13; vom - III ZR 320/12, BGHZ 200, 253 Rn. 31; vom - III ZR 68/14, NJW 2014, 3580 Rn. 17 und vom aaO Rn. 18; Beschluss vom - III ZR 339/09, NVwZ-RR 2011, 556 Rn. 7; jew. mwN).

22Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (Senat, Urteile vom - III ZR 189/91, BGHZ 121, 161, 164 ff; vom - III ZR 169/04, BGHZ 161, 6, 10; vom - III ZR 131/05, VersR 2006, 698 Rn. 7; vom aaO Rn. 17 und vom aaO). Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe bestehen, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder "Erfüllungsgehilfe" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (Senat, Urteile vom aaO und vom aaO).

23Da die auf bürgerlich-rechtlicher Grundlage beruhende Heranziehung privater Unternehmer zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eine Vielzahl von Fallgestaltungen umfasst, die sich sowohl durch den Charakter der jeweils wahrgenommenen Aufgabe als auch durch die unterschiedliche Sachnähe der übertragenen Tätigkeit zu dieser Aufgabe sowie durch den Grad der Einbindung des Unternehmers in den behördlichen Pflichtenkreis unterscheiden, ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, der ein "bewegliches Beurteilungsraster" zugrunde liegt: Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt - was vor allem in der Eingriffsverwaltung der Fall ist -, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (Senat, Urteile vom aaO S. 165 f; vom aaO und vom aaO Rn. 18 und 26; siehe auch BeckOGK/Dörr, BGB, § 839 Rn. 63 [Stand: ]; Remmert, WM 2020, 1453, 1455 f).

24b) Das Berufungsgericht hat die Verwaltungshelfereigenschaft der Beklagten unter Zugrundelegung dieses Maßstabs zutreffend verneint. Bei den von ihr zu erbringenden Ramm- und Montagearbeiten stand der hoheitliche Charakter nicht im Vordergrund. Die Beklagte verfügte zudem über einen relevanten eigenen Ausführungsspielraum.

25aa) Zwar handelt es sich bei der Errichtung von Schutzplanken im Rahmen der Erneuerung einer öffentlichen Straße als Maßnahme der Verkehrssicherung um eine hoheitliche Aufgabe. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 StrWG SH werden die mit dem Bau, der Unterhaltung und der Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen zusammenhängenden Aufgaben als Amtspflichten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit wahrgenommen.

26Der hoheitliche Charakter steht bei der Errichtung von Schutzplanken jedoch nicht im Vordergrund. Es handelt sich um eine Maßnahme im Bereich der Daseinsvorsorge. Hier ist eine Haftung des Staates für das Handeln Privater zwar nicht von vornherein ausgeschlossen (zB Senat, Urteil vom aaO Rn. 9 ff zur Wahrnehmung des Winterdienstes als hoheitliche Aufgabe), allerdings ist sie nicht in gleicher Weise geboten wie im Bereich der Eingriffsverwaltung, in dem der Staat mit hoheitlichen Anordnungen in die Rechts- und Freiheitssphäre von Bürgern eingreift und sich daher nicht der eigenen Haftung dadurch entziehen kann, dass er die Durchführung einer Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (Senat, Urteile vom aaO; vom aaO Rn. 17 und vom aaO Rn. 18). Im Bereich der Daseinsvorsorge kommt eine Haftung des Staates insbesondere dann in Betracht, wenn die übertragene Aufgabe einen engen Bezug zur Eingriffsverwaltung aufweist wie zum Beispiel die Aufstellung eines Verkehrszeichens, wodurch eine Verkehrsregelung unmittelbar umgesetzt wird (vgl. Senat, Urteil vom aaO Rn. 16). Dies ist bei Schutzplanken, die der passiven Verkehrssicherheit und nicht der Verkehrslenkung dienen, nicht der Fall (vgl. BeckOGK/Dörr aaO Rn. 61 aE).

27bb) Frei von Rechtsfehlern ist die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht lediglich als "Werkzeug" oder "verlängerter Arm" der öffentlichen Hand agiert, ihr habe vielmehr ein relevanter eigener Ausführungsspielraum zugestanden.

28(1) Werden selbständige Unternehmer im schlicht-hoheitlichen Bereich auf privatrechtlicher Grundlage mit dienst- oder werkvertraglichen Leistungen beauftragt, ist bei Anwendung des vorgenannten "beweglichen Beurteilungsrasters" eine differenzierende Betrachtung geboten. Erfolgt eine erhebliche Einflussnahme der öffentlichen Hand, etwa durch bindende Vorgaben, Weisungen oder detaillierte Planungen, liegt die Einordnung des privaten Unternehmers als Verwaltungshelfer nahe. Anders verhält es sich, wenn dem Unternehmer nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung ein relevanter eigener Entscheidungs- beziehungsweise Ausführungsspielraum verbleibt. Das Maß der Einflussnahme durch die öffentliche Hand war bereits in den früheren Entscheidungen des Senats, in denen die sogenannte "Werkzeugtheorie" zur Anwendung kam, ein zentrales Abgrenzungskriterium und ist es nach Entwicklung der Rechtsfigur des Verwaltungshelfers geblieben, indem dieser Gesichtspunkt nunmehr in die anzustellende Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist (vgl. Senat, Urteile vom - III ZR 94/65, VersR 1967, 859, 861; vom - III ZR 23/65, BGHZ 48, 98, 103; vom - III ZR 120/68, NJW 1971, 2220, 2221; vom - III ZR 153/78, NJW 1980, 1679; vom - III ZR 158/91, BGHZ 125, 19, 25 und vom aaO Rn. 21; BeckOGK/Dörr aaO § 839 Rn. 60; Remmert aaO S. 1458). Dabei liegt die Annahme, der Unternehmer habe als "Werkzeug" oder "verlängerter Arm" der Behörde gehandelt, bei einfach gelagerten Tätigkeiten näher als bei einem komplexen (Bau-)Vorhaben, bei dem die öffentliche Hand als Auftraggeber regelmäßig ein Fachunternehmen gerade wegen dessen besonderer Sachkunde heranzieht.

29(2) Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechungsgrundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Seine Würdigung, dass die vertragliche Gestaltung einen relevanten eigenen Entscheidungs- beziehungsweise Ausführungsspielraum der Beklagten belege, weil die Beklagte innerhalb gewisser Grenzen selbst habe bestimmen dürfen, wie sie die Leitplanken ausführe und in welchem Umfang und wo genau sie vorher zur Bodenuntersuchung stichprobenartig Suchschächte aushebe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen. Bereits die Leistungsbeschreibung (S. 2) wies dem Auftragnehmer die Aufgabe zu, die tatsächlichen Achsen der im Konfliktbereich mit den geplanten Schutzeinrichtungen liegenden Leitungen festzustellen und in ihrem Verlauf zu markieren sowie darauf aufbauend die Achse der Schutzeinrichtungen festzulegen (GA I 198). Gemäß Abschnitt 5 der Allgemeinen Leistungsbeschreibung war die ZTV FRS (Ausgabe 2013) Vertragsbestandteil. Deren Nummer 5.2.4.1 Abs. 1 verpflichtete den Auftragnehmer, sich über Lage und Verlauf von Kabeln, Rohren und Leitungen etc. zu informieren, um sicherzustellen, dass es nicht zur Beschädigung unterirdischer Leitungen kommt. Dementsprechend hat der Auftragnehmer gemäß Nummer 5.2.4.1 Abs. 2 bei Bedarf und in Abstimmung mit dem Auftraggeber die Lage von Kabeln und Leitungen mit Such- und/oder Kontrollgrabungen festzustellen und zu dokumentieren. Dass ein solcher Bedarf vorliegend gegeben war, folgt insbesondere aus der der Beklagten ausgehändigten Planauskunft der Klägerin, in der ausdrücklich vermerkt war, dass Angaben und Maßzahlen hinsichtlich der Lage und Verlegungstiefe unverbindlich sind und mit Abweichungen gerechnet werden muss, weshalb die genaue Lage und der Verlauf der Leitungen in jedem Fall durch fachgerechte Erkundungsmaßnahmen (Ortung, Querschläge, Suchschlitze, Handschachtung o.ä.) festzustellen sind (Anlage K 19 = GA I 141).

30Entgegen der Auffassung der Revision spricht der Umstand, dass nach dem Vorbringen der Beklagten bei einem gemeinsamen Ortstermin mit Mitarbeitern des Landes "alle vorhandenen Entwässerungs- und Versorgungsleitungen gekennzeichnet" und gleichzeitig die "Abmessungen und Stationierungen der herzustellenden Streifenfundamente, auf welchen eine aufgedübelte Schutzplankenkonstruktion errichtet werden sollte, abgesteckt worden" seien, nicht gegen einen relevanten Ausführungsspielraum der Beklagten. Die Abhaltung eines gemeinsamen Ortstermins war vielmehr Ausdruck des im Baurecht herrschenden Kooperationsgebots (vgl. BeckOGK/Lasch, BGB, § 642 Rn. 7 [Stand: ] und verdeutlicht, dass von Auftraggeberseite der Beklagten gerade keine einseitigen Weisungen im Zusammenhang mit der Planung und Errichtung der Schutzplanken erteilt wurden. Die Planung und Durchführung der Montagearbeiten oblag in erster Linie der Beklagten als dem verantwortlichen Fachunternehmen unter Beachtung etwaiger technischer Richtlinien, in denen zum Beispiel der Montageabstand zum Fahrbahnrand präzisiert wurde (Revisionsbegründung, S. 9). Dass die Beklagte bei der Montage der Schutzplanken die - der Angebotskalkulation zugrunde liegende - Leistungsbeschreibung sowie eine Reihe technischer Anforderungen zu beachten hatte und es sich um standardisierte Bauteile handelte, machte sie nicht zum bloßen "verlängerten Arm" der öffentlichen Hand. Die konkrete Planung der Ramm- und Montagearbeiten sowie der damit zusammenhängende Bauablauf lagen weiterhin in ihren Händen. Insbesondere die gefahrträchtigen Rammarbeiten hatte die Beklagte in eigener Verantwortung und ohne diesbezügliche Detailvorgaben durchzuführen.

31c) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe, soweit es die Passivlegitimation der Beklagten zu 1 bejaht habe, unter Verletzung seiner Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, greift nicht durch.

32Zwar darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen, vom Berufungsgericht einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und auf Grund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - VI ZR 346/18, NJW-RR 2020, 574 Rn. 9 und vom - XII ZR 26/21, juris Rn. 10; jew. mwN). So liegt der Fall hier aber nicht. Da die von Anfang an umstrittene Frage der Passivlegitimation zentraler Inhalt der Berufungsbegründung der Klägerin war (S. 5 ff = GA III 623 ff), musste die Beklagte mit einer abweichenden Beurteilung durch das Berufungsgericht rechnen. Dieses hat die Sach- und Rechtslage zudem mit den Parteien in dem Termin am erörtert (GA IV 868). Dabei hat es ergänzendes Vorbringen der Beklagten oder einen bislang unterbliebenen Beweisantritt nicht für erforderlich gehalten. Ein Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO war nach alledem nicht geboten (vgl. , NJW 2010, 3089 Rn. 18; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 19. Aufl., § 139 Rn. 19; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 139 Rn. 6).

33Darüber hinaus zeigt die Revision auch kein erhebliches Vorbringen auf, das sie bei Erteilung eines ausdrücklichen Hinweises gehalten hätte. Denn die von ihr in der Revisionsbegründung angeführten Umstände - insbesondere die Festlegungen in der Leistungsbeschreibung, etwaige technische Regeln sowie der gemeinsame Ortstermin - vermögen, wie unter 2 b bb (2) ausgeführt, den vom Berufungsgericht angenommenen relevanten eigenen Ausführungsspielraum der Beklagten im Zusammenhang mit der Errichtung der Schutzplanken nicht in Frage zu stellen.

343. Das Berufungsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB rechtsfehlerfrei bejaht.

35a) Anders als die Revision meint, ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht § 823 Abs. 1 BGB und nicht § 831 BGB als Anspruchsgrundlage herangezogen hat. Eine juristische Person ist verpflichtet, die innerbetrieblichen Abläufe so zu organisieren, dass eine Schädigung Dritter in dem gebotenen Umfang vermieden wird. Für alle wichtigen Aufgabengebiete muss ein verfassungsmäßiger Vertreter im Sinne des § 31 BGB zuständig sein, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich ein Unternehmen so behandeln lassen, als wäre die tatsächlich eingesetzte Person nicht nur Verrichtungsgehilfe, sondern ein verfassungsmäßiger Vertreter. Die Beklagte muss sich danach die (verfehlte) Entscheidung der Unternehmensleitung beziehungsweise ihres örtlichen Bauleiters, keine eigenen Erkundigungen zur Lage der Versorgungsleitungen vorzunehmen und sich ohne weitere Prüfung auf die ihr übergebenen - infolge der Fahrbahnverbreiterung ersichtlich nicht mehr aktuellen - Leitungspläne zu verlassen, in jedem Fall ohne Entlastungsmöglichkeit zurechnen lassen, und zwar unabhängig davon, ob ein verfassungsmäßiger Vertreter mit der Überwachung der Tiefbauarbeiten betraut war (vgl. , NJW 1971, 1313, 1314 f; vom - VI ZR 129/81, VersR 1983, 152, 153 und vom - VI ZR 408/94, NJW-RR 1996, 867, 868; BeckOGK/Offenloch, BGB, § 31 Rn. 123 ff [Stand: ]; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 31 Rn. 7 f; Grüneberg/Sprau aaO § 823 Rn. 50; MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl., § 31 Rn. 33 f; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 823 Rn. 108).

36b) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte ihre Pflichten als Tiefbauunternehmerin sorgfaltswidrig verletzt hat.

37aa) Tiefbauunternehmer haben bei Bauarbeiten an öffentlichen Straßen mit dem Vorhandensein unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu rechnen, äußerste Vorsicht walten zu lassen und müssen sich der unverhältnismäßig großen Gefahren bewusst sein, die durch eine Beschädigung von Strom-, Gas-, Wasser- oder Telefonleitungen hervorgerufen werden können ( aaO; vom aaO S. 152; vom - VI ZR 33/05, NJW-RR 2006, 674, Rn. 8 und vom - VII ZR 172/08, NJW 2010, 1592, Rn. 20). Leben und Gesundheit von Menschen sind bei unsachgemäßer Ausführung derartiger Arbeiten gefährdet, insbesondere bei Berührung eines Starkstromkabels oder durch die Folgen ausströmenden Gases. Deshalb sind an die im Bereich von Versorgungsleitungen tätigen Tiefbauunternehmer hohe Anforderungen an die Erkundigungs- und Sicherungspflichten bezüglich der verlegten Versorgungsleitungen zu stellen. Der Tiefbauunternehmer muss sich im Rahmen der allgemeinen technischen Erfahrung die Kenntnisse verschaffen, welche die sichere Bewältigung der auszuführenden Arbeiten voraussetzt. Er ist insbesondere verpflichtet, sich den erforderlichen Grad von Gewissheit über den Verlauf der Gasleitungen wie auch sonstiger Versorgungsleitungen zu verschaffen, und zwar dort, wo die entsprechenden zuverlässigen Unterlagen vorhanden sind ( aaO und vom aaO).

38bb) Vor diesem Hintergrund begegnet die Annahme eines Sorgfaltspflichtverstoßes durch das Berufungsgericht keinen Bedenken.

39Dass die ihr übergebenen Leitungspläne (möglicherweise) nicht mehr aktuell waren, musste sich der Beklagten aufdrängen. Die Planauskunft datierte vom und bezog sich damit auf einen Zeitraum vor der grundhaften Fahrbahnerneuerung und -erweiterung der Bundesstraße 76. Sie enthielt zudem den deutlichen Hinweis, dass die Lage der Leitungen von den Planangaben abweichen kann und deshalb durch fachgerechte Erkundungsmaßnahmen vor Ort festgestellt werden muss (BU 3 Abs. 1). Angesichts dieser Ausgangssituation war ein bloßer "Ortstermin" zur sicheren Kennzeichnung der vorhandenen Entwässerungs- und Versorgungsleitungen völlig unzureichend. Vielmehr hätte die Beklagte sich über den tatsächlichen Verlauf der Stromleitungen durch Erkundigungen beziehungsweise geeignete Maßnahmen, zum Beispiel in Form von Suchschächten und Grabungen in Handschachtung, vergewissern müssen, bevor sie eine Rammung in diesem Bereich durchführte. Ohne eine zuverlässige Klärung des genauen Leitungsverlaufs hätte sie die Rammarbeiten nicht beginnen dürfen.

40Es kann die Beklagte auch nicht entlasten, dass in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots unter Nummer 2.10 nur auf eine Stromleitung im nördlichen Randbereich hingewiesen und im Übrigen erklärt wurde, dass andere Versorgungsleitungen in Längsrichtung "gemäß Bauentwurfsunterlagen" nicht vorhanden seien. Entgegen der Auffassung der Revision liegt darin schon dem Wortlaut nach keine Zusicherung des Landes, dass im Baubereich keine weiteren Versorgungsleitungen außer der konkret benannten Leitung verliefen. Wie ausgeführt, bestand die Aufgabe der Beklagten als Tiefbauunternehmerin gerade darin, sich vor Ausführungsbeginn über den tatsächlichen Verlauf etwaiger Versorgungsleitungen zuverlässig zu vergewissern. Auf den allgemein gehaltenen Hinweis in den Ausschreibungsunterlagen, der sich nur auf die Bauentwurfsunterlagen stützte, durfte sie sich keinesfalls verlassen.

41c) Durch die Beschädigung des Stromkabels der Klägerin wurde deren Eigentum verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB). Die Höhe der gemäß § 249 Abs. 2 BGB erforderlichen Reparaturkosten ist in der Revisionsinstanz nicht mehr streitig.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:130423UIIIZR17.22.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-43304