BGH Beschluss v. - XIII ZB 20/21

Instanzenzug: LG Duisburg Az: 11 T 52/21vorgehend AG Oberhausen Az: 22 XIV (B) 18/21

Gründe

1I. Das Amtsgericht hat am auf den Haftantrag der beteiligten Behörde gegen den Betroffenen Abschiebungshaft bis zum angeordnet. Dagegen hat der Betroffene durch seine Person des Vertrauens (nachfolgend: Vertrauensperson) am einen Antrag auf Aufhebung der Haft gestellt und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft ab Eingang des Haftaufhebungsantrags bei Gericht beantragt.

2Der Betroffene hat ferner am durch seine Verfahrensbevollmächtigte Beschwerde gegen die Haftanordnung eingelegt und die Aufhebung der Haft sowie die Feststellung beantragt, dass die angeordnete Haft rechtswidrig war. Das Landgericht hat die Beschwerde und den Feststellungsantrag mit Beschluss vom zurückgewiesen. Der Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

3Mit Beschluss vom hat das Amtsgericht auf den Haftaufhebungsantrag "der Beschwerde des Betroffenen (…) nicht abgeholfen" und die "begehrte Haftaufhebung (…) zurückgewiesen". Das Landgericht hat den Feststellungsantrag mit Beschluss vom als unzulässig verworfen, nachdem der Betroffene am aus der Haft entlassen worden war. Dagegen hat die Vertrauensperson Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie verfolgt den Feststellungsantrag weiter.

4II. Die Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg.

51. Das Landgericht meint, der Feststellungsantrag sei unzulässig. Es bestehe kein berechtigtes Interesse an einer feststellenden Entscheidung, da das Beschwerdegericht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens bereits eine Entscheidung über die Beschwerde gegen die angeordnete Haft getroffen habe. Dieser Beschluss habe das Beschwerdeverfahren beendet, so dass der vorsorglich gestellte Antrag, für den Fall der Haftentlassung vor einer Beschwerdeentscheidung die Rechtswidrigkeit des Beschlusses festzustellen, ins Leere gehe. Die Vorschrift des § 62 FamFG ermögliche nicht, auf der gleichen Tatsachengrundlage das Beschwerdegericht zu einer Selbstüberprüfung seiner Entscheidung zu veranlassen.

62. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand. Einer Entscheidung über den Feststellungsantrag für den Zeitraum vom 1. März bis steht die materielle Rechtskraft der Entscheidung des entgegen. Die Entscheidung ist von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - III ZB 71/99, NJW 2001, 1730, [juris Rn. 17]; vom - XIII ZB 91/19, InfAuslR 2021, 381 Rn. 5). Im Übrigen kann die Entscheidung des Beschwerdegerichts aber keinen Bestand haben.

7a) Der Betroffene oder für ihn seine Vertrauensperson (vgl. , InfAuslR 2020, 387 Rn. 8 ff.) darf unabhängig von der Einlegung und Durchführung einer Beschwerde gegen die Haftanordnung eine Aufhebung der Haft gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 FamFG beantragen. Dabei handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren mit unterschiedlichen Voraussetzungen, das mit Blick auf die auch verfassungsrechtlich mit Art. 104 GG hervorgehobene Bedeutung des Freiheitsgrundrechts sicherstellen soll, dass eine angeordnete Haft aufgehoben wird, wenn die Haftanordnung fehlerhaft war oder der Betroffene durch die Fortdauer der Haft in seinen Rechten verletzt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 23; vom - XIII ZB 52/20, juris Rn. 14). Solange sich der Betroffene in Haft befindet, kann er daher sowohl vor als auch nach Eintritt formeller Rechtskraft im Haftanordnungsverfahren die Aufhebung der Haft ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht beantragen. Die Haftanordnung kann damit nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (, juris Rn. 13 f., 20). Hat sich der Haftaufhebungsantrag durch die Entlassung des Betroffenen erledigt und begehrt der Betroffene gemäß § 62 FamFG die Feststellung, durch die Haft ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei Gericht in seinen Rechten verletzt zu sein, kann über den Gegenstand dieses Antrags - anders als bei der Aufhebung einer noch andauernden Haft - aber nur einmal abschließend entschieden werden (vgl. , juris Rn. 21).

8b) Nach diesen Maßgaben steht einer Entscheidung über den hier gegenständlichen, im Aufhebungsverfahren gestellten Feststellungsantrag für den Zeitraum vom 2. März bis die materielle Rechtskraft der Entscheidung des Beschwerdegerichts vom entgegen. Das Beschwerdegericht hat den im Anordnungsverfahren unbedingt und nicht nur für den Fall der Erledigung gestellten Feststellungsantrag (vgl. , InfAuslR 2013, 114 Rn. 6 f.) für diesen Zeitraum rechtskräftig zurückgewiesen. Insoweit hat es in der hier angefochtenen Entscheidung daher zu Recht ausgesprochen, dass die Rechtskraft dieses Beschlusses einem neuen Verfahren entgegensteht (vgl. BGH, InfAuslR 2021, 381 Rn. 6).

9c) Anders liegt es, soweit das Beschwerdegericht durch den Beschluss vom die Haft aufrechterhalten hat. Die Aufrechterhaltung der Haft konnte nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht in materielle Rechtkraft erwachsen. Eine in die Zukunft gerichtete Feststellungswirkung kommt dem Beschluss vom daher nicht zu. Seine Rechtskraft steht einer Entscheidung über den Feststellungsantrag für diesen Zeitraum nicht entgegen. Das Beschwerdegericht hätte den Feststellungsantrag für den Zeitraum vom bis zur Entlassung des Betroffenen am aus diesem Grund nicht als unzulässig ansehen dürfen (vgl. , InfAuslR 2016, 56 Rn. 9 bis 11).

103. Soweit die angefochtene Entscheidung den Zeitraum ab dem betrifft, ist sie daher nach § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

114. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:170123BXIIIZB20.21.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-33707