BGH Urteil v. - 1 StR 281/22

Kapitalanlagebetrug: Konkurrenzrechtliche Bewertung von "Dauerbetrug" gegenüber denselben Geschädigten über mehrere Jahre

Gesetze: § 52 StGB, § 53 StGB, § 263 Abs 1 StGB, § 263 Abs 3 S 1 StGB, § 263 Abs 3 S 2 Nr 1 Alt 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG München II Az: W10 KLs 65 Js 35495/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit unerlaubtem Betreiben von Bankgeschäften in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.858.925,84 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte sich der Angeklagte, ein gelernter Bankkaufmann, bereits im Jahr 2001 entschlossen, sich als erfolgreicher „Wertpapierhändler“ zu gerieren und Personen aus seinem Umfeld zu überreden, über ihn Anleihen im Tageshandelsgeschäft zu erwerben und gewinnbringend zu veräußern; dabei wusste er, dass ihm hierfür die bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis (§ 32 KWG) fehlte. Zum Erwerb der Anleihen gewährten die Anleger dem Angeklagten Darlehen mit einer festen Laufzeit von einem Jahr. Hierüber schlossen die Vertragsparteien eine schriftliche „Grundvereinbarung“, der zufolge, wenn die Anlage nicht nach einem Jahr enden sollte, „das Geldgeschäft nach vorheriger Absprache mit einem anderen Betrag weitergeführt bzw. verlängert werden kann“ (etwa UA S. 41). Für den Fall der Auflösung der Anlage sollten die Anleger dies vier Wochen vorher ankündigen; nach Ablauf von einem Jahr bzw. des Verlängerungszeitraums war das eingesetzte Kapital zur Rückzahlung fällig. Der Angeklagte sollte in der Regel 10 % jährlich an Zinsen auf die Anlagesumme erwirtschaften. Die Anleger gingen aufgrund der wahrheitswidrigen Angaben und des Gebarens des Angeklagten irrtümlich davon aus, sie würden das eingesetzte Kapital in jedem Fall zurückerhalten.

3Tatsächlich war der Angeklagte, der spätestens ab 2010 vermögenslos war und jedenfalls im Tatzeitraum keinen Zugang zu geeigneten täglichen Anlagegeschäften hatte, nur gelegentlich über überschuldete, in der Schweiz ansässige Firmen im Onlinebörsenhandel tätig. Dennoch warb er in den festgestellten 23 Einzelakten weiterhin Anlagegelder ein. In sechs Einzelfällen, in denen der Angeklagte das übereignete Bargeld für den eigenen Lebensunterhalt verbrauchte, hat das Landgericht den Betrugstatbestand (§ 263 Abs. 1 StGB) als erfüllt angesehen; da vier Betrugstaten verjährt waren, hat es nur zwei Betrugsfälle ausgeurteilt (Fälle C. II. 15. und 23. der Urteilsgründe). In diesen beiden Fällen hat das Landgericht die Einzelstrafen aufgrund des verwirklichten Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit jeweils dem Strafrahmen für besonders schwere Fälle (§ 263 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 Alternative 1 StGB), im Fall C. II. 15. der Urteilsgründe zusätzlich aufgrund eines bewirkten Vermögensverlusts großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 2 StGB) entnommen. Die Einziehungsanordnung hat das Landgericht allein auf das strafbare Vergehen gegen das Kreditwesengesetz in 23 Teilakten gestützt; es hat hierzu die Anlagegelder summiert und vom Angeklagten – mithilfe weiterer eingesammelter Gelder – zurückgezahlte Beträge, die er als Zinsen tarnte, abgezogen.

4Im Fall C. II. 15. der Urteilsgründe belog der Angeklagte in vorgenannter Weise – ähnlich wie die anderen 22 Geschädigten – im Jahr 2011 den Zeugen K.       . In demselben Jahr übereignete K.       dem Angeklagten erstmals einen Bargeldbetrag in Höhe von 30.000 € in der Erwartung, dieser werde nach der Zusatzabrede darauf 10 % Zinsen jährlich erwirtschaften. Tatsächlich setzte der Angeklagte das überlassene Geld nicht in einem Aktivgeschäft ein, sondern bestritt damit seinen luxuriösen Lebensstil. Infolge seiner Vermögenslosigkeit war der Rückzahlungsanspruch wertlos, was K.        nicht erkannte.

5K.         übereignete im Jahr 2012 weitere 15.000 € an Bargeld, im Jahr 2013 weitere 19.000 € und letztmals am weitere 15.000 € zur Investition in ein Anlagegeschäft. Der Angeklagte leistete weder Zinsen noch Rückzahlungen; K.         erlitt einen Totalverlust. Das Landgericht ist in diesem Fall von nur einer einzigen Betrugstat in vier aufgrund des Grundvertrags zu einer Bewertungseinheit zusammengefassten Teilakten ausgegangen. Daneben hat es einen gleichgelagerten, am begangenen Betrug zu Lasten der Zeugin S.       mit einem Schaden in Höhe von 25.000 €, den der Angeklagte in Höhe von 5.000 € nachträglich ausglich (Fall C. II. 23. der Urteilsgründe), ausgeurteilt.

62. Die Revision ist teilweise begründet.

7a) Die konkurrenzrechtliche Bewertung des Landgerichts im Fall C. II. 15. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand (dazu unter [aa]). Der danach gebotenen Schuldspruchänderung in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB) steht mit Ausnahme der Geldübergabe vom das Verfahrenshindernis der Verjährung (§ 206a Abs. 1, § 354 Abs. 1 Variante 2 StPO; § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4, § 78a Satz 1, § 78c Abs. 3 StGB; vgl. auch § 260 Abs. 3 StPO) entgegen; die ersten drei Betrugstaten sind verjährt (dazu unter [bb]).

8aa) Die Tatgeschehen aus den vier Jahren stehen zueinander in Tatmehrheit.

9(a) Erbringt der Geschädigte aufgrund einer einzigen Täuschungshandlung des Täters mehrere Leistungen, ist lediglich ein Betrugsfall anzunehmen; dies gilt insbesondere bei fortlaufenden Bezügen aufgrund eines Antrags mit wahrheitswidrigen Angaben ( Rn. 4, BGHR StGB § 78a Satz 1 Betrug 2 [Bafög]; Urteil vom – 3 StR 412/77 Rn. 6, BGHSt 27, 342, 343 [Rente aufgrund eines Bescheids]; Rn. 15, BFHE 247, 102 [Kindergeld]). In solchen Fällen ist der Betrug bei einem anwachsenden Gesamtschaden erst mit der letzten Teilauszahlung beendet (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 151/21 Rn. 3; vom – 4 StR 439/20 Rn. 4; vom – 3 StR 348/20 Rn. 2 f.; vom – 4 StR 76/15, BGHR StGB § 78a Satz 1 Betrug 4 Rn. 6 [vollständige Auszahlung einer Darlehensvaluta] und vom – 1 StR 13/13, BGHSt 59, 205 Rn. 60; Urteil vom – 2 StR 232/00 Rn. 2, 17, BGHSt 46, 159, 166 [Zahlung eines Grundstückskaufpreises in Tranchen]; vgl. auch Rn. 8 [endgültige Abwendung einer Regressforderung]). Sind hingegen neue Täuschungen erforderlich, um den Geschädigten zu weiteren Zahlungen zu veranlassen, führt dies zu Tatmehrheit (vgl. Rn. 3 f. [Bautenstandsbescheinigungen mit wahrheitswidrigen Angaben zum Abruf weiterer Darlehensbeträge]). Nur eine einheitliche Zielsetzung des Täters, ein übereinstimmender Beweggrund oder die Verfolgung eines Endzwecks vermag Tateinheit nicht zu begründen (etwa , BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 26 Rn. 21 mwN).

10Allein in der anders gelagerten Konstellation einzelner Mittelabrufe auf der Grundlage eines – die Gesamthöhe der Zuschüsse bereits festlegenden – Zuwendungsbescheids in einem einheitlichen zweistufigen Subventionsvergabeverfahren gilt, gleich ob die Verurteilung auf § 263 Abs. 1 StGB oder § 264 Abs. 1 StGB gestützt wird, dass aufgrund der engen sachlichen Verbindung von Bescheid und einzelnen Anforderungen mit weiteren Täuschungselementen eine Bewertungseinheit anzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 13/13, BGHSt 59, 205 Rn. 60; vom – 5 StR 93/08 Rn. 2 und vom – 5 StR 467/06, BGHR StGB § 264 Abs. 1 Konkurrenzen 3 Rn. 6-9; vgl. aber auch Rn. 2 f.).

11(b) Hier ist keine Bewertungseinheit gegeben. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Grundvereinbarung im Jahr 2011 war völlig offen, ob der Zeuge K.         in den Folgejahren von der vertraglichen Verlängerungsoption Gebrauch machen und weitere Gelder anlegen würde. Die Aufstockung der Anlagebeträge ergab sich nicht von selbst (automatisch) aus der „Grundvereinbarung“; vielmehr musste sich K.         jährlich dazu dem Grunde und der Höhe nach entscheiden. Dazu bedurfte es zwingend vor jeder Geldübergabe einer weiteren Kommunikation, innerhalb derer der Angeklagte eine vertragsgemäße Anlage sowie Zinsen wahrheitswidrig vorspiegelte und der damit eine neue eigenständige „Betrugsqualität“ zukommt.

12Eine solche weitere Täuschung ist insbesondere der letzten Vereinbarung vom zu entnehmen, mit der K.         nicht nur das bisher eingesetzte Kapital weiter- und den neuen Betrag erstmals in Höhe von insgesamt 79.000 € anlegen wollte, sondern auch die angeblich erwirtschafteten Zinsen in Höhe von 14.980 € zuzüglich weiterer vom Angeklagten im Wege der Aufrundung angeblich gutgeschriebener Beträge mit einem Endbetrag in Höhe von 100.000 € (UA S. 41; vgl. auch UA S. 82). Die vertraglich eingeräumte Möglichkeit zur Erhöhung des Anlagekapitals ist – entgegen der Wertung des Landgerichts (UA S. 99) – für die Beurteilung der Konkurrenzen nicht ausschlaggebend. Die „Grundvereinbarung“ verbindet die vier Zahlungen daher ebenso wenig wie der von Anfang bestehende generelle Wille des Angeklagten, die Grundvereinbarung bei passender Gelegenheit weiter auszunutzen sowie Aufstockungsbeträge in unbekannter Anzahl und Höhe zu erlangen, zur Tateinheit. Anders wäre es gegebenenfalls etwa dann, wenn die Parteien bereits im Vertrag von 2011 eine (Gesamt-)Anlagesumme festgeschrieben hätten und der Geschädigte diese Summe in einzelnen Tranchen gezahlt hätte.

13bb) Damit hat nur die Verurteilung wegen der letzten Tat vom Bestand. Zum Zeitpunkt der ersten Unterbrechungsmaßnahme, der verantwortlichen Vernehmung des Angeklagten am (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Variante 1 StGB; Band I, Blatt 321 der Hauptakten), war die fünfjährige Frist bezüglich der ersten drei Taten, die von der Anklage trotz fehlender Angabe des jeweiligen Tattages allein deswegen gerade noch umfasst sind, weil im Anklagesatz in der Tabelle auf Seite 3 der Gesamtschadensbetrag mit „100.000 €“ angegeben ist, bereits abgelaufen.

14Der Durchsuchungsbeschluss vom hat den Ablauf der Fristen nicht unterbrochen. Zum Zeitpunkt seines Erlasses gingen die Ermittlungsbehörden nur von einem singulären Betrugsfall zu Lasten des Anzeigeerstatters T.       aus; die Tatserie war noch nicht erkannt, sodass sich der Verfolgungswille noch nicht auf eine solche richten konnte (vgl. dazu und zum in einem solchen Fall großzügigeren Maßstab: , BGHR StGB § 78c Abs. 1 Nr. 4 Durchsuchung 2 Rn. 25; Beschlüsse vom – 1 StR 314/20 Rn. 12 und vom – 1 StR 587/14 Rn. 9).

15cc) Die Einstellung betrifft jeweils nur den Betrugstatbestand. Die einzelnen Verstöße gegen das Kreditwesengesetz durch das fortlaufende unerlaubte Betreiben von Bankgeschäften (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG) sind zu einer rechtlichen Handlungseinheit und damit zu einer einzigen Tat zusammenzufassen (vgl. , BGHR KWG § 54 Bankgeschäfte 1 Rn. 14; Beschlüsse vom – 3 StR 61/21, Rn. 22; vom – 1 StR 673/18, BGHR KWG § 54 Genehmigungslose Bankgeschäfte 3 Rn. 2 und vom – 5 StR 145/03 Rn. 36 f., BGHSt 48, 331, 343).

16dd) Die Teileinstellung zieht die Aufhebung der im Fall C. II. 15. der Urteilsgründe verhängten (Einsatz-)Freiheitsstrafe nach sich. Um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat auch die Einzelstrafe im Fall C. II. 23. der Urteilsgründe auf. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.

17b) Die Einziehungsanordnung hat ebenfalls überwiegend keinen Bestand. Die Anlagegelder sind, soweit das Landgericht die Vermögensabschöpfung auf § 54 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG gestützt hat, als Tatobjekte (§ 74 Abs. 2 StGB) einzuordnen. Da das Gesetz über das Kreditwesen keine Sondervorschrift enthält, die zur Einziehung von Tatobjekten ermächtigt, scheidet eine Einziehung insoweit aus (dazu unter [aa]). Nur soweit das Landgericht den Angeklagten auch wegen Betrugs verurteilt hat, ist die Einziehung hiermit zu rechtfertigen (dazu unter [bb]).

18aa) Gemessen an den durch den 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von Taterträgen zu Tatmitteln bzw. Tatobjekten aufgestellten Grundsätzen (Urteile vom – 3 StR 390/21 Rn. 11-19 [Gewähren von Gelddarlehen; § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alternative 1 KWG] und vom – 3 StR 295/21 Rn. 12 f. sowie Beschluss vom – 3 StR 403/20 Rn. 36-40 [Einsammeln von Kundengeldern im „Hawala-Banking“]) unterfallen die eingeworbenen Anlagegelder als Tatobjekte der gegenüber § 73 StGB vorrangigen Vorschrift des § 74 Abs. 2 StGB. An seiner bisherigen Auffassung zu den Einlagengeschäften im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG im – insoweit nicht weiter begründeten – Beschluss vom – 1 StR 87/21 (§ 349 Abs. 2 StPO; vorangegangen: LG Landshut, Urteil vom – 3 KLs 201 Js 3700/20) hält der Senat nicht fest. Im Einzelnen:

19(a) Entscheidend für die – gravierende – Differenzierung zwischen Tatertrag und Tatobjekt sind nach Auffassung des Senats die Überschrift des § 73 StGB („von Taterträgen“) und eine Wertung nach Maßgabe des geschützten Rechtsguts der einschlägigen Strafvorschrift („tatbestandsspezifisch“; vgl. dazu , BGHSt 62, 114 Rn. 16 mwN; Urteil vom – 3 StR 295/21 Rn. 20). „Ertrag“ im Sinne der §§ 73 ff. StGB ist der „wirtschaftlich messbare“, mithin geldwerte Vorteil, den der Täter durch die Straftat seinem Vermögen – und sei es nur vorübergehend – einverleibt (BT-Drucks. 18/9525 S. 61 f.).

20Die Legaldefinition des § 74 Abs. 2 StGB, wonach Tatobjekte notwendige Gegenstände der Tathandlung sein sollen, also Gegenstände, an denen die strafbare Handlung selbst begangen wird (vgl. BT-Drucks. 14/8893 S. 9; Rn. 20), erscheint hingegen ungeeignet, diese vom „durch“ die Tat erlangten Ertrag abzugrenzen (vgl. auch Rn. 17 aE mwN). Gleiches gilt für den Ansatz, wonach der Bezugsgegenstand bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung existent sein muss und „passives“ Objekt der Tat sein soll, indem sich dessen Verwendung durch den Täter jeweils in dem Gebrauch erschöpft, auf dessen Verhinderung der verwirklichte Straftatbestand abzielt (vgl. etwa S/S-Eser/Schuster, StGB 30. Aufl., § 74 Rn. 12a). Eine solche Begriffsbestimmung dürfte etwa auch den täuschungsbedingt erlangten Vermögensvorteil (§ 263 Abs. 1 StGB) erfassen, der indes nach §§ 73 ff. StGB abzuschöpfen ist.

21(b) An diesen Vorgaben gemessen sind Anlagegelder, die der Täter im Zuge ohne Erlaubnis betriebener Bankgeschäfte nach § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG einsammelt, Tatobjekte.

22(aa) Dabei kann offenbleiben, ob die unerlaubte Annahme fremder Gelder durch den Angeklagten hier bereits einem Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alternative 1 KWG unterfällt, sofern man es für die rechtliche Einordnung für ausschlaggebend hält, dass der Angeklagte die Beträge gar nicht in ein eigenes Aktivgeschäft zur Gewinnerzielung investieren konnte (vgl. zu einer solchen Prägung des Aktivgeschäfts: BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 55/20 Rn. 6; vom – 4 StR 408/17 Rn. 26; vom – 5 StR 563/10 Rn. 5 und vom – 5 StR 446/06, BGHR KWG § 1 Einlage 2 Rn. 6; Urteil vom – VI ZR 56/12, BGHZ 197, 1 Rn. 23); deswegen könnte es bereits am banktypischen Charakter fehlen, der darin besteht, dass nach außen zumindest der Eindruck erweckt wird, die Gelder würden als Anlage hereingenommen (vgl. , BGHR KWG § 1 Einlage 2 Rn. 6; vgl. auch Rn. 24, BGHR KWG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Einlagengeschäft 1 und vom – III ZR 55/94 Rn. 14 f., BGHZ 129, 90, 95 f.). Jedenfalls wird der verfahrensgegenständliche Sachverhalt vom Auffangtatbestand „anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums“ (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alternative 2 KWG; vgl. zu dieser Einordnung der durch das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom [BGBl. I S. 2518] eingefügten Alternative: BR-Drucks. 963/96, S. 63) erfasst; das in sechs Einzelfällen festgestellte Betrugsgeschehen steht dieser Einordnung nicht entgegen (vgl. Rn. 5 ff., BGHR KWG § 1 Einlage 1; vgl. auch Rn. 3).

23(bb) Ob die eingesammelten Gelder Taterträge oder Tatobjekte sind, ist für alle von § 54 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1 KWG erfassten Fälle einheitlich zu bestimmen. Damit sind auch die Sachverhalte in den Blick zu nehmen, in denen der Täter mit den Publikumsgeldern tatsächlich vertragsgemäß ein Aktivgeschäft finanziert hat. In einem solchen Fall hat er das Fremdgeld als solches geachtet und in diesem Sinne nicht seinem Vermögen einverleibt; dennoch könnte der Angeklagte bei Einordnung der eingesammelten Gelder als Taterträge mit dem Einwand der Entreicherung allenfalls erst im Vollstreckungsverfahren gehört werden (vgl. § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO aF und die weitere Verschärfung durch § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO nF). Indes zielt das Reformgesetz zur Vermögensabschöpfung bei Straftaten im Zusammenhang mit Austauschverträgen – etwa bei Korruptionsdelikten jedenfalls im Bereich des § 299 StGB – darauf ab, dass lediglich „der Gewinn und etwaige mittelbare Vorteile“ abgeschöpft werden, sofern der zivilrechtliche Vertrag nicht vollständig rückabgewickelt wird (§ 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsätze 1 und 2 StGB; vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 68; vgl. auch Rn. 35 mN).

24(cc) Für diese Sichtweise spricht auch der Normzweck des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG. Dieses Gesetz sichert die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts. Es schützt das Publikum vor nicht ausreichend seriösen Unternehmen und will gewährleisten, dass im Kreditgewerbe Verhältnisse herrschen, die das Vertrauen der Bevölkerung verdienen (BT-Drucks. III/1114). In diesem Sinne kommt §§ 32, 1 KWG vornehmlich der Charakter einer gewerberechtlichen Ordnungsvorschrift zu (vgl. Rn. 25, BGHZ 152, 307, 315 mwN; vgl. auch , BGHZ 226, 329 Rn. 21 mwN). Das (individuelle) Vermögen der Ein- oder Anleger wird erst über §§ 263, 266 StGB geschützt.

25(dd) Eine Ausnahmeregelung wie § 261 Abs. 10 Satz 3 StGB nF, der den Vorrang der §§ 73 ff. StGB vor § 74 Abs. 2 StGB bestimmt (vgl. dazu Rn. 18), fehlt im Kreditwesengesetz.

26bb) Die Abschöpfung setzt nach alledem voraus, dass sich der Angeklagte wegen Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB) oder wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht hat. In den beiden ausgeurteilten Betrugsfällen ist daher die Einziehung aufrechtzuerhalten (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend), im Fall C. II. 15. der Urteilsgründe aber nur bezüglich des nicht verjährten Teils. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, bei unverändertem Sachverhalt die Einziehung auf eine andere Strafvorschrift zu stützen.

27cc) Soweit die Betrugstaten verjährt sind, hindert dies die Einziehung materiell-rechtlich nicht (§ 76a Abs. 2 Satz 1 StGB; , BVerfGE 156, 354). Die Staatsanwaltschaft mag indes – auch unter Berücksichtigung etwaiger Rechtskraftprobleme – erwägen, ob sie mittels eines Antrags insoweit ein objektives (selbständiges) Einziehungsverfahren anstrengt (§ 435 Abs. 1 Satz 1, 2 StPO; vgl. Rn. 22; Beschluss vom – 1 StR 489/18 Rn. 7; je mwN; vgl. im Übrigen den Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats vom – 3 StR 474/19 und Beschlüsse vom – 1 ARs 13/21; vom – 2 ARs 405/21 sowie vom – 2 StR 433/09 Rn. 5). Warum das Landgericht in 17 Fällen keinen Betrug angenommen hat, ist nicht nachzuvollziehen. Ein Unterschied zu den sechs Fällen, in denen sich das Landgericht von einem Betrugsgeschehen überzeugt hat, ist weder in zeitlicher (Zeitpunkt des Eintritts der Vermögenslosigkeit) noch in sonstiger Hinsicht ersichtlich. Die Mehrzahl der – teilweise sehr lange zurückliegenden – Taten bedürfte daher der vollständig neuen Aufklärung und Bewertung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:080323U1STR281.22.0

Fundstelle(n):
wistra 2023 S. 3 Nr. 7
wistra 2023 S. 336 Nr. 8
wistra 2023 S. 338 Nr. 8
SAAAJ-39127