Vertragsstrafe - Weiterbildung zum Facharzt - Allgemeine Geschäftsbedingungen - Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen - befristeter Ausschluss der ordentlichen Kündigung - unangemessene Benachteiligung - Höhe der Vertragsstrafe
Gesetze: § 389 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 306 Abs 1 BGB, § 305 Abs 1 S 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 305c Abs 1 BGB, § 309 Nr 6 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB
Instanzenzug: Az: 2 Ca 127/18 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 1 Sa 12/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2018 sowie einen Anspruch der Beklagten auf eine Vertragsstrafe.
2Die 1985 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem bei den in vertragsärztlicher Gemeinschaftspraxis tätigen Dr. med. S und Dr. med. St als ärztliche Mitarbeiterin zur Weiterbildung zur Fachärztin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom zugrunde, in dem es auszugsweise heißt:
3Zum ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über, die ein medizinisches Versorgungszentrum iSd. § 95 SGB V betreibt.
4Mit dem Antritt des Arbeitsverhältnisses bei den Rechtsvorgängern der Beklagten begann für die Klägerin der erste Abschnitt ihrer 60-monatigen Weiterbildung zur Fachärztin für Dermatologie und Venerologie. Die Befugnis ihrer Arbeitgeber zur Weiterbildung erstreckte sich auf 30 Monate ambulante und 12 Monate stationäre Versorgung. Nach Ablauf des 42-Monats-Zeitraums hätte die Klägerin ihre Weiterbildung bei einem anderen Träger fortführen müssen, um ihre Facharztausbildung abzuschließen.
5Während ihrer Weiterbildung führte die Klägerin im ambulanten Dienst eine Sprechstunde durch. Dabei standen ihr die ausbildenden Ärzte bei Bedarf unterstützend zur Verfügung. Außerdem überwachten diese die Weiterbildung der Klägerin, indem sie deren Weiterbildungsnachweise prüften. Diese Tätigkeit nahm zwischen 20 und 40 Minuten täglich in Anspruch.
6Mit Schreiben vom kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum . Zur Begründung berief sie sich auf familiäre Umstände, die einen Wohnortwechsel zu ihrem Ehemann zwingend notwendig machten.
7Die Beklagte erteilte der Klägerin für den Monat Februar 2018 eine Entgeltabrechnung. Diese wies ein Bruttoentgelt iHv. 4.435,00 Euro sowie ein Nettoentgelt iHv. 3.017,39 Euro aus. Nach Abzug des Arbeitnehmerbeitrags für die Ärzteversicherung belief sich der an die Klägerin zu zahlende Betrag auf 2.604,93 Euro. Eine Auszahlung an die Klägerin erfolgte nicht. Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass die Beklagte die Steuern und Sozialversicherungsabgaben sowie den Beitrag für die Ärzteversicherung abgeführt hat.
8Mit E-Mail vom wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass diese eine Vertragsstrafe iHv. 13.305,00 Euro verwirkt habe, erklärte mit dem Vertragsstrafenanspruch iHv. 2.604,93 Euro die Aufrechnung gegenüber dem Vergütungsanspruch der Klägerin und forderte die Klägerin darüber hinaus zur Zahlung einer restlichen Vertragsstrafe iHv. 10.700,07 Euro auf.
9Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, weiterhin einen Anspruch auf Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2018 zu haben. Dieser Anspruch sei nicht durch Aufrechnung der Beklagten erloschen. Die Aufrechnung sei insoweit bereits unzulässig, als die Pfändungsfreigrenze unterschritten werde. Im Übrigen stehe der Beklagten keine aufrechenbare Gegenforderung aus der Vertragsstrafenabrede in § 11 des Arbeitsvertrags zu. Sie, die Klägerin, habe keine Vertragsstrafe verwirkt, denn sie habe das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum Ablauf des gekündigt. Auf den im Arbeitsvertrag vorformulierten Kündigungsausschluss könne sich die Beklagte nicht berufen. Dieser bewirke eine unverhältnismäßige Einschränkung ihrer Berufsfreiheit und damit eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Darüber hinaus erweise sich auch die getroffene Vertragsstrafenabrede als unwirksam. Sie sei intransparent sowie überraschend und halte einer Angemessenheitskontrolle nicht stand. Eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsvergütungen sei unangemessen hoch.
10Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
11Die Beklagte hat zuletzt sinngemäß beantragt,
12Widerklagend hat die Beklagte zuletzt beantragt,
13Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Widerklage abzuweisen.
14Die Beklagte hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - die Ansicht vertreten, der Anspruch der Klägerin auf das Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2018 sei durch Aufrechnung erloschen, soweit das Entgelt pfändbar sei. Die Klägerin habe die Vertragsstrafe verwirkt. Die in § 11 des Arbeitsvertrags über die Mindestlaufzeit des Vertrags getroffene Vereinbarung sei wirksam. Ebenso wirksam sei die Vertragsstrafenregelung. Sie sei hinreichend transparent, insbesondere werde ausreichend deutlich, dass sich die Vertragsstrafe auf drei Bruttomonatsentgelte, höchstens jedoch die Summe des Entgelts bis zum Ende der Bindungsfrist belaufe. Die Höhe der Vertragsstrafe benachteilige die Klägerin auch nicht unangemessen. Es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, dass eine Vertragsstrafe höchstens eine Bruttomonatsvergütung betragen dürfe. Vorliegend sei es ihr, der Beklagten, darum gegangen, sich den Wert der Arbeitsleistung während eines Zeitraums von 42 Monaten zu sichern. Zudem sei es nicht realistisch anzunehmen, dass eine Nachbesetzung der Stelle innerhalb eines Monats erfolgen könne. Nach der vertraglichen Gestaltung sei auch eine Übersicherung ausgeschlossen. Es könne niemals eine Vertragsstrafe anfallen, die höher sei als das Arbeitsentgelt, das für die Zeit bis zum rechtlich zulässigen Beendigungszeitpunkt zu zahlen sei.
15Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Arbeitsentgelt für Februar 2018 iHv. 4.435,00 Euro brutto verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 2.604,93 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Revision, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag insoweit weiterverfolgt, als sie verurteilt wurde, an die Klägerin einen den Betrag von 2.084,25 Euro übersteigenden Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Darüber hinaus verfolgt sie ihr Widerklagebegehren weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
16Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2018 iHv. 2.604,93 Euro. Der Anspruch ist nicht - auch nicht teilweise - aufgrund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung erloschen. Die Widerklage der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe.
17I. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt für den Monat Februar 2018 iHv. 2.604,93 Euro hat.
181. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Klägerin ursprünglich einen Anspruch auf Arbeitsentgelt iHv. 4.435,00 Euro brutto bzw. nach Abführung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben sowie des Arbeitnehmerbeitrags für die Ärzteversicherung iHv. 2.604,93 Euro hatte.
192. Der Anspruch der Klägerin auf Arbeitsentgelt iHv. 2.604,93 Euro ist nicht - auch nicht teilweise - durch die mit E-Mail vom erklärte Aufrechnung der Beklagten nach § 389 BGB erloschen. Die Beklagte war zu keinem Zeitpunkt Gläubigerin einer aufrechenbaren Gegenforderung. Sie konnte von der Klägerin nicht die Zahlung einer Vertragsstrafe verlangen. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin die in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags geregelte Vertragsstrafe überhaupt verwirkt, dh. ob sie das Arbeitsverhältnis vertragswidrig gelöst hatte oder ob - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - die in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags über den Kündigungsausschluss getroffene Vereinbarung wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Die Beklagte kann von der Klägerin bereits deshalb nicht die Zahlung einer Vertragsstrafe verlangen, weil die Vereinbarung über die Höhe der Vertragsstrafe in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags zu einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB führt und damit unwirksam ist. Die Unwirksamkeit von § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags führt gemäß § 306 Abs. 1 BGB zum ersatzlosen Fortfall der Klausel unter Aufrechterhaltung des Vertrags im Übrigen.
20a) Nach § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags wird die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit auf einen Zeitpunkt vor Ablauf des (42 Monate ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) ausgeschlossen. Danach kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich gekündigt werden. Nach § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags hat der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsvergütungen zu zahlen, höchstens jedoch eine Vertragsstrafe in der Höhe, die den Bruttomonatsvergütungen entspricht, die durch die vertragswidrige Loslösung vom Vertrag bis zum Ablauf des 42-Monats-Zeitraums entfallen, wenn er das Dienstverhältnis vertragswidrig nach Ablauf der Probezeit löst.
21b) Bei den in § 11 des Arbeitsvertrags getroffenen Vereinbarungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verwendet die Beklagte die Formulierungen in dem mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrag auch beim Vertragsschluss mit den anderen bei ihr zur Weiterbildung beschäftigten Ärzten. Die Vertragsbedingungen sind von der Beklagten auch unstreitig vorformuliert. Unabhängig hiervon lässt bereits das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB schließen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass das Datum „“, bis zu dem die Kündigung ausgeschlossen sein soll, von Hand eingefügt worden ist (vgl. zu einer handschriftlich vorgenommenen Streichung: - Rn. 19).
22c) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin durch die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zum die in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags geregelte Vertragsstrafe überhaupt verwirkt, dh. ob sie das Arbeitsverhältnis vertragswidrig gelöst hat. Ob - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - der in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags vereinbarte Kündigungsausschluss wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist, kann offenbleiben.
23aa) Nach der in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags über den Kündigungsausschluss getroffenen Bestimmung hätte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten allerdings frühestens zum kündigen können. Dies ergibt eine Auslegung dieser Bestimmung des Arbeitsvertrags nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen.
24(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (vgl. etwa - Rn. 22; - 8 AZR 498/20 - Rn. 20; - 8 AZR 201/18 - Rn. 55, BAGE 166, 54). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. etwa - aaO; - 9 AZR 44/19 - Rn. 15 mwN). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen obliegt auch dem Revisionsgericht (etwa - Rn. 30 mwN).
25(2) Danach hätte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten frühestens zum kündigen können.
26Zwar wird nach § 11 Buchst. b Satz 1 des Arbeitsvertrags die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit auf einen Zeitpunkt vor Ablauf des (42 Monate ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) ausgeschlossen. Dies könnte - wie die Beklagte meint - dafür sprechen, dass eine Kündigung erstmals zum möglich war. Allerdings ist § 11 Buchst. b Satz 1 des Arbeitsvertrags unter Berücksichtigung der in § 11 Buchst. b Satz 2 des Arbeitsvertrags getroffenen Bestimmung auszulegen, wonach das Arbeitsverhältnis „danach“ unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich gekündigt werden kann. In der Klausel werden demnach die Begriffe „vor Ablauf“ und „danach“, dh. nach Ablauf gegenübergestellt. Einen Zeitpunkt „mit Ablauf“ des gibt es nach dieser Regelung nicht.
27Die in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags getroffene Vereinbarung ist zudem dahin auszulegen, dass die Kündigungsfrist nicht erst nach Ablauf des Zeitraums, für den die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, dh. erst mit dem , sondern bereits mit Zugang einer vor Ablauf des og. Zeitraums ausgesprochenen Kündigung zu laufen beginnt. Dies folgt bereits aus der Formulierung in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags, wonach die ordentliche Kündigung „auf einen Zeitpunkt“ vor Ablauf des ausgeschlossen ist. Das entspricht im Übrigen auch dem Zweck der Kündigungsfrist, dem Vertragsteil, dem gekündigt wird, genügend Zeit zu lassen, sich einen anderen Vertragspartner zu suchen. Dieser Zweck wird nicht nur bei einer Kündigung, die erst nach Ablauf des Zeitraums ausgesprochen wird, für den die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, sondern auch bei einer Kündigung erreicht, die vor Ablauf dieses Zeitraums erklärt wird (zur Problematik der Kündigung „vor“ und „nach“ Dienstantritt vgl. etwa - zu III 4 e der Gründe unter Bezugnahme auf ua. - Rn. 36, BAGE 117, 68).
28bb) Die Klägerin hätte mit ihrer zum ausgesprochenen Kündigung das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten allerdings nur dann vertragswidrig gelöst iSv. § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags, wenn die in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags über den Kündigungsausschluss getroffene Vereinbarung - entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts - nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Klägerin unwirksam wäre.
29Insoweit könnte - wie die Klägerin meint - zu erwägen sein, dass das Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (im Folgenden ÄArbVtrG) - iVm. der in § 15 Abs. 3 TzBfG in der bis zum geltenden Fassung (TzBfG aF) getroffenen Regelung - ein Wertungsmodell zugunsten der Zulässigkeit einer langfristigen Bindung enthält, das nicht nur für einen befristeten, sondern auch für einen - wie hier - unbefristeten Arbeitsvertrag Geltung beansprucht und daher der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung der über den Kündigungsausschluss in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags getroffenen Vereinbarung entgegenstehen könnte. Insoweit heißt es nämlich in § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG, dass ein die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem Arzt rechtfertigender sachlicher Grund vorliegt, wenn die Beschäftigung des Arztes ua. seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung zum Facharzt dient. Und in § 1 Abs. 3 ÄArbVtrG ist bestimmt, dass ein befristeter Arbeitsvertrag nach Absatz 1 auf die notwendige Zeit ua. für den Erwerb der Anerkennung als Facharzt, höchstens bis zur Dauer von acht Jahren abgeschlossen werden kann. Diesen Bestimmungen - iVm. der in § 15 Abs. 3 TzBfG aF getroffenen Regelung, nach der ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung unterliegt, wenn dies vereinbart ist - könnte ggf. eine gesetzliche Interessenabwägung nicht nur zugunsten der Wirksamkeit einer entsprechenden Befristung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch zugunsten eines längerfristigen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung zu entnehmen sein.
30d) Dies kann jedoch dahinstehen, da jedenfalls die Vereinbarung über die Höhe der Vertragsstrafe in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags zu einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB führt und damit unwirksam ist.
31aa) Entgegen der Annahme der Klägerin ist die Vertragsstrafenregelung in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags zwar nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB und deshalb Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden.
32Die Vereinbarung von Vertragsstrafen ist im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument so verbreitet, dass ihre Aufnahme in Formularverträge regelmäßig nicht überraschend ist (vgl. - Rn. 55). Auch deutet das äußere Erscheinungsbild des Arbeitsvertrags nicht auf einen Überraschungseffekt hin. Die Vertragsstrafenklausel ist in § 11 des Arbeitsvertrags geregelt, der die Überschrift „Vertragsdauer, Kündigung“ trägt. In § 11 des Arbeitsvertrags ist unter Buchst. a die Kündigung während der Probezeit, in Buchst. b der zeitweise Ausschluss der Kündigung nach der Probezeit und in Buchst. c das Recht zur außerordentlichen Kündigung geregelt, das unberührt bleibt. Da die Vertragsstrafe in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags voraussetzt, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit vertragswidrig löst, ist sie als Folge einer vertragswidrigen Lösung in genau dem thematischen Zusammenhang geregelt, in dem ein betroffener Arbeitnehmer sie typischerweise zuerst suchen würde.
33bb) Die Regelung der Vertragsstrafe in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist auch nicht bereits nach § 309 Nr. 6 BGB unwirksam. Zwar sind danach Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird. Allerdings sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass § 309 Nr. 6 BGB auf arbeitsvertragliche Vertragsstrafenabreden nicht anwendbar ist und sich eine Unwirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung nur aus § 307 BGB ergeben kann, wobei hier allerdings zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. - Rn. 16; - 8 AZR 196/03 - zu B II der Gründe, BAGE 110, 8).
34cc) Die Bestimmung über eine Vertragsstrafe in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist - anders als die Klägerin meint - auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.
35(1) Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar, verständlich und durchschaubar darzustellen. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssen deshalb so bestimmt oder zumindest so bestimmbar sein, dass der Vertragspartner des Verwenders bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was auf ihn zukommt ( - Rn. 18; vgl. auch - 6 AZR 671/15 - Rn. 22, BAGE 158, 81; - Rn. 23, BGHZ 214, 204).
36(2) Eine Vertragsstrafenregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nur transparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn das die Vertragsstrafe auslösende Fehlverhalten des Arbeitnehmers präzise beschrieben ist (vgl. - Rn. 25; - 8 AZR 645/09 - Rn. 49 und 51). Dieser Vorgabe wird die Regelung in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags gerecht.
37(a) Danach ist die Vertragsstrafe zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vertragswidrig nach Ablauf der Probezeit löst. Ein vertragswidriges Lösen liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seiner Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsverhältnis auf Dauer und endgültig unter Berufung auf einen Beendigungstatbestand nicht mehr nachkommt, sich also vom Vertrag lossagt, obwohl ein rechtlich wirksamer Beendigungstatbestand (noch) nicht eingetreten ist (vgl. - Rn. 46). Die in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags getroffene Bestimmung lässt klar erkennen, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ordentlich frühestens zum gekündigt werden konnte. Demzufolge konnte die Vertragsstrafe nach § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags nur verwirkt werden, wenn der Arbeitnehmer - ohne dass ihm ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB zur Seite stand - die Arbeitsleistung vor Ablauf des oder zu einem späteren Zeitpunkt einstellte, ohne das Arbeitsverhältnis zuvor zu dem entsprechenden Termin ordentlich gekündigt zu haben.
38(b) Für die gebotene Transparenz der Bestimmung in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist es im Übrigen unschädlich, dass nicht ausdrücklich geregelt ist, dass die Vertragsstrafe nur verwirkt ist, wenn die Vertragsverletzung auf einem Verschulden des Arbeitnehmers beruht. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass der Regelung der juristische Fachbegriff einer „Vertragsstrafe“ zugrunde gelegt ist ( - Rn. 52).
39(3) Eine Vertragsstrafenregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist zudem nur transparent iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn die Höhe der im Fall eines Verstoßes zu leistenden Vertragsstrafe eindeutig bestimmt ist (vgl. - zu II 3 b bb der Gründe).
40Dieser Anforderung wird die Regelung in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags ebenfalls gerecht. Grundsätzlich beträgt die Vertragsstrafe danach drei Bruttomonatsvergütungen, wobei der Begriff der Bruttomonatsvergütung in § 11 Buchst. d Abs. 3 des Arbeitsvertrags dahin konkretisiert wird, dass die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung des Arbeitnehmers aus den letzten drei vollen Kalendermonaten vor dem Kalendermonat maßgeblich ist, in welchem der die Vertragsstrafe auslösende Pflichtenverstoß stattfindet. Darüber hinaus wird die Vertragsstrafe beschränkt auf höchstens den Betrag, der den Bruttovergütungen entspricht, die durch die vertragswidrige Loslösung vom Vertrag bis zum Ablauf des 42-Monats-Zeitraums entfallen. Damit ist klar und verständlich beschrieben, dass bei einer Loslösung innerhalb von drei Monaten vor Ablauf dieses Zeitraums als Vertragsstrafe nur der Betrag geschuldet ist, den die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt als Bruttoentgelt erhalten hätte.
41dd) Die Vertragsstrafenregelung in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags benachteiligt die Klägerin jedoch entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam. Die Bestimmung führt zu einer Übersicherung der Beklagten, da sie diese berechtigen würde, von der Klägerin auch dann eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsverdiensten zu fordern, wenn diese das Arbeitsverhältnis bereits unmittelbar nach Ablauf der in § 11 Buchst. a des Arbeitsvertrags bestimmten Probezeit von fünf Monaten ordentlich gekündigt hätte. Dass sie dies nicht getan hat, ist unerheblich. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 307 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. Unwirksam sind deshalb auch solche Klauseln, die in ihrem Übermaßanteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfall nicht realisiert hat (st. Rspr., vgl. etwa - Rn. 30 mwN).
42(1) Eine unangemessene Benachteiligung kann auch aus der Höhe einer Vertragsstrafe folgen (st. Rspr., - Rn. 27; - 8 AZR 196/03 - zu B III 2 b aa der Gründe, BAGE 110, 8).
43(a) Allerdings gibt es - entgegen der Auffassung der Klägerin - keinen Rechtssatz, dass eine Vertragsstrafe, die einen Bruttomonatsverdienst übersteigt, den Arbeitnehmer stets unangemessen benachteiligen würde iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und das Versprechen deshalb unwirksam wäre.
44Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit in Einzelfällen eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsentgelts generell als geeigneten Maßstab betrachtet und bei formularmäßigen Strafabreden ein gesteigertes Bedürfnis nach einer generellen Obergrenze gesehen, deren Überschreitung im Regelfall die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge hat. Insoweit hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass das Abstellen auf die Monatsvergütung im Normalfall auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers berücksichtige (vgl. - Rn. 55; - 8 AZR 196/03 - zu B III 2 b aa der Gründe, BAGE 110, 8). Daraus folgt aber nicht, dass eine allgemeine Obergrenze in Höhe eines Bruttomonatsentgelts für eine wirksame Vertragsstrafe bestünde (vgl. - Rn. 45; - 8 AZR 717/07 - Rn. 55). Aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB lässt sich eine generelle Höchstgrenze von einem Bruttomonatsentgelt für eine wirksame Vertragsstrafe im Rahmen eines formularmäßigen Arbeitsvertrags nicht herleiten ( - Rn. 59).
45(b) Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der Arbeitnehmer durch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe unangemessen benachteiligt wird iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
46Unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Dabei sind im Rahmen der Inhaltskontrolle Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt (st. Rspr., - Rn. 47; - 8 AZR 67/15 - Rn. 27).
47(2) Vorliegend ergibt die Abwägung der Interessen der Beklagten gegenüber den Interessen von Ärzten, die sich - wie die Klägerin - in der Weiterbildung zum Facharzt befinden, dass die Vertragsstrafenregelung in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bewirkt. Die Bestimmung führt zu einer Übersicherung der Beklagten, da sie diese berechtigen würde, auch dann eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsverdiensten zu fordern, wenn das Arbeitsverhältnis bereits unmittelbar nach Ablauf der in § 11 Buchst. a des Arbeitsvertrags bestimmten Probezeit von fünf Monaten ordentlich gekündigt würde.
48(a) Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte als Verwenderin mit der Vertragsstrafenregelung erreichen möchte, dass der in § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags bestimmte langfristige Kündigungsausschluss für einen Zeitraum von über drei Jahren - seine Wirksamkeit unterstellt - vom Vertragspartner eingehalten wird.
49(aa) Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Kündigungsfristen, die im Fall einer fristgemäßen Kündigung einzuhalten sind, ein relevanter Abwägungsgesichtspunkt zur Feststellung der Angemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe sein. In der Länge der Kündigungsfrist kommt zum Ausdruck, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und welches Interesse er an der Arbeitsleistung hat. Dabei ist die Höhe der Vergütung grundsätzlich ein geeigneter Maßstab, um den Wert der Arbeitsleistung festzustellen. Die Länge der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist und die für diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung spiegeln regelmäßig das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider ( - Rn. 27; - 8 AZR 665/14 - Rn. 23).
50(bb) Aus dieser Rechtsprechung, die die zulässige Höhe der Vertragsstrafe an die Länge der Kündigungsfrist knüpft, ergibt sich jedoch nicht, dass auch im Fall eines langfristigen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung - wie hier - eine Vertragsstrafe, deren Höhe die bis zum Ablauf des vereinbarten Kündigungsausschlusses ausstehende Vergütung nicht überschreitet, stets wirksam wäre. Die og. Rechtsprechung ist nämlich zu anderen Fallgestaltungen entwickelt worden, in denen die ordentliche Kündigung nicht - wie hier - langfristig ausgeschlossen war. Zwar kann der Arbeitgeber aufgrund eines vereinbarten langfristigen Kündigungsausschlusses - seine Wirksamkeit unterstellt - für einen langen Zeitraum die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer verlangen. Er hat damit ein gesteigertes Interesse, sich den hohen Wert der vertraglich für einen langen Zeitraum versprochenen Arbeitsleistung zu sichern. Dies würde ihn aber nicht berechtigen, von einem Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der langfristigen Bindung und damit vertragswidrig löst, eine Vertragsstrafe zu fordern, deren Höhe die bis zum Ablauf des vereinbarten Kündigungsausschlusses ausstehende Vergütung erreicht. Andernfalls würde nicht berücksichtigt, dass gerade die Kombination eines langfristigen Kündigungsausschlusses mit einer hohen Vertragsstrafe die betroffenen Arbeitnehmer besonders stark beeinträchtigt.
51(b) Die in § 11 Buchst. d des Arbeitsvertrags bestimmte Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsvergütungen ist vorliegend auch nicht deswegen angemessen, weil die ausbildenden Ärzte Aufwendungen tätigen, indem sie die Weiterbildung überwachen und die Weiterbildungsnachweise prüfen, wofür sie 20 bis 40 Minuten täglich aufwenden.
52(aa) Derartige Aufwendungen des Arbeitgebers in die Ausbildung des Arbeitnehmers können allerdings ein gesteigertes Interesse der Arbeitgeberseite an einer gewissen Bindung des Arbeitnehmers begründen. Typischerweise ist der Aufwand für die Ausbildung zu Beginn der Tätigkeit höher und nimmt in deren Verlauf eher ab, während die Qualität der Arbeitsleistung mit der fortschreitenden Ausbildung zunimmt. Daraus ergibt sich ein Nachteil für die Arbeitgeberseite, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis frühzeitig beendet, weil den erhöhten Aufwendungen des Arbeitgebers in die Ausbildung zu Beginn der Tätigkeit keine höherwertige Arbeitsleistung der bereits teilweise ausgebildeten Arbeitskraft in der folgenden Zeit gegenübersteht. Dies kann ein gesteigertes anzuerkennendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Verbleib des Arbeitnehmers mit einer Vertragsstrafe zu sichern, damit die Aufwendungen in die Ausbildung nicht vergeblich waren. Die schadensausgleichende Funktion einer Vertragsstrafe (vgl. - Rn. 42; - 8 AZR 717/07 - Rn. 51) spricht grundsätzlich dafür, in dieser Konstellation eine höhere Vertragsstrafe zuzulassen.
53(bb) In der vorliegend gegebenen Fallgestaltung erweist sich eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsvergütungen aufgrund der vorstehenden Erwägungen jedenfalls nicht für den gesamten Zeitraum des Kündigungsausschlusses als interessengerecht. Insoweit wirkt sich aus, dass eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsverdiensten bereits dann geschuldet wird, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar nach der Probezeit von fünf Monaten das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigt. Zu diesem Zeitpunkt haben die ausbildenden Ärzte zum einen erst vergleichsweise überschaubare Aufwendungen für die Ausbildung erbracht. Ein zeitlicher Aufwand von 20 bis 40 Minuten pro Arbeitstag über einen Zeitraum von fünf Monaten vermag - unter Berücksichtigung einer wöchentlichen Arbeitszeit der Ärzte in der Weiterbildung von 40 Stunden - bei wertender Betrachtung eine Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsvergütungen nicht zu rechtfertigen. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob eine Vertragsstrafe in dieser Höhe ggf. zu einem späteren Zeitpunkt als angemessen anzusehen sein könnte. Die vorliegende Vertragsgestaltung berücksichtigt jedenfalls nicht ausreichend, dass der Ausbildungsaufwand unmittelbar nach Ablauf der Probezeit noch vergleichsweise überschaubar ist. Dennoch ist nach der Vertragsgestaltung bereits ab dem ersten Tag nach der Probezeit eine Vertragsstrafe in voller Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen vorgesehen. Es kommt hinzu, dass während der Probezeit von fünf Monaten - bei vertragswidriger Lösung vom Vertrag - überhaupt keine Vertragsstrafe anfällt, so dass eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsverdiensten unmittelbar nach Ablauf der Probezeit auch vor diesem Hintergrund als unangemessen erscheint.
54(c) Dass die Klägerin auch bei einer Lösung vom Vertrag unmittelbar nach Ablauf der Probezeit eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsvergütungen schuldet, lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass eine Nachbesetzung der Stelle - wie die Beklagte geltend gemacht hat - nicht innerhalb eines Monats hätte erfolgen können. Zwar haben Vertragsstrafen neben der schadensausgleichenden Funktion vor allem den Zweck, die Erbringung der Arbeitsleistung zu sichern (vgl. - Rn. 42; - 8 AZR 717/07 - Rn. 51). Sofern Arbeitsplätze für bestimmte Tätigkeiten bei vom Einzelfall losgelöster Betrachtungsweise regelmäßig nicht zeitnah nachbesetzt werden können, mag dies das rechtlich anzuerkennende Interesse des Arbeitgebers erhöhen, die Erbringung der Arbeitsleistung durch eine Vertragsstrafe zu sichern. Nach § 11 Buchst. b des Arbeitsvertrags der Parteien kann das Arbeitsverhältnis jedoch nach Ende des Kündigungsausschlusses unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich gekündigt werden. Gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB beträgt die Kündigungsfrist zu diesem Zeitpunkt lediglich einen Monat zum Ende des Kalendermonats. Vor dem Hintergrund, dass das Arbeitsverhältnis nach dem Ende des Kündigungsausschlusses mit kurzer Frist gekündigt werden kann, ohne dass eine Vertragsstrafe verwirkt wäre, die Beklagte also vor demselben Problem gestanden hätte, wenn die Klägerin ordentlich zum gekündigt hätte, vermögen etwaige Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung der Stelle eine Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsvergütungen ohnehin nicht zu rechtfertigen.
55(d) Die in § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags bestimmte Vertragsstrafe iHv. drei Bruttomonatsverdiensten erweist sich auch nicht aufgrund der Höhe der Vergütung der Klägerin ausnahmsweise als angemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zwar können Arbeitnehmer, die über hohe Einkommen verfügen, in der Lage sein, Vermögen zu bilden, so dass es angemessen sein kann, auch eine höhere Vertragsstrafe in einem formularmäßigen Arbeitsvertrag zu vereinbaren ( - Rn. 59). Die für Ärzte in der Weiterbildung zum Facharzt übliche Vergütung - im Fall der Klägerin 4.435,00 Euro brutto bzw. 3.017,39 Euro netto abzüglich des Arbeitnehmerbeitrags zur Ärzteversicherung - ist nicht geeignet, (kurzfristig) ein höheres Vermögen zu bilden. Jedenfalls wäre es mit einer solchen Vergütung nicht möglich, bis zum Ablauf der Probezeit von fünf Monaten Ersparnisse aufzubauen, die die Höhe der Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsvergütungen - im Fall der Klägerin 13.305,00 Euro - auch nur ansatzweise erreichen.
56II. Die Widerklage ist unbegründet. Die Beklagte hat - wie unter Rn. 19 ff. ausgeführt - gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus § 11 Buchst. d Abs. 1 des Arbeitsvertrags.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:201022.U.8AZR332.21.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 691 Nr. 12
BB 2023 S. 831 Nr. 14
BB 2023 S. 832 Nr. 14
DB 2023 S. 1739 Nr. 30
DB 2023 S. 1739 Nr. 30
DB 2023 S. 784 Nr. 13
DStR 2023 S. 12 Nr. 13
DStR 2023 S. 1611 Nr. 29
DStR 2023 S. 1612 Nr. 29
NJW 2023 S. 1152 Nr. 16
NWB-Eilnachricht Nr. 14/2023 S. 960
NWB-Eilnachricht Nr. 14/2023 S. 960
OAAAJ-34455