BGH Urteil v. - IV ZR 300/22

Pflicht zur Angabe eines EU-Versicherers der Nicht-Zugehörigkeit zum Sicherungsfonds

Leitsatz

Ein Lebensversicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum musste in der Verbraucherinformation gemäß Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG a.F.) nicht angeben, dass er dem deutschen Sicherungsfonds für die Lebensversicherung im Sinne von § 124 VAG a.F. nicht angehörte.

Gesetze: § 5a VVG vom , § 10a Abs 1 S 1 VAG vom , § 124 VAG vom

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 3 U 325/21vorgehend LG Frankfurt Az: 2-30 O 105/21

Tatbestand

1Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union, Rückzahlungs- und Nutzungsersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung im Hinblick auf einen fondsgebundenen Kapitallebensversicherungsvertrag (sogenannte Performancemaster Rente).

2Der Versicherungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde aufgrund eines Antrags des Klägers mit Versicherungsbeginn zum und monatlichen Prämien von 100 € über einen Zeitraum von 23 Jahren nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) geschlossen. Der Kläger erhielt den Versicherungsschein und die Broschüre "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen" sowie ein Begleitschreiben zugesandt. In der Folgezeit zahlte er die Versicherungsbeiträge. Auf dem Deckblatt der Broschüre befand sich in Fettdruck eine Belehrung über das Widerspruchsrecht, die auszugsweise lautet:

"… Als Teil Ihrer Vertragsunterlagen übersenden wir Ihnen anbei die folgenden Dokumente für Ihren Versicherungsvertrag:

- Verbraucherinformation

- Versicherungsbedingungen

- Versicherungsschein

Bei diesen Unterlagen handelt es sich um wichtige Dokumente …

Nach § 5a VVG können Sie diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 30 Tagen nach Zugang dieses Schreibens und der beigefügten Unterlagen in Textform im Sinne von § 126b BGB widersprechen (z.B. durch Brief, Fax oder E-Mail).

Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. …"

3Mit Schreiben vom erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück.

4Der Kläger meint, die Widerspruchsfrist nach § 5a VVG a.F. sei wegen formaler und inhaltlicher Mängel der Widerspruchsbelehrung sowie der Unvollständigkeit der Verbraucherinformation nicht in Gang gesetzt worden. Die Verbraucherinformation habe keine Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds) enthalten. Die Verpflichtung des Versicherers nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum Versicherungsaufsichtsgesetz in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) umfasse auch die Mitteilung, keinem Sicherungsfonds anzugehören. Außerdem fehlten die nach Abschnitt I Nr. 2 Buchst. a) der Anlage Teil D zum VAG a.F. erforderlichen Angaben über die "für die Überschussermittlung und Überschussbeteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe". Schließlich fehle es an der Angabe zum Umfang der Leistung des Versicherers nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. c) der Anlage Teil D zum VAG a.F.

5Der Kläger verlangt von der Beklagten im Wege der Stufenklage auf der ersten Stufe Auskunft zur Berechnung des Rückabwicklungsanspruchs über in Abzug gebrachte Kosten, die Höhe der tatsächlich investierten Sparanteile und der regulatorischen Rendite der Beklagten sowie die Feststellung des Nichtzustandekommens des Versicherungsvertrages und der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe der rechtsgrundlos empfangenen Beiträge und damit gezogenen Nutzungen, hilfsweise die Feststellung, dass sich der Lebensversicherungsvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat. Des Weiteren beantragt er auf der zweiten Stufe, die Beklagte insbesondere zur Zahlung in Höhe des sich aus den begehrten Auskünften ergebenden Rückgewährsaldos nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen.

6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

7Die Revision hat keinen Erfolg.

8I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Widerspruch des Klägers verfristet. Die Beklagte habe ihn auf dem Deckblatt der Broschüre "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen" ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. belehrt. Die Belehrung sei ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Kläger habe auch die erforderliche Verbraucherinformation nach Anlage Teil D zu § 10a VAG a.F. erhalten. Die fehlende Angabe dazu, dass die Beklagte nicht einem Sicherungsfonds im Sinne von Abschnitt I Ziff. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zu § 10a VAG a.F. angehöre, führe nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Die Norm beziehe sich nur auf die Zugehörigkeit zu einem deutschen Sicherungsfonds, dem die Beklagte nicht angehöre; ein Negativattest werde nicht verlangt. Soweit die Beklagte Garantien gewähre, habe sie hierüber in ihren Versicherungsbedingungen in einer den Anforderungen von Abschnitt I Ziff. 1 Buchst. c) der Anlage Teil D zu § 10a VAG a.F. genügenden Weise Angaben zu deren Voraussetzungen gemacht. Die danach zu erteilenden Informationen ständen ausdrücklich unter der Einschränkung "sofern keine allgemeinen Versicherungsbedingungen oder Tarifbestimmungen verwendet werden". Soweit der Kläger beanstande, die Angaben zur Überschussermittlung und -beteiligung seien intransparent, folge - selbst wenn dies unterstellt würde - daraus kein Widerspruchsrecht. Eine etwaige Unvollständigkeit sei nicht mit dem Fehlen der entsprechenden Verbraucherinformation gleichzusetzen. Auf die Frage, ob ein Rentenfaktor anzugeben sei, komme es daher nicht an. Der Hinweis, dass nichts garantiert werden könne, genüge zur Aufklärung voll und ganz.

9II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

101. Es kann dahinstehen, ob - wie die Revisionserwiderung meint - die Revision durch das Berufungsgericht nur beschränkt auf den Vorwurf einer fehlerhaften Angabe zum Sicherungsfonds zugelassen worden und hinsichtlich der formalen und inhaltlichen Anforderungen an die Formulierung der Widerspruchsbelehrung und der geforderten Angaben über die für die Überschussermittlung und -beteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze unstatthaft ist.

112. Die Revision ist jedenfalls insgesamt unbegründet. Der Kläger konnte den Widerspruch im Jahr 2020 nicht mehr wirksam erklären.

12a) Der Beginn der hier maßgeblichen, in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG a.F. bestimmten 30-tägigen Widerspruchsfrist setzt gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. voraus, dass dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., darunter die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F., vollständig vorliegen und er ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist. Beide Voraussetzungen sind erfüllt.

13aa) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die dem Kläger erteilte Widerspruchsbelehrung als formal und inhaltlich ordnungsgemäß angesehen hat.

14Ob im Einzelfall eine Widerspruchsbelehrung den Anforderungen an die drucktechnisch deutliche Form im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. entspricht, hat, wie die Revision nicht verkennt, der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Eine höchstrichterliche Klärung, ob einzelne Belehrungen formal und inhaltlich ordnungsgemäß sind, ist nicht geboten (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 318/18, NJW-RR 2021, 487 Rn. 17 m.w.N.; st. Rspr.).

15(1) Das Berufungsgericht hat im Streitfall die Belehrung, die auf dem Deckblatt der Broschüre "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen" vollständig in Fettdruck an zentraler, auffälliger Stelle abgedruckt ist, für ausreichend drucktechnisch hervorgehoben angesehen. Diese tatrichterliche Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. auch Senatsurteil vom - IV ZR 388/13, r+s 2015, 598 Rn. 11). Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass die Belehrung, soweit sie über die eigentliche Widerspruchsbelehrung hinaus zusätzlichen Text enthält, dadurch nicht entwertet wird und auch nicht im Kontext der übrigen Hinweise untergeht, denn der übrige lediglich aus drei Sätzen bestehende Text ist kurz und enthält keine anderen Informationen, sondern verdeutlicht nur, welche konkreten Unterlagen vorliegen müssen, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird.

16(2) Nicht zu beanstanden ist die tatrichterliche Würdigung auch, soweit das Berufungsgericht der Ansicht war, dass die formal und auch im Übrigen inhaltlich den Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. genügende Belehrung auf dem Deckblatt, deren inhaltliche Richtigkeit die Revision zu Recht nicht rügt, nicht durch die Widerspruchsbelehrungen im Antragsformular und dem Übersendungsschreiben entkräftet wird. Wenn eine von mehreren Widerspruchsbelehrungen insgesamt ordnungsgemäß war, kommt es nach der Rechtsprechung des Senats darauf an, ob der Versicherungsnehmer durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - Widerspruchsbelehrung irregeführt oder von einem rechtzeitigen Widerspruch abgehalten wird (Senatsbeschluss vom - IV ZR 63/13, r+s 2016, 66, Rn. 12; Senatsurteil vom - IV ZR 71/14, juris Rn. 11). Das Berufungsgericht hat revisionsrechtlich beanstandungsfrei festgestellt, dass dies hier nicht der Fall ist. Soweit im Antragsformular der Hinweis auf die einzuhaltende Form der Widerspruchserklärung fehlte, konnte der Kläger hierdurch keine Fehlvorstellungen entwickeln. Die Belehrung im Antragsformular war - wie die Revisionserwiderung zu Recht anmerkt - ohnehin nicht die maßgebliche, weil der Vertragsschluss hier im Policenmodell erfolgte und damit die Belehrung über das Widerspruchsrecht bei Aushändigung des Versicherungsscheins zu erfolgen hatte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.). Die Beklagte hat im Antragsformular am Ende der dortigen Widerspruchsbelehrung auch ausdrücklich erklärt, dass der Versicherungsnehmer bei Überlassung seiner Versicherungsunterlagen auf das Widerspruchsrecht nochmals hingewiesen wird (vgl. auch Senatsurteil vom - IV ZR 415/13, juris Rn. 11). Soweit im Übersendungsschreiben der Hinweis auf die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs fehlte, handelt es sich lediglich um eine unerhebliche Unvollständigkeit, die angesichts der vollständigen und inhaltlich richtigen Belehrung auf dem nachfolgenden Deckblatt nicht in der Lage ist, den Versicherungsnehmer von einem rechtzeitigen Widerspruch abzuhalten.

17bb) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrte Kläger den Widerspruch nicht wegen Unvollständigkeit der Verbraucherinformation noch im Jahr 2020 wirksam erklären konnte.

18(1) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich ein fortbestehendes Widerspruchsrecht des Klägers nicht daraus, dass in der ihm von der Beklagten erteilten Verbraucherinformation Angaben über die Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds fehlten. Zwar musste die vor Abschluss von Versicherungsverträgen nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. vom Versicherungsunternehmen zu erteilende Verbraucherinformation gemäß Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. "Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds)" enthalten. Ein Lebensversicherer, der - wie die Beklagte - bereits vor Vertragsschluss seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hatte, musste aber in der Verbraucherinformation nicht angeben, dass er einem Sicherungsfonds nicht angehörte (vgl. auch OLG Hamm, VersR 2022, 26 Rn. 31 ff.; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom - 12 U 157/20, juris Rn. 55 ff.).

19(a) Nach § 124 Abs. 1 VAG a.F. (in der Fassung vom , BGBl. I 3416, in Kraft getreten am ) mussten alle Lebensversicherer einem Sicherungsfonds angehören, der dem Schutz der Ansprüche ihrer Versicherungsnehmer, der versicherten Personen, Bezugsberechtigten und sonstiger aus dem Versicherungsvertrag begünstigter Personen diente. Allerdings konnten Lebensversicherer, die - wie die Beklagte - aufgrund einer im EU-/EWR-Ausland erteilten Zulassung im Rahmen der Niederlassungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland tätig sind, weder Pflichtmitglieder des Sicherungsfonds für die Lebensversicherung nach § 124 Abs. 1 VAG a.F. sein noch dem Sicherungsfonds entsprechend § 124 Abs. 2 VAG a.F. freiwillig beitreten (vgl. BVerwGE 139, 246 [juris Rn. 21 ff.]).

20(b) Dementsprechend brauchten solche Lebensversicherer in der Verbraucherinformation nicht anzugeben, dass sie dem Sicherungsfonds im Sinne des § 124 Abs. 1 VAG a.F. nicht angehörten. Eine derartige "negative" Informationspflicht lässt sich nicht aus Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. entnehmen.

21(aa) Schon der Wortlaut der Bestimmung spricht dagegen, dass der Versicherungsnehmer auch über die fehlende Zugehörigkeit des Versicherers zu einem Sicherungsfonds zu informieren war. Der Versicherer hatte in der Verbraucherinformation nicht etwa mitzuteilen, ob er einem Sicherungsfonds angehörte oder nicht. Vielmehr forderte Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. ausdrücklich nur Angaben über "die Zugehörigkeit" des Versicherers zu einem Sicherungsfonds.

22(bb) Dass einem in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ansässigen Versicherer keine "Negativmitteilung" in Bezug auf den nationalen Sicherungsfonds abverlangt wurde, belegen vor allem die Entstehungsgeschichte und der systematische Zusammenhang der Vorschrift, die der Anlage Teil D Abschnitt I Nr. 1 zum VAG a.F. durch Art. 1 Nr. 33 des Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und anderer Gesetze vom (BGBl. I 3416) zugleich mit der Verpflichtung zur Einrichtung eines nationalen Sicherungsfonds in den §§ 124 ff. VAG a.F. durch Art. 1 Nr. 27 desselben Gesetzes angefügt wurde. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich deutlich, dass es dem Gesetzgeber nur um eine die §§ 124 ff. VAG a.F. flankierende Informationspflicht ging. Deren Zweck sollte darin bestehen, eine "Information der Versicherten über die ihnen zustehenden Rechte" zu gewährleisten (BT-Drucks. 15/3418 S. 28 re. Sp.). Eine Information über die den Versicherten und den übrigen durch den neu geschaffenen Sicherungsfonds geschützten Personen zustehenden Rechte - durch Weiterführung der Verträge des betroffenen Versicherungsunternehmens (vgl. §§ 125, 126 Abs. 2 VAG a.F.) - ergab nur dann Sinn, wenn der Versicherer dem Sicherungsfonds überhaupt angehören konnte. Da den Versicherungsnehmern gegenüber sogenannten EU-/EWR-Versicherungsunternehmen keine Rechte aus dem Sicherungsfonds im Sinne der §§ 124 ff. VAG a.F. zustehen konnten, war eine darauf bezogene Verbraucherinformation schon deshalb entbehrlich.

23(2) Die Verbraucherinformation der Beklagten war auch nicht aus anderen, von der Revision geltend gemachten Gründen unvollständig.

24(a) Entgegen der Ansicht der Revision entsprechen die Angaben der Beklagten zur Überschussermittlung und -beteiligung den Vorgaben nach Abschnitt I Nr. 2 Buchst. a) der Anlage Teil D zu § 10a zum VAG a.F. Danach gehören zur Verbraucherinformation "Angaben über die für die Überschussermittlung und Überschussbeteiligung geltenden Berechnungsgrundsätze und Maßstäbe". Hier wird in den Versicherungsbedingungen der Beklagten bereits in Ziff. 1.1 Satz 1 darauf hingewiesen, dass die Performancemaster Rente eine fondsgebundene aufgeschobene Rentenversicherung ist. Unter Ziff. 4 wird erläutert, wie "der Vertrag während der Aufschubphase an der Wertentwicklung von Fonds beteiligt" ist. In Ziff. 4.7 "Bewertung der Fonds" ist unter Ziff. 4.7.1 Satz 1 ausgeführt, dass die Höhe des Fondsguthabens grundsätzlich nicht garantiert werden kann, da die Entwicklung der den Fonds zugrunde liegenden Vermögenswerte nicht vorauszusehen ist. In Ziff. 4.7.1 Satz 2 und 3 wird ergänzend angemerkt, dass der Versicherungsnehmer die Chance hat, bei Kurssteigerungen der zugrunde liegenden Vermögenswerte einen Wertzuwachs zu erzielen, bei Kursrückgängen er aber auch das Risiko der Wertminderung trägt, was unmittelbare Auswirkungen auf die zu zahlende Renten- und Todesfallleistung hat. In Ziff. 4.7.2 ist ausdrücklich vermerkt, dass eine Überschussbeteiligung darüber hinaus nicht vorgesehen ist. In den folgenden Ziffern wird erläutert, wie die Feststellung der Höchst- und Mindestwerte des jeweiligen Fonds erfolgt. In Ziff. 7 finden sich Ausführungen zu den Regelungen für die Rentenzahlungen und das Kapitalwahlrecht, wobei in Ziff. 7.1.1 Satz 3 auf "Anhang 2 zu diesen Versicherungsbedingungen" verwiesen wird, der die "zurzeit verfügbaren Rentenauszahlungsverfahren" beschreibt. Dort werden unter Ziff. 1 die beiden angebotenen Garantieoptionen erklärt und unter Ziff. 2 das Bonussystem. Unter Ziff. 2.1.1 wird angemerkt, dass alle zusätzliche Zahlungen, darunter Boni, von der Wertentwicklung des With-Profits-Rentenpools abhängig sind, dem der Vertrag zugeordnet ist.

25Entgegen der Auffassung der Revision ist nicht ersichtlich, dass in Anbetracht der Schwierigkeiten von genauen Angaben in diesem Bereich mehr vom Versicherer verlangt werden kann (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 121/00, BGHZ 147, 354 [juris Rn. 56 f.]).

26Soweit der Senat mit Urteil vom (IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 Rn. 52 ff., 55 ff.) eine Aufklärungspflichtverletzung im Rahmen einer vergleichbaren Verbraucherinformation der Rechtsvorgängerin der Beklagten angenommen hat, worauf die Revision verweist, betraf das Verfahren nicht ein Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers und in dem Zusammenhang die Frage der Vollständigkeit der Angaben nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 2 Buchst. a) der Anlage Teil D zum VAG a.F., sondern Schadensersatzansprüche des Versicherungsnehmers wegen Nichterfüllung von Aufklärungspflichten des Versicherers bei einer sich bei wirtschaftlicher Betrachtung als Anlagegeschäft darstellenden kapitalbildenden Lebensversicherung.

27In der Sache geht es dem Kläger hier auch nicht um fehlende Angaben in der Verbraucherinformation, sondern - wie das Berufungsgericht zutreffend angemerkt hat - um eine mangelnde Transparenz der Angaben in den Versicherungsbedingungen, was deutlich wird, wenn gerügt wird, dass es für den Kläger vollkommen unklar bleibe, ob er, insbesondere im Rahmen der Rentenphase, beispielsweise am Kosten- oder Risikoergebnis neben dem Kapitalanlageergebnis beteiligt wird und wie solche Gewinne/Überschüsse in diesem Bereich entstehen können. Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist die Unwirksamkeit von Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Unvollständigkeit der Unterlagen im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. aber nicht gleichzusetzen, auch wenn die Unwirksamkeit auf einem Verstoß gegen das Transparenzgebot beruht (Senatsurteil vom - IV ZR 321/05, VersR 2007, 1547 [juris Rn. 9]). Gleichfalls entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass ein etwaiger Transparenzmangel in einer Verbraucherinformation kein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. begründet (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 8/19, r+s 2020, 141 Rn. 25 m.w.N.).

28(b) Schließlich hat die Beklagte entgegen der Ansicht der Revision die Angaben nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. c) der Anlage Teil D zum VAG a.F. im gebotenen Maße erteilt. Danach waren "Angaben über Art, Umfang und Fälligkeit der Leistung des Versicherers" erforderlich, "sofern keine allgemeinen Versicherungsbedingungen oder Tarifbestimmungen verwendet werden". Die Beklagte hat - wie das Berufungsgericht zu Recht festgestellt hat - im Streitfall die Informationen in ihren Versicherungsbedingungen für die Performancemaster Rente in den Ziff. 4.7.1, 4.7.2 und in Ziff. 7 i.V.m. den dazugehörigen Anlagen 1 und 2 erteilt. In den Ziff. 5 und 6 der Versicherungsbedingungen finden sich außerdem Regelungen zum Versicherungsschutz und zum Rentenbeginn. Insbesondere in Ziff. 7 werden Art und Umfang der Leistung des Versicherers dargestellt. Entgegen der Rüge des Klägers enthält Ziff. 7.1.4 keine Erklärung, "dass es einen garantierten Rentenfaktor gebe". Wörtlich heißt es dort in Abs. 1 auszugsweise vielmehr:

"Um dem Versicherungsnehmer ein Beispiel für die Berechnung der Rentenleistungen und der damit verbundenen Garantie zu geben, wird ihm eine Modellrechnung zusammen mit dem Versicherungsschein zur Verfügung gestellt. Die Modellrechnung enthält einen garantierten Umrechnungsfaktor, der unter den in diesem Abschnitt beschriebenen Bedingungen als Mindest-Umrechnungsfaktor zu Rentenbeginn angewendet wird. …".

29Die Beklagte hat damit ersichtlich nur den Rentenfaktor dargestellt, der als Mindestumrechnungsfaktor zum Rentenbeginn verwendet wird. Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers gehörsverletzend (Art. 103 Abs. 1 GG) in seinem Kern nicht erfasst, stellt dies nur den Versuch dar, die Ausführungen des Berufungsgerichts zu relativieren durch eine im Revisionsverfahren unerhebliche abweichende eigene Sachverhaltswürdigung. Dass eine Modellrechnung dem Versicherungsschein nicht beigefügt war, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht unstreitig, sondern wird erstmals im Revisionsverfahren behauptet. Eine Gehörsrüge scheitert daher schon am Subsidiaritätsgrundsatz.

30b) aa) Die Frage, ob das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union unvereinbar ist, ist hier nicht entscheidungserheblich. Auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells ist es dem ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben: Senatsurteil vom - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 32-42; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 42 ff.; Beschluss vom - 1 BvR 3280/14, juris Rn. 30 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 12-14).

31bb) Auch im Streitfall ist zum Einwand von Treu und Glauben eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt und die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht in Fällen wie dem vorliegenden in Einklang mit dieser Rechtsprechung. Die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht und beeinträchtigt hier die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. , r+s 2023, 298 Rn. 28, vom - IV ZR 105/13, VersR 2015, 876 Rn. 12 ff.; vom - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 42; jeweils m.w.N.).

32(1) Die Frage, ob verbraucherschützende Widerspruchsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürfen, berührt zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung steht dies aber nicht entgegen, weil die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und die nationalen Gerichte ein missbräuchliches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (vgl. BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 44 m.w.N.; Senatsurteil vom - IV ZR 353/21, r+s 2023, 298 Rn. 29).

33(2) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zum unionsrechtlichen Grundsatz des Rechtsmissbrauchs in dessen Entscheidung vom (Volkswagen Bank u.a., C-33/20, C-155/20 und C-187/20, EU:C:2021:736 = NJW 2022, 40), die zu der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133, S. 66; im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) ergangen ist und zudem - ebenfalls anders als im vorliegenden Fall - den nicht ordnungsgemäß belehrten Verbraucher betrifft (vgl. EuGH aaO Rn. 113 ff., 119 ff.; vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 353/21, r+s 2023, 298 Rn. 30).

34Für den Bereich der Lebensversicherungen hat der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt, dass die Mitgliedsstaaten die Modalitäten der Ausübung des Rücktrittsrechts und der Mitteilung von Informationen, insbesondere zur Ausübung dieses Rechts, im Einzelnen regeln können, womit naturgemäß Einschränkungen des Rücktrittsrechts einhergehen können. Das gilt sowohl für die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung als auch für die Richtlinien 2002/83/EG und die Solvabilität II-Richtlinie (vgl. Rust-Hackner u.a., C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, EU:C:2019:1123 = NJW 2020, 667 Rn. 55, 62 zur Zweiten und Dritten Lebensversicherungsrichtlinie; Beschluss vom , WWK Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit, C-803/19, EU:C:2020:413 = juris Rn. 27 f. zur Richtlinie 2002/83/EG und Solvabilität II-Richtlinie). Dabei müssen die Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinien gewährleistet ist (vgl. aaO Rn. 55, 62).

35Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof im Anschluss an seine Entscheidung vom (Volkswagen Bank u.a., C-33/20, C-155/20 und C-187/20, EU:C:2021:736 = NJW 2022, 40) für die Rechtsfolgen der Nichterfüllung oder der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der in den Richtlinien vorgesehenen vorvertraglichen Mitteilungspflicht sowie in Bezug auf das dort niedergelegte Recht des Versicherungsnehmers auf Rücktritt vom Versicherungsvertrag bestätigt (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 353/21, r+s 2023, 298 Rn. 32; A u.a. [Unit-Linked-Versicherungsverträge], C-143/20 und C-213/20, EU:C:2022:118 = NJW 2022, 1513 Rn. 120, 123 zur Richtlinie 2002/83/EG).

36Daraus folgt, dass es auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts zum Rechtsmissbrauch und dessen Voraussetzungen hier nicht ankommt, sondern ein Rückgriff auf den nationalen Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB im Bereich der Lebensversicherungsrichtlinien zulässig ist, soweit die praktische Wirksamkeit der Richtlinien nicht beeinträchtigt wird (vgl. im Einzelnen: Senatsurteil vom aaO Rn. 33 m.w.N.).

37(3) Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben beeinträchtigt angesichts der besonderen Umstände des Streitfalles die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts und den Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts nicht (vgl. im Einzelnen: Senatsurteil vom - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41, 42). Entscheidend ist im Streitfall, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag in Vollzug gesetzt und über viele Jahre durchgeführt hat, obwohl er nach dem geltenden nationalen Recht über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, ordnungsgemäß belehrt wurde.

38Mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht ebenfalls in Einklang, dass für den im nationalem Recht aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht erforderlich sind (vgl. aaO Rn. 39 m.w.N. vom - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 37, 42).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260423UIVZR300.22.0

Fundstelle(n):
WM 2023 S. 1163 Nr. 24
CAAAJ-41308