BGH Beschluss v. - XIII ZB 47/22

Instanzenzug: LG Dresden Az: 2 T 403/21vorgehend AG Dresden Az: 470 XIV 317/21 B

Gründe

1Der Betroffene, ein tunesischer Staatsangehöriger, hielt sich jedenfalls seit 2018 in Deutschland auf und stellte unter Aliaspersonalien einen Asylantrag, der als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Bei der Passbeschaffung konnte die wahre Identität des Betroffenen ermittelt werden. Nachdem er verschiedentlich unbekannten Aufenthalts war, wurde er am festgenommen. Am hat das Amtsgericht Abschiebungshaft bis zum angeordnet. Dagegen hat der Betroffene am Beschwerde eingelegt. Er hat ferner am gleichen Tag den Rechtsbeschwerdeführer als seine Vertrauensperson benannt. Am hat der Rechtsbeschwerdeführer einen Haftaufhebungsantrag gemäß § 426 Abs. 2 FamFG gestellt und für den Fall der Haftentlassung "bereits jetzt im Interesse des Betroffenen beantragt, das Verfahren als Feststellungsverfahren nach § 62 FamFG fortzusetzen und festzustellen, dass der Haftbeschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat".

2Nach erneuter Anhörung des Betroffenen hat das Amtsgericht am (erneut) Abschiebungshaft bis zum angeordnet. Der Betroffene wurde am abgeschoben. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde die Vertrauensperson beteiligt und erhielt am Akteneinsicht. Die Beschwerde des Betroffenen wurde am zurückgewiesen. Am hat die Vertrauensperson Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, weil sie die eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung des Beschlusses vom nicht erkannt habe, und Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Beschwerde verworfen. Dagegen wendet sich der Rechtsbeschwerdeführer mit der Rechtsbeschwerde.

3I. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

41. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Vertrauensperson sei nicht beschwerdeberechtigt. Zwar sei sie als Vertrauensperson benannt worden. Das Amtsgericht habe sie aber weder ausdrücklich noch konkludent beigezogen. Da sie im ersten Rechtszug nicht beteiligt gewesen sei, könne sie keine Beschwerde einlegen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei daher unbegründet, ungeachtet der Frage, ob der von der Vertrauensperson behauptete Rechtsirrtum eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könne.

52. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.

6a) Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Rechtsbeschwerdeführer konnte entsprechend § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG Rechtsbeschwerde einlegen. Dabei kann dahinstehen, ob er noch in erster Instanz hätte beteiligt werden müssen, § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG. Jedenfalls wurde er im Beschwerdeverfahren gemäß § 7 Abs. 3, § 418 Abs. 3 Nr. 2 FamFG zu Recht als Beteiligter hinzugezogen (, juris Rn. 4).

7b) Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.

8aa) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist die durch die Kammer getroffene Entscheidung nicht unter Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz des gesetzlichen Richters ergangen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. , juris Rn. 2). Zwar hatte die gemäß § 75 GVG zur Entscheidung berufene Kammer die vom Betroffenen gegen den Beschluss vom eingelegte Beschwerde gemäß § 68 Abs. 4 FamFG am auf den Einzelrichter übertragen. Die Beschwerde der Vertrauensperson vom wird davon aber nicht umfasst. Denn die Übertragung bezieht sich schon nach dem eindeutigen Wortlaut von § 68 Abs. 4 FamFG in Verbindung mit § 526 Abs. 1 ZPO lediglich auf eine (bestimmte) Beschwerde ("die Beschwerde"). Sie erfasst zwar die Entscheidung in der Hauptsache und sämtliche Nebenentscheidungen, nicht aber ein weiteres, gegen einen anderen Beschluss gerichtetes und von einem anderen Beschwerdeführer geführtes Beschwerdeverfahren (Obermann in BeckOK FamFG, Stand , § 68 Rn. 50 f.)

9bb) Zu Recht verneint das Landgericht die Beschwerdebefugnis der Vertrauensperson.

10(1) Gemäß § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG steht der Vertrauensperson eine Beschwerdebefugnis nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung nur zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden ist. Ist die Vertrauensperson nicht beteiligt worden, hat sie kein Beschwerderecht. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen die Beteiligung unterblieben ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 396/19, FamRZ 2020, 541 Rn. 10 mwN; vom - XIII ZB 131/19, juris Rn. 7). Für eine Beteiligung im Haftanordnungsverfahren genügt es entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht, dass die Vertrauensperson einen Haftaufhebungsantrag gestellt hat, weil Haftanordnungs- und Haftaufhebungsverfahren jeweils selbständige Verfahren bilden (, juris Rn. 8).

11(2) Es besteht im vorliegenden Fall kein Bedürfnis, von der Voraussetzung der Beteiligung im Haftanordnungsverfahren abzusehen. Zwar hätte die Vertrauensperson im ersten Rechtszug beteiligt werden müssen. Entscheidend ist aber, dass die Vertrauensperson im Interesse des Betroffenen bereits am , mithin vor Erlass des Beschlusses vom , gemäß § 426 Abs. 2 FamFG die Aufhebung der Freiheitsentziehung verbunden mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft beantragt hat. Sie konnte daher ohne vorherige Beteiligung sowohl das Interesse des Betroffenen auf Aufhebung der Haft als auch sein Rehabilitierungsinteresse unmittelbar selbst weiterverfolgen (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - V ZB 5/14, InfAuslR 2014, 443 Rn. 4, 7; vom - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 13; vom - XIII ZB 131/19, juris Rn. 10). Vor diesem Hintergrund besteht jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation kein Bedürfnis, die Vorschrift des § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut dahin auszulegen, dass die Vertrauensperson (zusätzlich) über ein eigenes Beschwerderecht verfügt.

123. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:140223BXIIIZB47.22.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-36734