Online-Nachricht - Mittwoch, 15.03.2023

Verfahrensrecht | Beweis der Unrichtigkeit einer Postzustellungsurkunde durch Zeugenvernehmung (FG)

Das FG Münster hat sich mit der Möglichkeit befasst, den Beweis der Unrichtigkeit einer Postzustellungsurkunde im Wege des Zeugenbeweises zu führen. Im entschiedenen Fall hat der Senat auch nach Einvernahme von sieben Mitarbeitern der betroffenen Steuerberatungsgesellschaft als Zeugen nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Postzustellungsurkunde unrichtig errichtet worden war (,AO; rkr.).

Sachverhalt: Die Klägerin legte gegen aufgrund einer Außenprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide Einsprüche ein, die das Finanzamt als unbegründet zurückwies. Die Einspruchsentscheidung stellte es der zu diesem Zeitpunkt bevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft gegen Postzustellungsurkunde zu. In der Postzustellungsurkunde dokumentierte der Postzusteller, dass er am - einem Freitag - erfolglos versucht habe, die Einspruchsentscheidung in den Geschäftsräumen persönlich zu übergeben. Auch eine Ersatzzustellung durch Übergabe an eine bei der Steuerberatungsgesellschaft beschäftigte Person sei nicht möglich gewesen. Die Einspruchsentscheidung wurde daher in den zur Steuerberatungsgesellschaft gehörenden Briefkasten eingeworfen. Eine Uhrzeit für den Zustellversuch notierte der Postzusteller nicht. Die Steuerberatungsgesellschaft brachte auf der Einspruchsentscheidung einen Posteingangsstempel mit Datum an. Die Klage wurde sodann am erhoben.

Das FG Münster hat die Klage abgewiesen:

  • Sie ist unzulässig, weil die Klage erst nach der am abgelaufenen Klagefrist erhoben worden ist. Auf Grund der Beweiskraft der Postzustellungsurkunde steht fest, dass die Einspruchsentscheidung am zugestellt worden ist. Die Postzustellungsurkunde ist ordnungsgemäß errichtet, die Angabe der Uhrzeit des Zustellversuchs ist ohne entsprechenden Auftrag des Zustellenden nicht zu vermerken. Den durch § 418 Abs. 2 ZPO möglichen Gegenbeweis hat die Klägerin nicht geführt.

  • Der Senat wies in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin, dass die Klägerin bereits nicht behauptet, dass der Postzusteller bei der Vornahme der Ersatzzustellung durch Einlegen des Schriftstücks in einen der zu den Kanzleiräumen gehörenden Briefkasten beobachtet worden wäre, ohne zuvor eine persönliche Zustellung oder eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO zu versuchen. Auch vergleichbare Umstände, die eine unmittelbare Feststellung der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde erlauben würden, sind nicht vorgetragen worden.

  • Stattdessen verweist die Klägerin vielmehr mittelbar darauf, dass ein am in der Zeit von 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr vom Postzusteller unternommener Zustellversuch bei der Steuerberatungsgesellschaft ausnahmslos erfolgreich gewesen wäre, weil bei Betätigung der Klingelanlage dem Postzusteller geöffnet worden wäre und er die Einspruchsentscheidung einer zum Empfang berechtigten Person hätte übergeben können. Insoweit hob der Senat hervor, dass es darauf ankommt, ob der Postzusteller die vorrangigen Formen der Zustellung bei pflichtgemäßer Durchführung der vom Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus seiner Sicht tatsächlich nicht durchführen kann. Eine Ersatzzustellung ist danach im Streitfall eröffnet, wenn dem Postzusteller auf eine einmalige Betätigung der Klingelanlage hin nicht hinreichend schnell und für ihn ersichtlich die Tür geöffnet wird. Gerade dies ist aber auch nach einer Einvernahme der von der Klägerin benannten Mitarbeiter der Steuerberatungsgesellschaft als Zeugen nicht festzustellen.

  • Der Klägerin war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zum einen fehlte es an der Darlegung eines ordentlichen Ablaufs der Post- und Fristerfassung, um die Nicht- bzw. Falscherfassung der Frist tatsächlich als Büroversehen und nicht als strukturellen Organisationsmangel zu erkennen. Zum anderen war der Vortrag nicht vollumfänglich glaubhaft gemacht worden, sondern vielmehr nach der durchgeführten Beweisaufnahme widerlegt.

Quelle: FG Münster, Newsletter März 2023 (RD)

Fundstelle(n):
NWB WAAAJ-35647