Strafzumessung bei planvoller Abwicklung von Marihuana Geschäften unter Suchtdruck
Gesetze: § 46 Abs 1 S 1 StGB, § 30a Abs 3 BtMG
Instanzenzug: LG Zweibrücken Az: 2 KLs 4169 Js 13669/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit dem „Besitz nach dem Waffengesetz verbotener Gegenstände“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe vor der Maßregel ausgesprochen. Das Landgericht hat zudem die Einziehung von Taterträgen und einer Vielzahl sichergestellter Gegenstände angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
32. Die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des angegriffenen Urteils hat zum Schuldspruch und zur Maßregelanordnung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
43. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht dem Angeklagten das Fehlen eines Strafmilderungsgrunds strafschärfend angelastet hat.
5a) Die Strafkammer hat bei der Ablehnung eines minder schweren Falls im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG und bei der konkreten Strafbemessung zu Lasten des Angeklagten eingestellt, dass er nicht unter akutem Suchtdruck gehandelt, sondern seinen Drogenkonsum „im Griff“ gehabt habe.
6Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Handeln unter Suchtdruck kann ein Grund sein, die Strafe zu mildern. Das bloße Fehlen eines Strafmilderungsgrundes darf aber nicht straferschwerend berücksichtigt werden (vgl. Rn. 2; Beschluss vom – 4 StR 393/17 Rn. 4; Beschluss vom – 4 StR 532/10 Rn. 4).
7Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die fehlerhafte Erwägung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
8b) Damit kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass auch die strafschärfende Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe bei der Abwicklung des Drogengeschäfts „kontrolliert und planvoll vorgehen“ können, unter den hier gegebenen Umständen rechtlichen Bedenken begegnet. Denn es ist nicht ersichtlich, in welcher Weise dieser Gesichtspunkt bei der Abgabe von Marihuana an mehrere Abnehmer Ausdruck einer besonderen die Tatschuld erhöhenden kriminellen Energie des Angeklagten ist; vielmehr lässt die Erwägung besorgen, dass das Landgericht dem Angeklagten die Begehung des Vorsatzdelikts als solche strafschärfend angelastet hat.
9c) Da es sich nur um einen Wertungsfehler handelt, können die Feststellungen bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass Marihuana nicht nur keine „harte Droge“ ist, sondern zu den so genannten weichen Drogen zählt und es daher auf der Gefährlichkeitsskala auch keinen mittleren Platz einnimmt (vgl. Rn. 11 mwN).
103. Mit der Aufhebung des Strafausspruchs ist auch der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe vor der Maßregel die Grundlage entzogen.
114. Die Einziehungsentscheidungen sind rechtsfehlerfrei im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO; jedoch hat die Einziehung von 3,29 Gramm Amphetamin in Griptüten zu entfallen.
12Das Landgericht hat von der Verfolgung des dieser Einziehung zugrundeliegenden Tatvorwurfs (unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln) in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO abgesehen. Die Einziehung ist daher gemäß § 33 BtMG i.V.m. § 74 Abs. 2, § 76a Abs. 1 und 3 StGB nicht mehr im subjektiven, sondern allein im objektiven Verfahren möglich. Insoweit fehlt es jedoch an der Verfahrensvoraussetzung eines entsprechenden Antrags der Staatsanwaltschaft auf Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens gemäß § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. Rn. 3).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:140323B4STR475.22.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-41717