Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt - 42 - S 1980 - 102

Musterklage gegen die Besteuerung von fiktiven Gewinnen; Anwendbarkeit der §§ 56 Abs. 2 Satz 1 und 20 Abs. 2 Satz 1 InvStG

Bezug:

Bezug: BStBl 2019 I S. 527

Das Finanzgericht Köln (Az. 15 K 2594/20) hat mit Urteil vom 8. September 2022 entschieden, dass die Besteuerung fiktiver Veräußerungsgewinne gesetzeskonform nach § 56 Abs. 2 und 3 InvStG erfolgt ist. Das Finanzgericht hat zudem von einer Vorlage an das BVerfG abgesehen, da es nicht von einer Verfassungswidrigkeit der Besteuerung fiktiver Veräußerungsgewinne nach § 56 Abs. 2 und 3 InvStG überzeugt war.

Im Streitfall hatte sich der Kläger in den Jahren 2009 bis 2017 an einem Aktienfonds i. S. d. § 2 Abs. 6 InvStG beteiligt. Ende 2018 verkaufte er die Anteilscheine und erzielt hieraus einen wirtschaftlichen Veräußerungsgewinn von rund 600 €. Der nach § 8 Abs. 5 InvStG 2004 ermittelte fiktive Veräußerungsgewinn i. S. d. § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG beläuft sich unstreitig auf rund 6.100 €.

Für den Zeitraum vom bis zum Verkauf ermittelt der Kläger einen Veräußerungsverlust von rund 5.500 € vor Teilfreistellung (30 %) bzw. von 3.850 € nach Teilfreistellung.

Der sich hiernach im Saldo ergebende steuerliche Veräußerungsgewinn beträgt rund 2.250 € (= 6.100 € - 3.850 €). Die Differenz zwischen dem wirtschaftlichen und dem steuerlichen Veräußerungsgewinn ergibt sich allein aus der Kürzung des Veräußerungsverlustes ab 2018 i. H. v. 1.650 € (= 5.500 € - 3.850 €). Die Anwendung der Teilfreistellung auf Veräußerungsverluste entspricht der Verwaltungsauffassung (vgl. BStBl 2019 I S. 527, Rz. 20.2).

Nach Auffassung des Klägers ist im vollständigen Ansatz des fiktiven Veräußerungsgewinns zum verbunden mit der nur anteiligen Berücksichtigung der fiktiven Veräußerungsverluste seit dem 1. Januar 2018 durch die seither geltende Teilfreistellung ein Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen die Eigentumsgarantie aus Art 14 GG zu sehen.

Die Abgabenlast von rund 600 € führe zu einer nahezu vollständigen Wegbesteuerung der erzielten Steigerung der Leistungsfähigkeit und sei als Verstoß gegen das Übermaßverbot auch durch gesetzliche Typisierungsbefugnisse nicht zu rechtfertigen.

Gegen das Urteil wurde von den Klägern inzwischen Revision eingelegt. Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Az. VIII R 15/22 geführt. Einsprüche, die sich auf das anhängige Revisionsverfahren stützen, ruhen insoweit (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO).

Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt v. - 42 - S 1980 - 102

Fundstelle(n):
ESt-Kartei ST EStG § 20 Fach Fach 2 Karte Karte 18
DB 2023 S. 806 Nr. 14
EStB 2023 S. 229 Nr. 6
OAAAJ-40773