Revision in Strafsachen: Anforderungen an die Übermittlung der Revisionsbegründung über das besondere elektronische Anwaltspostfach
Gesetze: § 32a Abs 3 Alt 2 StPO, § 345 StPO, § 31a BRAO
Instanzenzug: LG Magdeburg Az: 23 KLs 1/22nachgehend Az: 6 StR 466/22 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit „Verstoß gegen das Waffengesetz“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt sowie die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO).
21. Die Revisionsbegründung wurde von dem beigeordneten Verteidiger Rechtsanwalt B. verfasst und am an das Landgericht elektronisch übermittelt. Unterhalb des elektronisch eingefügten Namens des beigeordneten Verteidigers befindet sich der Zusatz
„i.V.
Rechtsanwälte B. & F.
F.
Rechtsanwalt“.
Das Dokument wurde über das besondere elektronische Anwaltspostfach des Rechtsanwalts F. übermittelt.
32. Dies genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 345 Abs. 2 i.V.m. § 32d Satz 2, § 32a Abs. 3 und 4 Satz 1 Nr. 2 StPO).
4a) Bei einer Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (§ 32a Abs. 3 Var. 2 StPO i.V.m. § 31a BRAO) muss das Dokument über das Postfach desjenigen Verteidigers oder Rechtsanwalts übertragen werden, dessen Name als Signatur in der Schrift als verantwortende Person aufgeführt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 262/22, NStZ-RR 2023, 22; vom – 3 StR 89/22 mwN, wistra 2022, 389 f.). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Denn der beigeordnete Verteidiger Rechtsanwalt B. hat das Dokument „einfach“ signiert (vgl. , aaO), jedoch nicht selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht. Erfolgt die Übermittlung nach § 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO gleichsam durch einen Boten (vgl. MüKo-BGB/Schubert, 9. Aufl., § 164 Rn. 79), wird die Authentizität des elektronischen Dokuments nicht gewährleistet (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 45 i.V.m. BT-Drucks. 17/12634, S. 25; , aaO).
5b) Die Form wird auch nicht dadurch gewahrt, dass der das elektronische Dokument übermittelnde Rechtsanwalt F. die Revisionsbegründung ebenfalls „einfach“ signiert hat. Denn dieser ist weder als allgemeiner Vertreter des Pflichtverteidigers nach § 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO tätig geworden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 177/22; vom – 5 StR 539/19), noch war er vom Angeklagten selbst bevollmächtigt worden. Eine etwaig erteilte Untervollmacht wäre unwirksam (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 202/21; vom – 4 StR 109/14; vom – 2 StR 461/94, NStZ 1995, 356, 357).
6Auf Nachfrage des Senats hat Rechtsanwalt B. mitgeteilt, dass über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach „aus technischen Gründen“ keine elektronischen Dokumente übermittelt werden könnten und daher Rechtsanwalt F. , der nicht sein bestellter Vertreter sei, die Schriftsätze einreiche. Bei verständiger Würdigung beschränkte sich die Tätigkeit von Rechtsanwalt F. daher allein auf den technischen Vorgang der elektronischen Übermittlung des Dokuments, während Rechtsanwalt B. die Revisionsbegründung verantwortete.
73. Für eine Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begründung der Revision von Amts wegen war schon mangels Nachholung der versäumten Handlung kein Raum (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:240123B6STR466.22.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-33595