BGH Beschluss v. - 3 StR 29/22

Strafprozessrecht: Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme

Gesetze: § 302 StPO

Instanzenzug: Az: 4 KLs 5/21

Gründe

1Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen hat der Beschuldigte durch seine Verteidigerin Revision eingelegt. Anschließend hat er durch eigenes Schreiben mitgeteilt, seinen "Einspruch zu" dem Urteil zurückzuziehen und es zu akzeptieren; er "möchte weitere Unannehmlichkeiten ersparen". Die Strafkammer hat beschlossen, dass er die Kosten der zurückgenommenen Revision zu tragen habe. Die Verteidigerin hat im Folgenden die Revision begründet und beantragt, die Unwirksamkeit der Revisionsrücknahme festzustellen. Nachdem das Landgericht die Wirksamkeit der Rücknahme festgestellt hat, beantragt der Beschuldigte nunmehr die Entscheidung des Revisionsgerichts. Hiermit hat er keinen Erfolg.

21. Wird die Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Sache des Revisionsgerichts, hierüber eine feststellende Klärung zu treffen. Zwar wird die Auffassung vertreten, dass bis zum Eingang der Akten beim Rechtsmittelgericht insoweit die Zuständigkeit des Tatgerichts gegeben sei. Ob dies zutrifft und auch dann gelten kann, wenn von einem Verfahrensbeteiligten die Wirksamkeit der Rücknahme bereits in Zweifel gezogen worden war, ist bedenklich, kann jedoch dahinstehen. Jedenfalls ist nach einer Entscheidung durch den iudex a quo und bei Fortbestehen des Streites das Rechtsmittelgericht zur abschließenden Entscheidung über die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme berufen. Ob eine solche Entscheidung im Revisionsverfahren in analoger Anwendung des § 346 Abs. 2 StPO einen entsprechenden (fristgebundenen) Antrag voraussetzt oder aber die Entscheidung des Revisionsgerichts formlos und ohne Einhaltung einer Frist herbeigeführt werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung (s. insgesamt , NStZ 2005, 113 mwN; vgl. auch , juris Rn. 5 ff.); denn mangels förmlicher Zustellung des Beschlusses ist nach dem aus den Akten ersichtlichen Verfahrensgang von einer Einhaltung der Wochenfrist auszugehen (vgl. , NStZ-RR 2017, 320, 321).

32. Der Beschuldigte hat seine Revision wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

4Dafür kommt es nicht darauf an, dass er selbst die Erklärung in Bezug auf ein durch die Verteidigerin eingelegtes Rechtsmittel abgegeben hat (vgl. , juris Rn. 4). Inhaltlich hat sein Schreiben, mit dem er sich ausdrücklich an das Gericht wendet, trotz des gewählten Wortlauts ("Einspruch") ersichtlich eine Beendigung des Revisionsverfahrens zum Ziel.

5Überdies war er bei Abgabe der Erklärung prozessual handlungsfähig. Insofern muss ein Angeklagter oder Beschuldigter bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung in der Lage sein, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung zu erkennen. Dies wird allein durch eine Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit nicht notwendig ausgeschlossen. Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelführer nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen. Verbleiben Zweifel an seiner prozessualen Handlungsfähigkeit, geht dies zu seinen Lasten (insgesamt BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 595/19, StraFo 2020, 458; vom - 4 StR 491/15, juris Rn. 6 mwN).

6Zwar leidet der Beschuldigte nach den Urteilsfeststellungen an einer paranoiden Schizophrenie. Allerdings hat die Strafkammer, die sich in der Hauptverhandlung - sachverständig beraten - einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft hat, in ihrem Beschluss vom ausgeführt, sie gehe davon aus, dass der Beschuldigte bei der Rücknahmeerklärung wie auch während der gesamten Hauptverhandlung verhandlungsfähig gewesen sei. Hat das Tatgericht keine Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit, kann diese grundsätzlich vom Revisionsgericht ebenfalls bejaht werden (s. , NStZ-RR 2018, 290, 291). Zudem hat der Beschuldigte aktiv an der Hauptverhandlung mitgewirkt, indem er sich zu seinen persönlichen Verhältnissen und zur Sache eingelassen hat (vgl. hierzu , NStZ-RR 1999, 109, 110). Überdies deutet sein handschriftlich abgefasstes Schreiben nicht auf einen akuten Schub der Schizophrenie und eine Verhandlungsunfähigkeit hin. Ferner befindet er sich seit dem in einstweiliger Unterbringung. Diese hat ausweislich der Urteilsgründe zu einer Gesundung und einer Fähigkeit zur Distanzierung von vorherigen Wahninhalten geführt. Seine Erkrankung wurde im klinischen Umfeld stabilisiert, obschon der Behandlungsverlauf problematisch war und sich der Beschuldigte nach einem Übergriff auf einen Arzt bis in den April 2021 in Absonderung befand.

7Soweit der Beschuldigte nach seinem Vorbringen die Rücknahme aufgrund von unzutreffenden Überlegungen und Ratschlägen des Pflegepersonals erklärt hat, handelt es sich um etwaige Beweggründe, die nicht auf einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung seiner Willensfreiheit beruhen (vgl. , StraFo 2020, 458 f. mwN). Eine unzulässige Willensbeeinflussung, welche die Unwirksamkeit der Erklärung zur Folge haben könnte (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom - GSSt 1/04, BGHSt 50, 40, 58 mwN; vom - 1 StR 276/01, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Rücknahme 6), ergibt sich daraus gleichfalls nicht.

83. Angesichts der wirksamen Rechtsmittelrücknahme sind Ausführungen dazu entbehrlich, dass vorsätzliche Sachbeschädigungen mittels Brandlegung erhebliche Taten darstellen können (vgl. , juris).

94. Da das Landgericht bereits zum einen über die Kosten der Revision entschieden und zum anderen die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme festgestellt hat, hat es damit sein Bewenden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 491/15, juris Rn. 13; vom - 3 StR 76/15, juris Rn. 3; vom - 4 StR 249/04, NStZ 2005, 113, 114).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:230322B3STR29.22.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-36912