Symptomwert einer Anlasstat für den Hang zum Rauschmittelmissbrauch
Instanzenzug: LG Frankenthal Az: 2 KLs 5111 Js 6937/20
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tatmehrheit mit schwerem Bandendiebstahl in drei tatmehrheitlichen Fällen und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in drei tatmehrheitlichen Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt und gegen ihn sowie zwei nicht revidierende Mitangeklagte eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
3Die – nicht sachverständig beratene – Strafkammer hat offengelassen, ob bei dem seit vielen Jahren Betäubungsmittel konsumierenden Angeklagten, der sich zuletzt einer Entgiftungsbehandlung unterzog, ein Hang im Sinne des § 64 StGB besteht. Denn jedenfalls sei ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem möglicherweise gegebenen Hang und den verfahrensgegenständlichen Taten nicht zu erkennen. Diese Begründung trägt die Ablehnung der Unterbringung nach § 64 StGB nicht.
4a) Ein symptomatischer Zusammenhang liegt bereits vor, wenn die Tat in dem Hang ihre Wurzel findet. Die konkrete Tat muss also Symptomwert für den Hang des Täters zum Missbrauch von Rauschmitteln haben, indem sich in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstaten ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei einem unveränderten Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (vgl. , juris Rn. 14 mwN).
5b) Die – äußerst knappe – Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat, lässt weder erkennen, dass die Strafkammer diesen rechtlichen Maßstab zutreffend zugrunde gelegt hat, noch ist nachvollziehbar dargetan, unter welchen Gesichtspunkten sie den von ihr verneinten symptomatischen Zusammenhang erwogen hat. Unerörtert bleibt namentlich, ob der Angeklagte, der nach den Feststellungen bereits in der Vergangenheit seinen Betäubungsmittelkonsum durch Diebstähle finanzierte, im Tatzeitraum über keine legalen Einkünfte verfügte und die verfahrensgegenständlichen Taten beging, um sich „eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen“, aus der Tatbeute nicht nur seinen allgemeinen Lebensbedarf, sondern auch die Kosten seines Drogenkonsums bestreiten wollte (vgl. ). Im Übrigen steht die Annahme des Landgerichts, dass kein symptomatischer Zusammenhang zwischen einem etwaigen Hang und den Taten bestehe, in einem unaufgelösten Widerspruch dazu, dass die Strafkammer in den Urteilsgründen ihre Zustimmung zu einer Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG erteilt hat, was darauf hindeutet, dass die Taten aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten begangen wurden.
6c) Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nach den Feststellungen des Landgerichts nicht von vornherein ausscheidet, ein Hang vielmehr sogar naheliegt, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte – unbeschränkt – Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. , BGHSt 37, 5, 7 ff.).
7d) Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt angesichts der äußerst milden Einzelstrafen aus, dass diese oder die Gesamtfreiheitsstrafe bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt geringer ausgefallen wären.
82. Die Einziehungsentscheidung des Landgerichts bedarf der aus der Beschlussformel ersichtlichen Berichtigung. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Es bestehen rechnerische Abweichungen zwischen dem Einziehungsausspruch und den Urteilsgründen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haben die Angeklagten Gegenstände und Bargeld im Wert von 3.450 Euro erlangt. Durch die Zahlung des Mitangeklagten A. S. von 950 Euro ist der Wertersatzanspruch gemäß § 73e Abs. 1 StGB in dieser Höhe erloschen (…). Der Einziehungsbetrag ist mit 2.550 Euro demnach um 50 Euro zu hoch bemessen.
Die Berichtigung der Einziehungsentscheidung ist nach § 357 Satz 1 StPO auf die Mitangeklagten (…) zu erstrecken (vgl. dazu , juris Rn. 9).“
9Dem verschließt sich der Senat nicht.
103. Weitere durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung nicht ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:010322B4STR2.22.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-37031