Insolvenzanfechtung: Anspruch des Schuldners auf Rückgewähr der Gegenleistung nach Rücktrittsrecht bei einem gegenseitigen Vertrag; Anfechtbarkeit der von dem Schuldner erbrachten Gegenleistung als unentgeltliche Leistung
Leitsatz
1. Bewirkt der Schuldner die ihm bei einem gegenseitigen Vertrag obliegende Gegenleistung, obwohl der Anspruch des Gläubigers auf die Gegenleistung entfallen ist, weil die dem Gläubiger obliegende Leistung unmöglich ist, kann der Schuldner das Geleistete auch dann nach Rücktrittsrecht zurückverlangen, wenn die Gegenleistungspflicht bereits zum Zeitpunkt der Rechtshandlung des Schuldners entfallen war.
2. Steht dem Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag hinsichtlich der von ihm erbrachten Gegenleistung ein Rückgewähranspruch nach Rücktrittsrecht zu, ist die von ihm erbrachte Gegenleistung auch dann nicht als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn der Schuldner wusste, dass die Leistung des anderen Teils unmöglich war.
Gesetze: § 275 BGB, § 326 Abs 1 BGB, § 326 Abs 4 BGB, § 134 InsO
Instanzenzug: Az: 3 U 18/20 Beschlussvorgehend Az: 20 O 42/20
Gründe
1Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
21. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Unentgeltlichkeit einer Erfüllungshandlung nach dem Grundgeschäft zu beurteilen ist (vgl. , WM 2014, 516 Rn. 15; vom - IX ZR 252/16, BGHZ 214, 350 Rn. 15; vom - IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283 Rn. 84 mwN; vom - IX ZR 237/20, ZIP 2021, 2655 Rn. 53). Ob eine Kaufpreiszahlung eine (teilweise) unentgeltliche Leistung darstellt, ist daher in erster Linie nach dem Umfang der im Kaufvertrag vereinbarten Rechte und Pflichten zu bestimmen. Für die Zahlung von Mieten gilt Entsprechendes. Solche Zahlungen sind nicht allein deshalb unentgeltlich, weil die Gegenleistung ausgeblieben ist (vgl. aaO unter Hinweis auf Jaeger/Henckel, InsO, § 134 Rn. 10).
32. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der Bezahlung des Rückkaufpreises und der vereinbarten Mieten um eine entgeltliche Leistung der Schuldnerin. Die Grundsätze, unter denen rechtsgrundlose Leistungen als unentgeltliche Leistung gemäß § 134 InsO einzuordnen sind, sind nicht einschlägig. Die Entscheidung des Berufungsgerichts weist keinen durchgreifenden Zulassungsgrund auf.
4a) Soweit das Berufungsgericht eine Anfechtung der Mietzahlungen unter dem Gesichtspunkt eines Scheingewinns verneint hat, sind die maßgeblichen Fragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Liegt einer Zahlung des Schuldners ein gewinnunabhängiges Zahlungsversprechen zugrunde, ist die Zahlung nicht schon deswegen unentgeltlich, weil die Zahlung nicht durch Gewinne des Schuldners gedeckt ist (vgl. , ZIP 2017, 1284 Rn. 9; vom - IX ZR 139/17, ZIP 2018, 1746 Rn. 14). Dass die Schuldnerin ein Schneeballsystem betrieben haben soll, sagt für sich genommen nichts darüber aus, ob die Voraussetzungen des § 134 InsO erfüllt sind (vgl. , ZIP 2021, 1768 Rn. 35).
5Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit diesen Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Schuldnerin eine feste Tagesmiete in einer bestimmten Höhe unabhängig von tatsächlich erzielten Gewinnen versprochen und bezahlt. Soweit das , ZInsO 2021, 1755) in einem vergleichbaren Fall angenommen hat, die Mietzahlungen seien wertungsmäßig wie Scheingewinne in Schneeballsystemen zu behandeln, folgt daraus kein Zulassungsgrund für die Entscheidung des Berufungsgerichts.
6b) Ebenso wenig besteht ein Zulassungsgrund, soweit die Beschwerde geltend macht, die Zahlungen hätten im Ergebnis zu einer kompensationslosen Minderung des schuldnerischen Vermögens geführt. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren die Verträge über den Kauf, die Vermietung und den Rückkauf der Container wirksam. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die Zahlungen nach dem Umfang der in den Verträgen vereinbarten Rechte und Pflichten als unentgeltliche Leistung anzusehen sind. Hierzu genügt es - anders als die Beschwerde geltend macht - nicht, dass die Gegenleistung ausbleibt. Für die Frage der Unentgeltlichkeit ist auf den Zeitpunkt des Rechtserwerbs des Anfechtungsgegners infolge der Leistung des Schuldners abzustellen, also auf den gemäß § 140 InsO zu bestimmenden Zeitpunkt, zu dem die rechtlichen Wirkungen der Rechtshandlung eintreten (, BGHZ 220, 280 Rn. 12 mwN; vom - IX ZR 208/18, ZIP 2020, 2348 Rn. 8 mwN).
7c) Anders als die Beschwerde meint, stellen die Zahlungen der Schuldnerin unter den Umständen des Streitfalles auch dann keine unentgeltliche Leistung dar, wenn der Anspruch der Schuldnerin auf die ihr in dem Mietvertrag und dem Rückkaufvertrag versprochenen Leistungen gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen gewesen sein sollte. Auf die Frage, ob es dem Beklagten unmöglich war, der Schuldnerin im Hinblick auf den Mietvertrag während der vereinbarten Mietzeit den Gebrauch an den erworbenen Containern zu gewähren (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB) und der Schuldnerin im Hinblick auf den Rückkaufvertrag insbesondere das Eigentum an den Containern zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB), kommt es daher nicht an. Dies gilt auch dann, wenn die Mietzahlungen und die Rückkaufpreiszahlung - anders als das Berufungsgericht meint - keine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung eines Kapitals waren, sondern ausschließlich als Gegenleistung für die im Mietvertrag und Rückkaufvertrag versprochenen Leistungen des Beklagten anzusehen sind.
8aa) Der Beklagte behielt unter den Umständen des Streitfalles seinen Anspruch auf die Gegenleistung aus dem Mietvertrag und dem Rückkaufvertrag selbst dann, wenn er im Hinblick auf § 275 Abs. 1 BGB seinerseits nicht mehr zur Leistung verpflichtet gewesen sein sollte. Die Zahlungsansprüche des Beklagten sind nicht gemäß § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfallen. Vielmehr greift § 326 Abs. 2 BGB ein. Danach behält der Schuldner - im Streitfall der Beklagte - seinen Anspruch auf die Gegenleistung, wenn der Gläubiger - im Streitfall die Schuldnerin -für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist.
9Die Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 BGB sind auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts erfüllt. § 326 Abs. 2 BGB weist dem Gläubiger den wirtschaftlichen Nachteil für Leistungshindernisse gemäß § 275 BGB zu, die ihm zuzurechnen sind (vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, 2020, § 326 Rn. C 1). Es genügt, wenn der Gläubiger (im Streitfall: die Schuldnerin) nach dem Vertrag das Risiko für die Gefahr eines bestimmten Leistungshindernisses übernommen hat (vgl. , BGHZ 188, 71 Rn. 16). Im Hinblick auf die von den Parteien geschlossenen Verträge war die Schuldnerin allein dafür verantwortlich, dass der Beklagte Eigentum und Besitz an den Containern erlangte. Das Unvermögen des Beklagten beruhte allein darauf, dass die Schuldnerin ihren Verpflichtungen zur Übereignung der Container nicht nachgekommen war. Dies gilt sowohl dann, wenn die Schuldnerin über eine unzureichende Anzahl von Containern verfügte, um sämtliche Kaufverträge zu erfüllen, als auch dann, wenn die Übereignung der Container an einer unzureichenden Bestimmtheit scheitern sollte. In beiden Fällen war nach der vertraglichen Gestaltung allein die Schuldnerin dafür verantwortlich, dass der Beklagte kein Eigentum an den Containern erlangte.
10Nach der zulassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts waren die verschiedenen Verträge miteinander verknüpft. Die Vermietung und der Rückkauf betrafen genau die Container, welche die Schuldnerin dem Beklagten zuvor verkauft hatte und welche sie dem Beklagten daher zu übereignen hatte. Dieser Übereignungspflicht ist die Schuldnerin nicht nachgekommen, so dass sie das Unvermögen des Beklagten nach der vertraglichen Gestaltung zu verantworten hat. Zudem hatte sich die Schuldnerin verpflichtet, untergegangene Container durch gleichwertige zu ersetzen, und damit das Verlustrisiko übernommen.
11bb) Unabhängig davon ergibt sich allein aus § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht, dass eine gleichwohl erbrachte Gegenleistung eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO darstellt. Vielmehr bestimmt § 326 Abs. 4 BGB, dass das Geleistete nach §§ 346 bis 348 BGB zurückverlangt werden kann, soweit eine nach § 326 BGB nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist. Demgemäß wäre der Beklagte als Empfänger der Zahlungen der Schuldnerin mit einer Verpflichtung aus § 346 Abs. 1 BGB belastet, welche der Unentgeltlichkeit entgegensteht (vgl. , BGHZ 214, 350 Rn. 16). § 814 BGB ist im Rahmen des Rücktrittsrechts nicht anwendbar.
12§ 326 Abs. 4 BGB enthält hinsichtlich einer bewirkten Gegenleistung eine Rechtsfolgenverweisung auf § 346 bis § 348 BGB, nicht auf das Bereicherungsrecht. Der Gesetzgeber hielt das Rücktrittsrecht für insgesamt besser passend (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 189). Der Zeitpunkt, zu dem die Gegenleistung bewirkt worden ist, ist grundsätzlich unerheblich; auch eine nach Fortfall der Gegenleistungspflicht erbrachte Gegenleistung kann gemäß § 326 Abs. 4 BGB zurückverlangt werden (Staudinger/Schwarze, BGB, 2020, § 326, Rn. E 3 mwN; Erman/Ulber, BGB, 16. Aufl., § 326 Rn. 46; Schulze/Fries/Schulze, BGB, 11. Aufl., § 326 Rn. 16; BeckOGK/Herresthal, BGB, Stand , § 326 Rn. 321; aA MünchKomm-BGB/Ernst, 9. Aufl., § 326 Rn. 103).
13cc) Damit kann dahinstehen, ob die Überlegung des Berufungsgerichts, es handele sich um ein einheitliches Kapitalanlagemodell, bei dem die Miete sich als Rendite der Investition darstelle und sowohl Miete wie die Zahlung des Rückkaufpreises Teil der von der Schuldnerin für die Zurverfügungstellung des Kapitals geschuldeten Gegenleistung gewesen seien und deshalb keine nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbare unentgeltliche Leistung vorliege, einer rechtlichen Überprüfung standhielte. Insoweit stützt sich das Berufungsgericht zu Unrecht auf die Entscheidung des , ZIP 2021, 2655 Rn. 58). Die in jenem Fall angestellte wirtschaftliche Betrachtung betraf allein die Frage, wem im Rahmen des Mietvertrags das Betriebs- und Nutzungsrisiko der vermieteten Sache zuzuweisen war (vgl. aaO Rn. 57 f). Dies bedeutet nicht, dass bei einem aus Kauf-, Miet- und Rückkaufvertrag bestehenden einheitlichen Kapitalanlagemodell anstelle der nach den einzelnen Verträgen geschuldeten Leistungen allein aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtung Rechtsgrund etwa der Mietzahlungen statt des Mietvertrags ein Entgelt für die Hingabe des Kapitals oder die (ausgleichende) Gegenleistung für die Mietzahlungen statt der Gebrauchsüberlassung die Hingabe und Überlassung des Kapitals sein könnten. Gleiches gilt für die Behandlung des Rückkaufpreises als Rückgewähr eines Kapitals statt als Gegenleistung für die Übereignung der Container.
143. Die geltend gemachten Verletzungen von Verfahrensgrundrechten hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet.
15Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260123BIXZR17.22.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 642 Nr. 12
DB 2023 S. 701 Nr. 12
DStR 2023 S. 12 Nr. 13
NJW 2023 S. 9 Nr. 13
WM 2023 S. 527 Nr. 11
ZIP 2023 S. 598 Nr. 11
VAAAJ-35293