BAG Urteil v. - 10 AZR 71/23

Beitragspflicht - Sozialkassen des Baugewerbes - Zusammenhangstätigkeiten - Akquise und Vertrieb

Gesetze: § 1 TVG, § 7 Abs 1 SokaSiG, Anl 26 SokaSiG, § 5 Abs 4 TVG, § 1 Abs 2 Abschn 2 VTV-Bau vom , § 1 Abs 2 Abschn 5 Nr 37 VTV-Bau vom , § 21 Abs 1 VTV-Bau vom

Instanzenzug: ArbG Wiesbaden Az: 9 Ca 24/20 SK Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 9 Sa 341/21 SK Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu entrichten.

2Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet und verlangt von der Beklagten zuletzt Beiträge für vier gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum Januar bis November 2016 iHv. insgesamt 30.800,00 Euro. Der Kläger berechnet seine Beitragsforderung anhand der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittslöhne im Baugewerbe und der sich daraus ergebenden „Mindestbeiträge“.

3§ 1 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) enthält ua. folgende Bestimmungen:

4Die nicht originär tarifgebundene Beklagte führte im streitgegenständlichen Zeitraum ua. Trocken- und Montagebauarbeiten aus, deren arbeitszeitlicher Umfang zwischen den Parteien streitig ist.

5Der Kläger hat behauptet, die im Betrieb der Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten im streitgegenständlichen Zeitraum zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, welche zusammengerechnet mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, Trocken- und Montagebauarbeiten, dh. die Montage von genormten Baufertigteilen wie Fenster und Türen nebst den dazugehörigen Vor- und Nacharbeiten ausgeführt. Etwaige Beratungsleistungen seien den baugewerblichen Tätigkeiten als Zusammenhangstätigkeiten zuzuordnen.

6Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Interesse - beantragt,

7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, arbeitszeitlich überwiegend seien baufremde Raumausstattertätigkeiten verrichtet worden, welche dem Betrieb das Gepräge gegeben hätten. Dabei seien erhebliche Arbeitszeitanteile in Gestalt von Beratungsleistungen angefallen, die nicht zu Aufträgen geführt hätten. Auch sei ein Teil der Arbeitszeit auf Wartungsarbeiten wie das Reinigen oder Sichten der Funktionsfähigkeit von Rollläden oder Markisen ohne anschließende Reparatur entfallen.

8Der Kläger hat seine Forderungen mit dem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids anhängig gemacht. Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers nach Einvernahme weiterer Zeugen zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel - beschränkt auf den noch streitgegenständlichen Zeitraum - weiter.

Gründe

9Die zulässige Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Beitragsklage für den Zeitraum vom bis zum zu Unrecht abgewiesen. Dies führt insoweit zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts und zur Abänderung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).

10I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Beitragsklage vgl.  - Rn. 13; - 10 AZR 263/19 - Rn. 20 mwN). Der Kläger hat seine Klageforderung im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids hinreichend konkretisiert. Er hat neben der geforderten Gesamtsumme auch die Anzahl der gewerblichen Arbeitnehmer aufgeschlüsselt nach den einzelnen Monaten angegeben und diese Angaben auf der Rückseite des Mahnantrags durch Angabe der monatlichen „Mindestbeiträge“ für die gewerblichen Arbeitnehmer ergänzt. Anhand dieser Angaben kann nachvollzogen werden, wie sich die Beiträge auf die Kalendermonate verteilen und wie sich die Klageforderung in ihrer Gesamtsumme zusammensetzt (vgl.  - aaO).

11II. Die Klage ist im zuletzt maßgeblichen Umfang auch begründet. Der Kläger hat für den Zeitraum vom bis zum Ansprüche gegen die Beklagte auf Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft für vier gewerbliche Arbeitnehmer iHv. insgesamt 30.800,00 Euro. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum einen Baubetrieb iSd. VTV unterhalten. Die Arbeitnehmer der Beklagten haben arbeitszeitlich überwiegend Trocken- und Montagebauarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV) ausgeführt bzw. bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erbracht.

121. Die Pflicht der Beklagten, Beiträge in genannter Höhe zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft zu leisten, ergibt sich aus § 1 Abs. 1, Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 37, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV vom idF vom (VTV 2015), an welchen die Beklagte nach § 7 Abs. 1 iVm. der Anlage 26 SokaSiG gebunden ist. Die Bindung an den VTV 2015 folgt zudem aus § 5 Abs. 4 TVG iVm. der wirksamen Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) vom (vgl.  -). Soweit es für einen etwaigen Verfall der Ansprüche auf den VTV vom (VTV 2018) ankommt, ist die Beklagte an ihn nach § 5 Abs. 4 TVG iVm. der AVE vom  (BAnz. AT B1) gebunden.

132. Der im Saarland gelegene Betrieb unterfällt dem räumlichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 1 VTV. Die von der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer werden vom persönlichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VTV erfasst.

143. Der Betrieb der Beklagten wird vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst. Die Beklagte erbringt in ihrem Betrieb baugewerbliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 37 VTV. Bei den von ihren Arbeitnehmern ausgeführten Tätigkeiten handelt es sich um Trocken- bzw. Montagebauarbeiten sowie um sonstige bauliche Leistungen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken dienen.

15a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fällt ein Betrieb als Ganzes unter den Geltungsbereich der VTV, wenn im Kalenderjahr des Anspruchszeitraums in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt wurden, die unter § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V des jeweiligen VTV fallen. Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinn erbracht, sind ihnen auch diejenigen Nebenarbeiten zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (st. Rspr., zB  - Rn. 21; - 10 AZR 362/19 - Rn. 19, BAGE 176, 360).

16b) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt dem Kläger. Sein Sachvortrag ist schlüssig, wenn er Tatsachen vorträgt, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich der VTV erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 VTV zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen (st. Rspr., zB  - Rn. 18 mwN, BAGE 174, 35). Dem Arbeitgeber obliegt es sodann, sich nach § 138 Abs. 2 ZPO zu dem schlüssigen Tatsachenvortrag des Klägers zu der Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs zu erklären. Regelmäßig trifft ihn die Last des substantiierten Bestreitens, weil der Kläger außerhalb des Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber sie kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind ( - Rn. 23 mwN; - 10 AZR 959/13 - Rn. 30, BAGE 149, 84).

17c) Nach der schlüssigen Darlegung des Klägers, die vom Ergebnis der Beweisaufnahme gestützt wird, erbrachten die Arbeitnehmer der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 37 VTV. Dies ist unzweifelhaft hinsichtlich der Montage von genormten Fenstern und Türelementen sowie Rollläden und Markisen einschließlich deren Reparatur nebst den damit zusammenhängenden Arbeiten zur Überprüfung ihrer Funktionsfähigkeit. Bei der Montage von genormten Bauelementen handelt es sich um Trocken- und Montagebauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV, bei den übrigen Arbeiten um sonstige bauliche Tätigkeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. II VTV). Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts sind aber auch die vom Zeugen K erbrachten erfolglosen Akquise- und Beratungstätigkeiten sowie die vom Zeugen S ausgeführten Lagertätigkeiten als notwendige Zusammenhangstätigkeiten hinzuzurechnen. Dies kann der Senat - da alle notwendigen Feststellungen getroffen sind - selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

18aa) Nach der Rechtsprechung des Senats versteht man unter Trockenbauarbeiten ua. die Montage industriell hergestellter Fertigteile, die nicht oder nicht wesentlich geändert als Bauteile aus verschiedenen Materialien zur Bekleidung von Außen- und Innenwänden und auch zur Errichtung von Leichtbauwänden verwendet werden. Montagebau ist die auf der Montage vorgefertigter Teile beruhende Bauweise. Montage ist das Zusammensetzen oder der Zusammenbau einzelner vorgefertigter Teile und muss sich auf ein Bauwerk beziehen. Für die Erfüllung dieses Regelbeispiels ist es erforderlich, dass industriell hergestellte, nicht mehr wesentlich zu verändernde Fertigteile verbaut werden ( - Rn. 21 mwN). Danach ist das Tätigkeitsbeispiel „Trocken- und Montagebauarbeiten“ in § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV beim Einbau vorgefertigter Türen und Fenster erfüllt (vgl. auch  - Rn. 20; - 10 AZR 523/09 - Rn. 10; - 10 AZR 576/05 - Rn. 18, BAGE 120, 1). Der Kläger hat schlüssig dargelegt, dass die Arbeitnehmer der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum vorgefertigte, genormte und vor ihrer Montage nicht oder nicht wesentlich veränderte Fenster und Türen eingebaut und die zugehörigen Vor- und Nacharbeiten erbracht haben, was die von den Vorinstanzen vernommenen Zeugen bestätigt haben. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass die montierten Fenster oder Türen von ihr angefertigt oder vor ihrer Montage wesentlich verändert worden sind (zu diesem Aspekt vgl.  - Rn. 23 f.).

19bb) Etwaige Reparatur- und Wartungsarbeiten an Fenstern und Türen in Gebäuden, wie sie insbesondere von den Zeugen B und K vorgenommen wurden, stellen jedenfalls bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV dar. Gleiches gilt für die Montage von Rollläden und Markisen sowie deren Reparatur, sofern es sich bei diesen Bauteilen nicht ohnehin um genormte Elemente handelt, deren Anbringung unter den Begriff der Montagebauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV fällt.

20(1) § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erfasst Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Darunter sind alle Arbeiten zu verstehen, die irgendwie - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung oder Instandhaltung von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, sodass diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können. Die Tarifvertragsparteien wollten nicht nur das Bauhauptgewerbe erfassen, sondern auch das sog. Baunebengewerbe. Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Arbeiten baulich geprägt sind. Das ist der Fall, wenn sie nach Herkommen und Üblichkeit oder nach den verwendeten Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes ausgeführt werden (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 31, BAGE 175, 240).

21(2) Reparatur- und Servicearbeiten an Fenstern und Türen dienen dazu, das Bauwerk instand zu halten, an dem sie ausgeführt werden (vgl.  - Rn. 29). Unter Instandsetzung ist dabei die Wiederherstellung der bestimmungsgemäßen Benutzbarkeit des Bauwerkes zu verstehen ( - zu II 3 e der Gründe). Die Montage einer Markise verändert ein Gebäude nach den Wünschen des Bauherrn ( - aaO; - 10 AZR 337/18 - Rn. 60, BAGE 171, 247). Dies gilt auch für Rollläden, welche dem Sonnen- und Sichtschutz der inneren Gebäudeteile dienen. Werden derartige Leistungen durch die Beklagte erbracht, erfolgt dies auch „nach ihrer betrieblichen Einrichtung“ iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Beklagte bei den Montage- und Reparaturarbeiten Materialien, Werkzeuge und Arbeitsmethoden des Trocken- und Montagebaus verwendet hat. Im Übrigen wäre das Merkmal auch dann erfüllt, wenn die Beklagte für die Arbeiten ausschließlich Materialien, Werkzeuge und Arbeitsmethoden eines der in § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV genannten Betriebe des Ausbaugewerbes verwendet haben sollte (vgl.  - Rn. 43).

22cc) Anders als von der Beklagten und dem Landesarbeitsgericht angenommen, sind jedoch auf die vorgenannten baulichen Tätigkeiten gerichtete Beratungs- und Vertriebstätigkeiten - unabhängig davon, ob sie erfolgreich waren und zu Aufträgen geführt haben - als Zusammenhangstätigkeiten hinzuzurechnen, da sie einem baugewerblichen Zweck dienen. Gleiches gilt für die vom Zeugen S nach dessen Aussage ausgeführten Lagerarbeiten.

23(1) Unter Zusammenhangstätigkeiten werden Vor-, Neben-, Nach- und Hilfsarbeiten verstanden, die den eigenen baulichen Haupttätigkeiten dienen, zu ihrer sachgerechten Ausführung notwendig sind und nach der Verkehrssitte üblicherweise von den Betrieben des Baugewerbes miterledigt werden ( - Rn. 36 mwN, BAGE 176, 360). Dabei ist grundsätzlich eine eigene baugewerbliche Haupttätigkeit erforderlich, damit eine Zusammenhangstätigkeit hinzugerechnet werden kann. Ein Betrieb, der ausschließlich Zusammenhangstätigkeiten versieht, ohne dass er zugleich baugewerbliche Arbeiten ausführt oder ihm baugewerbliche Tätigkeiten beispielsweise eines Subunternehmers zuzuordnen sind, unterfällt nicht dem betrieblichen Geltungsbereich der VTV. Hingegen ist nicht erforderlich, dass die bauliche Haupttätigkeit die Zusammenhangstätigkeit arbeitszeitlich überwiegt ( - Rn. 40 f., aaO). Die Haupttätigkeit bestimmt sich nach dem mit dem Betrieb verfolgten Zweck. Für die den Betrieb prägende Zweckbestimmung ist der Zweck der Gesamtleistung entscheidend. Die Zweckbestimmung richtet sich nicht allein nach den zeitlichen Anteilen der einzelnen Tätigkeiten an der Gesamtarbeitszeit ( - Rn. 32 mwN, BAGE 175, 240).

24(2) Der Zweck der Gesamtleistung des Betriebs der Beklagten bestand nach dem schlüssigen Vorbringen des Klägers, welches durch das Ergebnis der Beweisaufnahme gestützt wird, im Einbau von angelieferten Fenstern und Türen sowie Rollläden und Markisen und in deren Instandsetzung bzw. Reparatur. Diesem Zweck dienten die erforderliche Kundenakquise und Kundenberatung im streitgegenständlichen Zeitraum ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Vertriebsbemühungen ebenso wie die Lagerarbeiten. Hierbei handelt es sich um notwendige Zusammenhangstätigkeiten.

25(a) Auch typische Vertriebstätigkeiten wie die Kundenakquise und Kundenberatung können baulichen Charakter haben, wenn sie mit eigenen baulichen Tätigkeiten im Zusammenhang stehen oder - wie es § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 4 VTV vorsieht - ausschließlich oder überwiegend für einen Betrieb des Baugewerbes versehen werden (vgl.  - Rn. 37, BAGE 175, 240). Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Kundenakquise der Unterbreitung eines entsprechenden Angebots und der anschließenden Durchführung baugewerblicher Leistungen dient.

26(b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten ist für die Einordnung der vom Zeugen K durchgeführten Tätigkeiten der Kundenberatung und Akquise als Zusammenhangstätigkeiten im vorstehenden Sinn nicht erforderlich, dass diese zu einer Beauftragung der Beklagten mit der Durchführung baulicher Leistungen geführt haben (zutreffend  SK -). Hierauf stellen die Tarifvertragsparteien nicht ab. Eine derartige Betrachtung widerspräche auch der maßgeblichen Ausrichtung am Zweck der jeweiligen Tätigkeit, welcher nicht vom Arbeitsergebnis oder einer bestimmten Erfolgsquote abhängig ist.

27(c) Soweit die Beklagte erstmals in der Erwiderung auf die Revision und zudem ohne nähere Substanz vorträgt, die Verkaufsbemühungen des Zeugen K hätten sowohl Türen und Fenster mit Montageleistungen als auch zur Selbstmontage betroffen, kann sie damit in der Revisionsinstanz nicht gehört werden (§ 559 Abs. 1 ZPO). Derartiges folgt auch nicht aus den protokollierten Zeugenaussagen, welche Grundlage für die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind. Daraus ergibt sich vielmehr, dass der Zeuge K den Anteil der verkauften Markisen und Fenster zur Selbstmontage auf lediglich 1 % - und damit von völlig untergeordneter Bedeutung - geschätzt hat.

28(d) Hinsichtlich der Lagerarbeiten rügt die Revision zu Recht, dass das Landesarbeitsgericht von den insgesamt zwölf Beschäftigungsmonaten des Zeugen S im Kalenderjahr 2016 nur 2,4 Monate als arbeitszeitlichen Anteil baugewerblicher Tätigkeiten in seine Bewertung eingestellt hat, ohne sich mit der Bewertung der Aussage durch das Arbeitsgericht zu befassen oder seine Entscheidung näher zu begründen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind die vom Zeugen nach dessen Aussage durchgeführten Lagerarbeiten bei zutreffender Bewertung als Zusammenhangstätigkeiten zur dargelegten baulichen Haupttätigkeit anzusehen. Tätigkeiten zur Bewirtschaftung eines Lagers dienen im Regelfall der Vorratshaltung von Betriebsmitteln, die für die gewerbliche Tätigkeit benötigt werden. Ein anderer Zusammenhang ist - worauf die Beklagte bereits durch das Arbeitsgericht in der mündlichen Verhandlung am hingewiesen worden ist - weder von der Beklagten vorgetragen noch erkennbar.

29dd) Danach ergibt sich bereits unter Zugrundelegung des Sachvortrags beider Parteien ein deutliches Überwiegen der vom Betrieb der Beklagten ausgeführten baulichen Tätigkeiten im Kalenderjahr 2016. Auch unter Einbeziehung der von den Vorinstanzen durchgeführten Beweisaufnahme zeigt sich jedoch kein anderes Ergebnis. Werden die zeitlichen Anteile der vom Zeugen K angegebenen Beratungs- und Vertriebstätigkeit und der vom Zeugen S angegebenen Lagertätigkeit in vollem Umfang als baulich gewertet, ergibt sich auf Basis der vom Landesarbeitsgericht in der Summe zutreffend ermittelten 62,5 Beschäftigungsmonate (sog. Mannmonate) ein Anteil der im Betrieb erbrachten baulichen Leistungen an der Gesamtarbeitszeit von 70,6 %. Zu den vom Landesarbeitsgericht als baulich gewerteten 28,27 Beschäftigungsmonaten kommen jedenfalls weitere 6,25 Monate für den Zeugen K und weitere 9,6 Monate für den Zeugen S hinzu, womit sich insgesamt mindestens 44,12 Mannmonate ergeben, die als arbeitszeitlicher Anteil baulicher Tätigkeit zu werten sind. Auf die tarifliche Zuordnung der von den Zeugen B und K ausgeführten Wartungsarbeiten, die das Landesarbeitsgericht zu Ungunsten des Klägers ohne nähere Feststellungen von der als baugewerblich bewerteten Arbeitszeit in Abzug gebracht hat, kommt es nicht mehr an.

304. Die Ansprüche sind auch der Höhe nach begründet. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Kläger berechtigt, die geschuldeten Beiträge mit einer entsprechenden Durchschnittsbeitragsklage geltend zu machen (zuletzt zB  - Rn. 34 mwN). Die Berechnung des Klägers hat die Beklagte nicht angegriffen, diese ist auch nicht zu beanstanden.

315. Die Beitragsansprüche sind nicht verfallen. Für die streitgegenständlichen Ansprüche gilt nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV 2018 eine Verfallfrist von drei Jahren, da die erhobenen Beiträge nach dem fällig geworden sind (vgl.  - Rn. 41 ff.). Der älteste Beitragsanspruch für Januar 2016 war nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VTV 2015 zum 20. Kalendertag des Folgemonats fällig. Nach § 21 Abs. 1 Satz 3 VTV 2018 iVm. § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Frist in Ermangelung weiterer Anhaltspunkte für eine spätere Kenntnis mit dem . Ein Verfall der Ansprüche für die Monate Januar bis November 2016 konnte daher gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB frühestens zum eintreten. Nach § 21 Abs. 1 Satz 4 VTV 2018 wird der Verfall auch gehemmt, wenn die Ansprüche rechtzeitig bei Gericht anhängig gemacht werden. Mit dem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Mahnantrag hat der Kläger die Beitragsansprüche fristwahrend anhängig gemacht.

32III. Die Kostenentscheidung folgt für die Vorinstanzen aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und für die Revision aus § 91 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:181023.U.10AZR71.23.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 435 Nr. 8
IAAAJ-58051