Instanzenzug: Az: 13 U 1678/21vorgehend Az: 9 O 333/20
Gründe
I.
1Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch.
2Die Klägerin erwarb im Jahr 2013 von einem Mitarbeiter der Beklagten einen VW Tiguan zum Preis von 33.800 €. Das bei der Übergabe eine Laufleistung von 16.600 Kilometern aufweisende Fahrzeug war von der Beklagten an ihren Werksangehörigen veräußert worden, der es als "Ex-Geschäftswagen" der Beklagten über die von ihr bereitgestellte Jahreswagenbörse zum Verkauf angeboten hatte.
3Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Die im Motor verbaute Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wurde. In diesem Fall schaltete sie in einen Abgasrückführungsmodus mit einem niedrigen Stickoxidausstoß, der die Einhaltung des gesetzlichen Emissionsgrenzwerts gewährleistete. Im normalen Fahrbetrieb schaltete sie dagegen in einen Betriebsmodus mit einer geringeren Abgasrückführungsrate und einem höheren Stickoxidausstoß. Die Software wurde im Herbst 2015 öffentlich bekannt und vom Kraftfahrt-Bundesamt als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.
4Mit der im Juli 2020 erhobenen Klage hat die Klägerin zuletzt die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und des Erlöses aus dem zwischenzeitlichen Verkauf des Fahrzeugs nebst Zinsen sowie den Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision "beschränkt auf die Frage" zugelassen, "ob bei dem Kauf eines Jahreswagens von einem Mitarbeiter des beklagten Autoherstellers über deren Jahreswagenbörse die Beklagte etwas erlangt hat und dieses an die geschädigte Klägerin nach § 852 BGB herauszugeben ist". Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
II.
6Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
7Der Klägerin stehe nach der Verjährung eines etwaigen deliktischen Schadensersatzanspruchs kein Anspruch gemäß § 852 BGB zu. Die Beklagte habe aus dem Verkauf des Gebrauchtwagens durch ihren Mitarbeiter an die Klägerin nichts (mehr) erlangt. Sie habe einen Vermögensvorteil aus der Veräußerung des Fahrzeugs an den Mitarbeiter gezogen, auf den das Absatzrisiko übergegangen sei. Für dessen nachfolgenden Verkauf des Fahrzeugs an die Klägerin über die Jahreswagenbörse habe die Beklagte lediglich die Plattform geboten, ohne dass ihr daraus ein Vermögensvorteil zugeflossen sei. Für die Einschaltung des Mitarbeiters als Strohmann oder ein Umgehungsgeschäft bestehe kein Anhaltspunkt.
III.
8Die unbeschränkt zugelassene (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 16 ff.; Urteil vom - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision der Klägerin wird gemäß § 552a Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen sein, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen und sie keine Aussicht auf Erfolg hat.
91. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Rechtsfrage, nach welchen Kriterien sich bestimmt, ob die Beklagte in den Fällen des sogenannten "Dieselskandals" aus dem Kauf des Fahrzeugs seitens des Geschädigten etwas im Sinne von § 852 Satz 1 BGB erlangt hat, ist durch die Entscheidungen des , NJW 2022, 1311; VII ZR 692/21, VersR 2022, 1039; VII ZR 717/21, juris), vom (VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16; VIa ZR 57/21, WM 2022, 742) und vom (VIa ZR 275/21, WM 2022, 745) geklärt.
102. Die Revision der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen.
11a) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne von der Beklagten nicht die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und des Weiterverkaufserlöses Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangen, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
12aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, ein deliktischer Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB sei verjährt und daher gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar, wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 33 ff.; außerdem auch Urteil vom - VIa ZR 680/21, NJW-RR 2022, 1251 Rn. 25 ff.).
13bb) Einen Anspruch der Klägerin auf Restschadensersatz aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Die Beklagte hat aufgrund des Kaufvertrags zwischen ihrem Mitarbeiter und der Klägerin nichts erlangt. Die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen erachtet der Senat nicht für durchgreifend (§ 564 Satz 1 ZPO).
14(1) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Beklagte das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Fahrzeug an einen Dritten veräußert und dieser das Fahrzeug danach als Gebrauchtwagen an den Geschädigten verkauft hat, die Beklagte an dem vom Dritten erzielten Erlös aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs nicht partizipiert (vgl. , NJW 2022, 1311 Rn. 30; Urteil vom - VII ZR 692/21, VersR 2022, 1039 Rn. 45; Urteil vom - VII ZR 717/21, juris Rn. 39).
15Dabei hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass es sich bei dem veräußernden Dritten um einen Mitarbeiter der Beklagten handelte, der das Fahrzeug als "Ex-Geschäftswagen" der Beklagten über die von ihr als Vermittlungsplattform bereitgestellte Jahreswagenbörse angeboten hat. Das Berufungsgericht hat darin jedoch keinen Anhaltspunkt für eine Strohmanneigenschaft des Werksangehörigen und ein Umgehungsgeschäft gesehen, das wie ein Kauf unmittelbar von der Beklagten (vgl. dazu VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 82) zu behandeln sein könnte. Soweit die Revision dies anders sieht, ersetzt sie die tatgerichtliche Würdigung des Berufungsgerichts durch ihre eigene Sichtweise, ohne einen Rechtsfehler aufzuzeigen.
16In diesem Zusammenhang rügt die Revision vergeblich, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte an dem Verkauf von Jahreswagen ihrer Werksangehörigen finanziell beteiligt sei, weil sie ausweislich des Fahrzeugangebots eine Hilfestellung bei der Fahrzeugfinanzierung anbiete. Dass die Klägerin eine solche Hilfe in Anspruch genommen und die Beklagte daraus einen Vermögensvorteil erzielt habe, macht die Revision nicht geltend. Im Übrigen begründete eine Unterstützung bei der Finanzierung des Kaufpreises keinen aus dem gezahlten Entgelt resultierenden deckungsgleichen Vermögensvorteil der Beklagten.
17(2) Entgegen der Ansicht der Revision besteht kein Anlass, den Kauf des Gebrauchtfahrzeugs wegen einer Zwischenschaltung des Mitarbeiters der Beklagten als Verkäufer rechtlich wie den Erwerb eines Neufahrzeugs von einem Vertragshändler zu behandeln. Unabhängig davon stünde der Klägerin auch dann kein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB zu.
18Hat der Händler das Neufahrzeug unabhängig von einer Bestellung des Geschädigten vor dem Weiterverkauf auf eigene Kosten und eigenes (Absatz-) Risiko erworben, fehlt es an dem für §§ 826, 852 Satz 1 BGB erforderlichen Zurechnungszusammenhang ( VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 28). Das Berufungsgericht hat angenommen, das Absatzrisiko sei auf den Mitarbeiter der Beklagten übergegangen, dem es freigestanden habe, das Fahrzeug zu behalten, zu nutzen und/oder es auf dem freien Markt oder über die Jahreswagenbörse der Beklagten zu veräußern. Dagegen erhebt die Revision keine Einwendungen, sondern geht ebenfalls davon aus, dass das Absatzrisiko bei dem Werksangehörigen gelegen habe.
19b) Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten abgelehnt. Ein darauf gerichteter deliktischer Schadensersatzanspruch ist ebenfalls verjährt ( VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 74 bis 76). Ein Restschadensersatzanspruch aus § 852 Satz 1 BGB besteht nicht und würde im Übrigen die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht erfassen (vgl. aaO, Rn. 77). Es ist auch nicht ersichtlich, dass im Streitfall ein Ersatz unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs in Betracht käme (vgl. aaO, Rn. 78).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:051222BVIAZR494.22.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-33975