Handel mit Betäubungsmitteln: Verfahrensrüge bei fehlerhafter Verwertung eines schriftlichen Wirkstoffgutachtens
Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 46 Abs 1 StGB, § 46 Abs 3 StGB, § 261 StPO
Instanzenzug: Az: 323 KLs 10/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Der Verfahrensrüge liegt Folgendes zu Grunde:
3Das Landgericht hat den Wirkstoffgehalt der vom Angeklagten R. im Sinne eines uneigentlichen Organisationsdelikts in 2.167 Einzelakten veräußerten insgesamt 286,914 kg Amphetamin geschätzt. Dazu hat es unter anderem die Auswertung der bei einem Testkauf durch das Bundeskriminalamt gesicherten 50 g Amphetamin bewertet, die nach den Urteilsgründen „ausweislich des Wirkstoffgutachtens des Kriminaltechnischen Instituts des Bundeskriminalamts vom einen Wirkstoffgehalt von 21,8 % Amphetaminbase aufwiesen. Die Kammer hat danach einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 20 % Amphetaminbase hinsichtlich des über Kontaktmann abgesetzten Amphetamins angenommen“.
4Die Revision verweist auf das von ihr inhaltlich mitgeteilte schriftliche Wirkstoffgutachten vom , das für die untersuchte Probe einen „Gehalt an Amphetamin-Sulfat“ von 21,8 Gewichtsprozenten ausweist.
II.
51. Die als Verfahrensrüge auszulegende Beanstandung ist auch im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig, da die für die Beurteilung erforderlichen Verfahrenstatsachen dem Revisionsvorbringen und den in Bezug genommenen Urteilsgründen mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sind. Danach hat das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung das schriftliche Wirkstoffgutachten verwertet. Das Gutachten hat aber einen anderen Inhalt, als er den Urteilsgründen zu Grunde gelegt wurde. Diese Abweichung stellt einen Verstoß gegen § 261 StPO dar, auf dem die Bemessung der Einsatzstrafe beruhen kann.
62. Die Strafkammer hat übersehen, dass Amphetaminsulfat lediglich 73 % Amphetaminbase enthält (vgl. , BGHSt 33, 169, 170; Senat, Beschluss vom – 2 StR 64/20, Rn. 13), so dass eine Umrechnung des Amphetaminsulfats in Amphetaminbase vorzunehmen gewesen wäre (vgl. , NStZ-RR 2013, 81, 82). Bei der Amphetaminzubereitung beginnt die nicht geringe Menge bei einem Wirkstoffgehalt von 10 g Amphetaminbase (, BGHSt 33, 169, 172). Das Landgericht hat die erforderliche Umrechnung nicht vorgenommen und dadurch möglicherweise den Schuldumfang, der auch vom Wirkstoffanteil der veräußerten Betäubungsmittel abhängt, zu hoch eingeschätzt.
73. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelfreiheitsstrafe für den Angeklagten R. im Fall B.I. der Urteilsgründe auf diesem Rechtsfehler beruht. Die Feststellungen zum Wirkstoffanteil des veräußerten Amphetamins sind im Sinne von § 353 Abs. 2 StPO von dem Rechtsfehler betroffen; im Übrigen können sie aufrecht erhalten bleiben.
84. Die Aufhebung der Einzelstrafe zwingt zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Der neue Tatrichter wird bei der Festsetzung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe zu berücksichtigen haben, dass nach dem drei Monate der einbezogenen Freiheitsstrafe als bereits vollstreckt gelten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260423B2STR559.21.1
Fundstelle(n):
JAAAJ-42467