Online-Nachricht - Donnerstag, 15.06.2023

International | Besteuerung von Vermögensübertragungen aus der Auflösung US-amerikanischer Trusts teilweise wegen Rückwirkung verfassungswidrig (FG)

Vermögenübertragungen stellen nach Auflösung US-amerikanischer Trusts Kapitaleinkünfte dar, aber es dürfen nur solche Wertsteigerungen erfasst werden, die nach der Verkündung des JStG 2010 am entstanden sind ().

Sachverhalt: Die Klägerin, die aus den USA stammt, lebt mit ihrem Ehemann, dem Kläger, seit vielen Jahren in Deutschland. Im Jahr 1984 begründeten ihr Vater und ihr Großvater als sog. „grantors“ Trusts, in die sie Vermögenswerte - insbesondere Wertpapiere - einbrachten. Nach den Gründungsurkunden hatten die Gründer keine Zugriffsmöglichkeiten mehr auf das Vermögen und die Trusts waren unwiderruflich (sog. „irrevocable trusts“). Die Laufzeit beider Trusts war bis zum Tod des Vaters begrenzt. Während dieser Zeit wurde das Vermögen von sog. „trustees“ verwaltet und dem Vater standen die laufenden Erträge zu. Nach dessen Tod sollte das Vermögen der Trusts gleichmäßig zwischen der Klägerin und ihren Geschwistern (sog. „beneficiaries“) aufgeteilt werden. Hierzu kam es im Streitjahr 2016.

Das Finanzamt behandelte die Vermögenszuflüsse aus beiden Trusts abzüglich des von den Gründern eingebrachten Anfangsvermögens als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG. Hiergegen wandten die Kläger ein, dass bereits der Tatbestand dieser Vorschrift nicht erfüllt ist, weil die Trusts nicht mit inländischen Körperschaften und die Vermögensverteilung nach Auflösung nicht mit Gewinnausschüttungen vergleichbar sind. Darüber hinaus liegt eine unzulässige Doppelbesteuerung mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer vor. Schließlich stellt die Einbeziehung ausländischer Gebilde durch das JStG 2010 in Bezug auf vor dessen Verkündung eingetretene Wertsteigerungen eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung dar.

Das FG Münster hat der Klage teilweise stattgegeben:

  • Den gesetzlichen Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG hat das FG Münster zunächst als erfüllt angesehen. Wegen der Ausgestaltung der beiden Trusts als „irrevocable trusts“ hat wurde ein Typenvergleich zu inländischen Körperschaften bejaht, da weder die Gründer noch die Begünstigten während der Laufzeit Zugriff auf das Trust-Vermögen hatten. Die von der Klägerin erhaltenen Bezüge sind zwar nicht mit Gewinnausschüttungen vergleichbar, jedoch mit der Verteilung des Liquidationsendvermögens nach Auflösung einer Körperschaft. Vor diesem Hintergrund ist es nicht schädlich, dass die Begünstigten auf die Höhe und den Zeitpunkt der Vermögenszuflüsse keinen Einfluss nehmen konnten.

  • Eine unzulässige Doppelbesteuerung hat das FG nicht angenommen. Die gesetzlichen Tatbestände des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG und des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG schließen sich nicht gegenseitig aus. Dies ist auch von der Rechtsprechung des BFH anerkannt. Tatsächlich liegt auch im Streitfall keine Übermaßbesteuerung vor, da das für Erbschaft- und Schenkungsteuer zuständige FA die Vermögenszuflüsse aus dem Trust des Vaters freigestellt und bei dem Trust des Großvaters einen hohen persönlichen Freibetrag von 400.000 € berücksichtigt habe.

  • Allerdings nahm das FG - ebenso wie die Kläger - eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung in Bezug auf solche Wertsteigerungen an, die bis zum entstanden waren. An diesem Tag wurde das JStG 2010 verkündet, mit dem mit inländischen Körperschaften vergleichbare ausländische Gebilde erstmals in den Tatbestand einbezogen worden waren. Bis dahin erfasste das Gesetz nur Bezüge von inländischen Körperschaften. Das FG übertrug die Rechtsprechung des BVerfG, das in der Verlängerung der Spekulationsfrist für private Grundstücke in § 23 EStG und in der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG eine unzulässige unechte Rückwirkung gesehen hatte, auf den Streitfall. Dabei ging das FG davon aus, dass der Klägerin bereits eine hinreichend verfestigte Vermögensposition zugestanden habe. Dem steht nicht entgegen, dass sie zivilrechtlich noch nicht Inhaberin eines Gesellschaftsanteils gewesen ist, da das Gesetz sie wirtschaftlich wie eine Gesellschafterin behandelt hat. Die Rückwirkung ist auch nicht gerechtfertigt. Hierfür reicht insbesondere die Schließung von Besteuerunglücken nicht aus.

  • Von einer Vorlage an das BVerfG sah das FG ab und nahm stattdessen eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend vor, dass lediglich die ab dem zu verzeichnenden Wertsteigerungen als Kapitalerträge erfasst wurden. Dies führte im Ergebnis zu einer in etwa hälftigen Klagestattgabe.

Hinweis

Obwohl der Senat die Revision zugelassen hat, ist das Urteil rechtskräftig geworden.

Den Volltext des Urteils können Sie hier aufrufen. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.

Quelle: FG Münster Newsletter v. (JT)

Fundstelle(n):
TAAAJ-41992