Beitragspflicht - Sozialkassen der Bauwirtschaft - betrieblicher Geltungsbereich - Trocken- und Montagebau - Errichtung von Kühlzellen
Gesetze: § 1 Abs 2 Abschn V Nr 37 VTV-Bau, § 24 Abs 1 VTV-Bau, § 21 Abs 1 VTV-Bau
Instanzenzug: ArbG Wiesbaden Az: 4 Ca 131/18 SK Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 10 Sa 1001/18 SK Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu entrichten.
2Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet und verlangt von der Beklagten Beiträge für fünf gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 2012 bis September 2017 sowie für einen Angestellten für die Zeit von Februar 2013 bis September 2017 iHv. insgesamt 199.109,50 Euro. Die Beitragsansprüche für die gewerblichen Arbeitnehmer berechnet der Kläger anhand der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittslöhne im Baugewerbe und der sich daraus ergebenden „Mindestbeiträge“, für den Angestellten anhand der tariflichen monatlichen Festbeiträge.
3§ 1 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) enthält ua. folgende Bestimmungen:
4Die nicht originär tarifgebundene Beklagte mit Sitz in B errichtete im Streitzeitraum als Kühlzellen bezeichnete, begehbare Raumeinheiten, insbesondere in Restaurants der Systemgastronomie, Lebensmittelgeschäften, Tankstellen, bei Getränkeherstellern und in Kindertagesstätten. Diese dienen der gekühlten Aufbewahrung von Getränken und Nahrungsmitteln und wurden aus vorgefertigten Paneelen - sog. Sandwichelementen - erstellt. Die Paneele wurden mit einem Nutfederschlosssystem - zum Teil auch mit Winkelprofilen - verbunden und die Zwischenräume mit Silikon abgedichtet. Wurden die Kühlzellen ohne eigenen Boden errichtet, wurden zunächst U-Profile auf dem vorhandenen Boden verschraubt bzw. mit Schlagdübeln befestigt. Das für die Kühlung der Räume benötigte Kühlaggregat wurde teils mitgeliefert und von den Arbeitnehmern der Beklagten eingehängt; teilweise wurde es erst später montiert.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beklagten sei verpflichtet, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Er hat zuletzt gemeint, die von den dort beschäftigten Arbeitnehmern in den Kalenderjahren 2012 bis 2017 jeweils arbeitszeitlich überwiegend ausgeführte Errichtung von Kühlzellen durch Trockenbaumontage in Gebäuden falle unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV).
6Der Kläger hat beantragt,
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, sie habe keine baulichen Leistungen erbracht. Vielmehr habe sie Kühlmöbel/große Kühlschränke, die der Innenausstattung dienten bzw. die Isoliereinheit für Kälteanlagen darstellten, geliefert und aufgebaut. Die Kühlzelle sei integraler Bestandteil einer Kälteanlage und könne jederzeit ohne Substanzbeschädigung des Gebäudes wieder demontiert werden. Kühlhallen habe sie nicht erstellt. Zumindest sei sie als Betrieb des Klimaanlagenbaus aus dem Anwendungsbereich des VTV herauszunehmen. Hilfsweise berufe sie sich auf die Einrede der Verjährung.
8Der Kläger hat die Beiträge in zwei Mahnverfahren anhängig gemacht. Das Arbeitsgericht hat die Verfahren nach Widerspruch gegen die Mahnbescheide zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht - nach durchgeführter Beweisaufnahme - das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Gründe
9Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beitragsklage zu Unrecht abgewiesen. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Wiederherstellung der klagestattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).
10I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
111. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag auch eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Ob der Streitgegenstand hinreichend bestimmt ist, ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ( - Rn. 13 mwN).
12a) Der prozessuale Anspruch einer Beitragsklage der Sozialkasse für gewerbliche Arbeitnehmer ist der auf der Grundlage der VTV in einem Kalendermonat anfallende Sozialkassenbeitrag. Verlangt der Kläger Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für einen längeren Zeitraum als einen Kalendermonat, handelt es sich um eine „Gesamtklage“. Der Kläger hat dann darzulegen, wie sich die Ansprüche auf die einzelnen Monate verteilen ( - Rn. 14 mwN).
13b) Geht es um Beiträge für Angestellte, ist der prozessuale Anspruch der jeweils auf der Grundlage der VTV für jeden einzelnen beschäftigten Angestellten in einem Kalendermonat anfallende Festbeitrag. Hier macht die Sozialkasse keinen einheitlichen Beitragsanspruch, sondern im Weg der objektiven Klagehäufung zusammengefasste Einzelansprüche für die jeweilige Zahl der beschäftigten Angestellten geltend. Es ist daher erforderlich, die Zahl der beschäftigten Angestellten unter Angabe des jeweiligen Monats zu benennen ( - Rn. 15 mwN).
142. Diesen Anforderungen wird die Klage gerecht. Aus den Mahnanträgen des Klägers wird hinreichend deutlich, wie sich die geltend gemachten Beiträge für die streitgegenständlichen Zeiträume - getrennt nach gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten - auf die einzelnen Monate verteilen.
15II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat für den streitgegenständlichen Zeitraum Ansprüche gegen die Beklagte auf Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft für fünf gewerbliche Arbeitnehmer iHv. insgesamt 195.095,00 Euro sowie für einen Angestellten iHv. 4.014,50 Euro. Der Betrieb der Beklagten unterfällt - im Gegensatz zur Ansicht des Landesarbeitsgerichts - dem betrieblichen Geltungsbereich der VTV.
161. Die Pflicht der Beklagten, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu leisten und deren Höhe, ergibt sich für die Zeiten vom bzw. vom 1. Februar bis aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 18 Abs. 2 Satz 1, § 19 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV 2011 und VTV 2012. Die Ansprüche für die Zeiten vom bis beruhen auf § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 15 Abs. 2 Satz 1, §§ 16, 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2013 I, VTV 2013 II, VTV 2014 und VTV 2015. Die Bindung an die jeweiligen VTV folgt für die geltend gemachten Zeiträume aus § 7 Abs. 1 bis 6 iVm. den Anlagen 26 bis 31 SokaSiG. Die Bindung an den VTV 2014 und VTV 2015 folgt zudem aus § 5 Abs. 4 TVG iVm. den wirksamen Allgemeinverbindlicherklärungen vom und vom (zur Wirksamkeit der AVE vgl. - Rn. 18). Das SokaSiG als Geltungsgrund für die VTV ist verfassungsgemäß ( - Rn. 14 ff.). Soweit es für den Verfall bzw. die Verjährung auf den VTV 2018 ankommt, ist die Beklagte an ihn nach § 5 Abs. 4 TVG iVm. der AVE vom (BAnz. AT B1) gebunden.
172. Der im Land Niedersachsen gelegene Betrieb der Beklagten unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 VTV. Gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte werden vom persönlichen Geltungsbereich erfasst (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 VTV).
183. Der Betrieb der Beklagten wird vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst. Bei den von ihren Arbeitnehmern versehenen Arbeiten handelt es sich um Trocken- bzw. Montagebauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV.
19a) Ein Betrieb wird vom Geltungsbereich der VTV erfasst, wenn in den Kalenderjahren des Anspruchszeitraums in dem fraglichen Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V des jeweils maßgeblichen VTV fallen (st. Rspr., vgl. ausf. dazu zB - Rn. 21 mwN).
20b) Das Landesarbeitsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der betriebliche Geltungsbereich der VTV nicht eröffnet ist. Die im Betrieb der Beklagten im Streitzeitraum arbeitszeitlich überwiegend durchgeführte Montage von Kühlzellen unterfällt § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV (Trocken- und Montagebau) und damit dem betrieblichen Geltungsbereich der VTV.
21aa) Nach der Rechtsprechung des Senats versteht man unter Trockenbau-arbeiten ua. die Montage industriell hergestellter Fertigteile, die nicht oder nicht wesentlich geändert als Bauteile aus verschiedenen Materialien zur Bekleidung von Außen- und Innenwänden und auch zur Errichtung von Leichtbauwänden verwendet werden. Montagebau ist die auf der Montage vorgefertigter Teile beruhende Bauweise. Montage ist das Zusammensetzen oder der Zusammenbau einzelner vorgefertigter Teile und muss sich auf ein Bauwerk beziehen. Für die Erfüllung dieses Regelbeispiels ist es erforderlich, dass industriell hergestellte, nicht oder nicht mehr wesentlich zu verändernde Fertigteile verbaut werden ( - Rn. 39 mwN; - 10 AZR 104/19 - Rn. 24 mwN).
22(1) Der Klammerzusatz in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV, der als Beispiele für Trocken- und Montagebauarbeiten den Einbau und die Verkleidung von Wänden und Decken anführt, entspricht den vorgenannten Definitionen und orientiert sich am Berufsbild des Trockenbaumonteurs. Bei der Trockenbaumontage werden industriell hergestellte Fertigteile - vor allem plattenförmige Bauteile aus verschiedenen Materialien - ohne wesentliche Veränderung dieser Teile montiert. Die Tätigkeit des Trockenbaumonteurs steht im Zusammenhang mit der Montage von Fassaden, Unterdecken, Wand- und Deckenverkleidungen und von Leichtbauwänden ( - Rn. 40 mwN; - 10 AZR 104/19 - Rn. 24 mwN).
23(2) Für die Beispielstätigkeit in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV kommt es nicht darauf an, ob die montierten Fertigteile so mit den Bauwerken verbunden wurden, dass sie bei sachgemäßer Demontage spurlos wieder entfernt werden können. Trocken- und Montagebauarbeiten im Tarifsinn erfordern keine untrennbar feste Verbindung der eingebauten Teile mit dem Bauwerk. Ebenso wenig muss es sich bei dem erstellten Werk um eine tragende Konstruktion handeln ( - Rn. 25 mwN).
24(3) Dem Berufsbild des Trockenbaumonteurs entspricht es, dass Trockenbaukonstruktionen, zB Leichtbauwände, unter Berücksichtigung des Wärme-, Kälte-, Schall-, Brand- und Strahlenschutzes für den Innen- und Außenbereich hergestellt werden (web.arbeitsagentur.de/berufenet/beruf/4289#taetigkeit_berufsbeschreibung_taetigkeitsinhalte, zuletzt abgerufen am ). Nach § 67 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom (BGBl. I S. 1102) idF der Verordnungen vom (BGBl. I S. 522) und vom (BGBl. I S. 399, BauWiAusbV) ist ua. der Aufbau von Montagewänden Teil der Abschlussprüfung und somit zu erlernende Fähigkeit im Prüfungsbereich der Trockenbaukonstruktionen als Gegenstand der Berufsausbildung. Das Herstellen von Trockenbaukonstruktionen umfasst ua.: Platten und Paneele zurichten und montieren; vorgefertigte Bauteile, insbesondere Fenster, Türen und Tragkonstruktionen montieren; umsetzbare Trennwände montieren; Fugen maschinell schließen; Konstruktionen für besondere technische Anforderungen herstellen und einbauen (Ausbildungsrahmenplan Anlage 12 [zu § 64] Nr. 8 BauWiAusbV). Hieraus folgt, dass zum Berufsbild des Trockenbaumonteurs ua. das Zurichten von Platten, Paneelen, U-Profilen etc. zählt oder auch nur das Montieren vorgefertigter Einzelteile zB zu einem Raum.
25bb) Hiernach fällt das Errichten von Kühlzellen, wie von der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend durchgeführt, unter § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV (Trocken- und Montagebauarbeiten).
26(1) Die Beklagte hat im Klagezeitraum die Kühlzellen in Trockenbaumontage errichtet. Sie hat die seitlichen Begrenzungen und somit Trennwände sowie den oberen Abschluss der Kühlräume und somit Decken errichtet. Montagearbeiten dieser Art erfüllen die Merkmale „Wandeinbau“ und „Deckeneinbau“, die in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV als Beispiele einer Montagebauarbeit ausdrücklich genannt sind (vgl. zur Montage von Reinräumen - Rn. 16). Denn unter einer Wand ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die seitliche Begrenzung, unter einer Decke der obere Abschluss eines Raums zu verstehen (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwörter „Wand” und „Decke”). Die Arbeitnehmer der Beklagten haben aus Baufertigteilen - den sog. Sandwichelementen - zunächst die Bodenplatten ausgelegt sowie hierauf aufbauend die fertig gelieferten, individuell angefertigten (Trenn-)Wände mittels eines Klicksystems oder auch mithilfe von Winkeln montiert, eine Tür eingebaut und die Fugen mit Silikon abgedichtet. Wurden die Kühlzellen ohne Boden montiert, wurde zunächst ein Boden-U-Profil auf dem vorhandenen Boden verschraubt, darauf Wände und die Decke montiert, die Tür eingebaut und die Fugen mit Silikon abgedichtet.
27(2) Die Beklagte hat auch bauwerksbezogen gearbeitet. Sie hat durch die Montage dieser Kühlzellen einen „Raum im Raum“ geschaffen und das jeweilige Gebäude dadurch verändert. Ein Raum ist ein „zum Wohnen, als Nutzraum oÄ verwendeter, von Wänden, Boden und Decke umschlossener Teil eines Gebäudes“ (www.duden.de Stichwort „Raum“, zuletzt abgerufen am ). Eine Kühlzelle wird wiederum als „ein abgeteilter, gut isolierter Raum mit Zugangstür und Kühltechnik“ (www.deutsche-thermo.de/wiki/kuehlzelle-aufbau-funktion-anwendung-und-kosten/, zuletzt abgerufen am ) bzw. als „vorgefertigte Kühlzelle aus wärmegedämmten Verbundelementen mit innenliegenden Kühlaggregaten, als Ersatz für eine Speisekammer“ (Wormuth/Schneider Baulexikon 3. Aufl. Stichwort „Kühlzelle“) definiert. Es handelt sich also um einen Nutzraum, an den bestimmte Anforderungen in Bezug auf Klima und Wärmeschutz gestellt werden (vgl. - zu II 2 a der Gründe). Dadurch wurde das vorhandene Bauwerk verändert und eine neue, weitere Nutzungsmöglichkeit eröffnet bzw. die vorgesehene Nutzung erst ermöglicht. Ein Bauwerksbezug ist auch in den Fällen gegeben, in denen die Kühlräume mit eigenem Boden und somit ohne Befestigung am vorhandenen Boden des Gebäudes errichtet wurden. Die Befestigung am Boden mithilfe von U-Profilen bewirkt keinen entscheidenden Unterschied. Denn für die Trockenbaumontage kommt es nicht darauf an, ob die zur Fertigung von Kühlräumen eingebauten Fertigteile mit den Bauwerken fest verbunden wurden und die montierten Räume bei sachgemäßer Demontage spurlos wieder entfernt werden können (vgl. - Rn. 25 mwN). Unerheblich ist auch, ob die montierten Kühlräume zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes iSv. § 94 Abs. 2 BGB gehören (vgl. - Rn. 42 mwN, BAGE 171, 247). Wird eine Kühlzelle im Außenbereich aufgestellt, ist diese selbst ein Bauwerk. Es handelt sich dann um ein auf dem Erdboden ruhendes, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestelltes Gebilde (vgl. zum Begriff des Bauwerks - Rn. 24; - 10 AZR 358/07 - Rn. 23; - 4 AZR 827/79 -; „mit dem Erdboden verbundenes aus Bauteilen hergestelltes technisches Gebilde“, Wormuth/Schneider aaO Stichwort „Bauwerk“).
28(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten unterscheidet sich die von ihr vorgenommene Montage von Kühlzellen von der Aufstellung von technischen Geräten in Bauwerken - wie einem Kühlschrank oder einem Kernspintomographen - und der Inneneinrichtung eines Gebäudes mit Möbeln.
29(a) Ein Möbelstück dient der Innenausstattung des Gebäudes. Ein Möbel ist ein „Einrichtungsgegenstand, mit dem ein Raum ausgestattet wird, damit er benutzt und bewohnt werden kann, der zum Sitzen, Liegen, Aufbewahren von Kleidung, Wäsche, Hausrat dient“ (www.duden.de Stichwort „Möbel“, zuletzt abgerufen am ). Das trifft auf eine Kühlzelle im og. Sinn nicht zu. Bei der Aufstellung eines Möbels werden keine Wände oder Decken montiert und es wird regelmäßig kein neuer Raum zur Erweiterung des Gebäudezwecks geschaffen.
30(b) Ein Kühlschrank ist ein mit einer Kältemaschine ausgestatteter schrankartiger Behälter zum Kühlen und Frischhalten von Lebensmitteln (www.duden.de Stichwort „Kühlschrank“, zuletzt abgerufen am ), ein elektrisches oder gasbetriebenes Gerät, das in einen Schrank integriert ist (www.chemie.de/lexikon/Kühlschrank.html, zuletzt abgerufen am ). Das trifft auf eine Kühlzelle im og. Sinn ebenso wenig zu. Insbesondere stellt die Beklagte nicht lediglich ein komplett fertig hergestelltes - technisches - Gerät mit integrierter Kühlung auf. Die Kühlzelle besteht vielmehr aus industriell vorgefertigten Teilen, die von den Beschäftigten der Beklagten erst montiert werden müssen. Erst diese Montagebauarbeiten ermöglichen die spätere Nutzung als Kühlzelle.
31(c) Schließlich ist eine solche Errichtung einer Kühlzelle auch nicht mit dem nichtbaulichen Aufbau einer technischen Anlage - wie einem Kernspintomographen - oder der Aufstellung von Maschinen in Gebäuden zu vergleichen.
32(aa) Der Senat hat für die Montage von Reinraumanlagen in Gebäuden entschieden, dass diese baulichen Charakter haben. Solche Montagebauarbeiten führen Bauwerke ihrem bestimmungsgemäßen Zweck zu. Reinräume sorgen für die erforderlichen oder optimalen Bedingungen an Klima, Sauberkeit und Funktionalität für Fertigungsprozesse von hochsensiblen Bauteilen oder Komponenten, dienen dem Schutz und der Sicherheit der in ihnen produzierten Teile und gewährleisten bestimmte Reinheitsklassen in den Bereichen Produktion und Forschung, insbesondere in Laboren. Ohne diese von Reinräumen garantierten Bedingungen könnten die mit Reinraumanlagen ausgestatteten Bauwerke nicht bestimmungsgemäß genutzt werden. Es wurde insoweit unterschieden zwischen der baulichen Erstellung der Teile des Bauwerks, die bestimmte Forschungs- und Fertigungsprozesse ermöglichen, und dem nichtbaulichen Aufstellen der Maschinen und Anlagen in solchen Räumen ( - Rn. 17 f.; vgl. auch zur Abgrenzung zwischen Rohrleitungsbau und Arbeiten an anderen Anlagenteilen - Rn. 26).
33(bb) Für den Aufbau und die Montage einer Hochfrequenzkabine für einen Kernspintomographen in einem Krankenhaus hat der Senat das Vorliegen einer baulichen Leistung iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV allerdings mit dem Argument verneint, die Kabine sei ein notwendiger und integraler Bestandteil des medizinischen Geräts und kein eigenständiges Bauwerk oder Bestandteil des Gebäudes. Tomograph und Hochfrequenzkabine bildeten eine notwendige technische Einheit und im Vordergrund stehe die Funktionsfähigkeit des Kernspintomographen. Ohne die Hochfrequenzkabine funktioniere der Tomograph nicht ( - Rn. 21). Zwar trifft zu, dass das Aufstellen eines - seinerseits nicht baulich geprägten - technischen Geräts einschließlich seiner Bestandteile oder die Erstellung einer entsprechenden Anlage ebenso wie Arbeiten daran regelmäßig nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich der VTV fallen (vgl. zum Umgang mit Abgrenzungsschwierigkeiten zB - Rn. 26). Soweit der Entscheidung allerdings entnommen werden kann, dass auch die isolierte Errichtung eines Raums in Trockenbauweise zur Abschirmung innerer oder äußerer Einflüsse von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV nicht erfasst wird, wird daran ausdrücklich nicht mehr festgehalten. Eine solche Sichtweise ist mit dem dargelegten Verständnis von Trockenbauarbeiten iSd. Tarifnorm unter besonderer Berücksichtigung des Berufsbilds des Trockenbaumonteurs (Rn. 24) nicht vereinbar.
34(cc) Danach hat die Beklagte im Streitzeitraum keine technischen Anlagen errichtet oder technischen Geräte aufgestellt. Die errichteten Kühlzellen sind auch kein integraler Bestandteil eines solchen technischen Geräts. Vielmehr handelt es sich - wie ausgeführt - um separat geschaffene Räume mit einer Tür, eigenen Wänden, eigener Decke und zum Teil mit eigenem Boden, die bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Dass die Kühlzellen nach ihrer Montage um das Kühlaggregat ergänzt werden, um so der gekühlten Lagerung von Ware unter bestimmten Umgebungsvoraussetzungen dienen zu können, ändert nichts.
35(dd) Die Einordnung des Landesarbeitsgerichts, bis zu einer Größe von 10 m x 10 m x 2,5 m liege ein technisches Gerät - einem großen Kühlschrank vergleichbar - vor, ist rechtsfehlerhaft. Anhaltspunkte für eine solche Größenabgrenzung ergeben sich jedenfalls nicht aus einschlägiger Fachliteratur; Quellen, die seine Annahme stützen könnten, benennt das Landesarbeitsgericht nicht. Auch kann bei einem Raum mit einer Grundfläche von bis zu 100 qm schon nach allgemeinem Verständnis nicht mehr von einem „großen Kühlschrank“ gesprochen werden. Insbesondere kann eine solche Abgrenzung aber nicht aus den Regelungen des VTV abgeleitet werden; auf die Größe der errichteten Räume kommt es danach nicht an (vgl. - Rn. 17).
364. Entgegen ihrer im Berufungsverfahren geäußerten Ansicht ist der Betrieb der Beklagten nicht aufgrund des Ausnahmetatbestands in § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen. Es liegt kein Betrieb des Klimaanlagenbaus vor.
37a) Nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV sind ua. Betriebe des Klimaanlagenbaus sowie des Zentralheizungsbauergewerbes vom Geltungsbereich der VTV ausgenommen, soweit nicht Arbeiten der in den Abschnitten IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden. Ein Betrieb iSd. Ausnahmetatbestände kann aber nur dann vorliegen, wenn in ihm arbeitszeitlich zu mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten ausgeübt werden, die einem der Tatbestände des Ausnahmenkatalogs als solche zuzuordnen sind, wobei nicht das gesamte Spektrum dieses Gewerbes abgedeckt sein muss (vgl. - Rn. 26; - 10 AZR 34/19 - Rn. 17).
38b) Es kann dahinstehen, ob im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend auch Tätigkeiten des Gewerbes „Klimaanlagenbau“ ausgeübt wurden. Dabei kann unterstellt werden, dass das Montieren von Kühlzellen auch zum Berufsbild des Mechatronikers für Kältetechnik oder des Anlagenmechanikers für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik gehört. Es läge dann eine sog. „Sowohl-als-auch-Tätigkeit“ vor. Führen aber Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die sowohl baulicher Natur als auch einem der ausgenommenen Gewerke des § 1 Abs. 2 Abschn. VII der VTV zuzuordnen sind, kommt es darauf an, welches Gepräge diese „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ dem Betrieb geben. Entscheidend ist in erster Linie der Charakter der überwiegend ausgeführten Tätigkeiten. Die Abgrenzung richtet sich insbesondere danach, ob die „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ von Fachleuten des ausgenommenen Gewerks angeleitet oder verrichtet werden. Werden sie von Fachleuten eines Baugewerbes oder von ungelernten Arbeitskräften angeleitet und durchgeführt, ist regelmäßig eine Ausnahme vom Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge abzulehnen ( - Rn. 34; - 10 AZR 34/19 - Rn. 19 mwN). Dass die hierfür darlegungsbelastete Beklagte (vgl. - Rn. 25) Fachleute der Kältetechnik oder des Klimaanlagenbaus beschäftigt, hat sie weder vorgetragen noch ergeben sich aus dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt hierfür Anhaltspunkte.
395. Die Höhe der Beiträge und die konkrete Berechnung des Klägers hat die Beklagte nicht angegriffen. Revisionsrechtlich erhebliche Fehler sind nicht zu erkennen.
406. Die erhobenen Ansprüche sind nicht verfallen oder verjährt. Sie wurden mit den Mahnbescheiden vom sowie vom rechtzeitig geltend gemacht.
41a) Nach § 24 Abs. 1 VTV 2011 und VTV 2012 sowie nach § 21 Abs. 1 VTV 2013 I bis VTV 2018 verfallen die Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die bis zum fällig geworden sind, wenn sie nicht innerhalb von vier Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht worden sind bzw. innerhalb von drei Jahren für Ansprüche, die ab dem fällig geworden sind (vgl. dazu - Rn. 41 ff.).
42b) Der Kläger hat die Beitragsansprüche innerhalb der maßgeblichen Frist anhängig gemacht.
43aa) Der älteste Beitragsanspruch für Dezember 2012 war nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV 2011 zum fällig. Der VTV 2011 ist insoweit auch trotz seines Außerkrafttretens nach § 31 Satz 2 VTV 2018 weiterhin maßgeblich, denn es kam lediglich zu einer Ablösung, nicht zu einer rückwirkenden Aufhebung des VTV 2011 (vgl. - Rn. 19). Die hier geregelte vierjährige Verfall- und Verjährungsfrist hat der Kläger mit dem Mahnantrag vom , der zugleich die weiteren im Kalenderjahr 2013 fällig gewordenen Beitragsansprüche (Januar bis November 2013) umfasste, gewahrt. Der Mahnbescheid wurde der Beklagten zwar erst am zugestellt. Die Zustellung erfolgte jedoch demnächst iSv. § 167 ZPO und wirkt daher auf den Zeitpunkt der Einreichung des Mahnantrags (- 04 Ba 4775/17 -) noch im Jahr 2017 zurück (vgl. - Rn. 35 mwN).
44bb) Die weiteren Ansprüche für die Zeit von Dezember 2013 bis September 2017, für die die vierjährige bzw. - für die Ansprüche ab Dezember 2014 - eine dreijährige Verfall- und Verjährungsfrist galt, hat der Kläger mit dem Mahnantrag vom gewahrt. Der entsprechende Mahnbescheid (- 04 Ba 0343/18 SK -) wurde der Beklagten am und somit rechtzeitig vor dem zugestellt.
45III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 iVm. § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:161122.U.10AZR183.20.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-33184